OLG Köln, Beschluss vom 25.11.2011 - 6 W 260/11
Fundstelle
openJur 2012, 83225
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.11.2011 - 209 O 355/11 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Die Antragstellerin begehrt, gestützt auf Rechte an der Tonaufnahme „U.“ des Künstlers E. H. (G.), den Erlass einer Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten durch die Beteiligte in Bezug auf 83 IP-Adres­sen, die Internetanschlüssen zugewiesen waren, von denen aus die Tonaufnahme nach den Ermittlungen der Antragstellerin zwischen dem 21.09. und 26.09.2011 im Internet ohne ihre Zustimmung öffentlich zugänglich gemacht worden ist. Die Ton­auf­­nahme ist 4:05 Minuten lang, wurde am 08.08.2011 als Singlemp3-Datei online veröffentlicht und gegen ein Entgelt von 0,98 € zum Herunterladen angeboten (Anlage ASt 5). In den „Trendcharts Single“ vom 00.00.2011 war sie auf Platz 6 mit einem P1-Faktor (= Verhältnis der absoluten Verkaufszahlen der Single zu den Verkaufszahlen der auf Platz 1 geführten Single) von 31,60 gelistet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag abgelehnt.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Senat tritt den eingehend und sorgfältig begründeten Erwägungen im angefochtenen Beschluss des Landgerichts bei und verweist zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen auf seine der Antragstellerin bekannten Beschlüsse vom 16.11.2011 - 6 W 205/11 = 220 O 192/11 LG Köln und 6 W 206/11 = 220 O 190/11 LG Köln - sowie den das Zugänglichmachen einer ein Jahr zuvor veröffentlichten Single-Auskopplung betreffenden Senatsbeschluss vom 02.11.2011 - 6 W 237/11 = 213 O 337/11 LG Köln = I ZB 80/11 BGH.

Hiernach liegt die für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG erforderliche Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß, die aus europa- (Richtlinie 2004/48/EG, Erwägungsgrund 14) und verfassungsrechtlichen Grün­den (BVerfGE 125, 260 [Rn. 261] - Vorratsdatenspeicherung) einiges Gewicht haben muss, noch nicht in der bloßen Teilnahme der unbekannten Rechtsverletzer an einer sogenann­ten Internettauschbörse. Vielmehr muss das zugänglich gemachte Werk auch für sich genommen von hinreichendem kommerziellen Wert sein, was wenigstens voraussetzt, dass eine einiger­maßen umfangreiche Datei - nach der Gesetzesbegründung ein Kinofilm, Musikalbum oder Hörbuch (BT-Drucks. 16/8783, S. 50) - während der relevanten Verkaufs- oder Verwertungsphase zum Herunterladen angeboten wird. Die abweichende Auffassung des Landgerichts (Beschluss vom 12.7.2011 - 7 O 1310/11) und Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 26.07.2011 - 29 W 1268/11; das Bereitstellen umfangreicher Mitschnitte eines Kinofilms über das Internetvideoportal YouTube nicht als Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß ansehend dagegen Beschluss vom 17.11.2011 - 29 U 3496/11) berücksichtigt - nach Ansicht des Senats - bei Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen zu wenig das legitime Interesse der Anschlussinhaber am Schutz ihrer Privatsphäre gegenüber dem Interesse der Tonträgerhersteller an einer Aufklärung von Rechtsverletzungen, wenn deren wirtschaftliches Gewicht (die in der Summe nicht unerheblich sein mag) und subjektiver Unrechtsgehalt in dem vom Anschluss­inhaber (nicht notwendig schuldhaft) veranlassten Einzelfall gering erscheint.

Hier betreffen die von der Antragstellerin geltend gemachten Rechtsverletzungen, die auf der Grundlage ihres Vorbringens als offensichtlich angesehen werden können, eine im Internet für weniger als 1,00 € zum legalen Abruf bereit gestellte einzelne mp3-Datei mit einem vier Minuten langen Musikstück. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Tonaufnahme weniger als zwei Monate zuvor erstmals zum entgeltlichen Herunterladen angeboten und so - wie aus der Chartpla­­zierung ersichtlich - mit einigem Erfolg vermarktet wor­den war, wiegen die einzelnen illegalen Angebote einer Datei so geringen Umfangs und so geringen kommerziellen Wertes nicht so schwer, dass das Aufklärungsinteresse der Rechteinhaberin das Interesse der jeweiligen Internetanschlussinhaber am Schutz ihrer Daten überwöge.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 84 FamFG.

Der Senat lässt (auch) in dieser Sache im Hinblick auf den von seiner Auffassung grundsätzlich abweichenden Standpunkt des Oberlandesgerichts München zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechts­­be­schwerde gemäß § 101 Abs. 9 S. 4 UrhG, § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zu.