VG Köln, Urteil vom 08.11.2011 - 7 K 4577/07
Fundstelle
openJur 2012, 83244
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin bringt das apothekenpflichtige Produkt "W. (r)O. " in Deutschland in den Verkehr. Hierbei handelt es sich um eine Creme in Tuben à 45 g, deren Zusammensetzung in der beiliegenden "Gebrauchsanweisung" wie folgt angegeben ist:

"100,0 g Einreibung enthalten:

Racemisches Campher 6,0 g, Viperaammodytes Toxin, Butan-1-3-diol, dünnflüssiges Wachs, Cetylstearylalkohol, emulg. Cetylstearylalkohol, Parfümöl, ger. Wasser."

Unter "Anwendungsgebiete" heißt es:

"W. O. ist eine Einreibung zur Anwendung auf der Haut zur unterstützenden Behandlung bei Muskelschmerzen, Zerrungen, Prellungen und Verstauchungen. Massagemittel im Rahmen der Physikalischen Therapie."

Außerdem sind u.a. Gegenanzeigen, Warnhinweise sowie Hinweise zu Art und Dauer der Anwendung und zu Nebenwirkungen enthalten.

Unter dem 17.08.2005 stellte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) auf Veranlassung der zuständigen Landesbehörde fest, dass es sich bei dem Produkt der Klägerin um ein zulassungsbedürftiges Fertigarzneimittel und nicht um ein Medizinprodukt handele. Campher verfüge nach allgemeinem wissenschaftlichen Erkenntnisstand unter Berücksichtigung des Kommentars zum Europäischen Arzneibuch

über stark reizende Eigenschaften, die zu lokal hyperämisierenden Wirkungen führten. Aufgrund dieser Wirkungen sei Campher in Konzentrationen von 10-20 % in halbfesten

Zubereitungen äußerlich bei Entzündungen des Bindegewebes oder Muskelrheumatismus angezeigt. Auch seien lokalanästhetisierende Wirkungen für Campher bekannt, die für die ausgelobte Wirkung des Produkts verantwortlich gemacht werden könnten. Schlangentoxine schließlich würden in der Naturheilkunde im Bereich der lokalen Schmerzbehandlung eingesetzt. Für deren Wirkungen würden enzymatische Stoffwechselprozesse verantwortlich gemacht. Die Wirkungen des Stoffs seien deshalb pharmakologischer Art. Mit weiterer Stellungnahme vom 16.12.2005 bekräftigte das BfArM seine Einschätzung.

Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies das BfArM mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2007 (Zustellung: 01.10.2007) als unbegründet zurück. Das Produkt sei aufgrund seiner pharmakologischen Wirkung als Arzneimittel einzustufen. Campher habe eine gefäßerweiternde Wirkung, die für eine verstärkte Durchblutung verantwortlich sei. Diese beruhe auf einer Erschlaffung der glatten Gefäßmuskulatur (vasodilatierende Wirkung). Diese Erschlaffung werde durch die intrazelluläre Calciumkonzentration beeinflusst, die ihrerseits durch den gezielten Einstrom von Calciumionen über spezielle Calciumkanalproteine mittels Bildung eines Calcium-Calmodulin-Komplexes und einer aktivierten Myosin-Leichtkette (MLK) durch die MLK-Kinase ausgelöst werde. Obwohl der genaue Wirkmechanismus des Produkts der Klägerin nicht bekannt sei, ändere dies nichts an dieser pharmakologischen Wirkung. Das BfArM verwies in diesem Zusammenhang auf Vergleichspräparate, deren pharmakologische Wirkung bejaht worden sei ("U. -N. ", Zul.-Nr. 0000000.00.00; Campher-Pflaster im Verfahren 18 K 1232/06).

Die Klägerin hat am 30.10.2007 Klage erhoben.

