VG Aachen, Urteil vom 20.12.2011 - 2 K 1817/10
Fundstelle
openJur 2012, 83661
  • Rkr:
Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2010 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, in dem Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Einstellung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) sowie gegen eine Erstattungsforderung. Sie ist Mutter der Kinder D. P. H. (geboren 30. Oktober 1998) und T. O. H. (geboren 01. November 2001). Kindesvater ist S. H. , mit dem die Klägerin seit 1997 verheiratet war und deren Ehe mit Urteil des Amtsgerichts Aachen vom 2. März 2010 (Az.: 226 F 11/08) geschieden wurde.

Die Klägerin beantragte erstmals im Oktober 2008 die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen. Zu diesem Zeitpunkt wohnte die Klägerin mit den Kindern und dem Kindesvater noch in dem gemeinsamen Haus in der G.-----straße 16 in C. . Der Antrag wurde mit Bescheid von Dezember 2008 abgelehnt.

Unter dem 1. Dezember 2009 beantragte die Klägerin erneut Unterhaltsvorschussleistungen für ihre Kinder. Die Klägerin hatte zum 1. Dezember 2009 eine Dreizimmerwohnung (66,6 qm) in der Q.---------straße 21 in C1. angemietet. Mit Bescheid vom 25. Januar 2010 bewilligte die Beklagte für die Kinder Unterhaltsvorschussleistungen ab dem 1. Dezember 2009 und wies u. a. für das Kind D. darauf hin, dass die Leistungen jedenfalls mit Erreichen des 12. Lebensjahres zum 29. Oktober 2010 eingestellt werden.

Der Prozessbevollmächtigte des Kindesvaters wies im Februar 2010 darauf hin, dass der Sohn D. unverändert und zwar ohne Unterbrechung bei dem Kindesvater wohne. Die Tochter T. wohne seit dem 1. Februar 2010 bei der Klägerin. Auf fernmündliche Nachfrage teilte der Prozessbevollmächtigte des Kindesvaters im März mit, dass es nunmehr eine Regelung zwischen den Eltern gebe. Die Kinder würden seit dem 1. Januar bzw. 1. Februar 2010 bei der Klägerin leben. Zuvor habe die Klägerin nicht allein mit den Kindern gewohnt, sondern im Haus G.-----straße 16 mit dem Kindesvater gelebt. Ausweislich des vorgelegten Protokolls über die Sitzung vor dem Amtsgericht Aachen (Az.: 226 F 11/08) vom 2. März 2010 trafen die Klägerin und der Kindesvater u. a. folgende Vereinbarung:

"2. Wir sind uns darüber einig, dass unsere beiden Kinder im Haushalt der Kindesmutter leben.

3. Wir gehen davon aus, dass der Kindesvater im Schichtdienst arbeitet, und zwar an 6 Tagen hintereinander im Wechsel Früh-Spätund Nachtschicht, und dass der Kindesvater im Anschluss an diese 6 Tage jeweils 4 freie Tage hat.

Wir sind uns darüber einig, dass unsere beiden Kinder die Wochenenden von Freitagnachmittag bis Sonntagabend beim Kindesvater verbringen, und zwar an den Wochenenden, an denen der Kindesvater seine freien Tage hat.

Außerdem sind wir uns darüber einig, dass die beiden Kinder besuchsweise beim Kindesvater sind in den jeweiligen Schulferien, und zwar ebenfalls an den 4 Tagen, an denen der Kindesvater nicht arbeitet.

4. Die Parteien sind darüber einig, dass die Kinder den Kindesvater an den übrigen Tagen besuchen können. Wenn die Kinder den Kindesvater besuchen, müssen sie jedoch spätestens um 18.30 Uhr wieder zu Hause bei der Kindesmutter sein, und zwar auch dann, wenn die Kinder den Wunsch äußern sollten, beim Vater übernachten zu wollen."

