AG Meinerzhagen, Urteil vom 17.08.2011 - 4 C 390/09
Fundstelle
openJur 2012, 81482
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die

Zwangsvollstreckung seitens des Beklagten durch Sicherheitsleistung in

Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden,

wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe

von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Mit der Klage werden Schadensersatzansprüche aus einem Ereignis vom 26.02.2009 auf dem Parkplatz der Firma L GmbH in der Straße I-Straße in ...1 L3 geltend gemacht.

Der Kläger ist Eigentümer des Pkw Audi A3 mit dem amtlichen Kennzeichen MK-D 1211. Er hatte sein Fahrzeug am Unfalltag ordnungsgemäß auf dem Parkplatz der Firma L GmbH abgestellt.

In der Nähe des Fahrzeugs spielte der damals 4-jährige Sohn des Beklagten, Daniel Caplenko, mit seinem Kinderroller. Als er mit seinem Roller rechts neben dem Fahrzeug des Klägers stand, beabsichtigte er, einen Ast vom Boden aufzuheben. Dabei bückte er sich und ließ den Roller los, der sodann mit dem Lenker gegen die rechte hintere Seite des Fahrzeugs des Klägers stieß. Der Beklagte, der dies mitbekommen hatte, schrie daraufhin seinen Sohn an, so dass dieser erschrak und den zwischenzeitlich aufgehobenen Roller erneut fallen ließ. Dieser fiel wiederum mit dem Lenker gegen die rechte hintere Beifahrerseite des Pkw des Klägers.

Der Kläger macht aufgrund dieses Ereignisses insgesamt Schadensersatzansprüche in Höhe von 1.421,24 EUR geltend.

Er behauptet, durch jeden der beiden Anstöße sei an seinem Fahrzeug jeweils eine Beule in der hinteren rechten Seitenwand seines Pkw entstanden. Relevante Vorschäden habe der Pkw an der hinteren rechten Seitenwand nicht gehabt. Der Beklagte habe zudem seine Aufsichtspflicht verletzt, weil er seinen damals erst 4-jährigen Sohn im Verkehrsraum mit seinem City-Roller herum fahren haben lasse ohne sich in unmittelbarer Nähe aufzuhalten.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.421,24 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2009 zu zahlen,

sowie

den Beklagten weiter zu verurteilen, an ihn 186,24 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, die von der Klägerseite geschilderten Schäden seien nicht auf das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen. Es handele sich vielmehr um Vorschäden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. Martin Kornau vom 30.06.2010 (Blatt 92 - 127 der Akten) sowie auf das Ergänzungsgutachten des Dipl.-Ing. L2 vom 29.04.2011 (Blatt 147 - 155 der Akten) Bezug genommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Ereignis vom 26.02.2009 gegen den Beklagten zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 832, 249 ff. BGB.

Es kann dahinstehen, ob der Beklagte hier seine Aufsichtspflicht gegenüber seinem damals 4-jährigen Sohn verletzt hat oder nicht. Denn der Kläger konnte jedenfalls nicht beweisen, dass die beiden Beulen an der hinteren rechten Seitenwand seines Fahrzeugs auf das Ereignis vom 26.02.2009 zurückzuführen sind.

Insofern hat der Sachverständige L2 in seinem Gutachten vom 30.06.2010 ausgeführt, dass die vordere der beiden Eindellungen in einer Höhe von 77 - 78 cm in der Seitenwand des klägerischen Fahrzeugs zweifelsfrei nicht durch den umfallenden Tretroller verursacht worden sein könne. Es liege eine leicht schräge Streifrichtung nach oben vor, die außerdem von hinten nach vorne zeige. Der Lenker des Tretrollers habe sich jedoch in einer bogenförmigen Abwärtsbewegung befunden müssen. Diese Eindellung stelle damit einen Altschaden dar, der eher durch die Kante einer sich öffnenden Tür eines anderen geparkten Fahrzeugs entstanden sei. Bei der hinteren Eindellung in etwa gleicher Höhe lasse es sich nicht ausschließen, dass diese durch den Anprall des Tretrollerlenkers entstanden ist. Hier ließen sich leicht bogenförmige feine Kratzer erkennen, so dass diese durch den Anprall des Tretrollerlenkers entstanden sein könnte. Zudem sei noch ein tiefgehender Steinschlagschaden bereits zum Zeitpunkt der Besichtigung durch den Sachverständigen Krämer vorhanden. Außerdem sei noch eine weitere Eindellung oberhalb der streitgegenständlichen Eindellungen in einer Höhe von etwa 83 - 84 cm vorhanden, wobei sich nicht feststellen lasse, ob es sich hierbei um einen Altschaden oder einen erst im Nachhinein entstandenen Schaden handele.

