OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31.08.2012 - 15 A 1489/12
Fundstelle
openJur 2012, 87652
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 2.617,54 Euro festgesetzt.

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.

Aus den mit dem Zulassungsvorbringen dargelegten Gründen ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird, wobei es zur Darlegung (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) dieses Berufungszulassungsgrundes ausreicht, wenn die Begründung einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2000 - 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163 f; OVG NRW, Beschlüsse vom 14. Februar 2012 - 15 A 41/12 -, vom 13. April 2010 - 15 A 2914/09 -, vom 25. September 2008 - 15 A 3231/07 -, vom 9. September 2008 15 A 1791/07 - und vom 28. August 2008 - 15 A 1702/07 -; Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 124 Rn. 75 m. w. N.

Derartige Zweifel zeigt die Antragsbegründung nicht auf.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Aufwendungen für die im Bebauungsplan festgesetzten Ausgleichsflächen vorliegend mangels wirklichkeitsgerechter Kostenermittlung nicht zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand (§§ 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 130 Abs. 1 BauGB) für die erstmalige Herstellung der F. -E. -Straße zählen. Denn die Beklagte habe dem Eingriff in die Natur, der mit dem Ausbau der Erschließungsanlage verbunden sei, weder eine konkrete Ausgleichsmaßnahme im Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet noch sonstige Kriterien festgelegt, mit deren Anwendbarkeit Kosten von Ausgleichsflächen der genannten Straße hätten zugeordnet werden können.

Der dagegen von der Beklagten im Wesentlichen vorgetragenen Einwand, die Kosten der Ausgleichsmaßnahmen seien für die Verkehrsflächen und für die Wohnbauflächen im Form eines Sammelausgleichs zugeordnet, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei um eine dem Erschließungsbeitragsrecht fremde Verfahrensweise handele, die sich an die schon aus gesetzessystematischen Gründen im Erschließungsbeitragsrecht nicht einschlägigen Kostenerstattungsregelungen nach den §§ 135a bis 135c BauGB anlehne.

Grundsätzlich rechnen zwar auch Aufwendungen, die die Gemeinde zum Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft erbringen muss, zu den Kosten der erstmaligen Herstellung der Erschließungsanlage im Sinne des § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB, weil diese rechtlich ohne Kompensation des Eingriffs in Natur und Landschaft nicht gebaut werden darf. Regelmäßig werden die Ausgleichsflächen nach den §§ 1a Abs. 3 und 9 Abs. 1a BauGB an anderer Stelle als am Ort des Eingriffs festgesetzt. Da nach Maßgabe der §§ 127 ff. BauGB der Gemeinde ausschließlich die ihr tatsächlichen entstandenen Kosten für die Erschließungsanlage erstattet werden können, können die Kosten für die Ausgleichsmaßnahmen aber nur dann als Herstellungskosten in Ansatz gebracht werden, wenn sie in erkennbarer Weise einer bestimmten Erschließungsanlage zugeordnet werden können. Das trifft insbesondere zu, wenn eine konkrete Ausgleichsmaßnahme durch die Festsetzung im Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 1a BauGB der in Rede stehenden Straße zugeordnet ist. In einem solchen Fall sind Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahme bekannt; deshalb kann auch der entsprechende Aufwand ermittelt werden.

Vgl. Birk, Die Kostenerstattung bei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen, VBlBW 1998, 81 (85); Vogel, in: Brügelmann, BauGB, Stand: Mai 2012, § 128 Rn. 57; Driehaus, in: Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl., Stand: Juli 2012, § 128 Rn. 41; ders., Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 13 Rn. 57. Siehe auch BVerwG, Urteil vom 23. August 1990 - 8 C 4.89 -, BVerwGE 85, 306 (310) = juris Rn. 16.

Eine derartige Zuordnung ist vorliegend im hier maßgebenden Bebauungsplan Nr. 160 "G. -C. -Straße" in der Gestalt seiner ersten Änderung (Bebauungsplan Nr. 160/1) nicht festgesetzt. In Nr. B. 9. der textlichen Festsetzungen werden Ausgleichsflächen vielmehr ohne jegliche Differenzierung sämtlichen Wohnbaugrundstücken und allen zusätzlichen öffentlichen und privaten Verkehrsflächen im Plangebiet zugeordnet. Das genügt nicht den oben dargestellten Anforderungen. Auf diese Weise lässt sich der tatsächliche Aufwand nicht hinreichend konkret ermitteln, welcher für die Ausgleichmaßnahmen für die Realisierung der Erschließungsanlage angefallen ist.

