OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.03.2012 - 5 B 892/11
Fundstelle
openJur 2012, 85564
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Ablehnung des Erlasses einer einstweiligen Anordnung durch den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 18. Juli 2011 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den im Beschwerdeverfahren allein aufrecht erhaltenen Antrag der Antragstellerin,

im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass sie durch die Rechtsverordnung zum Schutz der Jugend und des öffentlichen Anstands im Bereich der Stadt Dortmund (Sperrbezirksverordnung) vom 2. Mai 2011 nicht gehindert ist, im Bereich der Ravensberger Straße in Dortmund der Straßenprostitution nachzugehen,

zu Recht abgelehnt.

Zutreffend hat das Verwaltungsgericht im Verhältnis zum Antragsgegner zu 1. angenommen, dass die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Sperrbezirksverordnung als Vorfrage im Rahmen eines Feststellungsbegehrens gegenüber dem Normgeber geklärt werden kann. Da die Norm nicht der Umsetzung durch einen Vollzugsakt bedarf, ist eine solche Klagemöglichkeit bei nicht eröffneter Normenkontrolle im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG unerlässlich.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. Januar 2010 - 8 C 19.09 -, BVerwGE 136, 54, 57 ff., und vom 28. Juni 2000 − 11 C 13.99 −, BVerwGE 111, 276, 278; BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 2006 − 1 BvR 541/02 u. a. −, BVerfGE 115, 81, 92 ff.

Vorläufiger Rechtsschutz ist für derartige Feststellungsbegehren im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu gewähren.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. Oktober 2009 − 2 VR 6.09 −, juris; BVerfG, Beschluss vom 18. Dezember 1985 − 2 BvR 1167/84 u. a. −,

BVerfGE 71, 305, 347; BayVGH, Beschluss vom 16. August 2010 − 11 CE 10.262 -, juris, Rn. 17.

Da der Sache nach die Gültigkeit einer Rechtsnorm vorübergehend suspendiert werden soll, können für eine derartige Entscheidung nach § 123 VwGO allerdings keine anderen Maßstäbe gelten als für eine normspezifische einstweilige Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO. Für diese ist allgemein anerkannt, dass eine an den Grundsätzen des § 32 BVerfGG orientierte Interessenabwägung unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs vorzunehmen ist.

Vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 24. Oktober 2002 − 8 S 2210/02 −, juris, Rn. 33, m. w. N.

Hieran gemessen ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch nicht gegeben ist. Vielmehr spricht nach Aktenlage jedenfalls für den Bereich der Ravensberger Straße in Dortmund Überwiegendes für die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Sperrbezirksverordnung (ABl. Reg. Bez. Arnsberg 2011, 201), so dass die Antragstellerin rechtlich gehindert ist, dort der Straßenprostitution nachzugehen. Zur Begründung nimmt der Senat insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss (VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18. Juli 2011 - 16 L 529/11 -, juris, Rn. 23 bis 36 = Beschlussabdruck, S. 7, zweiter Absatz bis S. 11, zweiter Absatz), die durch das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht erschüttert werden.

Der Einwand der Antragstellerin, in der Ravensberger Straße selbst seien Belange des Jugendschutzes und des öffentlichen Anstands nicht betroffen, greift nicht durch. Zwar muss eine Sperrgebietsverordnung nach Art. 297 EGStGB hinsichtlich der in Rede stehenden Gebiete dem Schutz der Jugend oder des öffentlichen Anstands dienen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die angrenzenden Gebiete außer Betracht zu bleiben hätten. Die gesetzliche Ermächtigung soll das Zusammenleben der Menschen ordnen, soweit ihr Verhalten sozialrelevant ist, nach außen in Erscheinung tritt und das Allgemeinwohl beeinträchtigen kann. Handlungen und Zustände, die eine enge Beziehung zum Geschlechtsleben haben, können Belange des Allgemeinwohls insbesondere dann beeinträchtigen, wenn durch einen Öffentlichkeitsbezug Kinder und Jugendliche sowie andere Personen, die hiervon unbehelligt leben wollen, erheblich belästigt werden.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, 906; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 - 1 S 2256/07 -, VBlBW 2009, 220, 221.

