LG Bochum, Beschluss vom 21.10.2011 - 7 T 104/09
Fundstelle
openJur 2012, 82682
  • Rkr:
Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Recklinghausen vom 18.12.2008 wird aufgehoben.

Die Zustimmung der Beteiligten zu 2. und 3. in die Adoption der Beteiligten zu 1. durch die Pflegeeltern, die unter der Adoptionslisten-Nr. # der Stadt Castrop-Rauxel geführt werden, wird ersetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1. wurde am 25.12.2002 als drittes nichteheliches Kind der Beteiligten zu 2. mit dem Nachnamen N1 in Marl geboren. Leiblicher Vater der Beteiligten zu 1. ist der Beteiligte zu 3.. Mit der Heirat der Beteiligten zu 2. und 3. am 25.11.2005 wurde die Beteiligte zu 1. ehelich und erhielt den Familiennamen T. Die Beteiligte zu 1. hat zwei ältere Schwestern, die am 17.04.1997 geborene T sowie die im Jahr 2000 geborene N1, deren leibliche Väter unbekannt sind.

Die Pflege und Erziehung der Beteiligten zu 1. wurde durch Trennungen der Beteiligten zu 2. und 3. sowie durch Alkoholmissbrauch beider und damit einhergehende Tätlichkeiten geprägt, weswegen das Jugendamt der Stadt Castrop-Rauxel den Beteiligten zu 2. und 3. einen Erziehungsbeistand zur Seite stellte. Am 28.04.2005 wurden die Beteiligte zu 1. und ihre Schwester T1 von dem Jugendamt in Obhut genommen, nachdem bei T1 Hämatome festgestellt wurden. Die Beteiligte zu 1. wurde zunächst in eine Bereitschaftspflegfamilie vermittelt. Seit dem 31.03.2006 lebt sie bei ihren jetzigen Pflegeeltern, die unter der Adoptionslisten-Nr. # der Stadt Castrop-Rauxel geführt werden.

Mit Antrag vom 09.02.2006 leitete das Jugendamt bei dem Amtsgericht Castrop-Rauxel - 8 F 116/06 - ein Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge bezüglich der Beteiligten zu 1. und deren Schwester T1 ein. In dem Verfahren wurde ein psychologisches Sachverständigengutachten des Dipl. Psychologen Dr. T2 und der Diplom-Psychologin und Diplom-Pädagogin H1 des Instituts für Forensische Psychologie Dortmund eingeholt. Im Rahmen der Begutachtung kam es am 25.09.2006 zu einem letzten persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten zu 1. bis 3., nachdem Besuchskontakte zuvor unregelmäßig stattgefunden hatten. Wegen der Feststellungen der Sachverständigen wird auf das Gutachten vom 13.01.2007, Bl. 89 ff. d. BA Amtsgericht Castrop-Rauxel - 8 F 118/06 - Bezug genommen. Während des amtsgerichtlichen Verfahrens zur Vorbereitung begleitender Besuchskontakte zwischen dem Jugendamt und den Beteiligten zu 2. und 3. vereinbarte Gesprächstermine am 14.03.2007 und 16.03.2007 nutzten die Beteiligten zu 2. und 3. nicht. Zu dem Anhörungstermin vor dem Amtsgericht vom 27.04.2007, zu dem sie geladen worden waren, erschienen sie nicht.

Durch Beschluss vom 24.04.2007 entzog das Amtsgericht Castrop-Rauxel den Beteiligten zu 2. und 3. die elterliche Sorge für die Beteiligte zu 1. und deren Schwester T1 und übertrug diese dem Jugendamt als Amtsvormund. Zur Begründung führte das Amtsgericht u.a. aus, die Kindesmutter betreibe Alkoholmissbrauch und neige in alkoholisiertem Zustand zu Gewalttätigkeit, die sich sowohl gegen die Kinder als auch gegen ihren jetzigen Ehemann richteten. Die bestehenden gravierenden Persönlichkeitsdefizite der Kindeseltern müssten als nicht mehr kompensierbar angesehen werden, da weder familiär noch über das Jugendamt die dafür erforderlichen Schutz- und Erziehungsmaßnahmen geleistet werden könnten. Wegen der weiteren Ausführungen des Amtsgerichts wird auf die Gründe des Beschlusses vom 24.04.2007, Bl. 232 ff. d. BA Amtsgericht Castrop-Rauxel - 8 F 116/06 - Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 30.08.2007, den Beteiligten zu 2. und 3. unter ihrer damaligen Wohnanschrift M. # in 44579 Castrop-Rauxel zugestellt am 01.09.2007, sprach das Jugendamt eine Belehrung in Verfahren zur Annahme als Kind gemäß § 51 KJHG aus. Wegen des Schreibens vom 30.08.2007 wird auf die zu der Akte gereichte Kopie, Bl. 16 ff. d.A., Bezug genommen.

Da die Beteiligte zu 2. nicht in der Lage war, ihre persönlichen Angelegenheiten zu regeln, bestellte das Amtsgericht Castrop-Rauxel auf ihren Antrag im Wege der Einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 06.09.2007 - 9 X VII S 254 - eine Berufsbetreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung, Vermögenssorge, Vertretung vor Behörden und Gerichten, Recht zum Empfang, zur Umleitung und Öffnung von Postsendungen, Geltendmachung von Ansprüchen auf Sozialhilfe, Leistungen der Krankenversicherung, der ARGE und der Rentenversicherung. Im Rahmen des Betreuungsverfahrens erstellte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. C unter dem 15.12.2007 ein psychiatrisches Gutachten. Sie stellte bei der Beteiligten zu 2. eine schwere Alkoholabhängigkeit mit immer wieder lebensbedrohlichen Alkoholentzugsdelirien und Krampfanfällen sowie eine beginnende Wesensveränderung mit Vernachlässigung der eigenen familiären Interessen fest. Wegen der Feststellungen der Sachverständigen im Einzelnen wird auf das Gutachten, Bl. 63. ff. d. BA Amtsgericht Herne 4 XVII B 1022, Bezug genommen.

Mit notarieller Urkunde des Notars Dr. I aus Oer-Erkenschwick vom 25.01.2008 zu der Urkundenrolle Nr. 36/2008 beantragten die Pflegeeltern unter dem 29.01.2008 bei dem Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - Recklinghausen, die Annahme der Beteiligten zu 1. als gemeinschaftliches Kind auszusprechen.

Mit Beschluss vom 28.02.2008 wandelte das Amtsgericht Castrop-Rauxel aufgrund der Alkoholabhängigkeit der Beteiligten zu 2. mit Impulsdurchbrüchigkeit unter Alkoholeinfluss, kognitiven Einschränkungen, mangelnder Krankheitseinsicht, eines Anfallsleidens sowie des Verdachts auf eine alkoholbedingte Persönlichkeitsveränderung die vorläufige Betreuung der Beteiligten zu 2. in eine endgültige um und notierte eine Überprüfungsfrist auf den 27.02.2015. Herr T2 wurde zum Berufsbetreuer, Herr I1 zum Ersatzbetreuer bestellt.

Im Mai 2008 lud das Jugendamt die Beteiligte zu 2. - die Beteiligten zu 2. und 3. hatten sich zwischenzeitlich getrennt und der Beteiligte zu 3. war von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet worden - zu einem Gespräch am 16.05.2008 ein. Die Beteiligte zu 2. erschien nicht. Einige Tage später meldete sie sich telefonisch und bat um einen neuen Termin. Auch zu diesem Termin, der in Absprache mit ihr für den 27.05.2008 festgelegt wurde, erschien sie nicht.

Unter dem 08.07.2008 hat das Jugendamt als Amtsvormund der Beteiligten zu 1. die Ersetzung der Einwilligung der Beteiligten zu 2. und 3. zur Adoption der Beteiligten zu 1. durch die Pflegeeltern wegen Gleichgültigkeit beantragt. Mit Verfügung vom 22.09.2008 hat der Richter am Amtsgericht die Beteiligte zu 2. zu einem Anhörungstermin am 21.10.2008, 9:15 Uhr in seinem Dienstzimmer geladen, zu dem diese nicht erschienen ist. Der Beteiligte zu 3. hat zu einem Anhörungstermin nicht geladen werden können, da dessen Anschrift unbekannt gewesen ist.

Mit Beschluss vom 18.12.2008 hat das Amtsgericht Recklinghausen den Antrag, die Zustimmung der Beteiligten zu 2. und 3. zu der beantragten Annahme als Kind durch die Pflegeeltern zu ersetzen, zurückgewiesen. Es hat die Ersetzung der Einwilligung als mit Art. 6 GG nicht vereinbar angesehen. Es hat dazu ausgeführt: " Zu dem vom Jugendamt geschilderten letzten Kontakt der leiblichen Mutter mit F ist festzuhalten, dass der Kindesmutter dort gerade vorgeworfen wurde, auf eine Intensivierung zu drängen und nach weiteren Gesprächskontakten zu fragen. Dass die Kindesmutter nachfolgenden Einladungen ohne große Erwartungen begegnet sein wird und diese möglicherweise auch krankheitsbedingt nicht wahrnehmen konnte, ist unaufgeklärt geblieben. Kontaktbemühungen über Telefon, eine Betreuung der Mutter im Hinblick auf den Erhalt ihrer Position der Kinderbiografie sind nicht erkennbar."

Gegen diesen bei ihm am 02.01.2009 eingegangenen Beschluss wendet sich das Jugendamt mit seiner am 14.01.2009 bei dem Amtsgericht Recklinghausen eingegangenen Beschwerde vom 13.01.2009. Mit seiner Beschwerdebegründung vom 02.02.2009 verweist es darauf, es sei bei der Beteiligten zu 2. nicht zu erwarten, dass sie durch therapeutische Maßnahmen eine Besserung ihrer schweren Alkoholkrankheit erreichen werde. Durch eine weitere Vernachlässigung durch die Beteiligten zu 2. und 3. werde die Beteiligte zu 1. dauerhafte psychische Schäden erleiden. Das Wohl der Beteiligten zu 1. gebiete es daher, ihr ein Aufwachsen in Verhältnissen zu ermöglichen, die der leiblichen Eltern-Kind-Beziehung möglichst nahe kommen. Sie habe zudem einen Anspruch darauf, auch rechtlich voll in die neue Familie integriert zu werden, und müsse sich nicht mit einem unsicheren Schwebezustand dauerhaft abfinden. Schließlich sei die durch eine Adoption erfolgende Änderung des Familiennamens der Entwicklung der Beteiligten zu 1. dienlich.

