OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 06.06.2012 - 19 A 1170/11
Fundstelle
openJur 2012, 86985
  • Rkr:

1. § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 fand auch auf im Ausland geborene Kinder eines ausgewanderten deutschen Reichsangehörigen Anwendung, die das Reichsgebiet niemals betreten haben.

2. Für die Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats nach § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Erhalt der deutschen Staatsangehörigkeit seines maßgebenden Vorfahren durch diese Eintragung beruft.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizu-treibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Be-klagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 24. Februar 1967 in Brusque (Brasilien) geborene Kläger zu 1. und sein Sohn, der am 14. August 1992 in Novo Hamburgo (Brasilien) geborene Kläger zu 2., sind brasilianische Staatsangehörige. In der väterlichen Linie stammen sie ab von Guido L. (Vater des Klägers zu 1.), geboren am 16. November 1939 in Brusque, Paulo Julio L. (Großvater des Klägers zu 1.), geboren am 26. Mai 1903 in Brusque, Hermann (Germano) L. (Urgroßvater des Klägers zu 1.), geboren am 1. Oktober 1875 in Brusque, und Johann Philipp L. (Ururgroßvater des Klägers zu 1.), geboren am 23. Juli 1832 in Algenrodt, einem heutigen Stadtteil von Idar-Oberstein in Rheinland-Pfalz. Der Kläger zu 1. sowie Guido, Paulo Julio und Hermann L. sind jeweils ehelich geboren.

Johann Philipp L. war zwischen 1861 und 1863 nach Brasilien ausgewandert. Nach einer Erklärung der "Gesellschaft der Freunde von Brusque" vom Museum und historischen Archiv des Itajai-Mirim-Tales vom 26. Juli 2006 stand sein Name in der Einwandererliste unter dem 1. September 1863, als er in Brusque eingetroffen sei. Er sei mit dem Zweimaster "Urania" aus Hamburg mit seiner Ehefrau Catharina und seinen beiden Kindern Carlotta und Philippe gekommen. Der Sohn sei bei der Ankunft gestorben.

Der Kläger zu 1. beantragte am 28. Juni 2004 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen für sich und den damals 11-jährigen Kläger zu 2.. Mit dem Antrag legte er E-Mail-Auskünfte des politischen Archivs des Auswärtigen Amtes an seine damalige Prozessbevollmächtigte vor, nach denen Johann Philipp L. und Hermann L. bei der Überprüfung der Konsulatsmatrikel aus Joinville (erst ab 1914), Juiz de Fora, Porto Alegre, Rio de Janeiro, Santos und Sao Paulo sowie des Passregisters aus Francisco do Sul nicht nachgewiesen werden konnten. Von den ehemaligen Konsulaten Blumenau/Francisca und Desterro/Florianopolis seien keine Unterlagen erhalten. Die Reichskonsulate hätten dem Immatrikulierten auf Antrag einen Matrikelschein ausgestellt. Dieser habe ein Jahr Gültigkeit besessen und habe somit gegebenenfalls immer wieder neu beantragt werden müssen. Die Matrikeleintragung selbst habe keiner Erneuerung bedurft. Sie sei nur im Todesfall, dauerhaftem Fortzug aus dem Konsularbezirk, Antragserwerb einer fremden Staatsangehörigkeit oder auf Antrag des Eingetragenen gelöscht worden.

Das BVA bat den Kläger zu 1. um Vorlage einer Bescheinigung über den Nichterwerb der brasilianischen Staatsangehörigkeit auf Antrag durch Johann Philipp L. sowie um Nachweise über die Eintragung in die Konsulatsmatrikel für Johann Philipp L. und Hermann L. . Der Kläger zu 1. legte die Negativbescheinigung des brasilianischen Justizministeriums vom 13. Oktober 2005 für Johann Philipp L. vor und teilte mit, Matrikelnachweise seien nicht in seinem Besitz. Man müsse beachten, dass die Deutschen und deren Nachkommen während des 2. Weltkriegs in Brasilien verfolgt worden seien und alle Dokumente verbrannt hätten, aus denen eine Bindung an Deutschland hervorgegangen sei. Ferner legte der Kläger zu 1. einen Zeitungsbericht von Januar 1988 mit dem Titel "Hermann L. - ein Justizskandal in Brusque" vor. Darin berichtet Aloisius Carlos Lauth, der Brasilianer Almeida Coelho habe Hermann L. am 10. Februar 1913 durch einen Messerstich in den Rücken tödliche Verletzungen zugefügt, die Jury habe ihn jedoch freigesprochen, weil das Opfer lediglich deutscher Abstammung und damit ein "Bürger 2. Klasse" gewesen sei.

