AG Mönchengladbach, Urteil vom 17.07.2012 - 36 C 491/11
Fundstelle
openJur 2012, 87422
  • Rkr:

Eine Forderuntg auf Erstattung von Mietwagenkosten kann an einen Autovermieter nicht wirksam abgetreten werden, bevor geklärt ist, ob und wie sich der Unfallgegener bzw. dessen Haftpflichtversicherer einlässt. Das Gericht kann nicht gezwungen werden, bei der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO auf eine bestimmte Liste oder Tabelle zurückzugreifen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Anmietung des Mietfahrzeuges mit dem Kennzeichen D-XXXX für den Zeitraum vom 20. Juli bis zum 8. August 2011 zu.

Der zwischen der Klägerin und Herrn S. W., nachfolgend Zedent genannt, am 20. Juli 2011 geschlossene Abtretungsvertrag ist gemäß § 134 BGB nichtig, denn die Abtretung verstößt gegen das sich aus §§ 2 Abs. 1, Abs. 2, § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes, RDG, ergebende Verbot, selbstständig außergerichtliche Rechtsdienstleistungen ohne die gemäß §§ 3, 10 Abs. 1 RDG erforderliche Registrierung zu erbringen.

Die Klägerin erbringt Rechtsdienstleistungen, indem sie sich regelmäßig durch von ihr vorgefertigte Verträge wie denjenigen, den dem Zedenten vorgelegt hat, Schadensersatzforderung ihrer Kunden zur Einziehung abtreten lässt. Gemäß § 2 Abs. 2 RDG sind Inkassodienstleistungen, d.h. die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, in jedem Fall dann Rechtsdienstleistungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird. Wenngleich die Klägerin sich für ihre Inkassotätigkeit kein in ihrer Rechnung gesondert ausgewiesenes Entgelt versprechen lässt, betreibt sie die Inkassotätigkeit als eigenständiges Geschäft. Es handelt es sich nicht um eine gemäß § 5 Abs. 1 RDG erlaubte Nebentätigkeit zu dem von der Klägerin hauptsächlich betriebenen Kraftfahrzeug-Vermietungsgeschäft.

Ob eine erlaubte Nebenleistung vorliegt, ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 2 RDG nach ihrem Inhalt, Umfang und sachlichen Zusammenhang mit der Haupttätigkeit unter Berücksichtigung der Rechtskenntnisse zu beurteilen, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind. Die Einziehung abgetretener Schadensersatzforderungen auf Grund von Verkehrsunfällen erfordert mitunter umfangreiche Rechtskenntnisse. Die Durchsetzung von Schadensersatzforderungen, die aus Unfällen mit Kraftfahrzeugen resultieren erfordert regelmäßig die Korrespondenz mit Haftpflichtversicherern, die über rechtlich geschultes Personal verfügen. Um eine Forderung erfolgreich außergerichtlich und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen zu können, sind in vielen Fällen sowohl vertiefte Kenntnisse im Straßenverkehrsrecht, als auch im Schadensrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches erforderlich. Derjenige, der Ansprüche auf Grund eines Unfalls mit einem Kraftfahrzeug geltend macht, muss darlegen können, weshalb der Halter, der Fahrer und der Versicherer dem Grunde nach haften, in welcher quotalen Höhe sie haften, welche Schäden auf Grund des Unfalls eingetreten sind, welche Maßnahmen zur Beseitigung dieser Schäden erforderlich sind, welche Kosten diese Maßnahmen verursachen werden und vieles mehr. Derartige Rechtskenntnisse im Straßenverkehrs- und Schadensrecht sind nicht erforderlich, um Autos zu vermieten.

