OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.03.2012 - 2 A 2753/11
Fundstelle
openJur 2012, 85471
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf 15.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Die von dem Kläger vorgebrachten, für die Prüfung maßgeblichen Einwände (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) begründen weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch ergeben sie besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (2.) oder deren grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (3.).

1. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die verwaltungsgerichtliche Entscheidung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Sie sind (nur) begründet, wenn zumindest ein einzelner tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung etwa aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne weitergehende Prüfung der Sach- und Rechtslage beantworten lässt.

Derartige Zweifel weckt das Antragsvorbringen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit dem Antrag,

den der Beigeladenen von der Beklagten erteilten Vorbescheid vom 17. August 2009 und die Baugenehmigung vom 19. November 2009 sowie die Nachtragsbaugenehmigung vom 5. März 2010 aufzuheben,

im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, der Vorbescheid und die Baugenehmigung verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Zwar spreche Einiges dafür, dass die Genehmigungen objektiv rechtswidrig seien. Das Vorhaben der Beigeladenen widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. I/St 14.1 "Gewerbegebiet I.----straße ", der den fraglichen Bereich als Gewerbegebiet ausweise und im Wege der Feinsteuerung Einzelhandelsbetriebe ausschließe. Daher sei das Vorhaben unzulässig, das die Erweiterung des auf dem Grundstück der Beigeladenen vorhandenen Einkaufszentrums um einen Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von fast 800 m² zum Gegenstand habe. Allerdings könne der Kläger, dessen (Erbbau-)Grundstück ebenfalls in dem Gewerbegebiet liege, sich nicht auf den von ihm geltend gemachten Gebietsgewährleistungsanspruch berufen, weil er selbst die mit der Gebietsfestsetzung verbundenen Beschränkungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht einhalte. Das Grundstück des Klägers werde nicht mehr entsprechend der am 30. Juni 1981 erteilten Baugenehmigung beziehungsweise entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans genutzt.

Demgegenüber zeigt der Zulassungsantrag nicht auf, dass dem Kläger ein Gebietsgewährleistungsanspruch zusteht.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Grundstückseigentümer (oder der - wie der Kläger - anderweitig dinglich Berechtigte), sich nicht mittels eines Gebietsgewährleistungsanspruchs mit der Begründung gegen das Vorhaben eines Dritten wenden kann, dieses sei seiner Art nach in dem jeweiligen Baugebiet nicht zulässig, als er selbst die mit der jeweiligen Gebietsfestsetzung verbundenen Beschränkungen der baulichen Ausnutzbarkeit nicht einhält, also an dem wechselseitigen Austauschverhältnis nicht teilhat. Für das baunachbarrechtliche Verhältnis ist anerkannt, dass eine ungenehmigte Nutzung, die bauplanungsrechtlich unzulässig und auch nicht durch Bestandsschutz gedeckt ist, grundsätzlich kein Schutzobjekt eines nachbarrechtlichen Abwehrrechts sein kann.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 15. April 2011

- 7 B 1263/10 -, juris Rn. 41, und vom 22. Juni 2010

- 7 B 479/10 -, juris Rn. 9, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 7 A 2658/07 -, BRS 74 Nr. 189 = juris Rn. 41.

Weiterhin ist zutreffend, dass aus dem dem Gebietsgewährleistungsanspruch zugrunde liegenden Gedanken des nachbarlichen Austauschverhältnisses ebenfalls folgt, dass der Grundstückseigentümer (oder der anderweitig dinglich Berechtigte), der die mit der jeweiligen festgesetzten Gebietsart verbundenen Nutzungsbeschränkungen selbst nicht einhält, nur solche Rechtsverstöße hinnehmen muss, die mit dem eigenen Rechtsverstoß vergleichbar sind. Wesentlich gewichtigere Rechtsverstöße des Nachbarn braucht er nicht zu dulden, da sie den mit dem Gebietsgewährleistungsanspruch bezweckten Ausgleich vereiteln würden. Die Vergleichbarkeit der jeweiligen Verstöße gegen die die Gebietsart betreffenden Planfestsetzungen ist dabei nicht nach den jeweiligen konkreten Beeinträchtigungen des Nachbarn zu bemessen, von denen der Gebietsgewährleistungsanspruch gerade unabhängig ist. Maßgeblich ist im Hinblick auf die Zielsetzung des Gebietsgewährleistungsanspruchs, das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets zu verhindern, vielmehr die Intensität, mit der der jeweilige Verstoß den zu schützenden Gebietscharakter in Frage stellt.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Juni 2010

- 7 B 7 B 479/10 -, juris Rn. 15.