Mit Bescheid vom 19. April 2007 lehnte das BVA den Antrag der Kläger ab. Johann Philipp L. und seine Nachkommen hätten die deutsche Bundes- und Staatsangehörigkeit um 1880 verloren, weil sie sich damals zehn Jahre lang ununterbrochen im Ausland aufgehalten hätten. Eine Unterbrechung des Fristlaufs durch Matrikeleintragung habe der Kläger zu 1. nicht nachgewiesen. Seinen dagegen gerichteten Widerspruch wies das BVA nach dem 16. Geburtstag des Klägers zu 2. mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 22. Juni 2009 zurück.

Die Kläger haben am 22. Juli 2009 Klage erhoben und mitgeteilt, Johann Philipp L. habe Deutschland mit seiner Familie im Jahr 1861 verlassen. Catharina L. , seine Ehefrau, habe sich 1878 von ihm getrennt und sei mit dem damals 3jährigen Sohn Hermann weggezogen. Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beweislast liege im vorliegenden Fall bei der Beklagten, die beweisen müsse, dass Johann Philipp L. seine Reichsangehörigkeit verloren habe. Der Kläger zu 1. legte eine von ihm selbst verfasste, mit "Versicherung an Eides statt" überschriebene Erklärung vom 5. Juli 2009 vor. Darin heißt es u. a., er habe vor dessen Tod von seinem Vater erfahren, dass seine (des Klägers zu 1.) Urgroßeltern und Großeltern in der Zeit der Repressionen gegen deutschstämmige Familien in Santa Catarina sämtliche Dokumente der Vorfahren vergraben hätten, um nicht als Deutschstämmige erkannt zu werden. Darunter seien Pässe, deutsche und brasilianische Geburtsurkunden, Heiratsurkunden und nicht zuletzt auch die Registrierungspapiere gewesen, die das deutsche Konsulat seinem Ururgroßvater und seinem Urgroßvater erteilt habe. Johann Philipp L. sei mit einem ausreichenden Grad an Wahrscheinlichkeit Deutscher geblieben, weil unwahrscheinlich sei, dass er über 11 Jahre ohne irgendwelche Papiere in Brasilien gelebt haben solle. Hermann L. sei nicht registrierungspflichtig gewesen, weil er Deutschland nie betreten habe und deshalb auch nicht habe verlassen können.

In der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung hat das Verwaltungsgericht den Kläger zu 1. informatorisch angehört. Wegen der Einzelheiten seiner Angaben nimmt der Senat auf das Terminprotokoll vom 20. April 2011 Bezug.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides des BVA vom 19. April 2007 und seiner beiden Widerspruchsbescheide vom 22. Juni 2009 zu verpflichten, ihnen Staatsangehörigkeitsausweise auszustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der 1875 geborene Hermann L. sei mit Erreichen seiner Volljährigkeit im Jahre 1896 nach § 21 StAG 1870 selbst eintragungspflichtig geworden. Diese Vorschrift sei auch auf im Ausland geborene Kinder anwendbar, die sich niemals im Gebiet des Deutschen Reiches aufgehalten hätten. Mangels Nachweises einer Matrikeleintragung habe er seine deutsche Staatsangehörigkeit, falls sie bis dahin noch bestanden haben sollte, zehn Jahre später, also im Jahr 1906, verloren. Dieser Verlust habe sich auch auf den 1903 geborenen Sohn Paulo Julio L. erstreckt. Für die Matrikeleintragung trügen die Kläger die Beweislast. Eine Beweislastumkehr ergebe sich nicht daraus, dass die Matrikelbücher des Reichskonsulats Blumenau infolge höherer Gewalt vernichtet seien. Dieser Umstand mache einen Eintragungsnachweis nicht unmöglich. Vielmehr komme nach den vom Kläger zu 1. selbst eingeholten Auskünften des politischen Archivs des Auswärtigen Amtes auch ein Matrikelschein als Eintragungsbeleg in Betracht.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben. Zu seiner Überzeugung stehe fest, dass sich Johann Philipp L. rechtzeitig innerhalb von zehn Jahren nach dem Verlassen des Auswandererschiffes in die Matrikel des zuständigen Reichskonsulats habe eintragen lassen. Das ergebe sich aus der Aussage des Klägers zu 1. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und seiner schriftlichen Erklärung vom 5. Juli 2009, in der er glaubhaft, in sich schlüssig und detailliert geschildert habe, dass die Erhaltung der deutschen Staatsangehörigkeit für seinen Ururgroßvater von besonderer Bedeutung gewesen sei und er regelmäßig das Konsulat in Blumenau aufgesucht habe. Für die Kinder Johann Philipp L1. könne ein eigenständiges staatsangehörigkeitsrechtliches Schicksal nur gegeben sein, wenn für ihn keine Eintragung nachgewiesen sei.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Berufung rügt die Beklagte unter anderem diese letztgenannte sinngemäße Feststellung des Verwaltungsgerichts als unzutreffend, Hermann L. sei niemals selbst eintragungspflichtig geworden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie räumen inzwischen ihre Beweislast für eine Matrikeleintragung ihrer Vorfahren ein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die Berufung durch Beschluss gemäß § 130a Satz 1 VwGO, weil er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat die Beteiligten hierzu gehört (§ 130a Satz 2 i. V. m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Insbesondere die Stellungnahme der Kläger vom 5. Juni 2012 gibt dem Senat keine Veranlassung, nunmehr eine mündliche Verhandlung für erforderlich zu halten oder vorab den erbetenen Hinweis zur Entscheidungsrelevanz der Trennung der Catharina L. und ihres damals 3-jährigen Sohnes Hermann L. vom Vater und Ehemann Johann Philipp L. im Jahr 1878 zu erteilen. Denn der Senat hat die Kläger bereits in seinem Berufungszulassungsbeschluss vom 28. März 2012 darauf hingewiesen, dass für Hermann L. ein Verlust seiner deutschen Reichsangehörigkeit aufgrund eigener, im Jahr 1896 entstandener Eintragungspflicht in Betracht kommt. Dass dieser Verlust unabhängig ist vom Getrenntleben seiner Eltern ab 1878, ist offensichtlich.

Die zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Sie ist als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zulässig, aber unbegründet. Der Ablehnungsbescheid des BVA vom 19. April 2007 und seine beiden Widerspruchsbescheide vom 22. Juni 2009 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Denn sie haben keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausstellung von Staatsangehörigkeitsausweisen aus § 30 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 StAG. Nach diesen Vorschriften stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus, wenn sie auf Antrag das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit feststellt. Die Kläger können diese Feststellung nicht beanspruchen, weil sie neben ihrer brasilianischen Staatsangehörigkeit nicht zusätzlich auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Diese haben sie insbesondere nicht durch Geburt von ihrem jeweiligen Vater erworben.

Der Abstammungserwerb des Klägers zu 1. und seines Vaters Guido L. richtete sich nach § 4 Abs. 1 RuStAG 1913. Nach dieser Vorschrift erwarb das eheliche Kind eines Deutschen durch Geburt die Staatsangehörigkeit des Vaters. Sowohl der Kläger zu 1. als auch Guido L. sind ehelich geboren.

Der Abstammungserwerb der beiden weiteren väterlichen Vorfahren, des am 26. Mai 1903 geborenen Paulo Julio L. und des am 1. Oktober 1875 geborenen Hermann L. , richtete sich nach § 3 StAG 1870.

Gesetz über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit (StAG 1870) vom 1. Juni 1870 (RGBl. S. 355) in der Fassung des § 9 des Reichsgesetzes vom 22. April 1871 (RGBl. S. 87, 89) und des Art. 2 des Reichsgesetzes vom 8. Januar 1873 (RGBl. S. 51), in konsolidierter Fassung abgedruckt bei Cahn, Das Reichsgesetz über die Erwerbung und den Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit, 3. Aufl. Berlin 1908, S. 1 ff..

Das StAG 1870 trat in Preußen und den übrigen Staaten des Norddeutschen Bundes am 1. Januar 1871 in Kraft (§ 27 StAG 1870). Nach § 1 StAG 1870 wurde die Reichsangehörigkeit durch die Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate erworben und erlosch mit deren Verlust. Nach § 3 StAG 1870 erwarben die ehelichen Kinder eines Deutschen durch die Geburt, auch wenn diese im Auslande erfolgte, die Staatsangehörigkeit des Vaters, uneheliche Kinder einer Deutschen die Staatsangehörigkeit der Mutter.

Hermann L. hat hiernach durch seine eheliche Geburt am 1. Oktober 1875 in Brusque die Reichsangehörigkeit durch Abstammung von seinem Vater Johann Philipp L. erworben, wenn dieser an diesem Tag die Reichsangehörigkeit besaß. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass Johann Philipp L. bis zu seiner Auswanderung nach Brasilien in der Zeit zwischen 1861 und 1863 die Eigenschaft als preußischer Untertan nach den §§ 1 und 2 des preußischen Gesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Eigenschaft als preußischer Untertan sowie den Eintritt in fremde Staatsdienste (prStAG 1842) vom 31. Dezember 1842 besaß.

Abdruck des prStAG 1842 bei Lichter, Die Staatsangehörigkeit, 2. Aufl. Berlin 1955, S. 521 ff..

Diese Eigenschaft war eine Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaat im Sinne des § 1 StAG 1870, die Johann Philipp L. mit dem Inkrafttreten des StAG 1870 am 1. Januar 1871 auch die deutsche Reichsangehörigkeit vermittelte. Die Beteiligten streiten lediglich darüber, ob Johann Philipp L. und/oder Hermann L. ihre deutsche Reichsangehörigkeit in der Zeit bis zum 1. Oktober 1906, zehn Jahre nach Eintritt der Volljährigkeit Hermann L1. , wieder verloren haben. Einen solchen Verlust hat das Verwaltungsgericht sowohl für Johann Philipp L. als auch für Hermann L. verneint.

Der Senat kann offen lassen, ob die deutsche Reichsangehörigkeit Johann Philipp L1. erhalten geblieben ist. Denn jedenfalls hat dessen Sohn Hermann L. seine deutsche Reichsangehörigkeit, sollte er sie durch Abstammung erworben haben, spätestens mit dem 1. Oktober 1906 wieder verloren. Er erfüllte den reichsrechtlichen Verlustgrund des zehnjährigen Aufenthalts im Ausland nach den §§ 13 Nr. 3, 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870. Dieser Verlustgrund war am 1. Januar 1871 an die Stelle der zuvor geltenden landesrechtlichen Verlustgründe in den Indigenatsgesetzgebungen und Verfassungen der deutschen Bundesstaaten getreten (§ 26 StAG 1870). Dazu gehörte insbesondere für Preußen auch der Verlustgrund nach § 23 Nr. 1 prStAG 1842.

Nach den §§ 13 Nr. 3, 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 verloren Deutsche, welche das Reichsgebiet verließen und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Auslande aufhielten, dadurch ihre Staatsangehörigkeit. Die vorbezeichnete Frist wurde von dem Zeitpunkte des Austritts aus dem Reichsgebiete oder, wenn der Austretende sich im Besitz eines Reisepapieres oder Heimathscheines befand, von dem Zeitpunkte des Ablaufs dieser Papiere an gerechnet (Satz 2). Sie wurde unterbrochen durch die Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats (Satz 3). Nach § 21 Abs. 2 StAG 1870 erstreckte sich der hiernach eingetretene Verlust der Staatsangehörigkeit zugleich auf die Ehefrau und die unter väterlicher Gewalt stehenden minderjährigen Kinder, soweit sie sich bei dem Ehemanne, beziehungsweise Vater befanden.

Hermann L. hat seine deutsche Reichsangehörigkeit spätestens mit dem 1. Oktober 1906 nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 verloren. Diese Vorschrift war auf ihn anwendbar, obwohl er bereits in Brasilien geboren war (A.). Die Zehnjahresfrist begann für ihn abweichend von Satz 2 spätestens mit dem Erreichen der Volljährigkeit an seinem 21. Geburtstag am 1. Oktober 1896 (B.). Sie wurde nicht nach Satz 3 durch die Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats unterbrochen (C.). Der Staatsangehörigkeitsverlust Hermann L1. erstreckte sich zugleich auf seinen 1903 geborenen Sohn Paulo Julio L. (D.).

A. § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 war entgegen der Auffassung der Kläger auf Hermann L. anwendbar, obwohl er in Brasilien geboren war und zu keinem Zeitpunkt in das Gebiet des Deutschen Reichs gereist ist. Die Vorschrift fand auch auf im Ausland geborene Kinder eines deutschen Reichsangehörigen Anwendung, die das Reichsgebiet niemals betreten haben. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, die aus ihrer Entstehungsgeschichte ableitbar sind. Danach sollte der Verlusttatbestand "das durch die lange Abwesenheit tatsächlich zerrissene Band der Nationalität auch rechtlich auflös[en]", "auf der anderen Seite" aber auch dafür sorgen, "daß diejenigen, welche ausdrücklich und mit Bewußtsein den Willen bekunden, dem Vaterlande auch im Auslande dauernd anzugehören, die Möglichkeit gewährt werde, diese Absicht auszuführen."

Motive zum StAG 1870, Stenogr. Ber. I, S. 153 - 160, zitiert nach Cahn, a. a. O., S. 8, 137 f..

Die mit diesen Worten umschriebene Klarstellungsfunktion sollte die Vorschrift erklärtermaßen auch gegenüber nachgeborenen Auswandererkindern erfüllen. Das ergibt sich aus der Aussage, "daß die Bestimmung des § 21 auch gegen solche Kinder eines Norddeutschen, welche im Auslande geboren sind und das Bundesgebiet niemals betreten, also auch niemals ‚verlassen‘ haben, in Anwendung kommt". Diese Aussage ist Bestandteil der Motive des historischen Gesetzgebers und entgegen der Auffassung der Kläger nicht lediglich eine hierzu geäußerte Meinung in der damaligen Kommentarliteratur. Sie bringt zudem die beschriebene doppelte Zweckrichtung der Vorschrift, das tatsächlich zerrissene Band der Nationalität unter Aufrechterhaltung einer realistischen Beibehaltungsmöglichkeit auch rechtlich aufzulösen, speziell für nachgeborene Auswandererkinder konsequent zum Ausdruck.

Am Maßstab dieser Zweckrichtung war der Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 für die Anwendung dieser Bestimmung auf nachgeborene Auswandererkinder zu eng gefasst, soweit er den Staatsangehörigkeitsverlust an ein "Verlassen" des Reichsgebietes knüpfte. Solche Auswandererkinder erfüllten das genannte Tatbestandsmerkmal, wenn sie von einem deutschen Auswanderer abstammten, der im Zeitpunkt ihrer Geburt im Ausland seine Reichsangehörigkeit noch besaß.

Entgegen der Auffassung der Kläger schließt auch der systematische Zusammenhang mit § 21 Abs. 1 Satz 2 StAG 1870 die Anwendung des Satzes 1 auf nachgeborene Auswandererkinder nicht aus. Denn der historische Gesetzgeber war sich des Problems durchaus bewusst, dass das Gesetz keine Regelung des Fristbeginns für diese Kinder enthielt und insbesondere die Regelung des Fristbeginns in Satz 2 auf sie nicht anwendbar war. Das ergibt sich aus der auf § 21 Abs. 2 Satz 1 StAG 1870 bezogenen Aussage in den Motiven: "Dieser Satz erschöpft freilich nicht alle Fälle, in welchen Zweifel z. B. über den Beginn der Verlustfrist während der Minderjährigkeit der Kinder entstehen können. Es dürfte sich jedoch von selbst verstehen, die Entscheidung solcher Fälle der Praxis zu überlassen und das Gesetz selbst von Kasuistik freizuhalten."

Motive zum StAG 1870, a. a. O., S. 138.

Mit der hier vertretenen Auslegung, § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 sei auch auf nachgeborene Auswandererkinder anwendbar, folgt der Senat der Rechtsprechung und der einhelligen Praxis der Staatsangehörigkeitsbehörden in der Kaiserzeit, der historischen Kommentarliteratur sowie der erstinstanzlichen Rechtsprechung aus jüngerer Zeit.

RG, Urteil vom 5. November 1897 Rep. 3226/97 , RGSt 30, 297 (298); PrOVG, Urteil vom 11. November 1891 I. A. 53/91 , PrOVGE 22, 388 (391 f.); Cahn, a. a. O., § 21, Anm. 3a, 8 (S. 144 ff.); VG Köln, Gerichtsbescheid vom 7. Oktober 1999 10 K 2800/96 , S. 6 des Bescheidabdrucks; Urteil vom 24. Juni 1981 9 K 147/79 , S. 8 f. des Urteilsabdrucks.

Abwegig ist vor diesem historischen Hintergrund der pauschale Einwand der Kläger, es handele sich um eine "echte Analogie", die "aufgrund des Vorbehaltes des Gesetzes im Verwaltungsrecht" "als Grundlage für Grundrechtseingriffe durch die Verwaltung grundsätzlich verboten" sei (Schriftsatz vom 5. Juni 2012). Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Rechtsfortbildung, welche der historische Gesetzgeber ausdrücklich der Praxis überantwortet hat. Abgesehen davon waren die strengen Vorgaben des Art. 16 Abs. 1 GG für eine Entziehung oder einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit noch nicht in Kraft, solange das StAG 1870 gegolten hat.

B. Der Lauf der Zehnjahresfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 begann für Hermann L. spätestens mit dem Erreichen der Volljährigkeit an seinem 21. Geburtstag am 1. Oktober 1896. Dieser Fristbeginn war gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, insbesondere war das Anknüpfen an den Zeitpunkt des Austritts aus dem Reichsgebiet oder den Ablauf eines Reisepapieres oder Heimatscheins nach § 21 Abs. 1 Satz 2 StAG 1870 nur bei selbst ausgewanderten Personen möglich. Für Minderjährige hatte der Gesetzgeber die Regelung des Fristbeginns vielmehr, wie bereits ausgeführt, ausdrücklich der Praxis überlassen. In der Zeit nach der Reichsgründung herrschte nämlich tiefgreifender Streit um die Frage, ob der Verlusttatbestand des zehnjährigen Auslandsaufenthalts die Geschäftsfähigkeit des Auslandsdeutschen voraussetzte. Dieser Streit führte auf die grundlegendere Frage nach dem Rechtscharakter des Verlusttatbestandes (Ausdruck eines konkludenten Nationalitätsverzichts oder Folge des Auslandsaufenthalts als eines rein tatsächlichen Zustands). Die Verwaltungspraxis der deutschen Staats- und Reichsbehörden stellte lange Zeit auf die Volljährigkeit als Fristbeginn ab und führte damit die Rechtsauffassung und Rechtsübung fort, die sich in Preußen auf dem Boden des prStAG 1842 herausgebildet hatte. Erst um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert setzte sich in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des PrOVG zunehmend die letztgenannte Auffassung durch.

Dazu vgl. RG, Urteil vom 16. November 1897 Rep. 2915/97 , RGSt 30, 326 (326); Urteil vom 5. November 1897, a. a. O., S. 298; Urteil vom 28. November 1895 Rep. 3994/95 , RGSt 28, 24 (25); Urteil vom 4. Februar 1895 Rep. 3549/94 , RGSt 26, 427 (431 ff.); PrOVG, Urteil vom 25. Juni 1901 I. A. 46/99 , PrOVGE 40, 417 (430 f.); Urteil vom 22. Mai 1900 I. A. 7/00 , PrOVGE 38, 393 (396 f.); Cahn, a. a. O., § 21, Anm. 8 (S. 146 ff.); aus jüngerer Zeit VG Köln, Urteil vom 24. Juni 1981, a. a. O., S. 8 f. des Urteilsabdrucks.

Dieser grundlegende Meinungsstreit bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner Entscheidung, weil Hermann L. seine deutsche Reichsangehörigkeit auch auf der Grundlage der erstgenannten Auffassung jedenfalls mit dem 1. Oktober 1906 verloren hat. Auf der Grundlage der letztgenannten Auffassung hat er sie bereits an seinem 10. Geburtstag am 1. Oktober 1885 verloren.

C. Hermann L. hat den Lauf der Zehnjahresfrist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 nicht dadurch nach Satz 3 dieser Vorschrift unterbrochen, dass er sich in die Matrikel eines Reichskonsulats eintragen ließ. Für eine solche Eintragung Hermann L1. haben die Kläger weder direkte (I.) noch indirekte Nachweise vorgelegt (II.). Der Senat kann sie auch nicht nach den Grundsätzen des unverschuldeten Beweisnotstands als bewiesen ansehen (III.). So verbleibt es bei der Beweislast der Kläger für diese entscheidungserhebliche Tatsache (IV.).

I. Ein direkter Nachweis für eine Matrikeleintragung Hermann L1. lässt sich nicht erbringen. Seine Eintragung in die Matrikel eines Reichskonsulats konnte ein im Ausland wohnhafter Deutscher unmittelbar nachweisen durch Vorlage des Matrikelbuchs oder eines unbefristet ausgestellten Reisepasses oder Heimatscheins oder eines Matrikelscheins (Patentes).

OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2008 12 A 1842/06 , juris, Rdn. 6.

Matrikelscheine stellten die Reichskonsulate den eintragungspflichtigen Personen auf Antrag aus. Diese bewahrten sie typischerweise zu Hause auf.

Im vorliegenden Fall hat die Überprüfung der Konsulatsmatrikel durch das politische Archiv des Auswärtigen Amtes ergeben, dass von den in erster Linie in Betracht kommenden ehemaligen Konsulaten Blumenau/Francisca und Desterro/Florianopolis keine Unterlagen erhalten sind und Hermann L. in den erhalten gebliebenen Matrikeln oder Passregistern weiter entfernter ehemaliger Reichskonsulate ebenso wenig eingetragen war wie sein Vater Johann Philipp L. . Etwa ausgestellte Heimat- und/oder Matrikelscheine hätten ihre Vorfahren nach eigenen Angaben während des Zweiten Weltkriegs gemeinsam mit den Personenstandsdokumenten vernichtet, weil diese Papiere als Hinweise auf ihre deutsche Abstammung ihre Sicherheit gefährdet hätten. Heute noch lebende Zeitzeugen eines Besuches Hermann L1. im zuständigen Reichskonsulat und einer dortigen Matrikeleintragung für seine Person gibt es nicht mehr.

II. Ebenso wenig haben die Kläger Indizien nachgewiesen, welche indirekt den Schluss auf eine Matrikeleintragung Hermann L1. zulassen. Als solche indirekte Nachweise kommen Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Sterbeurkunden oder sonstige amtliche Personaldokumente in Betracht, in denen die zuständige Stelle den Eintragungspflichtigen als deutschen Staatsangehörigen bezeichnet hat. Eine solche Nationalitätsangabe rechtfertigt den Schluss auf eine vorherige Eintragung in die Konsulatsmatrikel, weil anzunehmen ist, dass sich der Standesbeamte oder sonstige Amtsinhaber vor Aufnahme dieser Feststellung in die Urkunde vom Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit des Betreffenden, etwa durch Vorlage von Ausweispapieren, überzeugt hat.

VG Köln, Urteil vom 8. August 2006 10 K 4977/05 , S. 7 des Urteilsabdrucks.

Im Fall der Kläger fehlen auch solche indirekten Nachweise einer Matrikeleintragung Hermann L1. vollständig. Die Geburts- und Heiratsurkunden ihrer väterlichen Vorfahren, die sie im Verwaltungsverfahren vorgelegt haben, sind sämtlich erst in der Zeit nach 1992 erstellt und enthalten keine Angabe von deren jeweiliger Staatsangehörigkeit.