Nachdem die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, stellte sie mit Bescheiden vom 9. September 2010 die Unterhaltsvorschussleistungen für die beiden Kinder zum 31. Januar 2010 ein. Zugleich forderte die Beklagte von der Klägerin für das Kind D. die Erstattung von Unterhaltsvorschussleistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis zum 30. April 2010 in Höhe von 540,00 EUR und für das Kind T. eine Erstattung für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. September 2010 in Höhe von 1.440,00 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Kinder zwar seit Februar 2010 bei der Klägerin leben würden, sich aber an 4 Tagen in der Woche bei dem Kindesvater aufhielten. Der Umgang werde daher in einem solchen Umfang ausgeübt, dass ein Lebensmittelpunkt nicht eindeutig feststellbar sei. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 UVG im Zusammenhang mit den zu beachtenden Richtlinien unter Ziffern 1.3.1 und 1.3.4 bestehe daher ab dem 01. Februar 2010 kein Anspruch mehr auf Unterhaltsvorschuss. Die geleisteten Unterhaltsvorschussleistungen seien gemäß § 5 Abs. 1 UVG von ihr zu erstatten, weil die Voraussetzungen für die Gewährung nicht vorgelegen hätten. Die Klägerin habe entgegen ihren Mitteilungspflichten nach § 6 Abs. 4 UVG die Betreuungsverhältnisse nicht offen gelegt.

Die Klägerin sprach am 7. Oktober 2010 bei der Beklagten vor und teilte mit, dass die Kinder bei ihr leben würden. Es treffe nicht zu, dass die Kinder mehrere Tage beim Vater seien, da dieser arbeite. Die Kinder seien bei ihr und nur an den Wochenenden beim Kindesvater. Am 2. November 2010 sprach der Kindesvater bei der Beklagten vor und erklärte zu den Aufenthaltsverhältnissen, dass die Kinder in den Schulferien vollständig bei ihm seien. Wenn er nach 6 Tagen Schichtdienst 4 Tage frei habe, seien die Kinder bei ihm. Er verstehe nicht, warum die Kindesmutter dies nicht mehr wolle. Im Óbrigen zahle er für das Kind T. monatlich 55,00 EUR für die OGS und zusätzlich 50,00 EUR im Monat für das Schulessen.

Die Klägerin hat am 5. Oktober 2010 Klage erhoben und ausgeführt, dass die Begründung der Beklagten, das Kind halte sich 4 Tage in der Woche beim Kindesvater auf, nicht zutreffend sei. Tatsächlich würden sich die Kinder in der Regel nur im 2-wöchentlichem Rhythmus von freitags bis sonntags beim Kindesvater aufhalten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 9. September 2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bezieht sich auf die Gründe des Ablehnungsbescheides.

Ausweislich der von dem Gericht beigezogenen Verfahrensakte des Amtsgerichts Aachen - Az.: 226 F 218/10 - hat der Kindesvater dort seinen Schichtplan für das Jahr 2010 vorgelegt. Er hat in diesem Verfahren schriftsätzlich unter dem 22. Oktober 2010 vorgetragen, dass nach der bisherigen Regelung, die schon 1 Jahr bestehe, die Kinder in einem wesentlich größeren Umfang nach seinem Schichtplan zu ihm gedurft hätten. Die Klägerin hat dem in diesem Verfahren widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Kinder entweder während der Woche für einige Zeit beim Kindesvater oder am Wochenende bei diesem gewesen seien. Der Lebensmittelpunkt habe aber bei ihr gelegen. Der Kindesvater hat ferner in diesem Verfahren unter dem 13. Oktober 2011 mitgeteilt, dass er seit Juli 2011 für T. 180,00 EUR Kindesunterhalt erbringe zuzüglich weiterer 100,00 EUR für die Ganztagsschule.

Das Gericht hat den Kindesvater als Zeugen geladen und in der mündlichen Verhandlung vom 13. Dezember 2011 die Klägerin angehört. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Der Kindesvater hat dem Gericht ferner ein Protokoll aus der nichtöffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Aachen vom 19. Januar 2010 in dem familiengerichtlichen Verfahren Az.: 226 F 11/08 über die damalige Anhörung der Kinder D. und T. überreicht.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und des Amtsgerichts Aachen (Az.: 226 F 218/10) Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beklagten zur mündlichen Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden, da die Beteiligten darauf bei der Ladung hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 9. September 2010 betreffend das Kind T. O. H. ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 und 5 VwGO. Der Beklagten steht gegen die Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der in dem Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. September 2010 für das Kind T. O. H. geleisteten Unterhaltsvorschussbeträge in Höhe von 1.440.- Euro zu.