Ausgehend von diesen Grundsätzen lässt der Zulassungsantrag nicht hervortreten, dass der Kläger sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts erfolgreich auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch berufen kann, weil - wie der Kläger geltend macht - auf seinem Grundstück keine unzulässigen oder nicht genehmigten Nutzungen stattfänden, die heutigen Nutzungen vielmehr vom Bestandsschutz der der Firma G. GmbH im Jahr 1981 erteilten Baugenehmigung gedeckt seien (dazu a) oder jedenfalls der Rechtsverstoß der Beigeladenen ungleich stärker sei (dazu b).

a) Zur formellen Illegalität der - damit grundsätzlich nicht schutzwürdigen - Nutzung auf dem klägerischen Grundstück hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, am 30. Juni 1981 genehmigt worden sei dort der Betrieb eines Teppichboden-Verkaufslagers in Ladeneinheit mit einem Schuh-Verkaufslager mit einer Gesamtverkaufsfläche von 1.326 m². Nach der Betriebsbeschreibung, die Grundlage der Baugenehmigung gewesen sei, hätten auf einer Fläche von 746 m² Teppichboden und Nebenartikel, PVC-Beläge und Teppichfliesen sowie auf einer Fläche von 580 m² Schuhe verkauft werden sollen. Der Verkauf von Schuhen sei vor einigen Jahren eingestellt worden. Auf der Gesamtfläche würden nunmehr von dem Betreiber des Teppichbodenmarkts neben Bodenbelägen und Nebenartikeln auch Tapeten, Farben, Lacke und Zubehör, Gardinen, Stoffe, Vorhänge, Gardinenleisten und Wohnzubehör, Gartenmöbel und Sitzauflagen, Strandkörbe, Fahrräder, Holzkohlengrills einschließlich Zubehör sowie Kleinteile wie Töpfe und Geschenkartikel angeboten. Diese Sortimentsänderung gehe über die mit jeder Nutzung verbundene Variationsbreite hinaus und stelle eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, die von der ursprünglichen Baugenehmigung nicht gedeckt sei.

Dass diese Einschätzung ernstlich zweifelhaft ist, geht aus dem Zulassungsantrag nicht hervor.

Warum das derzeit von der Firma G. GmbH - der Pächterin - auf dem Grundstück des Klägers angebotene Sortiment "offensichtlich" als "Nebensortiment" von der Baugenehmigung vom 30. Juni 1981 erfasst sein soll, führt der Zulassungsantrag nicht näher aus. Diese Lesart gibt die Baugenehmigung aus dem Jahr 1981 bei objektiver Betrachtung nicht her, die das Verwaltungsgericht genauso wie der Senat - und nicht nur die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Bauaufsichtsbehörde - im Rahmen seiner richterlichen Überprüfung auszulegen hat. Die der Baugenehmigung beigefügte Betriebsbeschreibung verwendet den Begriff "Teppichboden und Nebenartikel". Daraus wird deutlich, dass Nebenartikel nach der Baugenehmigung nur solche Waren sein sollen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verkauf von Teppichböden stehen. Das trifft auf die genannten Sortimente, die mittlerweile auf dem Grundstück des Klägers auch vertrieben werden, weitgehend nicht zu.

Dass die nunmehr auf dem Grundstück des Klägers angebotenen Waren teilweise von der ursprünglichen Baugenehmigung abweichen, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2011 vorgetragen und mit Schriftsatz vom 11. Juli 2011 unter Hinweis auf eine Aufnahme des Warensortiments durch ihren Baukontrolleur am 8. Juli 2011 konkretisiert. Dem tritt der Kläger mit dem Zulassungsantrag nicht substantiiert entgegen. Soweit er darauf verweist, das Verwaltungsgericht habe die Abweichung feststellen müssen, legt der Kläger auch eine Verletzung der Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO nicht dar.

Zur Darlegung eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO muss der Rechtsmittelführer substantiiert ausführen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -, NJW 1997, 3328 = juris Rn. 4.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Weder hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2011 durch die Stellung eines Beweisantrags auf die begehrte eigene Feststellung durch das Verwaltungsgericht hingewirkt noch musste sich dem Verwaltungsgericht eine weitergehende Sachverhaltsermittlung aufdrängen. Für das Verwaltungsgericht bestand kein Anlass, an den Angaben der Beklagten zum gegenwärtigen Warenangebot der Firma G. GmbH zu zweifeln.

Daraus, dass die Beklagte gegen die Einzelhandelsnutzung auf dem Grundstück des Klägers nicht eingeschritten ist und die Tatsache der genehmigungswidrigen Nutzung erst in der mündlichen Verhandlung am 7. Juli 2011 eingeführt hat, kann der Kläger nicht die Legalität und Schutzwürdigkeit der Nutzung ableiten.