Entgegen der vom BfArM vertretenen Auffassung handele es sich nicht um ein Arzneimittel, sondern ein Medizinprodukt. Die Behörde habe in ihren Stellungnahmen nicht schlüssig dargelegt, dass die bestimmungsgemäße Hauptwirkung des Produkts pharmakologischer Art sei. Die reizende Wirkung von Campher sei unbestritten. Allerdings sei diese Wirkung nicht pharmakologischer Natur. In keiner der einschlägigen Monographien werde die Wirkungsweise von Campher näher dargelegt. Das BfArM gehe im Ansatz zwar zutreffend davon aus, dass eine pharmakologische Wirkung die Wechselwirkung zwischen den Molekülen des Stoffes und einem menschlichen Rezeptor erfordere ("Schlüssel-Schloss-Prinzip"). Die gefäßerweiternde und lökalanästhetische Wirkung von Campher werde bestritten. Die in der Monographie beschriebene hyperämisierende Wirkung von Campher sei experimentell in isopropanolischer Lösung in Konzentrationen von 50 % nicht bestätigt worden. Bestritten werde auch die vasodilatierende Wirkung, die zu einer Erschlaffung der Gefäßmuskulatur führe. Vasodilation sei ein reines Symptom für eine Gefäßerweiterung und eine Sekundärreaktion, die für die Einstufung als Arzneimittel irrelevant sei. So könnten auch Wärmekissen, -decken oder Inkubatoren zu einer Temperaturerhöhung und einer Reizung der Wärmerezeptoren des Körpers führen. Die Wirkung sei dann rein physikalisch. Auch die Beeinflussung der intrazellulären Calciumkonzentration durch Campher sei nicht nachgewiesen. Insgesamt sei vom BfArM nicht hinreichend herausgearbeitet worden, dass das Produkt nach seiner Aufnahme bzw. Verteilung mit einem oder mehreren menschlichen Zellbestandteilen in Verbindung trete. Campherspezifische Zellrezeptoren seien bisher auch nicht bekannt (Stellungnahmen Juhl vom 20.06.2006 und 04.11.2004). Vielmehr bestehe die Hauptwirkung des Produkts in einer unspezifischen lokalen Reizwirkung des Camphers auf die Haut und der guten Gleitfähigkeit der Creme. Zudem habe das BfArM nicht das konkrete Produkt, sondern den einzelnen Stoff bewertet. Nach dem Urteil des EuGH vom 09.06.2005, Rs. C-211/03 sei aber stets eine einzelfallbezogene Entscheidung erforderlich. Die Campher-Konzentration im konkreten Produkt sei so gering, dass eine pharmakologische Wirkung nicht angenommen werden könne. Die vom BfArM genannten Vergleichspräparate begründeten keine Präzedenzfälle. Sie enthielten zudem weitere Wirkstoffe. Auch die Monographie zu Campher sei nicht geeignet, die Arzneimitteleigenschaft zu belegen. Sie sei überaltert und von geringer Aussagekraft. Überdies stamme sie aus einer Zeit weit vor Inkrafttreten des Medizinproduktegesetzes. Auch der in geringerer Konzentration enthaltene Stoff "Viperaammodytes Toxin" habe keine pharmakologische Wirkung. Insoweit seien ebenfalls keine Untersuchungen bekannt, die eine messbare durchblutungsfördernde oder sonstige Wirkung in der konkreten Applikationsform belegten.

Die Klägerin macht in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des VG Köln und des OVG NRW Ausführungen zum Begriff des Präsentationsarzneimittels und formuliert in diesem Zusammenhang Vorlagefragen an den Gerichtshof der Europäischen Union.

Sie beantragt,

die Bescheide des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 17.08.2005 und 16.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung zur pharmakologischen Hauptwirkung des Produkts und verweist auf weitere Produkte, die mit der von der Klägerin beanspruchten

Indikation als Arzneimittel zugelassen seien. Für den Beleg einer pharmakologischen Wirkung sei nicht zuletzt auch die Monographie des Bundesgesundheitsamtes vom 05.12.1984 heranzuziehen. Eine Durchblutungsförderung durch eine physikalische Wirkung - wie durch Wechselbäder nach Kneipp, Fangopackungen oder einen Saunabesuch - liege dagegen nicht vor. Auch sei eine unspezifische pharmakologische Wirkungsweise nicht mit einer physikalischen gleichzusetzen. Campher werde in zahlreichen Lehrbüchern als auf der Haut gefäßerweiternd, durchblutungsfördernd, begrenzt lokalanästhetisch und schwach antiseptisch beschrieben. Zudem werde es als Hautreizmittel bei rheumatischen Beschwerden oder Neuralgien bezeichnet. Ein weiterer Anhaltspunkt für die pharmakologische Wirkung des Stoffs sei die gewebereizende Wirkung mit subjektiv wahrnehmbaren Sensationen wie Wärmegefühl, ohne dass Campher selbst Wärme abgebe. Dieses werde durch die spezifische Aktivierung des TRPV3 (transient receptor potential) Kationenkanals vermittelt. In Untersuchungen habe auch gezeigt werden können, dass Campher auch andere TRP-Kanäle beeinflusse. Eine andere Wirkungsweise als die in der Literatur beschriebene pharmakologische Wirkung sei nicht bekannt. Es könne daher auch nicht von einer anderen Wirkungsweise bei einer niedrigeren Dosierung ausgegangen werden. Deshalb lasse sich die pharmakologische Wirkung von Campher nicht durch eine geringere Dosierung in eine physikalische umwandeln. Die Wirkungsweise der Vasodilatation gelte als pharmakologisches Lehrbuchwissen. Eine physikalische Wirkung von Campher habe die Klägerin nicht dargelegt. Das vorgelegte Gutachten Juhl beschränke sich auf die Angabe einer unspezifischen lokalen Reizwirkung auf der Haut. Eine weitere Auseinandersetzung mit vorliegenden wissenschaftlichen Belegen fehle völlig. Aus dem Vergleich zu dem als Medizinprodukt im Verkehr befindlichen Erzeugnis "Vaopin N Kühlgel" ergebe sich nichts anderes. Dieses enthalte nicht wie das Produkt der Klägerin 6 % Campher, sondern lediglich 0,3 %. Campher könne in diesem Fall als Geruchskorrigenz oder als ergänzender Arzneimittelanteil beigefügt sein. Darüber hinaus verweist die Beklagte auf die sog. Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3a AMG, deren Auslegung zwischen den Beteiligten kontrovers diskutiert wird. Das in "W. (r) O. " enthaltene "Viperaammodyte-Toxin" bedinge eine metabolische Wirkung der Enzyme, die ebenfalls eine arzneiliche sei. Die Angabe der Klägerin, dass der Stoff die Wirkung des Camphers durch einen gefäßpermeabilitätssteigernden Effekt ergänze, sei angesichts der metabolischen Wirkung der Enzyme durchaus nachvollziehbar. Deren Wirkung sei metabolisch, weil sie Stoffwechselvorgänge im Körper beeinflussten.