Die Beteiligte zu 2. beruft sich in ihrer Beschwerdeerwiderung vom 23.02.2010 darauf, sich um Besuchskontakte zu ihren in Pflegefamilien befindlichen Kindern bemüht zu haben. In dem amtsgerichtlichen Verfahren zur Entziehung der elterlichen Sorge habe das Amtsgericht Castrop-Rauxel trotz entsprechenden Antrages keine Veranlassung gesehen, bereits vor endgültiger Entscheidung über die Sorgerechtsfrage im Wege einer Teilentscheidung über ihr Recht zur Ausübung von Besuchskontakten zu entscheiden. Bis zur endgültigen Entscheidung habe es dann noch 11 Monate gedauert, während derer Besuchskontakte verweigert worden seien. Auch in seinem Beschluss vom 24.04.2007 habe das Gericht ihren Antrag auf Besuchsregelung ignoriert, obwohl die Sachverständigen in ihrem Gutachten ausgeführt hätten, dass das Umgangsrecht der Eltern weder dauerhaft noch zeitweilig ausgeschlossen werden sollte. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom 23.03.2010 trägt sie ergänzend vor, sie habe sich selbständig am 15.11.2008 mit dem Jugendamt in Verbindung gesetzt, um einen Besprechungstermin abzustimmen. Eine Mitarbeiterin habe sich dazu spontan nicht in der Lage gesehen und einen Rückruf versprochen. Dieser sei nicht erfolgt. Ihr sei schriftlich ein Termin für den 04.12.2008 angeboten worden. Sie habe sich im Krankenhaus befunden und sich deshalb telefonisch bei zwei Jugendamtsmitarbeiterinnen entschuldigt. Beide hätten versprochen, wegen eines neuen Termins zurückzurufen. Wiederum sei kein Rückruf erfolgt. Zu dem gerichtlichen Anhörungstermin vom 21.10.2008 sei sie nicht erschienen, weil sie die Ladung nicht erreicht habe. Der Aufenthalt des Kindes sei geheim gehalten worden, so dass sie schon aus diesem Grund keinerlei Möglichkeit gehabt habe, Kontakte zu ihrem Kind aufzunehmen.

Die Kammer hat die Akten betreffend das Verfahren auf Entzug der elterlichen Sorge Amtsgericht Castrop-Rauxel - 8 F 116/06 - sowie betreffend die Betreuung der Beteiligten zu 2. Amtsgericht Herne - 4 XVII B 1022 - zu Informationszwecken beigezogen. Sie hat die Pflegeeltern, das Jugendamt, die Beteiligte zu 2. und deren Betreuer persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der nicht öffentlichen Sitzung der Kammer vom 27.04.2010, Bl. 109a, 109a R d.A., sowie den Vermerk der Richterin am Landgericht N2 vom selben Tag, Bl. 110-118 d.A., Bezug genommen. Die Kammer hat ferner Beweis erhoben durch Einholung eines neurologischpsychiatrischen Sachverständigengutachtens betreffend die Beteiligte zu 2.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. E vom 10.01.2011, lose bei der Akte, Bezug genommen. Schließlich hat die Kammer hat die Beteiligte zu 1. persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk der Vorsitzenden Richterin am Landgericht P vom 21.09.2011, Bl. 210, 210 R d.A., Bezug genommen.

Nachdem die Beteiligte zu 2. dem Jugendamt eine ladungsfähige Anschrift des Beteiligten zu 3. in Polen mitgeteilt hatte, hat die Kammer diesen mit Schreiben vom 08.12.2010, dem Beteiligten zu 3. mit internationalem Einschreiben / Rückschein zugestellt, angehört. Er hat sich nicht geäußert.

II.

1.

Die gemäß §§ 19, 20 Abs. 1 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1., vertreten durch das Jugendamt der Stadt Castrop-Rauxel als Amtsvormund, ist begründet. Sowohl hinsichtlich der Beteiligten zu 2., als auch hinsichtlich des Beteiligten zu 3. ist die Einwilligung in die Adoption durch die Pflegeeltern der Beteiligten zu 1. gemäß § 1748 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zu ersetzen.

a.

Beteiligte zu 2.

Bei einer Annahme als Kind hat das Vormundschaftsgericht gemäß § 1748 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB a.F. auf Antrag des Kindes die Einwilligung eines Elternteils zu ersetzen, wenn dieser durch sein Verhalten gezeigt hat, dass ihm das Kind gleichgültig ist, und wenn das Unterbleiben der Annahme dem Kind zu unverhältnismäßigem Nachteil gereichen würde. Gemäß § 1748 Abs. 2 BGB darf wegen Gleichgültigkeit, die nicht zugleich eine anhaltende Pflichtverletzung ist, die Einwilligung nicht ersetzt werden, bevor der Elternteil vom Jugendamt über die Möglichkeit ihrer Ersetzung belehrt worden ist und seit der Belehrung wenigstens drei Monate verstrichen sind. Sämtliche hiernach für eine Einwilligungsersetzung bestehenden Voraussetzungen liegen hinsichtlich der Beteiligten zu 2. vor.

aa.

Den erforderlichen Antrag hat das Jugendamt in seiner Eigenschaft als Vormund bei dem Amtsgericht - Vormundschaftsgericht - mit Schriftsatz vom 08.07.2008 für die Beteiligte zu 1. gestellt. Die Beteiligte zu 2. ist vom Jugendamt mit Schreiben vom 30.08.2007 über die Möglichkeit der Einwilligungsersetzung formgerecht belehrt worden und seit dieser Belehrung ist bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung nahezu ein Jahr verstrichen gewesen.

bb.

Die Beteiligte zu 2. hat durch ihr Verhalten gezeigt, dass ihr die Beteiligte zu 1. gleichgültig ist.

Gleichgültigkeit liegt vor, wenn im Verhalten des Elternteils objektiv feststellbare Umstände nach der allgemeinen Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass das Kind dem Elternteil nach seiner subjektiven Einstellung gleichgültig ist (BT-Drucks. 7/421 S. 8; BayOblG FamRZ 1981, 604 (LS) = DAVorm. 1981, 131, 138; NJW-RR 1997, 1364 = FamRZ 1998, 55, 56; BayOblGZ 2003, 232-239 = NJW-RR 2004, 578 = FamRZ 2004, 397, 398; FPR 2005, 220 (LS) = FamRZ 2005, 541, 542; Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2008, § 1748 Rn. 8; Frank in J. von Staudingers, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Buch 4, Neubearbeitung 2007, § 1748 Rn. 27). Das Kind bedarf nicht nur einer in Pflichten fassbaren äußeren Fürsorge, die auch durch dritte Personen oder Institutionen geleistet werden kann, sondern auch und vor allem persönlicher Zuwendung. Fehlt sie, ist der Elternteil dem Kind gegenüber gänzlich teilnahmslos, es ist ihm gleichgültig (BayOblG FPR 2005, 220 (LS) = FamRZ 2005, 541, 542; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1686, 1687). Gleichgültig verhält sich daher, wen sein Kind und dessen Schicksal nicht interessieren oder wer es an persönlicher Zuwendung völlig fehlen lässt (BayOblG FamRZ 1983, 648 f. (LS) = ZfJ 1983, 234, 238; FamRZ 1984, 417, 419; NJW-RR 1994, 903 = FamRZ 1994, 1348, 1349; BayOblGZ 1996, 276 = NJWE-FER 1997, 248 = FamRZ 1997, 514, 516; FamRZ 2002, 1142, 1144; BayOblGZ 2003, 232 = NJW-RR 2004. 578 = FamRZ 2004, 397; FÜR 2005, 220 (LS) = FamRZ 2005, 541, 542; OLG Hamm OLGZ 1992, 15 = FamRZ 1991, 1103, 1106), etwa wer sein Kind in der Obhut Dritter (Privatpersonen oder Heim) aufwachsen lässt, ohne über eine längere Zeit einen ihm nach den jeweiligen Umständen zumutbaren persönlichen Erziehungsbeitrag zu leisten, z.B. durch Besuche oder brieflichen Kontakt (OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1686, 1687; Münchener Kommentar, a.a.O).

So liegt der Fall hier. Die Beteiligte zu 2. hat die Beteiligte zu 1. seit dem 28.04.2005 in der Obhut Dritter aufwachsen lassen, ohne über eine längere Zeit einen ihr nach den tatsächlichen Umständen zumutbaren persönlichen Erziehungsbeitrag zu leisten.

Ihr bis dahin uneingeschränkt mögliche Besuchskontakte mit der Beteiligten zu 1. hat die Beteiligte zu 2. noch während des Verfahrens auf Entzug der elterlichen Sorge nach dem letzten persönlichen Kontakt im Rahmen des Untersuchungstermins der gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. T2 und H1 am 25.09.2006 vollständig abreißen lassen. Dass ihr seitdem die Vereinbarung weiterer Besuchskontakte mit dem Jugendamt nicht zumutbar gewesen ist, hat die Kammer nicht feststellen können:

Sämtliche nach dem 25.09.2006 zwischen dem Jugendamt und der Beteiligten zu 2. vereinbarten oder sogar gerichtlich festgesetzten Gesprächstermine zur Erörterung von Umgangsregelungen hat die Beteiligte zu 2. nicht wahrgenommen. Dies gilt - dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Jugendamtes in seiner Antragsschrift zufolge - für im März und Mai 2007 vereinbarte Gesprächstermine bei dem Jugendamt sowie für den von dem Amtsgericht Castrop-Rauxel in dem Sorgerechtsverfahren anberaumten Termin zur Anhörung am 24.04.2007. Insbesondere auch nach Zustellung der Belehrung gemäß § 51 KJHG am 01.09.2007 hat die Beteiligte zu 2. ihr angebotene Gesprächstermine zur möglichen Regelung erneuter Besuchskontakte mit der Beteiligten zu 1. nicht genutzt. Zu einem Gespräch mit dem Jugendamt am 16.05.2008 ist die Beteiligte zu 2. - ebenfalls dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Jugendamtes in seiner Antragschrift zufolge - nicht erschienen. Den mit ihr sodann telefonisch vereinbarten Termin am 27.05.2008 hat sie ebenfalls nicht wahrgenommen, was die Beteiligte zu 2. nicht in Abrede gestellt hat. Was eine weitere Terminvereinbarung im November / Dezember 2008 angeht, so folgt die Kammer dem Vortrag des Jugendamtes in der Beschwerdebegründung, der durch die schriftliche Stellungnahme des Pflegekinderdienstes vom 18.06.2009, Bl. 72 d.A., erhärtet wird. Dieser zufolge ist im November 2008 ein telefonischer Kontakt mit der Beteiligten zu 2. zwecks Terminvereinbarung nicht möglich gewesen und hat diese auch auf eine schriftliche Einladung vom 27.11.2008 zu einem Gesprächstermin am 04.12.2008 nicht reagiert. Selbst wenn die Beteiligte zu 2. sich am 04.12.2008 im Krankenhaus befunden hat, ihre Terminversäumnis bei zwei Mitarbeiterinnen des Jugendamtes telefonisch entschuldigt hat und diese ihr einen Rückruf zugesagt haben, hat die Beteiligte zu 2. es verabsäumt, sich nachhaltig um einen Gesprächstermin zu bemühen. Angesichts des ihr obliegenden Engagements zur Herstellung eines persönlichen Kontaktes mit der Beteiligten zu 1. hat sie sich nicht auf ein passives Zuwarten hinsichtlich eines Gesprächsangebotes seitens des Jugendamtes beschränken dürfen, sondern hätte nötigenfalls im Wege einer persönlichen Vorsprache die Aufnahme von Gesprächen zur Regelung von Besuchskontakten selbst initiieren müssen.

Die Kammer verkennt nicht, dass das Jugendamt anlässlich der Terminversäumnis der Beteiligten zu 2. am 04.12.2008 die Durchführung von Besuchskontakten zwischen den Beteiligten zu 1. und 2. nicht weiter befürwortet hat. Dies vermag die Beteiligte zu 2. jedoch nicht zu entlasten, da sie nicht nur jegliche Anstrengung zur Herstellung von Besuchskontakten, sondern auch solche zur Herstellung eines brieflichen Kontaktes hat vermissen lassen. Selbst wenn die Beteiligte zu 1. in einer Inkognito-Pflegefamilie lebt und der Beteiligten zu 2. deren Anschrift nicht bekannt ist, hätte ein Briefwechsel über das Jugendamt stattfinden können. Einer entsprechenden Initiative der Beteiligten zu 2. hätte es bedurft, um eine persönliche Bindung zu der Beteiligten zu 1. unter Beweis zu stellen. Denn der objektiv entstandene Eindruck der Gleichgültigkeit hätte durch erhöhte Anstrengungen ausgeglichen werden müssen (vgl. dazu Palandt-Diederichsen, BGB, 70. Aufl. 2011, § 1748 Rn. 4, 5).

Stichhaltige Gründe für das Fehlen jeglicher, insbesondere auch einer brieflichen Kontaktaufnahme wie Krankheit oder sonstige nachhaltige Hinderung hat die Beteiligte zu 2. auch in ihrer persönlichen Anhörung vor der Kammer nicht vorgetragen. Sie hat auf die Frage zu den Gründen ihrer zahlreichen Terminversäumnisse sinngemäß erklärt, sie habe nicht alkoholisiert zu den Terminen gehen wollen. Betreffend eine Initiative zur Herstellung eines brieflichen Kontaktes über das Jugendamt hat sie erklärt, diese Idee nicht gehabt zu haben.

Das seit September 2006 von nahezu vollständiger Passivität und Desinteresse gegenüber der Beteiligten zu 1. und deren Schicksal geprägte Verhalten der Beteiligten zu 2. hat sich selbst im vorliegenden vormundschaftsgerichtlichen Verfahren fortgesetzt: Zu dem von dem Amtsgericht angesetzten Anhörungstermin vom 21.10.2008 ist sie ohne Geltendmachung von Entschuldigungsgründen nicht erschienen. Ihre nunmehrige Berufung darauf, die Ladung habe sie nicht erreicht, wertet die Kammer als Schutzbehauptung. Der Beteiligten zu 2. ist das die Ladung enthaltende Schreiben des Amtsrichters vom 22.09.2008 ausweislich der Zustellungsurkunde der Deutschen Post AG, Bl. 28 d.A., unter ihrer damaligen Anschrift I3. # in 44581 Castrop-Rauxel förmlich, nämlich durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten zugestellt worden. Zudem ist die Beteiligte zu 2. am 01.03.2009 in eine Wohnung in der W Str. # in 44628 Herne verzogen, ohne ihre Anschriftenänderung der Kammer, dem Amtsgericht oder dem Jugendamt gegenüber mitzuteilen.

cc.

Die Beteiligte zu 2. besitzt auch ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit, das zum Erkennen elterlicher Pflichten befähigt.

Eine solche Einsichtsfähigkeit im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre wird nach der wohl überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bei den Tatbeständen des § 1748 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines vorwerfbaren Elternverhaltens verlangt (BayOblG DAVorm 1999, 773-777 = FamRZ 1999. 1688-1690 = NJWE-FER 2000, 147-148; Münchener Kommentar zum BGB, a.a.O., Rn. 6).

