OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.07.2011 - VII-Verg 39/11
Fundstelle
openJur 2012, 81248
  • Rkr:
Tenor

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird folgende Frage zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gemäß Art. 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist unter einem “Öffentlichen Auftrag” im Sinne von Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134 S. 114) auch ein Vertrag zwischen zwei Gebietskörperschaften zu verstehen, durch den eine von ihnen der anderen eine eng begrenzte Zuständigkeit gegen Kostenerstattung überträgt, insbesondere dann, wenn die übertragene Aufgabe nicht die hoheitliche Tätigkeit als solche, sondern nur Hilfsgeschäfte betrifft?

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Der Kreis D..., der bisher mit der Antragstellerin Verträge über die Reinigung seiner Gebäude geschlossen hatte, entschloss sich nach Prüfung von Alternativen, die Reinigung zunächst für eine Pilotphase von zwei Jahren mit Wirkung zum 01. April 2011 im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Vereinbarung auf der Grundlage des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes Nordrhein-Westfalen (GkG NRW) auf die Stadt D... zu übertragen. Der Entwurf der öffentlichrechtlichen Vereinbarung sieht in § 1 vor:

Der Kreis D... überträgt die ihm obliegende Aufgabe der Reinigung seiner im Stadtgebiet D... gelegenen und in seinem Besitz befindlichen Gebäude mit befreiender Wirkung auf die Stadt D...

Die Aufgabe der Reinigung umfasst die Gebäude- und Glasreinigung in Büro-, Verwaltungs- und Schulgebäuden des Kreises D...

Die unter Abs. 1 und 2 beschriebene Aufgabe übernimmt die Stadt D... in ihre alleinige Zuständigkeit. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung dieser Aufgabe gehen auf die Stadt D... über (§ 23 Abs. 1, erste Alt., Abs. 2 S. 1 GkG NRW). Die Stadt D... übernimmt die Pflichten des Kreises und ist insoweit allein verantwortlich.

Die Stadt D... darf sich zur Erfüllung der ihr nach Abs. 1 übertragenen Aufgaben Dritter bedienen.

Entsprechend § 23 Abs. 4 GkG NRW soll der Kreis D... an die Stadt D... eine bestimmte Kostenerstattung (§ 4 Nr. 1 der Vereinbarung) zahlen, wobei nach § 4 Abs. 2 vereinbarte Mehr- und Minderleistungen entsprechend dem zu Grunde liegenden Stundenverrechnungssatz zu- bzw. abgerechnet werden. Die Reinigungsleistungen sollen letztlich durch die D...er Reinigungsgesellschaft mbH, eine Tochtergesellschaft der Stadt D..., erbracht werden.

Die Antragstellerin hat einen Nachprüfungsantrag eingereicht, weil die Antragsgegnerin die Vereinbarung ohne ordnungsgemäßes und ihrer Ansicht nach notwendiges Vergabeverfahren schließen wolle.

Die Verfahrensbeteiligten streiten darum, ob es sich bei der geplanten Vereinbarung um einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 GWB oder um eine Fallkonstellation der interkommunalen Zusammenarbeit handelt, die dem Vergaberecht entzogen ist.

Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, es handele sich um eine sogenannte delegierende Vereinbarung, durch die die Zuständigkeit für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe von einem Hoheitsträger auf einen anderen Hoheitsträger übertragen werde. Eine solche Vereinbarung unterliege nicht dem Vergaberecht.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie macht weiterhin geltend, es handele sich um einen öffentlichen Auftrag im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG, § 99 Abs. 1 GWB. Der Antragsgegner habe die Beigeladene mit der Reinigung seiner Gebäude gegen Entgelt beauftragt. Dabei handele es sich um eine marktgängige Leistung, die auch von Privaten erbracht werden könne. Die Beigeladene sei wie ein Unternehmen als Anbieterin von Reinigungsdienstleistungen aufgetreten. Die Voraussetzungen einer In-House-Vergabe lägen ersichtlich nicht vor. Die Entscheidung des EuGH vom 09. Juni 2009 (C-480/06) sei nicht einschlägig, weil der Antragsgegner mit der Beigeladenen keine - horizontale - Zusammenarbeit vereinbaren, sondern schlicht diese vertikal" mit den Reinigungsdienstleistungen gegen Entgelt beauftragen wolle. Das dies auf öffentlichrechtlicher Grundlage geschehen solle, sei unerheblich. Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 13. April 2011 (VK VOL 5/11) aufzuheben,

den Antragsgegner zu verpflichten, die auf seinem Gebiet anfallenden Leistungen der Gebäudereinigung im Wettbewerb im Wege eines transparenten Verfahrens zu vergeben, wenn er die Leistung nicht selbst erbringen will,

hilfsweise, festzustellen, dass die zwischen dem Antragsgegner und der Stadt D... beabsichtigte Zweckvereinbarung über die Übertragung der Gebäudereinigung unwirksam ist.

Der Antragsgegner beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, es handele sich um eine öffentlichrechtliche Aufgabenübertragung zwischen ihm und der Beigeladenen, die als Entscheidung über die innerstaatliche Organisation nicht dem Vergaberecht unterliege.

Die Beigeladene beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Auffassung des Antragsgegners an.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Akte der Vergabekammer und der Vergabestelle verwiesen.

II.

Die Entscheidung des Senats hängt von der Auslegung des Rechts der Europäischen Union ab, welches in diesem Punkt weder klar noch durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union abschließend geklärt ist. Der Senat hält daher die Vorlage einer bestimmten Frage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV für notwendig.

1.

Die Entscheidung des Senats hängt allein von der Frage ab, ob es sich um Hinblick auf den Charakter der öffentlichrechtlichen Vereinbarung um einen "öffentlichen Auftrag" im Sinne des Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG handelt oder nicht.

a) Sollte es sich um einen "öffentlichen Auftrag" handeln, wäre der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig und begründet. Die übrigen Voraussetzungen für eine Anwendung der Richtlinie 2004/18/EG liegen unstreitig vor. Bei dem Antragsgegner handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit nach Art. 1 Abs. 2 lit. a) UA 1 der Richtlinie um einen öffentlichen Auftraggeber. Die Beigeladene ist nach Art. 1 Abs. 8 als juristische Person bzw. öffentliche Einrichtung als "Wirtschaftsteilnehmer" anzusehen (s. auch EuGH, Urteil vom 23.12.2009 - C-305/08). Der Auftrag betrifft eine Dienstleistung. Da es sich nach Art. 22 i.V.m. Anhang II Teil A Nr. 14 der Richtlinie um eine prioritäre Dienstleistung handelt, hätte der Vergabe eine öffentliche Bekanntmachung vorangehen müssen, auf Grund deren die Antragstellerin ihr Interesse hätte anmelden können. Nach der nationalrechtlichen Umsetzungsregelung der § 101 Abs. 1 GWB, § 4 Abs. 1 VgV, § 3 Abs. 1 S. 1 EG VOL/A hätte die Vergabe nur im offenen Verfahren, das heißt, nach Bekanntmachung und Versendung der Vergabeunterlagen an die Bieter sowie Prüfung und Wertung sämtlicher eingegangener Angebote erfolgen können. Ein solches wettbewerbliches Vergabeverfahren ist nicht durchgeführt worden, vielmehr hat der Antragsgegner die Beigeladene ohne Beteiligung anderer Unternehmen unmittelbar beauftragt.

b) Stellte dies keinen öffentlichen Auftrag dar, wäre der Nachprüfungsantrag - wie bereits die Vergabekammer angenommen hat - unzulässig. Die weitere Rechtsfrage, ob es sich bei den Reinigungsdienstleistungen nach nationalem Recht überhaupt um übertragungsfähige "Aufgaben" im Sinne der §§ 1, 23 GkG NRW handelt oder ob einer derartigen Auslegung entgegen steht, dass es sich eine bloße Hilfstätigkeit zur Erbringung von Aufgaben (hier: Verwaltung, Betrieb von Schulen) handelt und welche Rolle dabei die Änderungen durch das Gesetz zur Revitalisierung des Gemeindewirtschaftsgesetzes vom 21. Dezember 2010 (GVBl. NRW S. 688) spielen, wäre unerheblich, da bei einer Verneinung der mit diesem Beschluss vorgelegten Frage der Rechtsweg zu den Vergabenachprüfungsstellen (Vergabekammer und Vergabesenat) nicht gegeben wäre.

