Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.03.2010 - 22 ZB 09.1785
Fundstelle
openJur 2012, 106551
  • Rkr:
Tenor

I. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II. Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zur Hälfte.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Anträge auf Zulassung der Berufung haben keinen Erfolg. Die insofern maßgeblichen Darlegungen der Kläger (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) rechtfertigen die Zulassung der Berufung nicht. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ergeben sich aus den Darlegungen der Kläger nicht. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den Beklagten als nicht verpflichtet angesehen hat, die gegenüber dem Anwesen der Kläger befindliche gemeindeeigene öffentliche Verkehrsfläche der Beigeladenen nicht mehr für die Aufstellung von Wertstoffcontainern zur Verfügung zu stellen. Soweit das Verwaltungsgericht ein Abwehrrecht der Klägerin zu 2 als Grundstückseigentümerin aufgrund möglicherweise drittschützender Regelungen des Bebauungsplans „A…straße“ verneint hat, wird dies vom Zulassungsvorbringen nicht angegriffen. Das Zulassungsvorbringen leitet die Unrichtigkeit des Urteils daraus ab, dass das Verwaltungsgericht die Frage der sachgerechten Standortauswahl durch den Beklagten nicht in zutreffender Weise überprüft und die Erheblichkeit der Immissionsbelastung für die Kläger fehlerhaft beurteilt habe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Das Verwaltungsgericht ist im Zusammenhang mit der Prüfung des öffentlich-rechtlichen Immissionsabwehranspruchs (§ 1004 BGB analog) bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit der Kläger (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BImSchG) zu Recht davon ausgegangen, dass Wertstoffsammelcontainer als sonstige untergeordnete Einrichtungen im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, die dem Nutzungszweck des Baugebiets dienen und seiner Eigenart nicht widersprechen, auch in einem reinen Wohngebiet als sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung zulässig sind und die mit deren bestimmungsgemäßer Nutzung verbundenen Beeinträchtigungen - vorwiegend Geräusche - von den Nachbarn grundsätzlich hinzunehmen sind (vgl BayVGH vom 25.6.1997 - Az. 22 B 94.2065 und BVerwG vom 3.5.1996 NVwZ 1996, 1001). Es hat dabei zu Gunsten der Kläger unterstellt, dass das Wohnhaus der Kläger in einem reinen Wohngebiet nach § 3 BauNVO liegt (vgl. S. 12 des Urteils), ist also entgegen dem Vortrag der Kläger nicht von der Schutzwürdigkeit eines in einem Mischgebiet gelegenen Wohnhauses ausgegangen. Bezogen auf den gemäß Nr. 6.1 Buchst. e der TA Lärm für reine Wohngebiete zulässigen Immissionsrichtwert von tagsüber 50 dB (A) hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Gutachten des T… vom 23. März 2009 angenommen, dass an Tagen, an denen keine Container-Entleerungen erfolgen, der maßgebliche Immissionsrichtwert sicher eingehalten bzw. sogar um 3 dB (A) unterschritten wird (S. 12 des Urteils) und dieser auch dann noch eingehalten wird, wenn täglich bis zu zwei Container-Entleerungen der Fraktionen Blech/Alu, Papier und Getränkeverpackungen stattfinden (S. 14 des Urteils). Die Behauptung der Kläger, im T…-Gutachten sei eine Überschreitung der zulässigen Werte der TA Lärm festgestellt worden, bezieht sich richtigerweise nur auf Tage, an denen die Glascontainer mittels Entsorgungs-Lkw entleert werden; dies hat das Verwaltungsgericht auch beachtet und bei seiner auf den konkreten Fall bezogenen Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen für die Kläger eingestellt (S. 13 f. des Urteils). Entgegen der Ansicht der Kläger musste das Verwaltungsgericht dabei nicht vom Immissionsort „Grundstücksgrenze“ ausgehen. Die Bevollmächtigten des Beklagten und der Beigeladenen weisen zu Recht darauf hin, dass nach Nr. 2.3 i.V.m. Anhang A 1.3 der TA Lärm der maßgebliche Immissionsort für die Ermittlung der Immissionen bei bebauten Flächen 0,5 m außerhalb vor der Mitte des geöffneten Fensters des vom Geräusch am stärksten betroffenen schutzbedürftigen Raumes nach DIN 4109, Ausgabe November 1989, liegt. Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar, aus welchen Gründen vorliegend entgegen der Vorgabe in der TA Lärm von einem konkreten anderen maßgeblichen Immissionsort auszugehen sein sollte. Der weitere Einwand im Zulassungsvorbringen, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Schutzwand hinter den Containern den Lärmpegel ansteigen lasse, entspricht ersichtlich nicht den Tatsachen. Im T…-Gutachten ist hierzu ausgeführt, dass die hinter den Containern errichtete Holzwand bezüglich der am Wohnhaus der Kläger wirksamen Geräuschimmissionen keinen relevanten Einfluss hat (S. 17 des Urteils). Soweit die Kläger einwenden, entgegen den Aussagen der Beigeladenen und dem Verwaltungsgericht würden die Container nicht alle drei Wochen, sondern drei Mal pro Woche geleert, hat das Verwaltungsgericht zu Recht unterschieden zwischen der besonders lärmintensiven Entleerung der Glascontainer und der Entleerung der Container der Fraktionen Blech/Alu, Papier und Getränkeverpackungen, die nicht besonders lärmintensiv ist (S. 13/14 des Urteils). Die Auskunft der Beigeladenen, die Container würden etwa dreiwöchig geleert, bezieht sich ersichtlich nur auf die besonders lärmintensive Entleerung der Altglascontainer (S. 13 des Urteils). Das Verwaltungsgericht ist angesichts der großen Zeitabstände zwischen den die maßgeblichen Lärmwerte der TA Lärm ausschließlich überschreitenden Glascontainer-Entleerungen zu dem Ergebnis gelangt, dass der Lärm, der mit der Nutzung der Container verbunden ist, insgesamt als sozialadäquat und damit zumutbar für die Kläger zu beurteilen ist (S. 14 des Urteils).