Unzutreffend weise die Klägerin der Behörde die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Arzneimitteleigenschaft zu. Vielmehr sei es nach der Rechtsprechung am Unternehmer, den Beleg der nichtpharmakologischen, nichtimmunologischen oder nichtmetabolischen Wirkung zu erbringen.

Das Präparat sei darüber hinaus ein Präsentationsarzneimittel, da dem durchschnittlich informierten Verbraucher die Wirkstoffe Campher und Schlangentoxin als altbewährte Arzneistoffe bekannt seien. Zudem sei das Produkt "W. (r)" als DDR-Altarzneimittel bis zum 05.04.2005 verkehrsfähig gewesen. Der Verbraucher gehe niemals davon aus,

dass durch die bloße Veränderung der Dosierung des Wirkstoffs eine Änderung der Wirkungsweise erfolge und ein Arzneimittel zum Medizinprodukt werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig.

Sie ist insbesondere als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Variante VwGO statthaft, da sich die Klägerin gegen die in den Schreiben vom 17.08.2005 an das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt und vom 16.12.2005 an das Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt getroffenen Aussagen des BfArM nach § 21 Abs. 4 AMG wendet, die trotz fehlender Bescheidform feststellende Verwaltungsakte sind. Obwohl nicht Adressatin der Bescheide, ist die Klägerin insoweit auch klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Denn die Feststellung der Arzneimitteleigenschaft ihres Produkts und seiner Zulassungspflicht betrifft sie in ihrer Gewerbefreiheit unmittelbar, da sie Verhaltenspflichten in Bezug auf das Produkt auslöst. So wäre das weitere Inverkehrbringen des Produkts trotz bestehender Zulassungspflicht illegal und unter den Voraussetzungen des § 96 Nr. 5 AMG strafbar.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 04.05.2005 - 24 K 5017/01 -, PharmR 2006, 201-207; OVG NRW, Beschluss vom 24.01.2008 - 13 A 2510/05 -, PharmR 2008, 291-292; VG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - 24 K 4394/08 -, PharmR 2010, 35-39; OVG NRW, Beschluss vom 15.03.2010 - 13 A 2612/09 -, PharmR 2010, 324-325.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Die Bescheide vom 17.08.2005 und vom 16.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 21 Abs. 4 AMG entscheidet die zuständige Bundesoberbehörde unabhängig von einem Zulassungsantrag des pharmazeutischen Unternehmers auf Antrag einer zuständigen Landesbehörde über die Zulassungspflicht eines Arzneimittels. § 21 Abs. 4 AMG weist der Bundesoberbehörde eine eigenständige Befugnis zur Feststellung der Zulassungspflicht in der Rechtsform des Verwaltungsaktes zu. Diese besteht auch und insbesondere dann, wenn ein Präparat als Medizinprodukt vermarktet wird. Die Behörde konnte insofern nicht auf die Stellungnahme nach § 13 Abs. 3 MPG verwiesen werden, der nach der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung geltenden Fassung,

zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Bewertung von Sach- und Rechtslage bei Entscheidungen nach § 21 Abs. 4 AMG vgl. VG Köln, Urteil vom 13.04.2010 - 24 K 5687/08 -, juris m.w.N.,

keine rechtliche Verbindlichkeit zukam,

zur aktuellen Fassung des § 13 Abs. 3 MPG vgl. Art. 1 Nr. 10 lit. b des Gesetzes vom 29.07.2009, BGBl. I S. 2326.