Sollte in dem Unterlassen der Beklagten eine Duldung der aktuellen Nutzung zu sehen sein, hätte diese keine Legalisierungswirkung. Eine derartige Rechtsposition, die ihm im Ansatz einen Gebietsgewährleistungsanspruch verschaffen könnte, kann der Kläger auch nicht aus der Nichtausübung bauordnungsrechtlicher Befugnisse durch die Beklagte gegenüber der Einzelhandelsnutzung auf seinem Grundstück ableiten. In der Situation des Gebietsgewährleistungsanspruchs ist es stets so, dass sich Nachbarn in einem durch den Gebietsgewährleistungsanspruch begründeten materiellrechtlichen Streitverhältnis gegenüberstehen und zugleich die an diesem Nachbarstreitverhältnis nicht unmittelbar beteiligte Bauaufsichtsbehörde gegen den baurechtswidrigen Zustand, der den Anlass des Nachbarstreits bildet, im Fall von dessen Vorliegen vorgehen könnte. Wird diese potentielle bauaufsichtsbehördliche Befugnis ausgeübt, lässt dies aber nur ein eigenes Rechtsverhältnis zwischen Behörde und Pflichtigem entstehen. Von diesem ist das Nachbarrechtsverhältnis - und somit auch das Bestehen des Gebietsgewährleistungsanspruchs - getrennt zu sehen.

Vgl. zu den unterschiedlichen Rechtsverhältnissen: OVG NRW, Beschluss vom 17. Mai 2011

- 2 A 1202/10 -, BauR 2011, 1793 = juris Rn. 13.

Eine - zumal subjektivrechtlich durchsetzbare - Verpflichtung der Bauaufsichtsbehörde, gegen einen von ihr erkannten formell baurechtswidrigen Zustand einzuschreiten, um einem Nachbarn auf diesem Weg eventuell einen Gebietsgewährleistungsanspruch zu verschaffen, besteht aufgrund der Getrenntheit der genannten Rechtsverhältnisse nicht. Dies gilt erst recht, wenn ein Grundstückseigentümer - wie hier der Kläger - ein Einschreiten gegen die Nutzung seines eigenen Grundstücks verlangt, um danach unter Umständen in eine Gebietsgewährleistungsanspruchsposition zu gelangen.

Im Weiteren ist der Umstand, dass die Baugenehmigung vom 30. Juni 1981 an die G. Teppichboden GmbH und nicht an den Kläger adressiert ist, für den Abgleich der tatsächlichen Nutzung des Grundstücks mit dem Genehmigungsinhalt und damit die Frage der Legalität unerheblich. Die Baugenehmigung wirkt - wie der baurechtliche öffentlichrechtliche Nachbarschutz insgesamt -,

vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16. September 1993

- 4 C 9.91 -, BRS 55 Nr. 163 = juris Rn. 8;

OVG NRW, Urteil vom 13. Oktober 2011

- 2 D 119/09.NE -, juris Rn. 115,

grundstücks- und nicht personenbezogen (vgl. dazu § 75 Abs. 2 BauO NRW) und sie wird zudem unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt (vgl. § 75 Abs. 3 Satz 1 BauO NRW), so dass im gegebenen Zusammenhang auch ohne Belang ist, welche zivilrechtlichen Einflussmöglichkeiten der Kläger auf die Grundstücksnutzung durch die Pächterin hat. Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger Kenntnis von einer genehmigungswidrigen Nutzung des Grundstücks durch die Firma G. GmbH hatte.

Vgl. insoweit auch OVG NRW, Urteil vom 30. Oktober 2009 - 7 A 2658/07 -, BRS 74 Nr. 189 = juris Rn. 71.

b) Der Kläger dringt ferner nicht mit dem Vortrag durch, jedenfalls sei der Rechtsverstoß der Beigeladenen ungleich stärker als sein eigener.

Das Verwaltungsgericht hat argumentiert, auf dem Grundstück des Klägers werde auf einer Verkaufsfläche von 1.326 m² ein großflächiger Einzelhandel betrieben, ohne dass Sortimentsbeschränkungen eingehalten würden. Über diesen Rechtsverstoß gehe die angegriffene Genehmigung des Lebensmitteldiscountmarkts mit einer Verkaufsfläche von knapp 800 m² nicht hinaus. Zwar werde mit der erteilten Baugenehmigung das vorhandene Einkaufszentrum im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO erweitert. Dieser Umstand führe jedoch nicht dazu, dass der Verstoß als gewichtiger anzusehen sei. Zum einen sei die Erweiterung im Hinblick auf die bereits bestehende Größe des Einkaufszentrums von untergeordneter Bedeutung. Zum anderen sei der Einzelhandel auf dem Grundstück des Kläger nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ebenfalls als großflächig anzusehen und unterliege den gleichen bauplanungsrechtlichen Zulassungsbeschränkungen.