Die Voraussetzungen für die geltend gemachte Erstattungsforderung gegenüber der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum nach § 5 Abs. 1 UVG sind nicht erfüllt. Danach ist der Elternteil, bei dem der Unterhaltsvorschussberechtigte lebt, ersatzpflichtig, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistung in dem Kalendermonat, für den sie gezahlt worden ist, nicht oder nicht durchgehend vorgelegen haben, und soweit er die Zahlung der Unterhaltsleistung dadurch herbeigeführt hat, dass er vorsätzlich oder fahrlässig falsche oder unvollständige Angaben gemacht oder eine Anzeige nach § 6 UVG unterlassen hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UVG) oder gewusst oder infolge Fahrlässigkeit nicht gewusst hat, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Unterhaltsleistungen nicht erfüllt waren (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 UVG).

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, da die Unterhaltsvorschussleistungen für das Kind T. in dem Zeitraum vom 1. Februar bis zum 30. September 2010 nicht zu Unrecht erfolgt sind. Vielmehr lagen die Leistungsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 UVG in dem streitgegenständlichen Zeitraum vor und der Anspruch war auch nicht gemäß § 1 Abs. 3 UVG ausgeschlossen.

Das Kind lebte insbesondere bei einem Elternteil, der von seinem Ehegatten dauernd getrennt lebte, § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG. Grundsätzlich lebt ein Kind dann bei einem Elternteil, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft hat, in der es auch von ihm betreut wird. Abgrenzungsprobleme entstehen dann, wenn sich das Kind regelmäßig auch bei dem anderen Elternteil aufhält Insoweit ist entscheidend, bei welchem Elternteil das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat, d.h. wer die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes (wie etwa Pflege, Verköstigung, Kleidung, Ordnung und Gestaltung des Tagesablaufes, etc.) und die emotionale Zuwendung des Kindes sichert und befriedigt, wer die Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes tatsächlich in den Händen hat, wo der wesentliche Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge für das Kind liegt bzw. in welchem Umfang eine persönliche Betreuung und Versorgung durch den anderen Elternteil erfolgt und inwieweit damit ggfs. eine Entlastung für den anderen Elternteil einhergeht,

vgl. zum Begriff "Leben bei einem Elternteil": OVG NRW, Urteil vom 18. Februar 2008 - 16 E 1118/06 -, juris; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Dezember 1996 - 6 S 1668/94 -, FamRZ 1997, 1034; Bay.VGH, Beschlüsse vom 16. Dezember 2007 - 12 06.3229 - und vom 7. Februar 2006 - 12 ZB 04.2403 -, juris; VG Düsseldorf, Urteile vom 24. August 2009 - 21 K 4447/09 - und vom 21. September 2009 - 21 K 5293/09, juris, VG Stuttgart, Urteil vom 14. Dezember 2000 - 9 K 4334/99 -, juris; VG Lüneburg Urteil vom 20. April 2004 - 4 A 2/03 -, juris; VG München, Urteil vom 27. Februar 2008 - M 18 K 07.3646 -, juris; Grube, UVG, 2009 § 1 Rz. 47-52; Helmbrecht, UVG, 5. Auflg. 2004, § 1 Rz. 8 und 9; Conradis in Rancke, Mutterschutz, Elterngeld, Elternzeit, 2007, § 1 UVG Rz. 10, 11.

Ergibt sich auf Grund der jeweiligen Betreuungs- und Versorgungsverhältnisse, dass ein Kind bei beiden Elternteilen lebt, besteht kein Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistungen. Nach der gesetzlichen Zielsetzung, die bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG zu berücksichtigen ist, handelt es sich nämlich bei der Unterhaltsvorschussleistung um eine besondere Sozialleistung, die (nur) Kindern derjenigen Eltern gewährt wird, die Alltag und Erziehung auf sich gestellt bewältigen müssen und bei Ausfall der Unterhaltsleistungen des anderen Elternteils im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit auch für den von dem anderen Elternteil geschuldeten Unterhalt aufkommen müssten. Diese zusätzliche Belastung soll durch eine öffentliche Unterhaltsleistung aufgehoben oder wenigstens gemildert werden,

vgl. dazu BT-Drs. 8/1952 S. 6 und 8/2774 S.11 und dazu eingehend für die Fälle der Wiederverheiratung: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 7. Dezember 2000 - 5 C 42/99 -, DVBl 2001, 1697 und zuletzt: OVG NRW, Beschluss vom 7. September 2004 - 16 A 2275/03 -, NJW-RR 2005 S. 1092 und juris, m.w.Nw. zur Rechtsprechung des OVG NRW und anderer Oberverwaltungsgerichte.