Dementsprechend geht es um den Schutz Dritter nicht nur vor der Prostitutionsausübung selbst, sondern auch vor allen mit ihr verbundenen "unliebsamen Begleiterscheinungen".

Vgl. Gesetzentwurf eines Zehnten Strafrechtsänderungsgesetzes, BT-Drs. VI/293, S. 3.

Nach diesem Schutzzweck ist es möglich, durch Sperrgebietsverordnung vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch Erwachsene in ihrem Wohnumfeld vor der unmittelbaren Konfrontation mit der Prostitutionsausübung und ihren Begleiterscheinungen wirksam zu schützen. Die veränderte rechtliche Bewertung der Prostitution erfordert nicht, für diese Tätigkeit derart günstige Rahmenbedingungen zu schaffen und zu erhalten, dass Prostituierte aus verschiedenen Ländern Europas in großer Zahl angelockt werden, die "in Arbeitskleidung" auch in anliegenden Wohngebieten das Straßenbild prägen und als legale Gewerbetreibende offen Anbahnungsgespräche führen. Im Gegenteil darf der Verordnungsgeber derartigen Entwicklungen durch Erweiterung eines Sperrgebiets mit dem Ziel entgegen treten, die Prostitution auf einen Umfang zurückzuführen, der für umliegende Wohngebiete noch sozialverträglich ist, wenn dies mit einzelfallbezogenen ordnungsbehördlichen und polizeilichen Mitteln nicht mehr wirksam gelingt. Durch das Prostitutionsgesetz sollte die Prostitution nicht etwa ein "Beruf wie jeder andere" werden. Es ging lediglich darum, freiwillige Entscheidungen von Frauen zur Aufnahme der Prostitution rechtlich zu akzeptieren und die Betroffenen vor damit verbundenen Gefahren zu schützen. Die Berechtigung zur Bekämpfung sozialschädlicher Formen und Folgen der Prostitution steht ebenso außer Frage wie das Erfordernis, Betroffenen andere Optionen der Lebensgestaltung zu eröffnen.

Vgl. Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes vom 25. Januar 2007, BT-Drs. 16/4146, S. 4 ff.

Bei der Beurteilung der Frage, welche räumlichen und zeitlichen Beschränkungen aus Gründen des Jugendschutzes und des öffentlichen Anstands nach Art. 297 EGStGB erforderlich sind, ist zwar dem Wandel der gesellschaftlichen Vorstellungen Rechnung zu tragen, die sich im Prostitutionsgesetz niedergeschlagen haben.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, 907; Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes, BT-Drs. 16/4146, S. 41.

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Verordnungsgeber hierdurch aber nicht gehindert ist, von Kindern und Jugendlichen Einflüsse fern zu halten, die sich wegen der Kommerzialisierung sexueller Handlungen auf ihre Einstellung zur Sexualität und damit auf die Entwicklung ihrer Persönlichkeit nachteilig auswirken.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, 907; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 15. Dezember 2008 - 1 S 2256/07 -, VBlBW 2009, 220, 221.

Die Berufsfreiheit der Prostituierten ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht gegenüber den Belangen des Jugendschutzes vorrangig. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber ausdrücklich dem Jugendschutz in schutzwürdigen Bereichen den Vorrang eingeräumt, indem er weiterhin eine Entscheidung darüber ermöglicht hat, ob und wann Jugendliche mit dem gesellschaftlichen Phänomen der Prostitution konfrontiert werden sollen.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. April 2009 - 1 BvR 224/07 -, NVwZ 2009, 905, 908.

