AG Krefeld, Urteil vom 20.10.2011 - 6 C 496/10
Fundstelle
openJur 2012, 82624
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 260,22 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.07.2010 zu zahlen.

Die Beklagte wird weiter verurteilt, die Klägerin von durch außergerichtliche Tätigkeit entstandenen Rechtsanwaltskosten freizustellen durch Zahlung in Höhe von € 39,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.11.2010 an Rechtsanwalt Lothar Schriewer, Düsselthaler Straße 49, 40211 Düsseldorf.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagte zu 65 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

- von der Darstellung wird abgesehen (§ 313a Abs. 1 ZPO) -

Gründe

Die Klage ist in Höhe von € 260,22 zuzüglich der ausgeurteilten Nebenforderungen begründet; im Übrigen ist sie unbegründet und unterliegt daher der Abweisung.

Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung restlicher Mietwagenkosten in Höhe von € 260,22.

Gemäß § 249 Abs. 2, S. 1 BGB kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Geldbetrag als Schadensersatz verlangen, der zur Wiederherstellung des Zustands erforderlich ist, der vor dem schädigenden Unfallereignis bestanden hat. Hierzu gehört auch der Ersatz der objektiv erforderlichen Mietwagenkosten.

Objektiv erforderlich sind nur diejenigen Kosten, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Der Geschädigte ist dabei gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Dabei verstößt er noch nicht allein deshalb gegen seine Pflicht zur Schadensminderung, weil er ein Fahrzeug zu einem gegenüber dem Normaltarif ungünstigeren Unfalltarif anmietet. Ein Unfalltarif kann aber grundsätzlich nur dann als erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden, wenn die Besonderheiten dieses Tarifs mit Rücksicht auf die Unfallsituation (etwa die Vorfinanzierung, das Risiko des Ausfalls mit der Ersatzforderung wegen falscher Bewertung der Haftungsanteile am Unfallgeschehen etc.) den gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen, weil sie auf Leistungen des Vermieters beruhen, die durch die besondere Unfallsituation veranlasst sind.

Inwieweit dies der Fall ist, hat der Tatrichter auf Grund des Vortrags des darlegungs- und beweisbelasteten Geschädigten gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Dabei muss er nicht die Kalkulationsgrundlagen des Autovermietungsunternehmens im Einzelnen betriebswirtschaftlich nachvollziehen. Ausreichend ist die Prüfung, ob etwaige Mehrleistungen und Risiken bei der Vermietung an Unfallgeschädigte generell einen erhöhten Tarif rechtfertigen, wobei unter Umständen auch ein pauschaler Aufschlag auf den Normaltarif in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 26.06.2007, VI ZR 163/06 = NJW 2007, 2916 ff.; BGH, Urt. v. 30.01.2007, VU ZR 99/06 = NZV 2007, 179 f.; OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06 = NZV 2007, 199 ff.).

Die Klägerin kann vorliegend aus abgetretenem Recht des Zedenten, E. K., Mietwagenkosten für den Zeitraum vom 25.05. bis 28.05.2010, also für vier Tage, verlangen. Zwar hat der Gutachter T. in seinem Schadensgutachten vom 06.05.2010 eine Reparaturdauer von lediglich "ca. 2 Tagen" geschätzt. Doch hat die Klägerin den Reparaturablaufplan der Firma K. (Bl. 106 d.A.) vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass die Instandsetzung des bei dem Unfall vom 04.05.2010 beschädigten Fahrzeuges des Zedenten tatsächlich vom 25.05. bis zum 28.05.2010 dauerte. Als Grund wird in dem Reparaturablaufplan eine hohe Auslastung der Werkstatt bei gleichzeitigem krankheitsbedingten Personalmangel angegeben. Insoweit hat sich die Reparatur aus Gründen, die nicht dem Zedenten anzulasten sind, verzögert. Verzögerungen bei der Reparatur, die vom Geschädigten nicht zu vertreten sind, gehen aber zu Lasten des Schädigers bzw. seiner Haftpflichtversicherung.

Der zu erstattende Aufwand für die erforderlichen Mietwagenkosten war gemäß § 287 ZPO wie folgt zu schätzen:

Ausgangspunkt für die Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten ist zunächst der Normaltarif, der den Mindestbetrag der dem Geschädigten zu ersetzenden Mietwagenkosten darstellt (OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06 = NZV 2007, 199-203; OLG Düsseldorf, Urt. v. 08.05.2000, 1 U 172/99 = NZV 2000, 366-369). Dass dem Zedenten ohne weiteres ein günstigerer örtlicher Tarif im konkreten Anmietfall zur Verfügung stand, ist nicht ersichtlich. Soweit die Beklagte dem Zedenten mit Schreiben vom 17.05.2010 angeboten hat, ihm bei der Reservierung eines Mietwagens behilflich zu sein, war der Zedent nicht verpflichtet, auf ein solches Angebot der Haftpflichtversicherung des Unfallgegners einzugehen. Die in dem vorgenannten Schreiben genannten Beispielspreise für Fahrzeuge stellen bereits nach ihrem Inhalt kein annahmefähiges Angebot zum Abschluss eines Mietvertrages zum Zeitpunkt und am Ort der konkreten Anmietung durch den Zedenten dar.