Der gesetzlichen Zielsetzung, die besondere Doppelbelastung des alleinerziehenden Elternteils durch eine Unterhaltsvorschussleistung abzumildern, widerspricht es, wenn der andere Elternteil maßgeblich an der Betreuung des Kindes beteiligt ist. Insoweit ist jedoch nicht erforderlich, dass die Erziehungs- und Betreuungsanteile und quantitativer und qualitativer Hinsicht gleich sind. Es kommt vielmehr darauf an, ob der andere Elternteil zu einer wesentlichen Entlastung des beantragenden Elternteils beiträgt. Für die Frage, ob eine derartige wesentliche Entlastung durch den anderen Elternteil gegeben ist, ist allerdings nicht allein der zeitliche Umfang der Aufenthaltsdauer des Kindes bei dem anderen Elternteil entscheidend. Erforderlich ist vielmehr eine inhaltliche Gesamtbewertung des mit der Versorgung und Betreuung des Kindes verbundenen Aufwandes,

vgl.: die oben zitierte Rechtsprechung und angegebene Literatur zum Begriff "Leben bei einem Elternteil".

Auf Grund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und dem vorliegenden Verwaltungsvorgang geht das Gericht davon aus, dass das Kind T. ebenso wie sein Bruder D. seinen Lebensmittelpunkt in dem streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin hatte und die Betreuung, die es bei Aufenthalten in dem väterlichen Haus erfahren hat, keine wesentliche Entlastung i.S. der obigen Ausführungen darstellten. Nach den glaubhaften Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat sie in diesem Zeitraum eigenverantwortlich die wesentlichen Versorgungs- und Betreuungsleistungen erbracht. Zunächst spricht hinsichtlich der Aufenthaltszeiten der Kinder einiges dafür, dass die Kinder sich entgegen der Feststellung der Beklagten in dem Bescheid vom 9. September 2010 im streitgegenständlichen Zeitraum nicht vier Tage in der Woche bei dem Kindesvater aufgehalten haben bzw. nach den Angaben des Kindesvaters an seinen vier freien Tagen bei ihm gewesen seien. Die Klägerin hat insoweit glaubhaft dargelegt, dass die Kinder während der Schulzeit jedes Wochenende bei dem Kindesvater bzw. bei den Großeltern und unter Woche bei ihr waren. Zwar ist unstreitig, dass der Kindesvater im Schichtdienst beschäftigt ist und infolgedessen sechs Tage arbeitet und im Anschluss daran vier Tage frei hat; so auch im Jahr 2010. Eine feste Regelung, dass die Kinder sich regelmäßig an diesen vier freien Tagen bei dem Kindesvater aufgehalten haben, lässt sich bereits nicht der zwischen der Klägerin und dem Kindesvater am 2. März 2010 getroffenen Vereinbarung vor dem Amtsgericht Aachen (Az.: 226 F 11/08) entnehmen. Vielmehr enthält diese Vereinbarung eine Regelung für die Wochenenden, die Schulferien und die übrigen Tage. So sollen die Kinder die Wochenenden bei dem Kindesvater verbringen, wenn dieser frei hat. Eine ausdrückliche Regelung bezüglich der vier freien Tage ist lediglich im Zusammenhang mit den Schulferien getroffen worden. Danach ist vereinbart worden, dass die Kinder "besuchsweise bei dem Kindesvater sind in den Schulferien, und zwar ebenfalls an den vier Tagen, an denen der Kindesvater nicht arbeitet". An den übrigen Tagen können die Kinder ihren Vater besuchen, müssen aber spätestens um 18.30 Uhr wieder zu Hause sein. Diese Regelung spricht für die Angaben der Klägerin, dass die Kinder sich während der Schulzeit unter Woche bei ihr und nur an den Wochenenden bei dem Kindesvater aufgehalten haben. An den freien Tagen konnten die Kinder ihren Vater zwar besuchen, sind aber abends wieder zur Klägerin gekommen oder - wie die Klägerin ergänzt hat - von ihren Vater im Haushalt der Klägerin besucht worden. Die Klägerin hat zudem auch glaubhaft dargetan, dass die getroffene Vereinbarung nicht genau umgesetzt worden ist. Zum einen waren die Kinder nach ihren Angaben jedes Wochenende bei dem Kindesvater, unabhängig davon, ob er frei hatte oder nicht. Zum anderen hat die Klägerin glaubhaft dargelegt, dass sie im Jahr 2010 die Regelung zu sonstigen Besuchen der Kinder bei dem Kindesvater eher restriktiv gehandhabt hat, und versucht hat, die Besuche auf die Wochenenden zu beschränken. Erst seit Beginn des Schuljahres im Sommer 2011 handhaben die Eltern die Aufenthaltszeiten - auch wegen der schulischen Leistungen der Kinder - lockerer und die Kinder können auch in den übrigen Zeiten zum Kindesvater, wenn sie dies wünschen. Nach Angaben der Klägerin ist D. deshalb jetzt öfters bei dem Kindesvater, während T. weiterhin lediglich die Wochenenden bei ihm verbringt.