Auch der Bebauungsplanbegründung lässt sich vorliegend keine konkrete Zuordnung der Ausgleichsmaßnahmen zur Erschließungsanlage entnehmen. Die von der Beklagten erfolgte Kostenermittlung im Wege der Verteilung angemessener Anteile entspricht nicht der erforderlichen präzisen Zuordnung der Kosten zur hier in Rede stehenden Erschließungsanlage.

Soweit die Beklagte darauf verweist, dass es zahlreiche Konstellationen gebe, in denen eine centgenaue Zuordnung praktisch unmöglich sei, ohne dass sich deshalb der Schluss rechtfertige, die Gemeinde könne den entstandenen Aufwand überhaupt nicht geltend machen, ist ihr entgegen zu halten, dass der tatsächliche Aufwand für die Ausgleichsmaßnahmen nach den obigen Ausführungen (d.h. bei entsprechender Zuordnung im Bebauungsplan oder in dessen Begründung) gleichwohl konkret ermittelt werden kann, ohne dass damit ein unverhältnismäßig hoher Verwaltungsaufwand verbunden wäre.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten lässt sich im Erschließungsbeitragsrecht eine Zuordnung der Kosten für die Ausgleichsmaßnahme der Straße auch nicht unter Berücksichtigung der Wertigkeit des Eingriffs in Natur und Landschaft vornehmen, da derartige Biotopwertpunkte nicht anlagebezogen (d.h. hier: nicht straßenbezogen) sind. Im Erschließungsbeitragsrecht sind Kosten jedoch nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie der Gemeinde für die Durchführung einer der in § 128 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 BauGB genannten Maßnahmen tatsächlich in dieser Höhe nachweisbar entstanden, d.h. die für die Durchführung einer solchen Maßnahme an einer bestimmten Erschließungsanlage hinreichend eindeutig feststellbar angefallen sind.

Vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Aufl. 2012, § 13 Rn. 5 (Hervorhebung vom Senat).

Des Weiteren trägt die Beklagte mit der Zulassungsbegründung erstmals im Verfahren vor, dass die Kosten für die Anlegung von drei Grünstreifen bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwands hätten einbezogen werden müssen. Dies sei bislang - auch vom Verwaltungsgericht - übersehen worden. Der insoweit geltend gemachte Aufwand kann allerdings schon deshalb keine Berücksichtigung finden, weil hierzu lediglich eine Berechnung vorgelegt worden ist, auf welcher der gesamte beitragsfähige Aufwand im Zusammenhang mit der Herstellung der F. -E. -Straße angegeben ist. Das genügt für die Abrechnung der nun geltend gemachten Position nicht, denn die im angefochtenen Bescheid erhobene Beitragsforderung bezieht sich auf konkreten, anderen Kostenaufwand. Soll bislang unberücksichtigter Aufwand ersatzweise oder zusätzlich abgerechnet werden, bedarf es einer entsprechenden Änderung des Bescheids einschließlich seiner Begründung. Dies ist vorliegend nicht erfolgt. Aus dem Vortrag der Beklagten ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, welcher Kostenanteil hinsichtlich des nunmehr geltend gemachten zusätzlichen Aufwands auf die Kläger konkret entfallen soll.

Die Rechtssache hat schließlich nicht die von der Beklagten angenommene grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Eine Rechtsfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche, klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage allgemeiner Bedeutung aufwirft. Der von der Beklagten aufgeworfenen Rechtsfrage,

"ob bei der Kostenzuordnung die Verteilungsregelung der Satzung über die Erhebung von Kostenerstattungsbeiträgen zugrunde gelegt werden darf oder ob die Wertigkeit des Eingriffs zu berücksichtigen ist",

kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil diese Frage nach den oben dargelegten Maßstäben bereits hinreichend im verneinenden Sinne geklärt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf die §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.

Der Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und - hinsichtlich der Streitwertfestsetzung - gemäß den §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.