Soweit die Kläger darauf verweisen, dass die Lärmimmissionen dadurch vermeidbar seien, dass die Container an einer anderen Stelle aufgestellt oder geräuschärmere, dem Stand der Technik entsprechende Container verwendet würden, kann dies ihrem Begehren schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil ein Nachbar, der sich gegen Immissionen der hier vorliegenden Art zur Wehr setzt, lediglich beanspruchen kann, vor schädlichen Umwelteinwirkungen bewahrt zu werden. § 22 Abs. 1 BImSchG bietet ebensowenig wie § 906 Abs. 1 BGB eine Handhabe dafür, Geräuschimmissionen unterhalb der Schwelle der Erheblichkeit abzuwehren, selbst wenn nach dem Stand der Technik Lärmminderungsmaßnahmen möglich wären oder sich die Beeinträchtigung dadurch gänzlich vermeiden ließe, dass für die Container ein anderer Standort gewählt würde (vgl. BVerwG vom 3.5.1996 NVwZ 1996, 1001; BayVGH vom 25.6.1997 - Az. 22 B 94.2065).

Zwar mag davon auszugehen sein, dass bei einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren willkürlichen oder für die Kläger gezielt ungünstigen Standortwahl wegen der die Immissionsrichtwerte der TA Lärm überschreitenden Altglascontainer-Entleerungen die Zumutbarkeitsschwelle für die Kläger überschritten wäre. Für eine solche Annahme ist jedoch nichts Hinreichendes dargetan. Das Verwaltungsgericht hat die konkrete Standortwahl des Beklagten untersucht, aber weder Anhaltspunkte dafür gefunden, dass diese Entscheidung willkürlich oder gezielt ungünstig gewesen wäre oder sich ein anderer Standort gerade auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Anlieger als besser geeignet aufgedrängt hätte (S. 15 f. des Urteils). Dies wird durch das Zulassungsvorbringen nicht in Frage gestellt. Soweit in diesem Zusammenhang pauschal auf die ausführlichen Schreiben der Kläger in erster Instanz verwiesen wird, fehlt es bereits an der gemäß § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderlichen Darlegung; eine Verweisung auf das Vorbringen in der ersten Instanz reicht hierfür nicht aus (vgl. BayVGH vom 18.1.2008 - Az. 22 ZB 07.15 m.w.N.). Soweit geltend gemacht wird, die Verlegung des Containerstandorts im Jahre 2003 auf den jetzigen Standort sei zum Nachteil der Kläger erfolgt, ist nicht ersichtlich, dass dies gezielt zu Ungunsten der Kläger geschehen ist bzw. die Beibehaltung des bisherigen Standorts sich aufgedrängt hätte. Das Verwaltungsgericht verweist in seinem Urteil auf den Schriftsatz des Beklagten vom 20. Oktober 2008, in dem die Standortwahl nochmals begründet worden ist. Dort ist ausgeführt, nach welchen Kriterien - Standortgröße, Standortbeschaffenheit, Anfahrbarkeit für das Entsorgungsfahrzeug, zu erwartende straßenverkehrsrechtliche Beeinträchtigungen, Sicherheitsabstände, Einverständnis des Grundeigentümers, Mindestabstand zur Wohnbebauung, Abstände zu den jeweiligen Wohngebäuden - die Standortwahl getroffen bzw. überprüft wurde. Die Kläger zeigen nicht auf, dass andere Standorte