Diesem legitimen Schutzzweck genügt die streitgegenständliche Sperrgebietsverordnung. Danach sind Begleiterscheinungen der Straßenprostitution in den Blick zu nehmen, soweit sie - auch mittelbar - schutzbedürftige Gebiete räumlich betreffen. Nach den aktenkundigen Feststellungen der Antragsgegner und der Polizei haben die mittelbaren Auswirkungen der Prostitution in den nahe der Ravensberger Straße gelegenen Wohngebieten der Dortmunder Nordstadt ein nicht mehr erträgliches Ausmaß angenommen. Die Rahmenbedingungen für die Ausübung der legalisierten Prostitution waren nach versuchsweiser Einrichtung eines Straßenstrichs im Bereich der Ravensberger Straße offenbar so attraktiv, dass sich die Zahl der Straßenprostituierten in kurzer Zeit drastisch erhöht hat. Noch vor wenigen Jahren stand das sogenannte "Dortmunder Modell" als Vorbild für positive Ansätze zur Verbesserung der Arbeitssituation von Prostituierten.

Vgl. Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes vom 25. Januar 2007, BT-Drs. 16/4146, S. 36.

Während im Jahr 2006 noch etwa 60 Straßenprostituierte die Beratungsstelle für Prostituierte L. in Anspruch genommen hatten, erhöhte sich diese Zahl nach dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zur Europäischen Union im Jahr 2007 auf etwa 500 mit steigender Tendenz. Täglich hielten sich durchschnittlich 50 bis 80 Prostituierte auf der Straße auf, von denen etwa 80 % bulgarischer Herkunft waren. Entsprechende Zahlen ermittelte die Antragsgegnerin zu 2. im Jahr 2011. Sie hatte durch Kontaktaufnahme nach Bulgarien festgestellt, dass ein Großteil der Prostituierten einer ethnischen Minderheit angehörte und aus einem bulgarischen Elendsviertel stammte. Viele von ihnen waren mit täglich verkehrenden Fernreisebussen angereist und bewohnten preisgünstigen Wohnraum in der Dortmunder Nordstadt. Nach Einschätzung der Beratungsstelle L. ist die erhebliche Zunahme der in Dortmund tätigen Prostituierten nicht in erster Linie dadurch zu erklären, dass sich Frauen nach Legalisierung der Prostitution durch das Prostitutionsgesetz zunehmend freiwillig für die Prostitution entschieden haben. Solche Fälle waren danach weiterhin selten. Zumeist waren vielmehr finanzielle Notlagen, Suchtmittelabhängigkeit, psychischer Druck und fehlende Schulbildung die wesentlichen Motive für eine Tätigkeit im Bereich der Straßenprostitution. Diese Feststellung der Beratungsstelle deckt sich im Wesentlichen mit der Bewertung der Bundesregierung, wonach sich viele Prostituierte in einer sozialen und psychischen Situation befinden, in der es fraglich ist, ob sie sich wirklich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können.

Vgl. Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des Prostitutionsgesetzes vom 25. Januar 2007, BT-Drs. 16/4146, S. 6.

Auch nach Ansicht der Polizei hat die Kombination von billigstem Wohnraum in der Dortmunder Nordstadt mit dem nahe gelegenen Straßenstrich in besonderer Weise gesellschaftliche Randgruppen angezogen, weshalb sich die Situation im sozialen Brennpunkt Nordstadt weiter verschärft hat. Die Auswirkungen der Prostitution auf die Nordstadt hat die Polizei dahingehend beschrieben, dass sich eine "negative Infrastruktur" gebildet habe. Viele Prostituierte gäben das auf dem Straßenstrich verdiente Geld für den eigenen Drogenkonsum, für die Miete von Schlafstätten in verkommenen, verfallenen und vermüllten Wohnungen oder in den zahlreichen Teestuben, Internetcafés, Wettbüros, Spielhallen und Gaststätten aus oder überwiesen es in ihre Heimat. Ausgaben mit dem Ziel der gesellschaftlichen Integration erfolgten nicht. Nach Einschätzung der Beratungsstelle L. hat die Legalisierung der Prostitution dazu beigetragen, dass sich viele Prostituierte nicht länger gezwungen sähen, ihre Tätigkeit im Verborgenen auszuüben; sie könnten zu ihrem Gewerbe eher Stellung beziehen und seien daher für andere auch besser erkenn- und wahrnehmbar.