Ein derartiger Vorrang des Medizinprodukterechts besteht nicht und wäre mit dem Sinn des § 21 Abs. 4 AMG, eine bundesweit einheitliche Klärung der Zulassungsbedürftigkeit herbeizuführen, nicht vereinbar.

VG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - 24 K 4394/08 -, PharmR 2010, 35-39.

Die Feststellungsbefugnis ist auch nicht auf Fälle beschränkt, in denen die Arzneimitteleigenschaft eines Produkts keinem Zweifel unterliegt und lediglich noch zu klären ist, ob eine Zulassungsbedürftigkeit besteht, insbesondere keine Ausnahmen von der Zulassungspflicht nach § 21 Abs. 2, § 36 oder § 38 AMG vorliegen. Sie umfasst vielmehr ebenso die Frage, ob überhaupt ein Arzneimittel vorliegt,

vgl. VG Köln, Urteil vom 04.05.2005 - 24 K 5017/01 -, PharmR 2006, 201-207; dazu auch: OVG NRW, Beschluss vom 24.01.2008 - 13 A 2519 -, PharmR 2008, 291 f.; ferner: OLG Saarbrücken, Urteil vom 30.05.2001 - 1 U 171/01 -, juris,

die eine unabdingbare Vorentscheidung zur Klärung der Zulassungsbedürftigkeit darstellt.

Die Frage der Arzneimitteleigenschaft von "W. (r) O. " beurteilt sich auf der Basis der Neuregelung des Arzneimittelgesetzes durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 22.07.2009 (BGBl. I S. 1990) - sog. 15. AMG-Novelle -, da die Entscheidung nach § 21 Abs. 4 AMG nicht auf die Rechtslage im Erlasszeitpunkt zielt, sondern eine Feststellung mit fortdauernder Wirkung im Hinblick auf die materielle Rechtslage trifft,

VG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - 24 K 4394/08 -, PharmR 2010, 35-39; in diesem Sinne auch OVG NRW, Beschluss vom 15.03.2010 - 13 A 2612/09 -, PharmR 2010, 234-235.

Gemäß § 2 Abs. 1 AMG in der gültigen Fassung, mit dem wesentliche Elemente der unionsrechtlichen Arzneimitteldefinition des Art. 1 Nr. 2 der RL 2001/83/EG,

Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 06.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67), zuletzt geändert durch RL 2011/62/EU vom 08.06.2011 (ABl. L 174 vom 01.07.2011, S. 74-87),

in das deutsche Recht überführt wurden,

vgl. amtliche Begründung zum Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-Drs. 16/12256),

sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen von Stoffen, die entweder zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (Nr. 1 der Vorschrift "Präsentationsarzneimittel") oder die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet werden können, um entweder a) die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder b) eine medizinische Diagnose zu erstellen (Nr. 2 der Vorschrift "Funktionsarzneimittel"). Keine Arzneimittel sind nach § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG hingegen Medizinprodukte im Sinne des § 3 MPG. Das Arzneimittelrecht und das Medizinprodukterecht sind dabei in der Weise aufeinander bezogen, als die in Frage kommenden Produkte nur entweder Arzneimittel oder Medizinprodukt sein können. Trotz der übereinstimmend krankheitsbezogenen Zweckbestimmung unterscheiden sich beide Kategorien grundlegend: Arzneimittel haben eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung oder nehmen diese in Anspruch, während Medizinprodukte ihre bestimmungsgemäße Hauptwirkung gerade nicht durch einen solchen Wirkmechanismus, sondern physikalisch erzielen. Insofern verhalten sich die gesetzlichen Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) AMG und § 3 Nr. 1 a.E. MPG spiegelbildlich. Für die Produktkategorie der Funktionsarzneimittel verdeutlicht dies § 2 Abs. 3 Nr. 7 AMG durch eine Rückausnahme. Hiernach sind Medizinprodukte nicht Arzneimittel, es sei denn, es handelt sich um Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG. Danach kann kein Erzeugnis Arzneimittel und Medizinprodukt sein.

Vgl. VG Köln, Urteil vom 25.08.2006 - 18 K 1232/06 -; OVG NRW, Beschluss vom 11.06.2007 - 13 A 3903/06 -, PharmR 2008, 83-88; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht - Kommentar, Losebl., Stand April 2011, § 2 AMG, Erl. 156;

"W. (r) O. " ist ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 lit a) AMG. Es handelt sich um eine Zubereitung aus Stoffen, die am menschlichen Körper angewendet werden, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung wiederherzustellen, resp. zu beeinflussen.

Eine Wirkung ist pharmakologisch, wenn sie in einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen des betreffenden Stoffes und einem gewöhnlich als Rezeptor bezeichneten Zellbestandteil besteht, die entweder zu einer direkten Wirkung führt oder die Reaktion auf einen anderen Wirkstoff blockiert,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11.06.2007 - 13 A 3903/06 -, PharmR 2008, 83-88; Urteile vom 17.03.2006 - 13 A 1977/02 u.a. -, ZLR 2006, 302; BVerwG, Urteil vom 25.07.2007 - 3 C 23.06 -, PharmR 2008, 78-83 = ZLR 2007, 772-781,

bildlich gesprochen also nach dem "Schlüssel-Schloss-Prinzip" abläuft,

zu der Frage, ob hierfür notwendig die Reaktion mit einer körpereigenen Zelle erforderlich ist, vgl. nunmehr Vorabentscheidungsersuchen des OLG Frankfurt a.M. an den EuGH vom 14.06.2011 - 6 U 109/07 -, PharmR 2011, 378-381,

wobei das Vorliegen einer Dosis-Wirkung-Beziehung ein Indikator für eine pharmakologische Wirkung sein kann.

Schorn, Medizinprodukterecht - Kommentar, Losebl., Stand: Dezember 2010, § 3 MPG Rn. 18.

Die Beklagte hat detailliert dargestellt, dass der Bestandteil "Racemischer Campher", der unwidersprochen einen wesentlichen Bestandteil des streitbefangenen Produkts darstellt, eine stark hautreizende und wärmende Wirkung hat, die nicht rein physikalisch, wie etwa bei Umschlägen oder Fango-Packungen, sondern durch die Aktivierung eines bestimmten Zellrezeptors, also mittels Interaktion zwischen Wirkstoff und Körperzelle, ausgelöst wird. Diese Darstellung ist für die Kammer schon deshalb nachvollziehbar und schlüssig, weil Campher offenbar beim Patienten ein Wärmegefühl durch Aktivierung entsprechender Rezeptoren erzeugt, ohne selbst warm zu sein oder wärmeerhaltend zu wirken.

Dem entspricht es, dass Campher - zunächst als Pflanzenstoff, später in synthetisierter Form - seit langem als Arzneistoff mit lokal hyperämisierender und schwach anästhetischer Wirkung bekannt ist,

vgl. Hunnius, Pharmazeutisches Wörterbuch, 9. Auflage 2004,

und die Monographie "Camphora (Campher)" der Kommission E vom 05.12.1984 seine äußerliche Wirkung als bronchosekretolytisch und hyperämisierend beschreibt.

Unerheblich ist, dass die Monographie aus der Zeit vor Inkrafttreten des Medizinproduktegesetzes vom 02.08.1994 (BGBl. I S. 1963) stammt. Denn die Aufbereitungsmonographien nach § 25 Abs. 7 AMG a.F. zielten als vorweggenommene Gutachten sachkundig zusammengesetzter Gremien,

zur Rechtsnatur und Reichweite vom Monographieaussagen vgl. BVerwG, Urteil vom 19.11.2009 - 3 C 10.09 -, PharmR 2010, 192; Urteil der Kammer vom 05.07.2011 - 7 K 8612/09 -, juris; VG Köln, Urteil vom 02.07.2008 - 24 K 1239/07 -, juris; Urteil vom 15.02.2008 - 18 K 254/06 -, juris,

auf die Zusammenfassung vorhandener wissenschaftlicher Erkenntnisse, nicht auf die rechtliche Kategorisierung von Stoffen. Allein der Umstand, dass die planmäßige Monographieerstellung mit der 5. AMG-Novelle 1994 zur Beschleunigung der Nachzulassungsverfahren aufgegeben,

vgl. Ausschussbericht zum 5. AMG-Änderungsgesetz, abgedruckt bei Kloesel/Cyran, a.a.O., § 25 AMG,

und im gleichen Jahr in Gestalt der Medizinprodukte eine neue Kategorie geschaffen wurde, lässt nicht den Schluss zu, die Monographie aus dem Jahre 1984 sei heute nicht mehr aussagekräftig. Ihre wissenschaftlichen Aussagen sind vielmehr ungeachtet des bestehenden Rechtsrahmens verwertbar. Dies gilt jedenfalls solange, wie Anhaltspunkte für eine Überalterung der niedergelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse weder ersichtlich noch nachvollziehbar vorgetragen sind.