Dass die Beteiligte zu 2. das erforderliche Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit besitzt, hat die Sachverständige Dr. E in ihrem neurologischpsychiatrischen Gutachten vom 10.01.2011 festgestellt, in dem sie in ihrer Zusammenfassung zu folgenden Erkenntnissen gelangt ist:

"Die Kindesmutter Frau C, geb. 10.11.1978 leidet seit 2000 an einer schweren psychischen Erkrankung, an einer Alkoholabhängigkeit. Die Schwere der Erkrankung mit etwa seit 10 Jahren andauerndem regelmäßigem exzessiven Alkoholkonsum, Notwendigkeit wiederholter stationärer Aufenthalte wegen Intoxikationen, Delirien, epileptischen Anfällen und Ausführung körperlicher Gewalt auch gegen ihre Kinder führte dazu, dass ihre Kinder in Pflegefamilien untergebracht wurden, und auch ihre Tochter F 2005 einer Pflegefamilie zugesprochen wurde. Frau C gibt in der Untersuchungssituation an, dass sie seit etwa Juni / Juli 2010 keinen Alkohol mehr zu sich genommen habe. Sie räumt beim Befragen ein, dass sie selbst erkenne, dass sie krankheitsbedingt ihre Kinder nicht habe erziehen können. Die Einsichtsfähigkeit besteht bei einer seit etwa 6 Monaten andauernden Alkoholkarenz." … "Frau C besitzt Einsichtsfähigkeit, die sie zum Erkennen elterlicher Pflichten befähigt. Dies hat sie bewiesen, als sie für fähig erachtet wurde, auch von Seiten des Jugendamtes, ihre 9 Jahre jüngere Schwester zu erziehen."

Die Erkenntnisse der Sachverständigen sind überzeugend. Die Sachverständige, eine Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, hat ihrer Begutachtung den gesamten Akteninhalt sowie anamnestische Daten, klinische Untersuchungsbefunde und die Ergebnisse elektroencephalographischer Untersuchungen anlässlich einer eigenen nervenärztlichen Untersuchung der Beteiligten zu 2. am 09.12.2010 zu Grunde gelegt. Ihre daraus gezogenen Schlussfolgerungen basieren auf ihren neurologischen und psychiatrischen Fachkenntnissen. Sie sind in dem schriftlichen Gutachten auch für den medizinischen Laien klar und plausibel dargestellt. Die Erkenntnisse der Sachverständigen betreffend das Vorliegen der schweren psychischen Krankheit einer Alkoholabhängigkeit decken sich mit denen der Sachverständigen Dr. T2 und H1 des Instituts für Forensische Psychologie Dortmund in ihrem schriftlichen Gutachten vom 13.01.2007 sowie denen der Sachverständigen Dr. C1 in ihrem schriftlichen Gutachten vom 15.12.2007. Die Erkenntnis, dass die Beteiligte zu 2. trotz ihrer schweren psychischen Krankheit die Fähigkeit besitzt, elterliche Pflichten zu erkennen, schließt sie erkennbar nicht nur aus der Tatsache, dass diese von amtlichen Stellen als zur Erziehung ihrer jüngeren Schwester fähig angesehen worden war, sondern vor allem aus den eigenen Erklärungen der Beteiligten zu 2. im Rahmen ihrer Exploration am 09.12.2010, denen zufolge diese selbst erkennt, u.a. im Rahmen ihrer bis Juni 2010 andauernden Alkoholexzesse ihre Kinder geschlagen zu haben, und einräumt, in dieser Zeit nicht in der Lage gewesen zu sein, ihre Kinder zu erziehen. Wer die eigene Unfähigkeit zur Erziehung seiner Kinder einräumt, besitzt die grundsätzliche Fähigkeit, elterliche Pflichten zu erkennen.

dd.

Das Unterbleiben der Annahme gereicht der Beteiligten zu 1. auch zu unverhältnismäßigem Nachteil.

Zur Prüfung der Frage, ob das Unterbleiben der Adoption für das Kind unverhältnismäßig nachteilig wäre, müssen die Eltern- und Kindesinteressen umfassend gegeneinander abgewogen werden. Dabei ist der Nachteil, den das Unterbleiben der Adoption bedeutet, in Beziehung zu setzen zur Schwere des Eingriffs in das Elternrecht (BT-Drucks. 7/421 S. 9; BVerfG NJW 2006, 827 = FamRZ 2006, 94; BGHZ 162, 357 = NJW 2005, 1781 = FamRZ 2005, 891; BGH FamRZ 1986, 460, 462 = NJW-RR v1986, 802, 803; BayOblGR 2005, 382 = NJW-RR 2005, 1165 = FamRZ 2005, 1587; BayOblGZ 1996, 276, 280 = FamRZ 1997, 514, 515; NJW-RR 1994, 903, 905 = FamRZ 1994, 1348, 1350; OLG Saarbrücken FamRZ 2005, 1586; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1686, 1687 = DAVorm 1999, 777, 780). Der Nachteil muss so schwer wiegen, dass der Eingriff in das Elternrecht angesichts des Fehlverhaltens der Eltern hingenommen werden kann, oder positiv formuliert: Durch die Adoption muss sich die Lage des Kindes so verbessern, dass der Vorteil für das Kind außer Verhältnis zum Rechtsverlust des Elternteils steht. Dabei fällt das Elternrecht bei der Abwägung um so weniger ins Gewicht, je schwerer die Pflichtverletzung bzw. je nachhaltiger die Gleichgültigkeit ist (Frank in J. von Staudingers, a.a.O., Rn 38 m.w.N.).

Die in diesem Sinne vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen der Beteiligten zu 1. und 2. führt dazu, dass der von der Beteiligten zu 1. erstrebte Vorteil, der Fortbestand und die rechtliche Absicherung ihrer derzeitigen Lebenssituation als Kind ihrer jetzigen Pflegeeltern außer Verhältnis zu dem Verlust des Elternrechts der Beteiligten zu 2. steht.