2.

Die Frage, ob und unter welchen Umständen sogenannte delegierende Vereinbarungen zwischen Hoheitsträgern als "öffentlicher Auftrag" der Richtlinie 2004/18/EG dem Vergaberecht unterliegen, ist bisher nicht geklärt.

a) Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG definiert öffentliche Aufträge als

zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die … Erbringung von Dienstleistungen.

Das nationale Recht definiert in § 99 Abs. 1 GWB öffentliche Aufträge als

entgeltliche Verträge von öffentlichen Auftraggebern mit Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die … Dienstleistungen zum Gegenstand haben, ….

b) Die Rechtsprechung des Gerichtshofs hat bereits frühzeitig (vgl. Urteil vom 09.06.2009 - C-480/06 Rdnr. 34 m.w.N.) bestimmte Verträge nicht als öffentliche Aufträge im Sinne der Vergaberichtlinien angesehen, nämlich dann, "wenn die öffentliche Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eignen Dienststellen, vorausgesetzt, dass diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit ihr oder mit anderen Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben." Der Gerichtshof hat der Auftragsdurchführung mit eigenen Kräften durch den öffentlichen Auftraggeber (In-House-Vergabe im engeren Sinne) aus funktionalen Gründen die In-House-Vergabe im weiteren Sinne gleichgestellt, bei der der öffentliche Auftrag zwar einer anderen rechtsfähigen Person erteilt, diese aber funktional als eigene Dienststelle anzusehen ist (vgl. Lord Hope, in UK Supreme Court, Urteil vom 09.02.211 - [2011] UKSC 7 - Brent London Borough Council and others (Harrow London Borough Council v. Risk Mangement Partners Limited, Rdnr. 13; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.02.2007 - X ZB 4/10 - Rdnr. 17, VergabeR 2011, 452).

Die Voraussetzungen einer sogenannten In-House-Vergabe im weiteren Sinne liegen hier unstreitig nicht vor. Der Kreis D... übt über die Stadt D... keine ähnliche Kontrolle aus wie über eine eigene Dienststelle. Das gilt im Übrigen auch im Verhältnis des Antragsgegners zur D...er Reinigungsgesellschaft mbH.

c) Der Gerichtshof (Urteil vom 09.06.2009 - C-480/06 Rdnrn. 37 ff.) hat des Weiteren angenommen, es stelle keinen gemäß der Richtlinie 2004/18/EG vergaberechtspflichtigen öffentlichen Auftrag dar, wenn Kommunen für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgabe vertraglich zusammenarbeiten (so auch bereits Senat, Beschluss vom 21.06.2006 - VII-Verg 17/06, VergabeR 2006, 777).

Die Voraussetzungen dieser Entscheidung liegen gleichfalls nicht vor. Der Antragsgegner und die Beigeladene arbeiten nicht - horizontal - zur gemeinsamen Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe zusammen. Von der Vorschrift des § 23 Abs. 3 GkG NRW (abgedruckt unter e)) wollen der Antragsgegner und die Beigeladene keinen Gebrauch machen. Vielmehr möchte der Antragsgegner die Beigeladene schlicht mit der Durchführung von Reinigungsarbeiten beauftragen, wobei sich die Mitwirkung des Antragsgegners in den für Reinigungsarbeiten üblichen Obliegenheiten und Pflichten (Zugänglichmachen der Räume zu den vereinbarten Zeiten) beschränkt. Für derartige - vertikale - Vereinbarungen ist die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht einschlägig (vgl. Portz, VergabeR 2009, 702,708, 709; Pielow, EuZW 2009, 529; s. auch Struve EuZW 2009, 805).