Unerheblich ist, dass der Wirkmechanismus von Campher auf die betroffenen menschlichen Körperzellen möglicherweise nicht bis in das letzte Detail geklärt ist, namentlich derjenige Ionenkanal identifiziert ist, über den die Zelle beeinflusst wird. Maßgeblich für die Feststellung einer pharmakologischen Wirkung ist vielmehr, dass ein pharmakologischer Wirkmechanismus insgesamt nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis bejaht werden kann. Dies ist aus den erwähnten Gründen bei Campher der Fall und wird durch den unsubstantiiert gebliebenen Hinweis in der Stellungnahme Juhl auf eine unspezifische lokale Reizwirkung des Camphers auf die Haut und die gute Gleitfähigkeit der Creme nicht in Frage gestellt. Vor dem Hintergrund der Quellenlage zu Campher ist es nicht nachvollziehbar, wenn die Klägerin die Hauptwirkung des Produkts auf die Erwärmung der Hautoberfläche durch Campher und die Förderung einer physikalischen Therapie reduziert sehen will. Erstere ist durch eine nichtpharmakologische Wirkung des Stoffs nicht erklärbar; letztere weist keinen Bezug zum fraglichen Bestandteil auf. Einen nachvollziehbaren Weg, auf dem die Erwärmung der Haut auf physikalischem Weg erzeugt werden könnte, zeigt auch die Stellungnahme Juhl nicht auf. Es war entgegen der von der Klägerin geäußerten Rechtsauffassung auch nicht von vornherein an der Behörde, die pharmakologische Wirkung des Stoffs im Detail zu beweisen. Dass die biochemischen und biophysikalischen Vorgänge, die zur Wirkung eines Arzneistoffs beitragen, nicht in jeder Einzelheit geklärt sind, ohne dass eine Interaktion zwischen Stoff und Zelle in Abrede zu stellen wäre, entspricht eher der Regel als der Ausnahme. Bei dieser Sachlage ist das Fehlen einer pharmakologischen Wirkung regelmäßig von demjenigen zu belegen, der ein Produkt in den Verkehr bringt und hierfür die Verantwortung trägt. Dies gilt bei der Abgrenzung zu Medizinprodukten jedenfalls dann, wenn - wie vorliegend - die Behörde erhebliche Anhaltspunkte dafür dargetan hat, dass eine solche Wirkung besteht,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15.03.2010 - 13 A 2612/10 -, PharmR 2010, 289-291; Beschluss vom 23.04.2010 - 13 A 622/10 -, PharmR 2010, 342-344.,

Die pharmakologische Wirkung von Campher wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass der Stoff in "W. (r) O. " in einer Menge von 6,0 g à 100 g = 6 % Einreibung enthalten ist, während die Monographie "Camphora (Campher)" bei äußerer Anwendung in halbfesten Zubereitungen 10 - 20 % des Wirkstoffs vorgibt. Denn die Monographieangaben dienen der Darstellung desjenigen Wirkstoffgehalts, der geeignet ist, den Wirksamkeitsbeleg zu tragen. Ziel der Monographieerstellung war es u.a., durch eine systematische Aufarbeitung des vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnismaterials Nachzulassungsverfahren zu erleichtern. Angaben zu Wirkstoffgehalt und Dosierung in den Monographien bezogen sich dabei auf den Versagungsgrund nach § 105 Abs. 4f i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG. Der damit angesprochene Beleg der Wirksamkeit eines Arzneimittels ist jedoch von dem Begriff einer pharmakologischen Wirkung zu unterscheiden. Zwar setzt Wirksamkeit eine Wirkung voraus. Hieraus kann indes nicht gefolgert werden, dass unterhalb eines monographierten Wirkstoffgehaltes dem Stoff jegliche pharmakologische Wirkung fehlt, da diese einen biochemischen Prozess beschreibt, der im Gegensatz zur Wirksamkeit grundsätzlich nicht dosisabhängig ist. Offen bleiben kann, ob es für Campher eine Dosisgrenze gibt, unterhalb derer eine pharmakologische Wirkung generell ausgeschlossen ist, oder ob es für eine pharmakologische Wirkung bereits ausreicht, dass ein einziges Molekül eines Stoffes an einem Rezeptor wirkt,

vgl. hierzu VG Köln, Urteil vom 25.08.2006 - 18 K 1232/06 -, juris, unter Hinweis auf das im Verfahren LG Hamburg 312 O 255/01 erstellte Gutachten Stephan (Campher-Anteil dort 1 %).