Die Beteiligte zu 1. wächst bei ihren jetzigen Pflegeeltern in einer harmonischen und lebenstüchtigen Familiengemeinschaft auf. Dies steht aufgrund der Schilderungen der Lebenssituation der Beteiligten zu 1. durch das Jugendamt in seiner Beschwerdebegründung sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme in der Anhörung vor der Kammer, hinsichtlich derer auf den Vermerk der Richterin am Landgericht N1 vom 27.04.2010 verwiesen wird, fest. Die von dem Jugendamt geschilderte Lebenssituation der Beteiligten zu 1. entspricht den diesbezüglichen Erklärungen der Pflegeeltern und dem von diesen gewonnenen persönlichen Eindruck in der Anhörung vor der Kammer. Demzufolge gestalten die Pflegeeltern das Leben der Beteiligten zu 1. entsprechend ihren besonderen Bedürfnissen und Neigungen und fördern so nachhaltig deren gesunde körperliche und seelische Entwicklung. Zudem haben sie bei dem gebotenen rationalen Umgang mit dem Schicksal der Beteiligten zu 1. eine tiefe emotionale Bindung zu der Beteiligten zu 1. aufgebaut, auf deren Grundlage sie die Beteiligte zu 1. wie ihr eigenes Kind betrachten. Dieser Eindruck der Kammer ist in der Anhörung der Beteiligten zu 1. vertieft worden. Auch hier zeigte sich in dem Umgang der Beteiligten zu 1. und ihren Pflegeeltern miteinander eine von Offenheit und gegenseitigem Respekt zeugende Beziehung, wie sie einem realen Eltern-Kind-Verhältnis gleichkommt. Da das Erleben einer solchen harmonischen und lebenstüchtigen Familiengemeinschaft für die gesunde körperliche und seelische Entwicklung eines jeden Kindes, insbesondere aber der Beteiligten zu 1. unerlässlich ist, stellt das Aufwachsen in der Familie der Pflegeeltern eine entscheidende Verbesserung der Lebensverhältnisse der Beteiligten zu 1. dar.

Die Annahme der Beteiligten zu 1. als Kind ihrer Pflegeeltern stellt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass diese bereit sind, die Beteiligte zu 1. auch ohne eine Adoption zu behalten, eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse dar. Die Kammer schließt sich der in Rechtsprechung und Literatur überwiegend vertretenen Ansicht an, dass ein unverhältnismäßiger Nachteil auch dann vorliegen kann, wenn das Verbleiben des Pflegekindes in der Pflegestelle auch ohne Adoption nicht in Frage gestellt ist. Dies wird damit begründet, dass der Status eines Pflegekindes rechtlich ungesichert ist und das Kind Anspruch auf Klarheit und Sicherheit seiner familiären Beziehungen hat. Denn Pflegekindverhältnissen fehlt im Gegensatz zur Adoption das Merkmal einer auf Dauer angelegten unwiderruflichen Zuordnung. Zwar bietet § 1632 Abs. 4 BGB dem Pflegkind Schutz davor, dass es "zur Unzeit" aus der Pflegefamilie herausgerissen wird. Seine Einbindung in die Pflegefamilie ist aber rechtlich nur vorläufig und unvollständig. Die Adoption begründet demgegenüber ein Höchstmaß an Geborgenheit (vgl. BVerfGE 79, 51, 65 = NJw 1989, 519, 520 = FamRZ 1989, 31, 34) und schafft engere Beziehungen als ein stabiles, rechtlich abgesichertes Dauerpflegeverhältnis. Die durch die Adoption bewirkte völlige - faktische wie rechtliche - Integration des Kindes in eine intakte Familie bietet deshalb am ehesten die Gewähr für ein harmonisches, geborgenes und von möglichen Einflüssen der leiblichen Eltern ungestörtes Aufwachsen des Kindes, für das sich schon der Umstand schädigend auswirken kann, dass es sich in seiner Geborgenheit in der Pflegefamilie verunsichert und gestört fühlt (BGHZ 133, 384, 388 = NJW 1997, 585, 586 = FamRZ 1997, 85; BGH NJW-RR 1986, 802, 803 = FamRZ 1986, 460, 462; BayOblGR 2004, 212 =FamRZ 2004, 1812; BayOblG NJW-RR 1994, 903, 905 = FamRZ 1994, 1348, 1350; NJW-RR 1991, 1219, 1220 = DA Vorm 1990, 382, 383; FamRZ 1988, 871, 872; FamRZ 1982, 1129, 1131; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 542 = FGPrax 2005, 66; OLG Saarbrücken FamRZ 2005, 1586; OLG Karlsruhe FamRZ 1999, 1686, 1688 = DAVorm 1999, 777, 778; FamRZ 1990, 94, 95 f. m, zust. Anm. Gallwitta = DAVorm 1990, 383, 385 ff. = Justiz 1990, 4101 f.; FamRZ 1983, 1085, 1060; OLG Braunschweig FamRZ 1997, 5113, 514; OLG Hamm ZfJ 1984, 364, 367 f.; FamRZ 1977, 415, 420 = StAZ 1977, 282, 287; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 1042; a.A. OLG Schleswig NJW-RR 1994, 585 = FamRZ 1994, 1351; OLG Frankfurt FamRZ 1986, 601; Frank in J. von Staudingers, a.a.O., Rn 42).