Ausgehend von diesem Gesamtbefund ist es nachvollziehbar, dass außer den Antragsgegnern und der Polizei vor allem eine überwältigende Zahl von Eltern mit Kindern aus der Nordstadt die dort offen wahrnehmbaren Folgeprobleme der Prostitution für nicht mehr tragbar gehalten hat. Bei der festgestellten deutlichen Zunahme von Prostituierten, die selbst nach Angaben der dort tätigen Beratungsstelle L. vermehrt nach außen in Erscheinung getreten sind, ist auch die Schilderung der Elternpflegschaft einer in der Nordstadt ansässigen Grundschule plausibel, Kinder und Jugendliche seien in der Nachbarschaft, auf Straßen und Spielplätzen täglich von den katastrophalen Auswirkungen der Straßenprostitution als Anziehungspunkt einer lawinenartigen Elendsmigration betroffen. Anders ist es auch nicht zu erklären, dass Kinder und Jugendliche gegenüber Medienvertretern in der Lage waren, sehr konkret Auskunft über die Verhandlungen zwischen Prostituierten und ihren Freiern sowie zu den hierbei vereinbarten Preisen zu geben. Darüber hinaus hat die Beratungsstelle bestätigt, dass Kinder in ihrem Alltag sogar unmittelbar auf dem Straßenstrich selbst mit der Prostitution konfrontiert worden sind. Sie sind vereinzelt von Freiern im Kindersitz mitgenommen worden und konnten auf diese Weise Zeugen bezahlter "sexueller Dienstleistungen" werden.

In tatsächlicher Hinsicht genügen die Feststellungen der Antragsgegner und die Auswertung der ausführlichen Stellungnahmen von Beratungsstellen, Anwohnern, Gewerbetreibenden und Polizeidienststellen, um die in Rede stehende Erweiterung des Sperrgebiets zu rechtfertigen. Neben dem in ihren Ursachen nachvollzogenen erheblichen Andrang von Prostituierten aus einem bulgarischen Elendsviertel hat die Antragsgegnerin zu 2. eine hohe Zahl von bulgarischen Staatsangehörigen ermittelt, die in der Nordstadt amtlich gemeldet waren. Einer weitergehenden Aufklärung der Zahl der Prostituierten, die in der Nordstadt wohnten und auf der Ravensberger Straße arbeiteten, bedurfte es nicht. An der öffentlichen Wahrnehmbarkeit des Prostitutionsgewerbes bis in die bewohnten Bereiche der Nordstadt bestehen nach Aktenlage keine begründeten Zweifel. Dabei ist unerheblich, wieviele Prostituierte, die in dieser Eigenschaft in den Wohngebieten der Nordstadt offen in Erscheinung traten, auch dort wohnten. Sozialunverträglich waren bereits die übereinstimmend berichteten alltäglichen Konfrontationen mit Randerscheinungen des Straßenstrichs. Dabei ist unschädlich, dass keine genauen Zahlen über auffällig gewordene Prostituierte sowie über etwaige Ordnungswidrigkeiten und Strafverfahren zusammengetragen worden sind. Der Jugendschutz rechtfertigt gerade die Verdrängung von Begleiterscheinungen der Prostitution als Alltagserfahrung aus schutzwürdigen Gebieten, auch wenn sie für sich gesehen polizeilich nicht erfasst worden sind, etwa weil sie weder strafrechtlich relevant gewesen sind noch Ordnungswidrigkeitstatbestände erfüllt haben. Dies gilt umso mehr, weil die Entkriminalisierung der Prostitution und die erweiterte Freizügigkeit seit der EU-Osterweiterung bisherige behördliche Ermittlungsansätze und Kontrollmöglichkeiten eingeschränkt haben.

Vgl. Renzikowski, Reglementierung von Prostitution, Gutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Januar 2007, http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/prostitutionsgesetzgutachten-1,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf, S. 49, Rn. 103.