Denn der Wirkstoffgehalt von Campher liegt mit 6 % hier erheblich über einer wie auch immer festzusetzenden Bagatellgrenze und deutlich im Bereich dessen, was für die Zulassung als traditionelles Arzneimittel im Sinne der §§ 109 Abs. 3, 109a AMG für ausreichend erachtet wurde. Zudem ist es logisch nicht nachvollziehbar, dass ein Wirkstoffgehalt oberhalb 10 % pharmakologisch, unterhalb 10 % aber physikalisch sein soll.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Monitum der Klägerin, dass andernfalls für "unterdosierte" Arzneimittel keine Marktchance verbliebe. Es bleibt dem Gesetzgeber unbenommen, die Marktfähigkeit von Arzneistoffen an die Vorgaben des Arzneimittelgesetzes zu binden. Demgegenüber stellen Medizinprodukte eine eigenständige Produktkategorie dar, die nicht als Auffangbecken für solche Arzneimittel dient, die den Wirksamkeitsanforderungen des Arzneimittelgesetzes nicht genügen. Dies gilt namentlich auch für sog. stoffliche Medizinprodukte. Soweit § 3 MPG wiederholt von "Stoffen" spricht, setzt die Norm zwar den Stoffbegriff des § 3 AMG voraus,

vgl. Schorn, Medizinprodukterecht - Kommentar, Losebl., Stand: Dezember 2010 § 3 MPG Rn. 8,

meint damit jedoch nur solche Stoffe, die eben nicht pharmakoloisch, immunologisch oder metabolisch wirken,

Schorn, a.a.O., nennt in diesem Zusammenhang beispielhaft Dentalwerkstoffe, Knochenzement oder abgetötetes tierisches Gewebe.

Für die Tatsache, dass Campher als Arzneistoff angesehen wurde und wird, sprechen zahlreiche arzneimittelrechtliche Zulassungen campherhaltiger Produkte, von denen die Beklagte "Tiger balm rot N (6608.00.00)", "Rheumatismus-Öl Mauch" (6183503.00.00), "Makol Rheuma Salbe" (6404826.00.00), "Schmerz- und Rheumasalbe intensiv" (6818031.00.00), "Tactumobil" (6025879.00.00), "Allgäuer Latschenkiefer Franzbranntwein" (6026519.00.00) und "Campherspiritus" (6299.99.99) aufführt. Diese enthalten zwar auch andere Wirkstoffe, unterscheiden sich damit aber nicht von "W. (r) O. ", das neben Campher zumindest einen hautreizenden Inhaltstoff enthält. Dass die Klägerin zunächst selbst von der Arzneimitteleigenschaft ausging, belegen ihre Angaben in den Nachzulassungsunterlagen zum DDR-Altarzneimittel "W. (r)" im Verfahren nach der EG-Recht-Überleitungsverordnung, die dem Stoff stets Wirkstoffqualität zumaßen.

Darüber hinaus spricht viel dafür, dass der Bestandteil "Viperaammodytes-Toxin", zu dem Verpackung und Gebrauchsanweisung von "W. (r) O. " keine Quantitätsangaben enthalten, metabolisch wirkt, also seine Wirkung im Wege der Verstoffwechselung entfaltet. Ausweislich der toxikologischen Stellungnahme des BfArM vom 12.03.2002 im Nachzulassungsverfahren zu "W. " handelt es sich hierbei um das Gift der Europäischen Sandotter. Es besteht im wesentlichen aus verschiedenen katabolisch (katabol = zum Abbaustoffwechsel gehörig) wirksamen Enzymen (Hyaluronidasen, Phospholipasen und Proteasen), die hauptsächlich fibrinolytisch und permeabilitätssteigernd wirken. Da jedoch bereits der Stoff "Racemischer Campher" die Arzneimitteleigenschaft begründet, bedarf der nahe liegende Gedanke, dass die genannten Enzyme metabolisch wirken, weil sie Stoffwechselvorgänge im Körper beeinflussen, keiner weiteren Vertiefung.

Eines Rückgriffs auf die sog. Zweifelsfallregelung des § 2 Abs. 3a AMG bedarf es nicht. Hiernach sind Arzneimittel auch solche Erzeugnisse, die Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind oder enthalten, die unter Berücksichtigung aller Eigenschaften des Erzeugnisses unter eine Begriffsbestimmung des Absatzes 1 (Arzneimittel) fallen und zugleich unter die Begriffsbestimmung eines Erzeugnisses nach Absatz 3 (u.a. Medizinprodukte) fallen können. Die Bestimmung setzt zumindest die naheliegende Möglichkeit voraus, dass die Voraussetzungen der Einordnung als Medizinprodukt bestehen, mithin greifbare Anhaltspunkte für eine physikalische Wirkung. Fehlen diese wie vorliegend, ist für die Anwendung der gesetzlichen Zweifelsfallregelung kein Raum.

