OLG Hamm, Beschluss vom 08.05.2012 - III - 1 VAs 26/12
Fundstelle
openJur 2012, 86773
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Geschäftswert wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Der vielfach im Zusammenhang mit der bei ihm  bestehenden Betäubungsmittelab­hängigkeit vorbestrafte Betroffene ist in dem derzeit laufenden Vollstreckungsver­fahren mit Urteil des Amtsgerichts Münster vom 26.05.2011 wegen gemeinschaft­lichen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden. Dane­ben wurde die Unterbringung des Betroffenen in einer Entziehungsanstalt angeord­net.

Der Betroffene hat im Januar 2012 eine Therapie zur stationären Rehabilitation in der -Klinik in C angetreten. Seit dem 01.03.2012 befindet er sich auf entsprechende Ladung der Vollstreckungsbehörde im LWL Therapie­zentrum für Forensische Psychiatrie N.

Der Betroffene hat in der Vergangenheit bereits zweimal, jedoch jeweils ohne nach­haltigen Erfolg, versucht, seine Drogenabhängigkeit zu bekämpfen. In den Verfahren 260 Js 733/06 StA Münster (Verurteilung durch das Amtsgericht Münster vom 21.12.2006 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter - später widerrufener - Strafaussetzung zur Bewährung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäu­bungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei minder schweren Fällen) und 260 Js 152/07 StA Münster (Verurteilung durch das Amtsgericht Münster zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen unerlaubten ge-

werbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf Fällen) erfolgte

jeweils die Zurückstellung der Strafvollstreckung, um dem Verurteilten die Mög-

lichkeit zu geben eine stationäre Therapie in der Fachklinik B (vom

26.05. - 11.08.2008) bzw. in der C 4-Klinik (vom 19.02. - 11.08.2009) zu geben. Nach im Wesentlichen erfolgreichen Abschluss der Therapien kam es jedoch bereits in der Adaption zu einem Rückfall in die Drogensucht, in dessen Folge der Betroffene erneut regelmäßig Drogen konsumierte.

Mit Schreiben vom 13.12.2011 beantragte der Betroffene die Zurückstellung der Strafvollstreckung im vorliegenden Verfahren sowie die Zurückstellung der Unter­bringung in einer Entziehungsanstalt.

Die Staatsanwaltschaft Münster hat mit Bescheid vom 29.12.2011 die Zurückstellung der Strafvollstreckung abgelehnt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die gegen den Betroffenen verhängte Maßregel des § 64 StGB habe Vorrang vor der Sonder­regelung der §§ 35, 36 BtMG. Zudem ergebe sich aus dem Gutachten des Sachver­ständigen Dr. C 3 vom 31.03.2011 dass dieser eine Maßnahme nach § 35 BtMG wegen des nur kurzen stationären Aufenthalts für nicht angezeigt halte. Auch die früheren - letztlich erfolglosen - Therapien zeigten, dass derartige Maßnahmen nicht erfolgversprechend seien, weil diese dem Betroffenen nur kurzzeitig weiterhül­fen.

Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Betroffenen vom 16.01.2012, mit der er im Wesentlichen geltend gemacht hat, die gescheiterten Therapieversuche in der Vergangenheit rechtfertigten nicht zwingend die Folgerung, dass weitere Therapie­versuche nach § 35 BtMG keinen Erfolg versprächen. Eine erneute Zurückstellung nach § 35 BtMG könne deshalb gewährt werden, da sich der Betroffene ausdrücklich therapiewillig zeige. Eine Maßnahme nach § 35 BtMG sei mindestens so erfolgver­sprechend wie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB.

Der Generalstaatsanwalt in Hamm wies unter Hinweis auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Bescheidung die Beschwerde mit Bescheid vom 10.02.2012 zurück.

Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21.02.2012, mit dem der Betroffene seinen bisherigen Sachvortrag wiederholt und vertieft.

II.

Der fristgerecht angebrachte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß den

§§ 23 ff EGGVG hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Ablehnung der Zurückstellung der Strafvollstreckung ist nicht zu beanstanden.