An der Berechtigung der massiven Forderung von zahlreichen Anliegern nach einem Schutz vor dem "Ausfransen" des Straßenstrichs in umliegende Wohngebiete bestehen nicht deshalb Zweifel, weil im Rahmen einer Postkartenaktion zur Veranschaulichung des Problems ein unmittelbar auf dem Straßenstrich aufgenommenes Foto verwendet worden ist. Es steht außer Streit, dass sich im Wohnumfeld der Dortmunder Nordstadt kein regelrechter Straßenstrich etabliert hatte, der ohne Schwierigkeiten jederzeit hätte fotografisch dokumentiert werden können. Dessen bedurfte es nicht, um die Ausdehnung der Sperrgebietsverordnung inhaltlich zu rechtfertigen. Es ist nachvollziehbar, dass sich subtilere Begleiterscheinungen der Straßenprostitution in umliegenden Wohngebieten, die durchaus wegen ihrer äußeren Wahrnehmbarkeit Regelungsbedarf aufwerfen, häufig nicht im Bild festhalten lassen. Hierzu zählen etwa Anbahnungsgespräche oder Kontaktaufnahmen zwischen Prostituierten und Minderjährigen, deren Inhalt sich fotografisch nicht erfassen lässt.

Angesichts der besonderen Bedrohungen für eine gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und für Belange des öffentlichen Anstands, die nach Einführung des sogenannten "Dortmunder Modells" und infolge der EU-Osterweiterung aufgetreten sind, war es auch nicht unverhältnismäßig und trug den Belangen der Prostituierten hinreichend Rechnung, ihnen künftig eine legale Prostitutionsausübung im Dortmunder Stadtgebiet nahezu ausschließlich im Rahmen der weiter zulässigen Bordell- und Wohnungsprostitution zu ermöglichen.

Die Zweifel der Antragstellerin an einer wirksamen Bekämpfung der Prostitution im Bereich des Sperrbezirks greifen ebenfalls nicht durch. Wegen der massiven Ausweitung der Prostitutionstätigkeit in Dortmund ist die Bewertung nicht zu beanstanden, nur die Abschaffung des besonders attraktiven versuchsweise eingeführten Straßenstrichs sei geeignet, dieses Tätigkeitsfeld mit seinen Folgeproblemen nicht noch weiter anwachsen zu lassen. Dabei war den Antragsgegnern durchaus bewusst, dass die Verordnung durch intensivierte Kontrollmaßnahmen flankiert werden muss. Ebenso steht außer Frage, dass mögliche Verlagerungstendenzen aufmerksam zu beobachten sind. Entsprechende verbindliche Weisungen hat der Antragsgegner zu 1. der Antragsgegnerin zu 2. im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der in Rede stehenden Sperrgebietsverordnung erteilt. Weiterhin festgestellte Verstöße gegen die Sperrgebietsverordnung stellen ihre grundsätzliche Geeignetheit nicht in Frage. Im Gegenteil sind ausweislich der von der Antragstellerin eingereichten Ratsvorlage der Antragsgegnerin zu 2. nach übereinstimmender Einschätzung von Polizei, Ordnungsamt und Helferseite sehr schnell deutlich sichtbare Erfolge im Bereich der (unerlaubten) Straßenprostitution erzielt worden. Eine Verlagerung in andere Stadtteile oder Umlandgemeinden konnte bisher nicht festgestellt werden.

Schließlich ist nicht offensichtlich, dass ein konsequentes Vorgehen von Polizei und Ordnungskräften bereits ohne den Wegfall des Straßenstrichs im Bereich der Ravensberger Straße ausgereicht hätte, den offen sichtbaren negativen Begleiterscheinungen in nahe gelegenen Wohngebieten ebenso wirksam zu begegnen. Ausweislich des Prüf- und Abwägungsvermerks des Antragsgegners zu 1. vom 19. April 2011 hatten Polizei und Ordnungsamt bereits im Jahr 2010 insgesamt 35 000 Personenkontrollen durchgeführt, die seinerzeit keine positiven Effekte zeigten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.