OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.11.2011 - 14 B 1257/11
Fundstelle
openJur 2012, 82944
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert für beide Rechtszüge - insoweit unter Änderung des erstinstanzlichen Beschlusses - wird auf 3.750 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Antrag,

den angegriffenen Beschluss zu ändern und der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung aufzugeben,

dem Antragsteller eine erneute Wiederholung der Bachelorarbeit (Bachelor of Arts: Soziale Arbeit) zu ermöglichen,

hilfsweise,

die Bachelorarbeit des Antragstellers mit dem Titel "Methoden der Heimerziehung in Kenia eine sozialpädagogische Analyse" vorläufig neu zu bewerten und ihm zu gestatten, den weiteren Prüfungsteil, die mündliche Präsentation (Kolloquium), vorläufig zu erbringen,

hat auch im Beschwerdeverfahren keinen Erfolg.

Dem Hauptantrag ist nicht wegen der im Beschwerdeverfahren dargelegten, vom Senat alleine zu prüfenden Gründe (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) stattzugeben. Ein im Hauptsacheverfahren zu verfolgender und hier zu sichernder oder zu regelnder Anordnungsanspruch auf Wiederholung der Bachelorarbeit ist nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Das ergibt sich aus § 26 Abs. 2 Satz 1 der hier anzuwendenden Prüfungsordnung für den Bachelorstudiengang Soziale Arbeit an der Antragsgegnerin i. d. F. der Änderungsordnung vom 20. Dezember 2006 (PO). Danach kann eine Bachelorarbeit einmal wiederholt werden. Der Antragsteller hat mit der hier streitbefangenen Wiederholung seine Wiederholungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Entgegen seiner Auffassung liegt kein Mangel des Wiederholungsversuchs vor, der überwiegend wahrscheinlich zu einem Anspruch auf Wiederholung dieser Prüfung zwänge. Die Bachelorarbeit des Antragstellers wurde im Prüfungsbescheid vom 1. Juli 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Oktober 2011 mit nicht ausreichend bewertet. Dies ergibt sich aus § 24 Abs. 3 Satz 1 PO. Danach gilt die Prüfungsleistung als "nicht ausreichend" bewertet, wenn der Student versucht, das Ergebnis seiner Prüfungsleistung durch Täuschung zu beeinflussen. Dies nimmt der angefochtene Bescheid an. Auch das Verwaltungsgericht ist der Auffassung, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Täuschungsversuch vorliegt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit dem Argument, die Antragsgegnerin habe ihn zu Unrecht aufgefordert, die Grundaussagen seiner Bachelorarbeit schriftlich darzustellen, so dass die bei der Antragsgegnerin liegende Beweislast für einen Täuschungsversuch verfahrensfehlerhaft auf den Antragsteller verschoben worden sei.

Diese Auffassung verkennt, dass die Antragsgegnerin, nachdem die Prüfer von sich aus den Eindruck gewonnen hatten, dass der Antragsteller die Arbeit nicht allein verfasst habe, ihm im Rahmen der Amtsermittlung die Gelegenheit geboten hat, den Eindruck durch Erstellung der Zusammenfassung zu zerstreuen. Damit wird nicht die Beweislast verschoben, sondern es werden Beweise erhoben.

Die Feststellung eines Täuschungsversuchs hat der Prüfungsausschuss in dem angegriffenen Bescheid gemäß § 11 Abs. 5 Satz 2 des Allgemeinen Teil der Prüfungsordnung für die Bachelor- und Masterstudiengänge an der Antragsgegnerin i. d. F. der seiner Zeit gültigen Fassung der Zweiten Änderungsordnung vom 11. Februar 2010 getroffen und dem Antragsteller gegenüber gemäß § 24 Abs. 4 PO verfügt. Der entsprechende Beschluss des Prüfungsausschusses vom 29. Juni 2011 ist auch nicht mit einem zur Unwirksamkeit des Beschlusses führenden Mangel behaftet. Allerdings bestehen Bedenken dahin, dass das studentische Mitglied T. zwar an der Beratung, nicht aber an der Abstimmung mitgewirkt hat. Nach § 8 Abs. 3 Satz 4 PO wirken die studentischen Mitglieder des Prüfungsausschusses u.a. bei pädagogischwissenschaftlichen Entscheidungen, insbesondere bei der Anrechnung oder sonstigen Beurteilung von Studien- und Prüfungsleistungen, nicht mit. Die Feststellung eines Täuschungsversuchs erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Feststellung ist weder eine pädagogischwissenschaftliche Entscheidung, noch wird durch sie eine Beurteilung von Prüfungsleistungen vorgenommen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. August 1985 15 A 706/82 , NVwZ 1986, 851 (852).

Vielmehr ergibt sich die Prüfungsbewertung unmittelbar als Fiktion aus § 24 Abs. 3 Satz 1 PO, wenn die Täuschungstatsache festgestellt wird.

Die fehlende Mitwirkung der Studentin T. ist jedoch unschädlich. Das Ergebnis der Abstimmung, an der Frau T. im Gegensatz zur Beratung nicht teilgenommen hatte, beruht nicht auf der fehlenden Mitwirkung an der Abstimmung. Der Beschluss erhielt von den fünf anwesenden Mitgliedern vier Ja-Stimmen. Ein Einfluss der fehlenden Mitwirkung der Frau T. an der Abstimmung auf das Ergebnis kann somit ausgeschlossen werden.

Vgl. zum Erheblichkeitserfordernis für Verfahrensfehler Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl., Rn. 488 ff.

Da sich somit die angegriffene Entscheidung allein schon wegen des Täuschungsversuchs rechtfertigt, kommt es auf die weiter in dem Bescheid angeführten Gründe (Manipulation einer Quelle, inhaltlicher Mangel) nicht an.

Auch der Hilfsantrag auf Neubewertung kann keinen Erfolg haben, da wegen des Täuschungsversuchs die normative Bewertung des § 24 Abs. 3 Satz 1 PO eingreift. Auch zum Kolloquium kann der Antragsteller nicht zugelassen werden. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 PO muss dafür die Bachelorarbeit mit mindestens "ausreichend" bestanden sein, was wie oben ausgeführt nicht der Fall ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 63 Abs. 3 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes. Wenn das verfügte endgültige Nichtbestehen einer Bachelorprüfung auf dem Klagewege angegriffen wird, ist der Streitwert entsprechend Nr. 36.1 des aktuellen Streitwertkatalogs auf 7.500 Euro festzusetzen (wie bei einer das Studium abschließenden Staatsprüfung). Mit Rücksicht auf die Vorläufigkeit der Entscheidung ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wie hier die Hälfte anzusetzen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.