Die angefochtenen staatsanwaltlichen Entscheidungen sind für den Senat nur einge­schränkt überprüfbar. Denn bei der Frage, ob einem Verurteilten Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG zum Zwecke einer stationären Entzugstherapie zu gewähren ist, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Eine solche Er­messensentscheidung ist gem. § 28 Abs. 3 EGGVG rechtlich nur darauf hin über­prüfbar, ob die Staatsanwaltschaft die gesetzlichen Grenzen des Ermessens über­schritten hat oder ob von dem Ermessen in einer dem Zwecke der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist und ob die Voll­streckungsbehörde den Sachverhalt in dem gebotenen Umfang unter Ausschöpfung der ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat (OLG Hamm NStZ 1982, 483, 484, Senatsbeschluss vom 22.06.2006 - 1 VAs29/06).

Nach diesen Maßstäben liegen Rechtsfehler hier nicht vor.

Die Vollstreckungsbehörde hat zutreffend darauf abgestellt, dass eine Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtMG bereits deshalb ausscheidet, weil die Rege­lung des § 64 StGB zwingend Vorrang vor der vollstreckungsrechtlichen Lösung des Betäubungsmittelrechts hat (vgl. BGH NStZ 2009, 441; StV 2009, 353; Beschluss vom 27.03.2008 - 3 StR 38/08 -, juris; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 64 Rdz. 26; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 35 Rdz. 144 u. 513 f).

Auch die weiteren Erwägungen der Vollstreckungsbehörde sind ermessensfehlerfrei und nicht zu beanstanden. Die Vollstreckungsbehörde hat zutreffend berücksichtigt, dass gegen eine Zurückstellung nach § 35 BtMG auch spräche, dass nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C2 vom 31.03.2011 eine Maßnahme nach § 35 BtMG wegen des nur kurzen stationären Aufenthalts mangels Erfolgsaus­sicht nicht angezeigt ist, sondern lediglich die Unterbringung nach § 64 StGB. Durch­greifende Umstände, die diese Einschätzung in Frage stellen könnte, sind weder er­sichtlich noch werden sie von dem Betroffenen dargelegt.

Ebenso zutreffend ist die Erwägung der Vollstreckungsbehörde, dass die in der Ver­gangenheit im Ergebnis erfolglos durchgeführten Therapien einen strengen Maßstab bei der Entscheidung über eine erneute Zurückstellung der Strafvollstreckung gebö­ten. Zwar darf nicht übersehen werden, dass ein Scheitern der Therapie nicht immer Ausdruck einer Therapieresistenz oder mangelnder Therapiebereitschaft ist, sondern häufig nur Symptom der Sucht. Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung darf nicht an Verhaltensweisen scheitern, die als Krankheitssymptome der Sucht anzusehen sind und durch die Therapie erst behoben werden sollen. Der Weg aus der Sucht verläuft niemals geradlinig nach einem festen Therapieplan, sondern ist ein langes prozesshaftes Geschehen, in dem es darum geht, Rückfälle therapeutisch zu verar­beiten, drogenfreie Intervalle zu vergrößern und Erfolge in kleinen Schritten anzu­streben (vgl. L NStZ 1998, 227, 232). Die Erfolglosigkeit von in der Vergangen­heit durchgeführten stationären Therapien gebietet es aber, einen strengen Maßstab bei der Entscheidung über eine neue Rückstellung der Strafvollstreckung anzulegen (st. Senatsrechtsprechung, vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 08.08.1996 - 1 VAs 41/96 und 22.04.2003 - 1 VAs 17/03).

Nach diesen Maßstäben sind vorliegend die Vollstreckungsbehörden zu Recht davon ausgegangen, dass eine erneute stationäre Therapie keine hinreichende Erfolgsaus­sicht bietet. Das gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Betroffene - vor seiner Ladung in das LWL Therapiezentrum für Forensische Psychiatrie N - zu­nächst freiwillig eine stationäre Therapie in der Schlosspark-Klinik in C begonnen und bis zu seinem Wechsel in das LWL Therapiezentrum be­anstandungsfrei durchgeführt hatte. Dass der Betroffene in der Lage ist, unter den korsettierenden Bedingungen der Therapiemaßnahme erfolgreich eine solche Maßnahme durch-

­zustehen, hat er bereits bei den früheren Therapien unter Beweis ge­stellt, Dies bietet allerdings - wie die Erfahrungen in der Vergangenheit zeigen - keine Gewähr dafür, dass der Therapieerfolg auch über einen längeren Zeitraum anhält.

Die Vollstreckungsbehörden haben demgemäß zu Recht eine Zurückstellung der Strafvollstreckung abgelehnt, so dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zu verwerfen war.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 29 Abs. 1 EGGVG war nicht veran­lasst.

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