Im Óbrigen hat die Klägerin nach ihren glaubhaften Ausführungen in der mündlichen Verhandlung im Jahr 2010 eigenverantwortlich die wesentlichen Versorgungs- und Betreuungsleistungen erbracht. Sie hat die Kinder in der Regel zur Schule gebracht und wieder abgeholt und die Grundversorgung etwa mit Mahlzeiten, Kleidung, Wäschereinigung, d.h. die im Alltag anfallenden Leistungen erbracht. Die Kinder wenden sich ferner ihren glaubhaften Angaben zufolge mit Kummer und Sorgen in erster Linie an sie. Insgesamt geht das Gericht nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck davon aus, dass der Schwerpunkt der Versorgung und Betreuung der Kinder im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin lag. Dem steht nicht entgegen, dass es neben den Wochenendaufenthalten der Kinder bei dem Kindesvater auch noch Besuchskontakte gab und die Kinder wegen der sprachlichen Verständigungsprobleme der Klägerin ihren eigenen Angaben zufolge von dem Kindesvater bei den Hausaufgaben unterstützt bzw. Elternabende und Arztbesuche von dem Kindesvater wahrgenommen bzw. begleitet wurden. Die Klägerin hat insoweit auch ausgeführt, dass sonstige schulische Veranstaltungen von ihr allein wahrgenommen werden und dass die Kinder im Krankheitsfalle von ihr betreut werden. Bei einer Gesamtbewertung der oben aufgeführten Umstände ist davon auszugehen, dass die Aufenthalte bei dem Kindesvater nicht mit einer wesentlichen Entlastung der Klägerin als alleinerziehenden Elternteil verbunden waren.

Auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen lagen in dem streitgegenständlichen Zeitraum vor, da das Kind T. O. H. noch nicht das zwölfte Lebensjahr vollendet hat, keinen Unterhalt von dem Kindesvater erhielt (§ 1 Abs. Nr. 1 und Nr. 3 a UVG) und der Höchstleistungszeitraum nach § 3 UVG noch nicht erreicht war.

Dem Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Kindesvater nach den übereinstimmenden Angaben der Eltern für das Kind T. in dem streitgegenständlichen Zeitraum insgesamt 100.- EUR für die Ganztagsschule und das Mittagsessen in der Schule gezahlt hat. Zwar sieht § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG vor, dass auf die Unterhaltsvorschussleistungen in demselben Monat erzielte Einkünfte des Berechtigten anzurechnen sind, wozu die Unterhaltszahlungen des Elternteils, bei dem der Berechtigte nicht lebt, gehören. Die von dem Kindesvater unmittelbar an den Träger der Schule bzw. die Schule selbst gezahlten Beiträge für T. sind jedoch keine Unterhaltszahlungen i.S. von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UVG, da sie dem Unterhaltsberechtigten selbst nicht zugeflossen sind und er darüber nicht tatsächlich verfügen konnte.