"W. (r) O. " ist darüber hinaus auch ein Präsentationsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG. Denn es handelt sich um eine Stoffzubereitung, die zur Anwendung am menschlichen Körper als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt ist. Mit der Bestimmung zum Arzneimittel ist die vom Unternehmer einem Produkt nach außen erkennbar zugemessene Zweckbestimmung angesprochen. Ein Erzeugnis ist dann zum Arzneimittel bestimmt, wenn es, gegebenenfalls auf dem Etikett, dem Beipackzettel oder mündlich ausdrücklich als solches bezeichnet oder empfohlen wird, sowie auch dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig der Eindruck entsteht, das Erzeugnis habe in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften,

EuGH, Urteil vom 15.11.2007, Rs. C-319/05, Slg. 2007, I-09811.

Hierbei kommt der dem Präparat beigegebenen Zweckbestimmung besondere Bedeutung zu. Zielt diese auf Indikationen in dem angesprochenen Sinne, liegt regelmäßig ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG vor. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, wenn ein Produkt - wie "W. (r) O. " - auf der Umverpackung ausdrücklich als Medizinprodukt bezeichnet ist und sich die CE-Kennzeichnung auf Umverpackung, Verpackung und im Text der Gebrauchsanweisung findet. Denn diese Angaben sind die Folge einer zuvor vorgenommenen rechtlichen Einordnung des Produkts. Wären sie für die Frage der Arzneimitteleigenschaft maßgebend, hätte es der Unternehmer in der Hand, durch einfachen Aufdruck auf der Packung über die Arzneimitteleigenschaft eines Produkts und damit auch über seine Zulassungsbedürftigkeit zu entscheiden.

VG Köln, Urteil vom 14.10.2009 - 24 K 4394/08 -, PharmR 2010, 35-39.

Das Präparat der Klägerin weist in nahezu allen Einzelheiten die dem Verbraucher bekannten Besonderheiten von Arzneimitteln auf. Hierzu zählen insbesondere die sachlich gehaltene Verpackung ohne anpreisende Werbeaussagen oder gestalterische Ausschmückungen, die Existenz einer "Gebrauchsanweisung", die in ihrer Aufmachung und ihrem Inhalt (Anwendungsgebiete, Gegenanzeigen, Anwendungshinweise, Hinweise auf Nebenwirkungen) den Anforderungen des § 11 AMG an eine Gebrauchsinformation in Gestalt einer Packungsbeilage zumindest nahe kommt. Von besonderer Bedeutung ist zudem, dass mit "Muskelschmerzen", "Zerrungen", "Prellungen" und "Verstauchungen" krankheitswerte Indikationen in Anspruch genommen werden, was die Gebrauchsanweisung durch den wiederholten Hinweis auf eine Besserung des "Krankheitsbildes" nur bestätigt.

Für die Bewertung der Präsentation des Produkts kann schließlich nicht außer Betracht bleiben, dass "W. (r) O. " an das bis in die jüngste Vergangenheit marktfähige Arzneimittel "W. (r)" anknüpft. Dieses stand noch vor wenigen Jahren mit den Wirkstoffen "Methylsalicylat, 6,0 g", "Racemischer Campher, 3,0 g" und "Viperaammodytes-Toxin, 0,0001 g" (bezogen jeweils auf 100,0 g Creme) als fiktiv zugelassenes Arzneimittel zur Nachzulassung an. Dessen Anwendungsgebiete "Zur unterstützenden Behandlung von schmerzhaften Muskel- und Gelenkbeschwerden, Prellungen, Zerrungen und Verstauchungen" entsprachen weitgehend dem des heutigen Produkts. Angesichts dessen muss sich das streitbefangene Produkt aus Verbrauchersicht als Nachfolgepräparat zum vorangegangenen Arzneimittel darstellen, das seinerseits Arzneimittel ist. Unterstrichen wird dies durch den arzneimitteltypischen Unterscheidungszusatz "O. ". Insoweit deckt sich die Verbrauchersicht mit der Intention der Klägerin, die erkennbar mit dem streitbefangenen Produkt die Fortführung des mit Bescheid vom 30.11.2004 versagten Alt-Arzneimittels und den Erhalt einer bestehenden Marktposition bezweckte.

Anlass, die im Schriftsatz der Klägerin vom 03.05.2010 aufgeworfenen Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV vorzulegen, besteht nicht. Sie sind entweder durch Auslegung der in Betracht kommenden unionsrechtlichen Vorschriften, die in nationales Recht umgesetzt sind, zu beantworten oder für den vorliegenden Rechtsstreit nicht allein entscheidungserheblich. Ebenso wenig besteht Anlass, die Berufung zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.