Dieser Normaltarif, der - wie ausgeführt - den Mindestbetrag der dem Geschädigten zu ersetzenden Mietwagenkosten darstellt, kann dabei - in Ausübung des durch § 287 ZPO eingeräumten Ermessens - auf der Grundlage des gewichteten Mittels des Schwacke-Mietpreisspiegels für den jeweiligen Postleitzahlbereich ermittelt werden (BGH, Urt. v. 30.01.2007, VI ZR 99/06 = NJW 2006, 1124 ff.; BGH, Urt. v. 26.06.2007, VI ZR 163/06, = BB 2007, 1755 f.; OLG Köln, Urt. v. 02.03.2007, 19 U 181/06). Der Schwacke-Mietpreisspiegel stellt - entgegen der Auffassung der Beklagten - für diese Schadensschätzung eine geeignete Grundlage dar (BGH, Urt. v. 11.03.2008, VI ZR 164/07; LG Krefeld, Urt. v. 13.08.2009, 3 S 41/08; LG Bielefeld, Urt. v. 09.05.2007, 21 S 68/07; LG Bonn, Urt. v. 25.04.2007, 5 S 197/06 = NZV 2007, 362-365; LG Nürnberg-Fürth, Urt. v. 08.05.2007, 8 O 861/07 = ZfSch 2007, 444-448). Zuletzt ist die Geeignetheit des Schwacke-Mietpreisspiegels erneut höchstrichterlich durch Urteil des BGH vom 12.04.2011, VI ZR 300/09 bestätigt worden (so auch: OLG Dresden, Beschl. v. 17.04.2009 - 7 U 7/09 - Schaden-Praxis 2010, 17; OLG Karlsruhe, Urt. v. 30.04.2010 - 4 U 131/09 - NZV 2010, 472 f.; OLG Köln, Urt. v. 18.08.2010 - 5 U 44/10 - NZV 2010, 614, 615; OLG Köln, Urt. v. 03.03.2009 - 24 U 6/08 - NZV 2009, 447, 448; OLG Köln, Urt. v. 22.12.2009 - und 15 U 98/09 - NZV 2010, 144.; OLG Köln, Urt. v. 11.02.2009 - 2 U 102/08 - MRW 2010, Nr. 1, 15 f.; OLG Köln, Beschl. v. 20.04.2009 - 13 U 6/09; OLG Stuttgart, Urt. v. 08.07.2009 - 3 U 30/09 - VersR 2009, 1680,

1681 f.). Das Gericht hat daher keinen Anlass, statt des Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 eine andere Schätzgrundlage, insbesondere auch die Erhebung des Fraunhofer-Instituts zu den Mietwagenpreisen, zugrunde zu legen. Denn die Eignung von Listen oder Tabellen, die bei der Schadensschätzung Verwendung finden können, bedarf nur der Klärung, wenn mit konkreten Tatsachen aufgezeigt wird, dass geltend gemachte Mängel sich auf den zu entscheidenden Fall auswirken (BGH, Urt. v. 11.03.2008, VI ZR 164/07). Solche konkreten Tatsachen sind vorliegend jedoch nicht vorgetragen worden.

Bei der Schätzung des Normaltarifs anhand des Schwacke-Mietpreisspiegels 2009 ist dabei nicht auf den Tagespreis abzustellen, sondern vorliegend auf den Dreitagespreis und den Eintagespreis. Bei einer absehbaren mehrtägigen Mietdauer ist der Geschädigte gehalten, zur Minderung des Schadens günstige Mehrtagespauschalen in Anspruch zu nehmen. Maßgeblich sind insoweit die örtlichen Mietpreise, also vorliegend die Preise am Anmietort in Neuss (PLZ-Bereich 414) (vgl. BGH, Urteile vom 11.03.2008, VI ZR 164/07, und vom 02.02.2010, VI ZR 7/09). Da der Zedent ein klassengleiches Fahrzeug (Mietwagengruppe 2) angemietet hat, hat er sich im Wege der Vorteilsausgleichung ersparte Aufwendungen anrechnen zu lassen. Diese setzt das Gericht pauschal mit 5% der Mietwagenkosten an (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.11.1997, 1 U 104/96).

Einen pauschalen Aufschlag von 20% auf diesen Betrag kann die Klägerin nicht verlangen. Denn nach ihrem eigenen unzweideutigen Vortrag will die Klägerin lediglich den Normaltarif geltend machen. Dieser beträgt aber - abzüglich der ersparten Aufwendungen und zuzüglich der anzuerkennenden Nebenkosten gemäß nachfolgender Berechnung - nur € 456,98.

Soweit die Klägerin der Sache nach durch Berechnung eines 20%igen Aufschlages letztlich doch einen Unfallersatztarif begehrt, steht ihr ein solcher nicht zu.

Es ist von ihr nicht konkret vorgetragen, weshalb und in welcher Weise der Geschädigte K. unfallbedingte Zusatzleistungen der Klägerin in Anspruch genommen hat.

Der Unfall ist am 04.05.2010, einem Dienstag, in Krefeld geschehen. Eine Anmietung erfolgte nicht am Unfalltag, sondern erst drei Wochen später. Daraus wird deutlich, dass der Geschädigte auf eine sofortige Anmietung eines Ersatzfahrzeuges zur Aufrechterhaltung seiner Mobilität nicht angewiesen war und sich auch nicht in einer besonderen Eil- oder Notsituation befunden hat. Auch der vorgelegte Reparaturablaufplan macht deutlich, dass der Geschädigte den Zeitpunkt der Reparatur und damit auch den Zeitpunkt der Anmietung eines Ersatzfahrzeuges geraume Zeit planen konnte. Dann war er aber auch in der Lage, andere und günstigere Anmietpreise in Erfahrung zu bringen. Dass der Geschädigte insoweit seiner Ermittlungsobliegenheit nachgekommen wäre, trägt die Klägerin nicht konkret vor.

Als Nebenkosten sind die erforderlichen Haftungsbefreiungskosten ebenso von der Beklagten zu ersetzen wie die Kosten für die Zustellung und Abholung des Mietfahrzeuges bei dem Autohaus K. Ebenfalls erstattungsfähig sind die erforderlichen Kosten für den Zweitfahrer. Unstreitig ist das verunfallte Fahrzeug das Fahrzeug des Zedenten gewesen, so dass ihm an diesem auch ein Nutzungsrecht zusteht. Ausweislich des Mietvertrages war es auch der Zedent selbst, der das Fahrzeug bei der Firma K. zur Reparatur gebracht und den Mietvertrag mit der Klägerin geschlossen hat. Daraus wird aber deutlich, dass auch der Zedent das unfallbeschädigte Fahrzeug bisweilen genutzt hat. Ebenso unstreitig war die Ehefrau des Zedenten Nutzerin des unfallbeschädigten Fahrzeuges. Entsprechend ist es nicht zu beanstanden, dass nach dem Mietvertrag sowohl der Zedent selbst als auch dessen Ehefrau als Mieter und Mitnutzer des Mietfahrzeuges aufgeführt sind.

Dagegen kann die Klägerin einen gesonderten Aufschlag für die Zurverfügungstellung eines Automatikfahrzeuges nicht beanspruchen. Abgesehen davon, dass die Kosten für die Vorhaltung unterschiedlicher Fahrzeuge schon in die allgemeine Kostenkalkulation des Mietwagenunternehmens einfließen werden und sich daher schon auf die Höhe des Mietwagentarifes auswirken, ist nicht ersichtlich, dass vorliegend die Anmietung eines Automatikfahrzeuges erforderlich war.

Nach den vorgenannten Ausführungen können die erforderlichen Mietwagenkosten auf der Grundlage des Schwacke-Mietpreisspiegel 2009 im Normaltarif nach dem Modus für ein Fahrzeug der Klasse 2 im Postleitzahlbereich 414 wie folgt errechnet werden:

Grundmietpreis brutto (3-Tages-Tarif)

€

222,17

Grundmietpreis brutto (1-Tages-Tarif)

€

75,70

abzügl. 5% ersparte Aufwendungen

€

14,89

Zwischensumme:

€

282,98

Haftungsbefreiungskosten

€

80,00

Zustellung/Abholung je € 23,--

€

46,00

Zuschlag Zweitfahrer lt. Schwacke-Nebenkostentabelle = 4 x € 12,00

€

48,00

erforderliche Mietwagenkosten:

€

456,98

Abzüglich der seitens der Beklagten vorprozessual gezahlten € 196,76 verbleibt ein Restanspruch der Klägerin in Höhe von € 260,22.

Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB auf diesen Betrag Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe seit dem 15.07.2010 beanspruchen. Ferner hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Freistellung von den Kosten der außergerichtlichen Tätigkeit ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von € 39,-- nebst den ausgeurteilten Zinsen. Dieser Betrag errechnet sich bei Ansatz einer 1,3-Geschäftsgebühr bei einem Gegenstandswert von € 260,22 zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Streitwert: € 403,16

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