Das Interesse der Beteiligten zu 1. an dem Fortbestand und der rechtlichen Absicherung ihrer derzeitigen Lebenssituation wiegt umso schwerer, als ihre persönliche Beziehung zu der Beteiligten zu 2. erheblich belastet ist. Die Konfrontation der Beteiligten zu 1. mit der Tatsache, dass sie eine leibliche Mutter hat, mit der sie in persönlichen Kontakt treten könnte, stellt für die Beteiligte zu 1. eine psychische Belastung dar. Dies schließt die Kammer aus den Erklärungen der Beteiligten zu 1. in ihrer persönlichen Anhörung. Zunächst hat die Beteiligte zu 1. angegeben, von ihren "anderen" Eltern geschlagen worden zu sein. Auch wenn, worauf die Beteiligte zu 2. in ihrem Schriftsatz vom 04.10.2011 verweist, die Beteiligte zu 1. nicht selbst, sondern ihre Schwester T1 geschlagen worden ist, ist die Erinnerung der Beteiligten zu 1. an das Zusammenleben mit ihren leiblichen Eltern von dem Gedanken an Tätlichkeiten bestimmt. Zudem hat die Beteiligte zu 1. die Frage verneint, ob es ihr wichtig sei, dass sich ihre "anderen" Eltern bei ihr meldeten, und erklärt, das eigentlich nicht zu wollen. Darüber hinaus hat sie auf die Frage zu ihrem Befinden bei Ansprache der Thematik wiederholt erklärt, sich "nicht gut" bzw. "einfach nur schlecht" zu fühlen. Damit hat sie altersentsprechend zum Ausdruck gebracht, seelisch belastet zu sein.

Die Beteiligte zu 2. rügt die Anhörung der Beteiligten zu 1. in Anwesenheit ihrer Pflegeeltern als Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, da die Kammer mitgeteilt hätte, die Beteiligte zu 1. ohne Anwesenheit weiterer Beteiligter anzuhören. Unabhängig davon, dass die Pflegeeltern der Beteiligten zu 1. keine förmlichen Beteiligten des vorliegenden Verfahrens sind, liegt der gerügte Verfahrensverstoß nicht vor. Die Kammer hat die Anwesenheit der Pflegeeltern und die Abwesenheit der Beteiligten zu 2. für geboten gehalten, um der Beteiligten zu 1. eine Anhörung in geschützter Atmosphäre zu ermöglichen. Dass die Beteiligte zu 1. aufgrund der Anwesenheit ihrer Pflegeeltern die an sie gestellten Fragen entsprechend einer zuvorigen Absprache beantwortet haben könnte, erachtet die Kammer als fernliegend.

Angesichts der Nachhaltigkeit der Gleichgültigkeit der Beteiligten zu 2. einerseits und der Gewichtigkeit des Interesses der Beteiligten zu 1. am Fortbestand und der rechtlichen Absicherung ihrer derzeitigen Lebenssituation als Kind ihrer Pflegeeltern andererseits tritt das Interesse der Beteiligten zu 2. am Erhalt ihres Elternrechts vollständig zurück.

ee.

Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob auch die Voraussetzung einer Einwilligungsersetzung gemäß § 1748 Abs. 3 BGB vorliegen. Damit ist insbesondere eine Prüfung der tatsächlichen Frage entbehrlich, ob die Beteiligte zu 2. an einer besonders schweren psychischen Krankheit leidet, aufgrund derer sie zur Pflege und Erziehung der Beteiligten zu 1. dauernd unfähig ist.

b.

Beteiligter zu 3.

Hinsichtlich des Beteiligten zu 3. liegen die Voraussetzungen der Einwilligungsersetzung unter dem Aspekt der "Gleichgültigkeit" gemäß § 1748 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB ebenfalls vor.

Dass ihm die Beteiligte zu 1. gleichgültig ist, hat er bereits dadurch gezeigt, dass er nach Entzug der elterlichen Sorge für die Beteiligte zu 1. nach Polen zurückgesiedelt ist, ohne sich bei der zuständigen Meldebehörde abzumelden und bei dem als Amtsvormund bestellten Jugendamt eine neue ladungsfähige Anschrift zu hinterlassen. Auch während des vorliegenden amtsgerichtlichen Verfahrens ist sein Aufenthalt nicht zu ermitteln gewesen, was auf besonders krasse Gleichgültigkeit hinweist (vgl. dazu Frank in J. von Staudingers, a.a.O., Rn. 32). Eine solche krasse Gleichgültigkeit hat der Beteiligte zu 3. sodann dadurch dokumentiert, dass er auf das an ihn gerichtete Schreiben der Kammer vom 08.12.2010 nicht reagiert hat.

Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 3. das geforderte Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit nicht besitzen könnte, liegen nicht vor.

Das Unterbleiben der Annahme gereicht der Beteiligten zu 1. auch zu unverhältnismäßigem Nachteil. Auf die obigen Ausführungen zu 1. a. dd. wird verwiesen. Der Beteiligte zu 3. hat ein Interesse am Erhalt seines Elternrechts nicht einmal geäußert, so dass dieses jedenfalls hinter dem Interesse der Beteiligten zu 1. an der Annahme als Kind durch ihre Pflegeeltern vollständig zurücktritt.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 3 KostO, 13 a Abs. 1 FGG.