Dem setzt der Zulassungsantrag nichts Durchgreifendes entgegen.

Der von dem Verwaltungsgericht angenommene Rechtsverstoß durch die angefochtenen Genehmigungen - Zulassung eines Lebensmitteldiscountmarkts entgegen dem Ausschluss des Bebauungsplans - ist mit dem eigenen Rechtsverstoß auf dem Grundstück des Klägers - ungenehmigter Betrieb eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs - vergleichbar und deswegen von dem Kläger hinzunehmen. In beiden Fällen geht es bei der vorzunehmenden typisierenden Betrachtung,

vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 18. November 2010 - 4 C 10.09 -, BVerwGE 138, 166 = BRS 76 Nr. 76 = juris Rn. 19,

um den in dem festgesetzten Gewerbegebiet unzulässigen Nutzungstyp "Einzelhandel". Der vom Verwaltungsgericht angenommene objektive Rechtverstoß der streitigen Genehmigungen ist nicht wesentlich gewichtiger, weil das Einkaufszentrum auf dem Grundstück der Beigeladenen - so das Zulassungsvorbringen - zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden sei. Unabhängig davon, inwieweit das Einkaufszentrum von den für das Grundstück der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen im Einzelnen gedeckt ist, geht es streitgegenständlich allein um einen Lebensmitteldiscountmarkt, der sich als bauplanungsrechtlicher Nutzungstyp qualitativ nicht von dem auf dem Grundstück des Klägers unterhaltenen großflächigen Einzelhandelsbetrieb unterscheidet. Um die Intensität des Rechtsverstoßes auf dem klägerischen Grundstück für die Prüfung des Gebietsgewährleistungsanspruchs ermessen zu können, musste das Verwaltungsgericht nicht konkret ermitteln, auf wieviel Quadratmetern Verkaufsfläche dort ungenehmigte Nutzungen stattfinden. Wird auf dem Grundstück des Klägers ein wegen einer Nutzungsänderung neu und insgesamt genehmigungspflichtiger großflächiger Einzelhandelsbetrieb ohne die dadurch erforderliche Genehmigung betrieben, stellt dieser den zu schützenden Gewerbegebietscharakter unabhängig von der konkreten Größe des abweichend von der Baugenehmigung vom 30. Juni 1981 angebotenen Sortiments bei typisierender Betrachtung mit derselben Intensität in Frage wie ein Lebensmitteldiscountmarkt auf dem Grundstück der Beigeladenen, der sich der Gesamtgröße des Einkaufszentrums mit einer Verkaufsfläche von über 10.000 m² - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat - deutlich unterordnet. Um diese Wertung vorzunehmen, musste das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht weiter ausermitteln, weshalb - entsprechend zu den diesbezüglichen Ausführungen unter 1. a) - auch kein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz aus § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO dargetan ist.

Seine Rechtsauffassung, dass von einem Rechtsverstoß, welcher geeignet ist, den Gebietsgewährleistungsanspruch des Nachbarn zu beseitigen, nur dann ausgegangen werden könne, wenn der Rechtsverstoß entweder durch eine legalisierende Maßnahme der zuständigen Behörde (etwa durch Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB) ermöglicht oder von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht (mehr) beseitigt werden könne, verknüpft der Kläger weder mit der in der Rechtsprechung entwickelten Dogmatik des Gebietsgewährleistungsanspruchs,

vgl. hierzu BVerwG, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 - 4 B 55.07 -, BRS 71 Nr. 68 = juris Rn. 5, vom 24. Februar 2000 - 4 C 23.98 -, BRS 63 Nr. 80 = juris Rn. 14, und vom 2. Februar 2000 - 4 B 87.99 -, BRS 63 Nr. 190 = juris Rn. 9, Urteile vom 23. August 1996 - 4 C 13.94 -, BVerwGE 101, 364 = BRS 58 Nr. 159 = juris Rn. 48 ff., und vom 16. September 1993 - 4 C 28.91 -, BVerwGE 94, 151 = BRS 55 Nr. 110 = juris Rn. 12, Urteile vom 11. Mai 1989 - 4 C 1.88 -, BVerwGE 82, 61 = BRS 49 Nr. 184 = juris Rn. 43, und vom 28. April 1967 - IV C 10.65 -, BVerwGE 27, 29 = NJW 1967, 1770 = juris Rn. 14; OVG NRW, Urteil vom 21. Dezember 2010 - 2 A 1419/09 -, DVBl. 2011, 570 = juris Rn. 83 ff., Beschluss vom 22. Juni 2010 - 7 B 479/10 -, juris Rn. 7, Urteil vom 17. Dezember 2008 - 10 A 3001/07 -, juris Rn. 36, Beschluss vom 28. November 2002 - 10 B 1618/02 -, BRS 66 Nr. 168 = juris Rn. 5,