Maßgebliche Tatbestandsvoraussetzung ist, dass es sich um eine "Unterhaltszahlung" handelt. Der Gesetzgeber hat mit dem Begriff der "Unterhaltszahlungen" die Anrechnung nicht auf alle unmittelbare oder mittelbare Leistungen des genannten Elternteils an den Berechtigten oder Dritte erstreckt, die sich nach dem bürgerlichem Recht auf den Anspruch des berechtigten Kindes auf den Unterhalt auswirken oder ihn erfüllen können. Das Bundesverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt,

vgl. Urteil vom 24. Februar 2005 - 5 C 17/04 -, NJW 2005, 2027,

dass der Gesetzgeber die Anrechnungsvoraussetzungen in § 2 Abs. 3 UVG enger gefasst hat als die rechtlichen Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 a UVG, die lediglich darauf abstellen, dass der Berechtigte nicht oder nicht regelmäßig Unterhalt erhält (dies ist im Óbrigen zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig). Danach führen Naturalleistungen oder sonst den Unterhaltsbedarf eines Kindes teilweise deckende Leitungen an Dritte nicht zu einer Anrechnung nach § 2 Abs. 3 UVG. Mit der Anrechnung allein von "Unterhaltszahlungen", die nach Zeitpunkt und Höhe eindeutig und einfach nachzuvollziehen sind, werde sichergestellt, dass die von dem Gesetzgeber typisierten öffentlichrechtlichen Unterhaltsvorschussleistungen bewilligt werden können, ohne die Unterhaltsvorschussbehörden mit der Aufklärung sonstiger unterhaltsrechtlich etwa beachtlicher Leistungen des barunterhaltspflichtigen Elternteils an den Berechtigten oder Dritte und die Bestimmung von deren Bedeutung für den Kindesunterhalt zu belasten. Die Regelungen des Unterhaltsvorschussgesetzes zeichnen die nach dem bürgerlichen Recht bestehenden unterhaltsrechtlichen Regelungen eben nicht in allen Einzelheiten nach, sondern beschränken sich auf eine vereinfachende Typisierung.

Dementsprechend setzt der Begriff der Unterhaltszahlung voraus, dass dem Unterhaltsberechtigten etwas zufließt, d.h. die Zahlung ihm tatsächlich zur Verfügung steht bzw. er tatsächlich in den Genuss von finanziellen Mitteln kommt, über die er real verfügen kann,

vgl. etwa auch BayVGH, zum Kindergartenbeitrag: Urteil vom 14. September 2010 - 12 BV 09.3107 - und zum "Zahlungszufluss": Urteil vom 15. Januar 2008 - 12 BV 06.80 -, jeweils juris sowie OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27. Januar 2010 - 6 B 10/09 -, juris; VG Köln, Urteil vom 6. Mai 2010 - 26 K 409/10 -, juris; Grube, Unterhaltsvorschussgesetz, 2009, § 2 Rz. 32.

Diese typisierte Betrachtungsweise und Begrenzung der anrechenbaren Einkünfte auf "Zahlungszuflüsse" schließen es aus, die Zahlung etwa von Kindergartenbeiträgen für das berechtigte Kind von dem anderen Elternteil, die direkt an die Einrichtung bzw. den Träger der Einrichtung erfolgen, nach § 2 Abs. 3 UVG anzurechnen,

vgl. BayVGH, Urteil vom 14. September 2010,a.a.O.

Dies gilt auch für den vorliegenden Fall. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar dargelegt, dass der Kindesvater die Zahlungen direkt an den Träger der Schule bzw. die Schule erbringt.

Der Kindesvater hat ferner in dem streitgegenständlichen Zeitraum auch noch keine Unterhaltszahlungen an die Klägerin in Höhe von 180.- EUR erbracht. Nach den Angaben des Kindesvaters im familiengerichtlichen Verfahren (Az.: 226F 218/10) ist dies erst seit Juli 2011 der Fall.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

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