Für die Geltendmachung der Schadensersatzforderung des Zedenten mögen in dem konkreten Fall keine vertieften Kenntnisse des Straßenverkehrsrechts erforderlich sein, weil die Beklagte ihre grundsätzliche Haftung für die von ihrem Versicherungsnehmer verursachten Schäden nicht bestritten hat. Bei der Unterzeichnung der Abtretungsvereinbarung am 20. Juli 2011 konnten jedoch weder der Zedent, noch die Klägerin wissen, ob der Unfallgegner oder die Beklagte ihre volle Haftung für alle bei dem Verkehrsunfall vom 20. Juli 2011 verursachten Schäden nach in Abrede stellen würden oder nicht. Wenn die Klägerin sich Forderungen ihrer Kunden zur Einziehung abtreten lässt, kann sie regelmäßig nicht wissen, ob und wie die in Anspruch zu nehmenden Personen sich verteidigen werden, denn die Abtretungserklärungen werden grundsätzlich bereits bei der Anmietung des Ersatzfahrzeuges ausgefüllt und unterschrieben und angemietet werden die Ersatzfahrzeuge typischer Weise am Unfalltag oder kurze Zeit nach dem Unfall, wenn eine Korrespondenz mit dem Unfallgegner oder dessen Versicherer noch nicht stattgefunden hat. Die Wirksamkeit einer Abtretungserklärung kann nicht davon abhängen, ob die in Anspruch zu nehmenden Personen ihre Schadensersatzpflicht in der Folge dem Grunde nach bestreiten oder nicht. Entweder der Zedent und der Zessionar verstoßen bei dem Abschluss des Abtretungsvertrages gegen ein gesetzliches Verbot, mit der Folge, dass der Abtretungsvertrag gemäß § 134 BGB unheilbar nichtig ist, oder der Vertrag ist wirksam und bleibt es auch.

Der zwischen dem Zedenten und der Klägerin geschlossene Abtretungsvertrag war und ist nichtig, weil er wegen der Unkenntnis der Vertragsparteien im Hinblick auf die noch ausstehende Reaktion des Unfallgegners und dessen Versicherer einen Forderungseinzug zum Gegenstand hatte, der potenziell vertiefte Rechtskenntnisse erfordern konnte.

Die von dem Bundesgerichtshof im Anschluss an zahlreiche Stimmen in Rechtsprechung und Literatur vertretene These, wonach der Einzug einer Forderung auf Erstattung von Mietwagenkosten durch einen Autovermieter dann als Nebenleistung zu der Vermietung von Autos erlaubt sei, wenn allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig sei (BGH, r + s 2012, 201, 202 m.w.N.), kann nur bezüglich einer Abtretung greifen, die erst dann vereinbart wird, wenn feststeht, dass allein die Höhe der Mietwagenkosten streitig ist.

Die Klägerin und der Zedent haben hingegen mit dem Abschluss des Abtretungsvertrages nicht abgewartet, bis die Beklagte zum Ausdruck gebracht hat, dass sie für alle von ihrem Versicherungsnehmer bei dem Verkehrsunfall verursachten Schäden in vollem Umfang einstehen werde. Stattdessen hat die Klägerin dem Zedenten die von ihr vorbereitete Abtretungserklärung bereits bei der noch am Unfalltag erfolgten Anmietung des Ersatzfahrzeuges vorgelegt. In der Folge hat die Klägerin auch nicht versucht, die streitige Forderung bei ihrem Vertragspartner, dem Zedenten, beizutreiben. Jedenfalls hat sie nicht vorgetragen, dass, wann und wie sie erfolglos versucht habe, das Geld von dem Zedenten zu erlangen.

Selbst wenn man die Ansicht vertreten wollte, dass der Zedent seine Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung der Mietwagenkosten wirksam an die Klägerin abgetreten habe, stünde der Klägerin die mit der Klage geltend gemachte Forderung nicht zu, denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es erforderlich war, mehr als die von der Beklagten vorgerichtlich gezahlten 940,00 EUR aufzuwenden, um ein geeignetes Ersatzfahrzeug anzumieten.

Gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB erstattet verlangen kann ein bei einem Verkehrsunfall Geschädigter die Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges nur soweit sie zur Herstellung des ohne das schädigende Ereignis bestehenden Zustands objektiv erforderlich waren (BGH, NJW 2005, 1041, 1042 m.w.N.). Objektiv erforderlich sind nur die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Da sich für die Anmietung von Ersatzfahrzeugen nach Unfällen besondere, so genannte Unfallersatztarife etabliert haben, die nicht mehr maßgeblich von Angebot und Nachfrage bestimmt werden, kann der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag im Sinne von § 249 Abs. 2 S. 1 BGB nicht ohne Weiteres mit einem solchen Unfallersatztarif gleichgesetzt werden. Die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zu einem im Vergleich zu dem in dem gewöhnlichen Geschäftsbetrieb verlangten „Normaltarif“ höheren Unfallersatztarif kann nur insoweit erforderlich sein, als die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation - etwa die Vorfinanzierung, das Risiko eines Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Anteile am Unfallgeschehen durch den Kunden oder das Mietwagenunternehmen u.Ä. - einen gegenüber dem „Normaltarif“ höheren Preis aus betriebswirtschaftlicher Sicht rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst und infolgedessen zur Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 BGB erforderlich sind (BGH, a.a.O). Da die Klägerin das Vorliegen derartiger Besonderheiten nicht dargelegt hat, kann der in dem Mietvertrag und in der Rechnung genannte „Aufschlag für unfallbedingten Mehraufwand“ schlechterdings nicht als erforderlich angesehen werden.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der normale, ortsübliche Tarif für die Anmietung eines Renault-Master-Kastenwagens mit Anhängerkupplung für die Dauer von 19 Tagen in dem Postleitzahlenbereich 411… im Jahr 2011 3 107,07 EUR betrug, wie die Klägerin unter Bezugnahme auf den Auto-Mietpreisspiegel der Firma Schwacke behauptet. Die Beklagte hat unter Vorlage mehrerer Vergleichs-Angebote sowie durch die Bezugnahme auf den auszugsweise in Kopie vorgelegten Marktpreisspiegels Mietwagen Deutschland 2011 des Fraunhofer-Instituts (Bl. 37 ff. d.A.) substantiiert bestritten, dass der Normaltarif für die Anmietung eines mit dem beschädigten Kastenwagen vergleichbaren Kastenwagens mehr als 940,00 EUR betragen habe.

In Anbetracht dieses Bestreitens hätte es der Klägerin als Anspruchstellerin oblegen, ihre Behauptung, wonach zumindest die von ihr mit der Rechnung vom 23. August 2011 geforderten 3 016,40 EUR erforderlich gewesen seien, um ein geeignetes Ersatzfahrzeug mit Anhängerkupplung für die Dauer von 19 Tagen anzumieten, zu beweisen oder zumindest eine hinreichend sichere Grundlage für eine gerichtliche Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zu schaffen. Wie aus ihrem Schriftsatz vom 12. Juli 2012 (Bl. 104 ff. d.A.) hervorgeht, beurteilt die Klägerin die Beweislastverteilung nicht anders. Da die Klägerin den mit dem Beweisbeschluss vom 5. April 2012 (Bl. 44 f. d.A.) angeforderten Auslagenvorschuss für den Sachverständigen innerhalb der ihr mit dem Beschluss vom 5. Juni 2012 (Bl. 94 f.) gesetzten Ausschlussfrist nicht eingezahlt hat, konnte der zur Anmietung eines geeigneten Ersatzfahrzeuges erforderliche Normaltarif nicht, wie vorgesehen, durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens ermittelt werden. Die Klägerin ist mithin beweisfällig geblieben.

Zwar kann eine Partei, die Erstattung von Mietwagenkosten verlangt, nicht ohne Wei­teres wegen der nach Nichtzahlung des Auslagenvorschusses oder nach Versäu­mung einer Ausschlussfrist fehlenden Möglichkeit des Sachverständigenbeweises als beweisfällig angesehen werden. Das Gericht muss vielmehr versuchen, in anderer Weise auf Grund des bereits vorhandenen oder anzuregenden Parteivortrags und der verfügbaren Beweismittel zu klären, ob dem Geschädigten tatsächlich kein we­sentlich günstigerer Tarif auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt ohne Weiteres zugänglich war (BGH, NJW 2007, 2122, 2123). Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht ist das Gericht jedoch nicht gehalten, auf den Schwacke-Mietpreisspiegel als Grundlage für eine Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO zurückzugreifen. Die Beklagte hat durch Vorlage von drei konkreten Angeboten verschiedener in Mönchengladbach ansässiger Autovermieter dargelegt, dass der Normaltarif für die Anmietung eines Kastenwagens für die Dauer von 19 Tagen einschließlich einer Vollkasko-Versicherung zwischen 599,18 EUR und 857,14 EUR zuzüglich Umsatzsteuer betragen habe. Werden auf solche Weise konkrete Mängel der Liste oder Tabelle aufgezeigt, auf die sich der Anspruchsteller als Grundlage für eine Schadensschätzung beruft, kann diese Liste oder Tabelle nicht ohne Weiteres für eine Schadensschätzung herangezogen werden (BGH, NJW-RR 2011, 1109, 1110 für den Schwacke-Mietpreisspiegel 2007).

