OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05.09.2012 - 14 E 848/12
Fundstelle
openJur 2012, 87802
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Klä-ger.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens 9 K 1615/11 vor dem Verwaltungsgericht Arnsberg ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Gewährung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, da die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Erfolg der Klage spricht. Das ist schon dann zu bejahen, wenn der Erfolg von der Klärung schwieriger Rechtsfragen oder der Ermittlung weiterer Tatsachen abhängt. Das ist hier nicht der Fall.

Der Vortrag des Klägers, ihm seien die Regelungen der Prüfungsordnung zum Rücktritt von der Prüfung unbekannt, hier § 22 der Einheitlichen Regelungen für Prüfungen in den Studiengängen des Fachbereichs Elektrotechnik und Informatik an der Beklagten vom 27. Juni 2006 (ERP), kann keine hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage begründen. Grundsätzlich gehört es zu den Obliegenheiten eines Prüflings, sich über die rechtlichen Vorgaben des Prüfungsablaufs zu informieren.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 14. November 2011 14 E 1222/11 , S. 4 des amtl. Umdrucks.

Jedem Prüfling ist es zumutbar, von der einschlägigen Prüfungsordnung Kenntnis zu nehmen.

Vgl. Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl., Rn. 145.

Der Umstand, dass der Kläger Ausländer ist, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Wenn sich der Kläger entschließt, an einer ausländischen Universität zu studieren, hat er um so mehr Veranlassung, sich mit den möglicherweise für seinen Kulturkreis unvertrauten Regeln bekannt zu machen.

Die hier maßgebliche Regelung des § 22 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ERP schreibt vor, dass die für den Rücktritt geltend gemachten Gründe dem Prüfungsausschuss innerhalb von fünf Arbeitstagen schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht werden müssen. Bei Krankheit des Kandidaten ist ein ärztliches Attest vorzulegen. Diese Regelungen erscheinen wirksam. Es ist Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist. Allerdings wird man dem Prüfling nicht zumuten können, noch im Verlauf der mündlichen Prüfung zurückzutreten, sobald er die Gesundheitsbeeinträchtigung bemerkt. Eine Rücktrittserklärung hat erheblich größeres Gewicht als beispielsweise ein bloßer Hinweis auf eine Beeinträchtigung des Prüfungsverfahrens etwa durch Lärmbelästigungen, wie er vom Prüfling auch während einer Prüfung verlangt werden kann, denn sie hat einschneidende rechtliche Konsequenzen (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 ERP: Bewertung mit "nicht bestanden", nur bei Anerkennung der Gründe durch den Prüfungsausschuss Annullierung der Prüfungsanmeldung). Eine solche Erklärung bedarf der Überlegung, für die während des Laufs einer unter Zeitdruck stehenden Prüfung keine ausreichende Gelegenheit ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 1993 6 C 28.92 , NVwZ-RR 1994, 442 (443); Urteil vom 7. Oktober 1988 7 C 8.88 , NJW 1989, 2340 (2341).

Dennoch besteht an einer zeitnahen Mitteilung der Rücktrittsgründe (hier also binnen fünf Arbeitstagen) trotz Zulässigkeit des Rücktritts nach der Prüfung und der zugleich erfolgten Mitteilung des Prüfungsergebnisses ein legitimes Interesse der Beklagten. Solange die behaupteten Krankheitssymptome noch vorliegen, kann der Prüfungsausschuss für die Entscheidung über die Anerkennung der Gründe weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben. Unberechtigte nachträgliche Rücktritte gefährden nämlich die Wahrung der Chancengleichheit, so dass der Erforschung des wahren Sachverhalts auch im allgemeinen Interesse der Ordnungsgemäßheit des Prüfungsverfahrens besondere Bedeutung zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil von 13. Mai 1998 6 C 12.98 , NVwZ 1999, 188 (189 f.); Beschluss vom 27. Januar 1994 6 B 12.93 , DVBl. 1994, 640; Beschluss vom 3. Januar 1994 6 B 57.93 , Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 327, S. 2 f.; Urteil vom 7. Oktober 1988 7 C 8.88 , NJW 1989, 2340 (2342).

Hier hat der Kläger die für den Rücktritt von der Prüfung am 21. Dezember 2010 geltend gemachten Gründe nicht binnen fünf Arbeitstagen schriftlich angezeigt und glaubhaft gemacht. Vielmehr hat er nach Ergehen des Prüfungsbescheides vom 22. Dezember 2010 dagegen unter dem 20. Januar 2011 lediglich Widerspruch erhoben, den er mit Begründung in englischer Sprache vom 31. Januar 2011 näher begründet hat. Erst hier macht er eine prüfungsrelevante Krankheit geltend, allerdings im Zusammenhang mit einer von ihm ohne Begründung erbetenen und nicht gewährten zwei- bis dreiminütigen Pause. Das eingereichte ärztliche Attest vom 26. Januar 2011 verhält sich nicht zum Gesundheitszustand des Klägers am Prüfungstag, sondern attestiert lediglich die Dauererkrankungen und -beschwerden des Klägers. Der Gesundheitszustand des Klägers am Prüfungstag dürfte sich daher wegen des in diesem Punkte verspäteten Reagierens des Klägers nicht mehr zuverlässig aufklären lassen. Genau dies sucht die Prüfungsordnung mit der genannten Bestimmung zu verhindern. Es besteht daher keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, dass der Prüfungsausschuss die frühestens mit der Begründung vom 31. Januar 2011 geltend gemachten Rücktrittsgründe anzuerkennen hat, die Anmeldung zur Prüfung zu annullieren ist und deshalb der Kläger entgegen dem angefochtenen Bescheid noch einen Anspruch auf eine Wiederholungsprüfung hat.

Im Übrigen wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.