Auch die Angaben, welche der Kläger zu 1. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung zu seinem Ururgroßvater Johann Philipp L. und dessen Bestrebungen zum Erhalt seiner deutschen Reichsangehörigkeit gemacht hat, indizieren keine Matrikeleintragung auch Hermann L1. . Eine solche ist vielmehr, wie die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 17. Februar 2011 selbst eingeräumt haben, deutlich fernliegender als eine solche Johann Philipp L1. . Denn Hermann L. drohte im Gegensatz zu seinem Vater durch den Verlust der deutschen Reichsangehörigkeit keine Staatenlosigkeit mehr, weil er durch seine Geburt in Brasilien die brasilianische Staatsangehörigkeit nach dem dort auch damals schon geltenden Geburtsortprinzip (ius soli) erworben hatte. Dies hat der Kläger zu 1. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt und mitgeteilt, Hermann L. habe einen brasilianischen Pass besessen, und der Staatsangehörigkeitserwerb habe ihm zudem die Möglichkeit eröffnet, brasilianischer Beamter auf lokaler Ebene zu werden.

Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG für eine Matrikeleintragung Hermann L1. ergibt sich aus den vom Kläger zu 1. über ihn mitgeteilten Umständen nicht. Vielmehr lassen sie eine solche Eintragung allenfalls als möglich erscheinen. Es gibt auch keine tatsächliche Vermutung für eine solche Eintragung. Im Gegenteil hat "das vom Gesetze den Auswanderern zur Abwendung des Verlustes der Staatsangehörigkeit an die Hand gegebene Mittel der Eintragung in die Konsulatsmatrikel ... im großen und ganzen versagt, da von diesem Mittel teils aus Unkenntnis teils aus Saumseligkeit nur ein verhältnismäßig sehr geringer Gebrauch gemacht" wurde.

Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, Band 298, Anlagen zu den Stenographischen Berichten, Nr. 6, S. 16, http://www.reichstagsprotokolle.de/Blatt_k13_bsb00003394_00001.html.

Diese Feststellung hat den Reichstag veranlasst, den Verlusttatbestand des zehnjährigen Auslandsaufenthalts nach den §§ 13 Nr. 3, 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870 nicht in das RuStAG 1913 zu übernehmen, sondern den Staatsangehörigkeitsverlust fortan an den Antragserwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit zu knüpfen (heute § 25 StAG). Die genannte Feststellung des Reichstags widerlegt zugleich die pauschale Gegenbehauptung der Kläger im Schriftsatz vom 19. Oktober 2009, der Verlust der Reichsangehörigkeit nach § 21 StAG 1870 stelle "keinen Regelfall dar", die sie ohnehin nur im Zusammenhang mit ihrer ursprünglichen Rechtsbehauptung einer Beweislast der Beklagten für die Matrikeleintragung gemacht haben.

III. Der Senat kann eine Eintragung Hermann L1. auch nicht nach den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung insbesondere zum Vertriebenen- und Asylrecht entwickelten Grundsätzen des unverschuldeten Beweisnotstands als bewiesen ansehen. Diese Grundsätze lassen es zu, in großem Umfang auch Tatsachen festzustellen, die nur von dem Antragsteller vorgetragen worden sind, sofern die zur Entscheidung berufene Stelle dem Vortrag des Antragstellers glaubt. Sie ermöglichen es, eigenen Erklärungen der beweisbelasteten Partei größere Bedeutung beizumessen, als dies sonst in der Prozesspraxis der Fall ist, und den Beweiswert einer Aussage im Rahmen des Möglichen wohlwollend zu beurteilen. Allein der Tatsachenvortrag der Partei kann dann zur Zuerkennung des Klageanspruchs führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne "glaubhaft" sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann.

BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2006 5 C 3.05 , BVerwGE 126, 283, juris, Rdn. 29 (DVL Ukraine); Urteil vom 29. Juni 1993 9 C 40.92 , NVwZ-RR 1994, 295, juris, Rdn. 13 (jüdischer Geschichtsprofessor aus Lemberg); Beschluss vom 24. März 1987 9 B 307.86 , juris, Rdn. 2; Urteil vom 16. April 1985 9 C 109.84 , BVerwGE 71, 180, juris, Rdn. 16 (Asylanerkennung Dev Yol); OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2008 12 A 1842/06 , juris, Rdn. 10.

Grundlage einer Tatsachenfeststellung nach diesen Grundsätzen kann nur eine Aussage des Beteiligten über einen tatsächlichen Hergang sein, den dieser aus eigenem Erleben oder aus sicherer Quelle kennt. Erklärungen, die auf Vermutungen basieren, reichen nicht aus.

BVerwG, Urteil vom 27. Juli 2006, a. a. O., Rdn. 29 m. w. Nachw.; OVG NRW, Beschluss vom 9. Januar 2008, a. a. O., Rdn. 12.