Der Einwand der Klägerin, die von der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote seien nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit der in der Schwacke-Liste angegebenen Preise zu begründen, weil nicht ersichtlich sei, wie hoch die Selbstbeteiligung sei und ob der Kunde eine Kaution hinterlegen oder Kreditkarten-Nummer angeben müsse, greift nicht. Jedenfalls in dem Angebot der Firma Sixt ist Höhe der Selbstbeteiligung angegeben. Sie ist mit 750,00 EUR niedriger als die von der Klägerin verlangte Selbstbeteiligung in Höhe von 1 000,00 EUR. Die Klägerin hat auch nicht vorgetragen, dass der Zedent nicht über eine Kreditkarte verfügt habe oder nicht in der Lage gewesen sei, eine Sicherheit zu hinterlegen. Soweit die Klägerin einwendet, dass die Angebote durch Eingabe einer bekannten Mietdauer ermittelt worden seien, muss sie sich entgegen halten lassen, dass auch der mit dem Zedenten abgeschlossene Mietvertrag eine bestimmte Mietdauer vorsah, nämlich vom 20. Juli 2011, 17:45 Uhr, bis zum 27. Juli 2011, 17:45 Uhr. Da die Beklagte nicht die primäre Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des ortsüblichen Normaltarifs trägt, kann im Übrigen dahin stehen, ob der Zedent im Juli 2011 ein mit seinem beschädigten Fahrzeug vergleichbares Ersatzfahrzeug zu exakt den in den Vergleichsangeboten angegebenen Preisen hätte anmieten können. Die seitens der Beklagten vorgelegten Vergleichsangebote sind jedenfalls geeignet, Zweifel an der Eignung des Schwacke-Mietpreisspiegels als hinreichend sichere Grundlage für eine Schadensschätzung zu begründen, bzw. die Zweifel zu bekräftigen, die sich dem Gericht auf Grund der Erfahrungen mit dieser Liste in anderen Rechtsstreitigkeiten aufgedrängt haben.

Nach Ansicht des erkennenden Gerichts eigenen sich die Schwacke-Mietpreisspiegel grundsätzlich nicht als Grundlage für eine Schätzung des ortsüblichen Normaltarifs gemäß § 287 ZPO. Der Ansatz, Mietwagenpreise durch eine offene Umfrage bei Autovermietern zu ermitteln, ist nicht geeignet, die tatsächlich am Markt verlangten Preise realistisch abzubilden. Da die Autovermieter wissen, dass sich ihre Chancen, im Rahmen außergerichtlicher oder gerichtlicher Regulierungen hohe Preise durchzusetzen, verbessern, wenn sie bei der Umfrage möglichst hohe Preise angeben, haben sie einen Anreiz, genau dies tun. Bislang haben sich die in der so genannten Schwacke-Liste angegebenen Preise in allen Verfahren, in denen das Gericht die ortsüblichen Preise durch einen Sachverständigen hat ermitteln lassen, als deutlich übersetzt erwiesen. Die vermeintlichen Normaltarife nach Schwacke übertrafen die ermittelten Normaltarife teilweise um das Zwei- oder Dreifache. Solche Abweichungen sind derart gravierend, dass sie nicht durch Abschläge kompensiert werden können. Da sich nicht plausibel begründen ließe, ob der ortsübliche Normaltarif durch einen Abschlag in Höhe von 20 Prozent, 50 Prozent, 75 Prozent oder in Höhe eines anderen Prozentsatzes von den in der Schwacke-Liste angegebenen Preisen zu schätzen sei, wäre eine derartige Verfahrensweise willkürlich. Willkür erlaubt auch § 287 ZPO nicht.

Nicht mit dem Zweck der Regelungen des § 287 ZPO zu vereinbaren wäre die Annahme einer Verpflichtung des Gerichts, auf eine bestimmte Liste oder Tabelle als Grundlage für eine Schätzung zurückgreifen zu müssen. Die Regelungen des § 287 ZPO sollen das Gericht bei der Ermittlung der Schadenshöhe freier stellen als es dies ansonsten nach dem in § 286 ZPO niedergelegten Grundsatz der freien Beweiswürdigung wäre, welcher die Erlangung eine Gewissheit über die Wahrheit oder Unwahrheit einer tatsächlichen Behauptung erfordert. Dieses Regelungsziel würde konterkariert, wenn Parteien das Gericht zwingen können, eine bestimmte Liste oder Tabelle zu nutzen, bei der es sich noch nicht einmal um ein Beweismittel im Sinne der Zivilprozessordnung handelt.

Wenn man unbedingt auf eine Liste zurückgreifen wollte, könnte man statt auf die Schwacke-Liste auf die Liste des Fraunhofer-Instituts zurückgreifen, denn diese gibt die ortsüblichen Normaltarife realistischer wieder. So kommt der durchschnittliche Mietpreis von 1 115,34 EUR, der sich nach der G.-Liste für die Anmietung eines Kraftfahrzeuges der Gruppe 7 in dem Postleitzahlengebiet 41… ergäbe - zweimal Wochentarif von 327,63 EUR, zuzüglich einmal Drei-Tages-Tarif von 242,40 EUR, zuzüglich zweimal Ein-Tages-Tarif von 108,84 EUR - dem von der Klägerin für einen mittelgroßen Kleintransporter bzw. Kastenwagen wie den Renault-Master einschließlich Vollkaskoversicherung und Anhängerkupplung tatsächlich verlangten Normaltarif von 1 233,71 EUR (Bl. 107 d.A.) erstaunlich nahe. Ebenso wie in dem vorliegenden Fall hatte das Gericht bereits in dem Rechtsstreit 36 C 71/10 festgestellt, dass der Mietpreis, der sich über die Internet-Seite der Klägerin ermitteln ließ, sehr viel niedriger war als die Klageforderung und nahezu dem nach der Liste des Fraunhofer -Instituts errechneten Preis entsprach. Da die Klägerin die Klageforderung nicht, auch nicht hilfsweise auf die Liste des Fraunhofer-Instituts berufen, sondern konkrete Zweifel an der Eignung dieser Liste als Grundlage für eine Schadensschätzung geäußert hat, war ihr auch nicht der Differenzbetrag in Höhe von 175,34 EUR zwischen den von der Beklagten gezahlten 940,00 EUR und den sich nach der Fraunhofer-Liste ergebenden 1 115,34 EUR zuzusprechen.

Mangels einer begründeten Hauptforderung besteht für die geltend gemachten Nebenforderungen keine rechtliche Grundlage. Weshalb der Klägerin die Kosten für eine vorgerichtlich entfaltete anwaltliche Tätigkeit hätten erstattet werden sollen, ist ohnehin nicht ersichtlich, denn sie hat nicht vorgetragen, dass und in welcher Weise der von ihr beauftragte Rechtsanwalt vor der Erhebung der Klage, aber nach dem angeblichen Eintritt des Verzuges der Beklagten tätig geworden sein soll. Ausweislich des seitens der Beklagten in Kopie vorgelegten Schreibens vom 20. Oktober 2011 (Bl. 40 d.A.) haben die Parteien vorgerichtlich offenbar unmittelbar miteinander kommuniziert und nicht über einen Rechtsanwalt. Die Beklagte kann auch nicht, wie die Klägerin meint, gemäß § 286 Abs. 3 BGB durch die Übersendung der Rechnung in Verzug geraten sein. Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, wann sie der Beklagten die Rechnung übersandt habe, betrifft § 286 Abs. 3 BGB nur Entgeltforderungen und keine Schadensersatzforderungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 2 076,40 EUR festgesetzt.

Q.

Richter am Amtsgericht