im sog. „P…gebiet“, in dem die Kläger wohnen, besser geeignet sein könnten als der jetzige Standort bzw. inwieweit die angelegten Kriterien nicht angemessen wären. Auch soweit darauf hingewiesen wird, dass durch die Verlegung des Standorts im Hinblick auf den höheren Verkaufserlös für zwei Baugrundstücke die Gemeinde begünstigt worden sei, wird nicht aufgezeigt, dass trotz der zulässigen Bebauung dieser Baugrundstücke die dortigen Anlieger bei einer Beibehaltung des früheren Standorts weniger beeinträchtigt wären als die Kläger, etwa weil deren Wohnhäuser weiter vom früheren Containerstandort entfernt liegen. Soweit die Kläger auf andere mögliche Standorte - insbesondere außerhalb des „P…gebiets“ - verweisen, handelt es sich nicht um mögliche Alternativstandorte im maßgeblichen Wohngebiet. Nach den Ausführungen des Beklagten im Schreiben vom 20. Oktober 2008 kann auf einen Containerstandort im topographisch höhergelegenen „P…gebiet“ nicht verzichtet werden. Wie die Anlage 2 zu dem oben genannten Schreiben zeigt, gibt es im Ortskernbereich insgesamt zehn Containerstandorte. Das „P…gebiet“ liegt ganz im Osten des Ortskerns. Schon deshalb erscheint nachvollziehbar, dass der Beklagte auch in diesem Gebiet einen eigenen Containerstandort erhalten will. Da das Ziel der Aufstellung derartiger Container in Wohngebieten gerade deren fußläufige Erreichbarkeit für die betroffenen Bewohner sein soll, kann es nicht darauf ankommen, dass Standorte in anderen Gebieten direkt auf dem Fahrweg zu Einkaufsmöglichkeiten liegen. Die Kläger haben demnach auch nicht dargelegt, dass ein anderer Standort im betroffenen Gebiet gerade auch unter Berücksichtigung des Schutzes der Anlieger sich als besser geeignet aufgedrängt hätte.

Die Kläger haben auch nichts dafür vorgetragen, dass der bei den besonders störenden Altglascontainer-Entleerungen entstehende Lärm durch zusätzliche technische Verbesserungen verringert werden könnte.

2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zu. Im Zulassungsvorbringen werden keine noch zu klärenden abstrakten Rechtsfragen von fallübergreifendem Gewicht genannt. Wie oben ausgeführt, stellt die TA Lärm nicht auf Grundstücksgrenzen, sondern auf die Bebauung als maßgeblichen Immissionsort ab. Die Frage, ob es sich bei dem Baugebiet, in dem die Kläger wohnen, um ein Wohngebiet oder ein Mischgebiet handelt, stellt sich - unabhängig davon, dass dies eine Frage des konkreten Einzelfalls wäre - schon deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht zu Gunsten der Kläger von einem reinen Wohngebiet ausgegangen ist. Auf den Umstand, dass die streitgegenständlichen Container nicht (in jeder Hinsicht) den behördlichen Vorgaben entsprechen, kommt es - wie bereits ausgeführt - nicht entscheidungserheblich an.

Kosten: § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO.

Streitwert: § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG (vgl. BayVGH vom 3.8.2009 -Az. 22 C 09.1711).