Diese Voraussetzung erfüllt die Aussage des 1967 geborenen Klägers zu 1. in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht. Er kann eine Matrikeleintragung des im Februar 1913 tödlich verletzten Hermann L. nicht aus eigenem Erleben bekunden, sondern muss sich hierfür auf Erzählungen seiner Vorfahren und weiterer Verwandter verlassen. Dasselbe gilt auch für den in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung und im Schriftsatz vom 5. Juni 2012 erneut als Zeugen benannten René Werner L. , den Onkel des Klägers zu 1.. In das Wissen dieses Zeugen haben die Kläger lediglich ihre Behauptungen gestellt, er habe "öfters mit seiner Mutter über die Familienangelegenheiten gesprochen", "über den Kontakt seiner Vorfahren zum deutschen Konsulat und dem deutschen Verband erfahren" sowie, "dass die Vorfahren sich haben registrieren lassen" und "dass Hermann L. sich innerhalb von zehn Jahren nach Eintritt seiner Volljährigkeit beim deutschen Konsulat in Blumenau in die Matrikel hat eintragen lassen". Dass René Werner L. dieses Wissen aus eigenem Erleben gewonnen hat, behaupten die Kläger nicht. Vielmehr legt der Hinweis auf die Gespräche mit seiner Mutter die Annahme nahe, dass er sein Wissen von ihr erworben hat. Ob ihr Wissen auf eigenem Erleben beruht, haben die Kläger ebenfalls nicht mitgeteilt. Schließlich hat bereits das Verwaltungsgericht die Kläger zutreffend auf die Unsubstantiiertheit ihres Beweisantrags für die Behauptung hingewiesen, "die Vorfahren" hätten sich "registrieren lassen".

Diesen Substantiierungsmangel haben die Kläger auch mit der Erneuerung dieses Beweisantrags als Beweisanregung im Schriftsatz vom 5. Juni 2012 offenkundig nicht behoben. Denn auch mit diesem Schriftsatz stellen die Kläger keine konkreten Indiztatsachen in das Wissen des Zeugen, aus denen sich auf eine Eintragung Hermann L1. schließen lässt. Der weitere Beweisantrag in diesem Schriftsatz zur Verwaltungspraxis des BVA betreffend eine "Perpetuierungswirkung" enthält lediglich die in das Gewand einer Tatsachenbehauptung gekleidete Rechtsmeinung. Sollten die Kläger damit die oben unter A. angesprochene eigene Eintragungspflicht volljährig gewordener nachgeborener Auswandererkinder meinen, wäre diese Auffassung zudem (auch als vermeintlicher Rechtsstandpunkt des BVA) unzutreffend.

IV. Die materielle Beweislast für die Eintragung Hermann L1. tragen die Kläger, wie auch sie selbst inzwischen einräumen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Verlustgrundes in § 21 Abs. 1 Satz 1 StAG 1870, welche die Beklagte gegebenenfalls zu beweisen hätte, sind im vorliegenden Fall unstreitig erfüllt. Denn zweifelsohne stammte Hermann L. von einem deutschen Auswanderer ab und hat sich als Volljähriger zehn Jahre lang ununterbrochen im Ausland aufgehalten. In tatsächlicher Hinsicht zweifelhaft ist hier lediglich die Unterbrechung nach Satz 3. Für die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Unterbrechung tragen die Kläger entgegen ihrer ursprünglich vertretenen Auffassung die Beweislast. Denn bei der Matrikeleintragung nach § 21 Abs. 1 Satz 3 StAG 1870 handelt es sich um eine für den jeweiligen Kläger günstige Ausnahme von dem Grundsatz des Verlustes der deutschen Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen Aufenthalt im Ausland nach Satz 1.

Ebenso VG Köln, Urteil vom 15. Februar 2006 10 K 6509/04 , juris, Rdn. 18.

D. Der Staatsangehörigkeitsverlust Hermann L1. erstreckte sich zugleich auf den am 26. Mai 1903 geborenen, im Verlustzeitpunkt also 3-jährigen Sohn Paulo Julio L. . Das ergab sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 StAG 1870 in der Fassung des Art. 41 EGBGB vom 18. August 1896 (RGBl. S. 604, 616). Nach dieser Fassung erstreckte sich der nach § 21 Abs. 1 StAG 1870 eingetretene Verlust der Staatsangehörigkeit zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem Ausgetretenen kraft elterlicher Gewalt zustand, soweit sich die Ehefrau oder die Kinder bei dem Ausgetretenen befanden. Hermann L. stand kraft elterlicher Gewalt die gesetzliche Vertretung seines minderjährigen Sohnes zu. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist bei ihm auch davon auszugehen, dass der Sohn sich im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 StAG 1870 "bei dem Ausgetretenen befand".

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht erfüllt sind.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47, 52 Abs. 1 GKG.