Darüber hinaus hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 29.04.2011 festgestellt, dass die eine Eindellung, die durch den Anstoß des Tretrollerlenkers entstanden sein könne, aus technischer Sicht nicht zu einer Schadensvertiefung bzw. Schadenserweiterung hinsichtlich der Altschäden geführt habe.

Diese Feststellungen des Sachverständigen sind glaubhaft und überzeugend. Der Sachverständige hat Versuche mit dem streitgegenständlichen Roller durchgeführt und u.a. hierauf seine Ergebnisse gestützt. Seine Ausführungen sind nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Sie werden auch von den Parteien nicht angegriffen. Das Gericht schließt sich daher vollumfänglich den Ausführungen des Sachverständigen L2 an.

Die Feststellungen des Sachverständigen L2 genügen jedoch nicht, um den Nachweis der Unfallbedingtheit der von der Klägerseite behaupteten Schäden zu führen.

Zwar verringert die Vorschrift des § 287 ZPO das Ausmaß der Darlegungslast des Geschädigten. Der Geschädigte muss nicht nachweisen, dass es ausgeschlossen ist, dass ein zu dem Schadensereignis kompatibler Schaden durch ein früheres Ereignis entstanden ist. Es genügt vielmehr, dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Schaden auf das streitgegenständliche Unfallereignis zurückzuführen ist (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2008, 295 f.).

Auch diesen erleichterten Beweis konnte der Kläger im vorliegenden Fall jedoch nicht führen. Der Sachverständige hat festgestellt, dass eine der streitgegenständlichen Dellen zweifelsfrei nicht durch den umfallenden Tretroller verursacht worden ist. Hinsichtlich der anderen Delle hat er lediglich ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese auf das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen ist. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit hierfür ist damit gerade nicht festgestellt worden. Vielmehr zeigt die Formulierung des Sachverständigen, dass die zweite streitgegenständliche Delle lediglich möglicherweise auf das Schadensereignis zurückzuführen ist.

Zudem hat der Kläger bestritten, dass an der hinteren rechten Seitenwand seines Fahrzeugs relevante Vorschäden vorhanden waren. Der Sachverständige hat jedoch ausgeführt, dass die zweite streitgegenständliche Delle in jedem Fall nicht auf das streitgegenständliche Ereignis zurückzuführen ist, und es sich damit um einen Vorschaden handelt. Auch aus diesem Grunde ist die Klage abzuweisen. Denn steht fest, dass nicht sämtliche Schäden, die das Unfallfahrzeug aufweist, auf das Unfallereignis zurückzuführen sind, und macht der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden keine Angaben bzw. bestreitet er das Vorliegen solcher Vorschäden, so ist ihm auch für diejenigen Schäden, die dem Unfallereignis zugeordnet werden könnten, kein Ersatz zu leisten; denn aufgrund des Vorschadens lässt sich nicht ausschließen, dass auch die kompatiblen Schäden durch das frühere Ereignis verursacht worden sind (OLG Köln NZV 1999, 378; Hanseatisches OLG Hamburg MDR 2001, 1111; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.06.2004, Aktenzeichen: 16 U 195/03 - zitiert nach Juris).

Mangels Bestehens eines Hauptanspruches waren auch die hiervon abhängigen Nebenansprüche abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 1.421,24 EUR festgesetzt.

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte