VG Düsseldorf, Beschluss vom 19.09.2011 - 26 K 1653/11
Fundstelle
openJur 2012, 81953
  • Rkr:
Tenor

1. Der von der Klägerin beschrittene Rechtsweg ist zulässig.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

Gemäß § 173 S. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 3 S. 2 GVG hat das Gericht vorab über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges zu entscheiden, wenn eine Partei - wie hier die Beklagte - die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.

Die von der Beklagten hier beantragte Verweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht kommt vorliegend nicht in Betracht.

Nach Wortlaut und Sinn von § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG ist eine Verweisung an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d.h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist. Ob für das Klagebegehren eine Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf der Grundlage des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen. Dabei steht der Umstand, dass der Kläger sich auf eine materielle Anspruchsgrundlage beruft, für die der beschrittene Rechtsweg zulässig wäre, einer Verweisung dann nicht entgegen, wenn diese Anspruchsgrundlage aufgrund des vorgetragenen Sachverhalts so offensichtlich nicht gegeben sein kann, dass kein Bedürfnis dafür besteht, die Klage insoweit mit Rechtskraftwirkung abzuweisen.

BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1992 - 5 B 144/91 - NVwZ 1993, 358.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch aus dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ist als eine öffentlichrechtliche Streitigkeit (nichtverfassungsrechtlicher Art) im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu qualifizieren,

OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2009 - 8 E 1044/09 - Juris.

Die geltend gemachte Anspruchsgrundlage ist auch nicht offensichtlich ausgeschlossen.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Erteilung bestimmter Auskünfte, die von der Beklagten durch den angefochtenen Bescheid vom 10. Februar 2011 unter Bezugnahme auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW abgelehnt wurde. Mit ihrer Klage beruft sich die Klägerin auf § 4 Abs. 1 IFG NRW. Nach dieser Vorschrift hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Gesetzes gegenüber den in § 2 IFG NRW genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 IFG NRW gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Mithin findet das Gesetz grundsätzlich auch Anwendung auf die Tätigkeit der Beklagten als Körperschaft des Öffentlichen Rechts Anwendung.

Es liegt auch nicht ohne Weiteres auf der Hand, dass die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes durch die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW gesperrt wird. Nach dieser Vorschrift tritt das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Insoweit sind nur solche Vorschriften als vorrangig in Betracht zu ziehen, die denselben Sachverhalt abschließend - sei es identisch, sei es abweichend - regeln. Konkurrenzfragen sind in jedem konkreten Einzelfall durch eine systematische, an Sinn und Zweck des Gesetzes orientierte Auslegung der jeweiligen Informationszugangsrechte zu klären.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15.06.2011 - 8 A 1150/10 - Juris; Beschluss vom 26. September 2009 8 E 1044/09 - Juris; Urteil vom 9. November 2006 - 8 A 1679/04 - GewArch 2007, 213 ff.; Beschlüsse vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 - DÖV 2005, 832 = NJW 2005, 2028 = NWVBl. 2006, 296, sowie vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 - NVwZ-RR 2003, 800 = NWVBl. 2002, 441.

Dass die Akteneinsichtsrechte von Beteiligten im Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes bzw. des Landes (§ 29 VwVfG) und im sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren (§ 25 SGB X) keine besonderen, ein Akteneinsichtsrecht auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausschließenden Rechtsvorschriften im Sinne von § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW enthalten, hat das OVG NRW bereits entschieden. Im Unterschied zu dem Anspruch nach § 4 Abs. 1 IFG NRW, der allen natürlichen Personen unterschiedslos und ohne das Anknüpfen an bestimmte Bedingungen vom Grundsatz her einen allgemeinen Zugangsanspruch einräumt, gewähren die genannten Bestimmungen nämlich ein Akteneinsichtsrecht nur für bestimmte Personen (Beteiligte) und nur für bestimmte Situationen. Ihnen kommt auch keine abschließende Wirkung zu, da sich nicht feststellen lässt, dass ein über diesen Bereich hinausgehender umfassender Informationsanspruch dem Schutzzweck des § 29 VwVfG Bund/NRW bzw. des § 25 SGB X zuwider laufen würde.

OVG NRW, Beschluss vom 31. Januar 2005 - 21 E 1487/04 - DÖV 2005, 832.

Ob die Klägerin ihren Anspruch auch gestützt auf § 25 SGB X geltend machen könnte, ist ohne Belang. Bei sogenannten "gemischten Rechtsverhältnissen", bei denen ein prozessualer Anspruch auf mehrere materiellrechtliche Anspruchsgrundlagen gestützt werden kann, ist regelmäßig das zuerst angerufene Gericht zuständig. Dies liegt in der Konsequenz des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, demzufolge das Gericht des zulässigen Rechtsweges den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet. Angesichts dieses Wortlauts besteht keinerlei Notwendigkeit, nach einem ausschließlich oder vorrangig zulässigen Rechtsweg, etwa durch das - ohnehin recht unbestimmte - Kriterium des "Schwerpunkts des Rechtsstreits" zu suchen. Das Wahlrecht des Klägers wird lediglich dadurch eingeschränkt, dass sich der Rechtsweg nicht nach offensichtlich nicht einschlägigen Rechtsgrundlagen richtet.

OVG NRW, Beschluss vom 26.09.2009 - 8 E 1044/09 - Juris m.w.N..