noch mit der oben dargestellten Herleitung eines Anspruchsausschlusses wegen eigenen baurechtswidrigen Verhaltens. Ohne eingehende Auseinandersetzung mit diesen Rechtsprechungsansätzen wird jedoch nicht deutlich, warum die Dogmatik des Gebietsgewährleistungsausschlusses im klägerischen Sinne weiter ausdifferenziert werden müsste und warum dies im zugrunde liegenden Fall zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Sollte der Kläger auch insoweit darauf hinauswollen, dass ein Gebietsgewährleistungsanspruch maßgeblich von dem Handeln der Bauaufsichtsbehörde abhängt, ist ihm - wie schon oben unter 1. a) - entgegenzuhalten, dass es sich bei dem Verhältnis Nachbar/Nachbar und dem Verhältnis Behörde/Pflichtiger um jeweils zu trennende Rechtsverhältnisse handelt, die rechtlich nebeneinander stehen.

2. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache zuzulassen.

Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Angriffe des Klägers gegen die Tatsachenfeststellungen oder die rechtlichen Würdigungen, auf denen das angefochtene Urteil beruht, begründeten Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung gäben, die sich nicht ohne Weiteres im Zulassungsverfahren klären ließen, sondern die Durchführung eines Berufungsverfahrens erfordern würden.

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Dass der Ausgang des Rechtsstreits in dem vorgenannten Sinn offen ist, lässt sich auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens aus den unter 1. genannten Gründen nicht feststellen. Besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten wirft die Sache auch ansonsten nicht auf.

3. Die Berufung ist nicht wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im betreffenden Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat. Dabei ist zur Darlegung dieses Zulassungsgrunds die Frage auszuformulieren und substantiiert auszuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.

Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen auch abgesehen davon nicht gerecht, dass es keine Grundsatzfragen ausformuliert, sondern lediglich im Verlauf des Zulassungsvorbringens verschiedentlich einzelne Fragestellungen als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet.

Die als grundsätzlich klärungsbedürftig aufgeworfene Frage,

"ob es der Geltendmachung eines Gebietsgewährleistungsanspruchs entgegensteht, wenn auf dem Grundstück des diesen Anspruch geltend machenden Nachbarn Nutzungen stattfinden, die zwar nicht genehmigt sind, von der Bauaufsichtsbehörde jedoch jederzeit untersagt beziehungsweise verhindert werden könnten",

rechtfertigt die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht, weil sie sich bereits ohne Weiteres im Zulassungsverfahren in dem unter 1. a) dargestellten Sinne beantworten lässt und daher nicht mit einem weitergehenden Klärungsbedarf verbunden ist.

Die weiterhin von dem Kläger als grundsätzlich gekennzeichnete Frage,

"ob von einem den geforderten Beschränkungen widersprechenden Verhalten eines Nachbarn, der sich auf einen Gebietsgewährleistungsanspruch beruft, nur dann gesprochen werden kann, wenn sein "Verhalten", das mit den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht übereinstimmt, entweder durch eine erteilte Befreiung gerechtfertigt ist oder aber zumindest Gegenstand eines bauaufsichtlichen Verfahrens ist",

führt gleichfalls nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 3 Nr. 3 VwGO. Wie unter 1. b) ausgeführt, zeigt der Kläger nicht auf, inwiefern diese Frage auf das Vorliegen eines Gebietsgewährleistungsanspruchs von Einfluss sein könnte. Es ist daher nicht zu erkennen, dass sie sich in einem Berufungsverfahren entscheidungserheblich stellen würde.

Entsprechendes gilt für die Frage,

"ob von einem Rechtsverstoß, welcher geeignet ist, den Gebietsgewährleistungsanspruch des Nachbarn zu beseitigen, nur dann ausgegangen werden kann, wenn der Rechtsverstoß entweder durch eine legalisierende Maßnahme der zuständigen Behörde (etwa durch Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB) ermöglicht oder von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht (mehr) beseitigt werden kann".

Diese Frage ist lediglich eine Abwandlung der zuvor gestellten und füllt die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 BauGB ebenso wie diese nicht aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).