d) Gegenstand der Beauftragung ist auch nicht die Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 51 Abs. 1, Art. 62 AEUV (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 29.04.2010 - C 160/08 - Rdnrn. 73 ff. zu Rettungsdienstleistungen). Reinigungsdienstleistungen haben ersichtlich die Ausübung öffentlicher Gewalt nicht zum Gegenstand. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Antragsgegner bis 2011 private Unternehmen mit der Reinigung beauftragt hat und die Reinigung öffentlicher Gebäude sich vom Gegenstand und der Abwicklung her nicht von der Reinigung privater Gebäude unterscheidet.

e) Des Weiteren wird erörtert, ob nicht Vereinbarungen über eine interkommunale Zusammenarbeit als "innerstaatlicher Verwaltungsorganisationsakt" generell dem Vergaberecht entzogen sind (vgl. Burgi, NZBau 2005, 208; Ziekow/Siegel, VerwArch 2005, 126; Portz, VergabeR 2009, 702, 705; dagegen Pielow, EuZW 2009, 531 Dies wird damit begründet, dass die Organisation der Verwaltung der Mitgliedstaaten nicht Sache der Europäischen Union ist. Des Weiteren wird darauf verwiesen, dass die Selbstverwaltung der Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 GG und damit auch die freiwillige Zusammenarbeit mehrerer Gemeinden gewährleistet ist.

Rechtsgrundlage der öffentlichrechtlichen Vereinbarung des Antragsgegners mit der Beigeladenen ist § 23 GkG NRW. Dieser lautet wie folgt:

Gemeinden und Gemeindeverbände können vereinbaren, dass einer der Beteiligten einzelne Aufgaben der übrigen Beteiligten in seine Zuständigkeit übernimmt oder sich verpflichtet, solche Aufgaben für die übrigen Beteiligten durchzuführen.

Übernimmt ein Beteiligter eine Aufgabe der Übrigen in seine Zuständigkeit, so gehen das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgabe auf ihn über. Verpflichtet sich einer der Beteiligten, eine Aufgabe für die Übrigen durchzuführen, so bleiben deren Rechte und Pflichten als Träger der Aufgabe unberührt.

In der Vereinbarung kann den übrigen Beteiligten ein Mitwirkungsrecht bei der Erfüllung oder Durchführung der Aufgaben eingeräumt werden; das gilt auch für die Bestellung von Dienstkräften.

In der Vereinbarung soll eine angemessene Entschädigung vorgesehen werden, die in der Regel so zu bemessen ist, dass durch die Übernahme oder Durchführung entstehenden Kosten gedeckt werden.

Ist die Geltungsdauer der Vereinbarung nicht befristet oder beträgt die Frist mehr als 20 Jahre, so muss die Vereinbarung bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form sie von einem Beteiligten gekündigt werden kann.

Das Gesetz unterscheidet damit zwischen sogenannten mandatierenden Vereinbarungen (Verpflichtung eines Beteiligten, einzelne Aufgaben für die übrigen Beteiligten durchzuführen, § 23 Abs. 1, 2. Alt., Abs. 2 S. 2 GkG NRW) und sogenannten delegierenden Vereinbarungen (Übernahme einzelner Aufgaben der übrigen Beteiligten durch einen Beteiligten mit der Folge des Zuständigkeitswechsels, § 23 Abs. 1, 1. Alt., Abs. 2 S. 1 GkG NRW).

Nach der früheren Rechtsprechung (Senat, Beschluss vom 05.05.2004 - VII-Verg 78/02, VergabeR 2004, 619; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.09.2004 - 11 Verg 11/04, NZBau 2004, 692) unterfielen sogenannte mandatierende Vereinbarungen dem Vergaberecht, wenn und weil sie vielfach den Charakter einer entgeltlichen Beauftragung annehmen. Nach der Auffassung des OLG Naumburg (Beschlüsse vom 03.11.2005 - 1 Verg 9/05, NZBau 2006, 58 = VergabeR 2006, 88 und vom 02.03.2006 - 1 Verg 1/06, VergabeR 2006, 406) soll dies auch für delegierende Vereinbarungen gelten.

Auf Grund des Urteils des Gerichtshofs vom 09.06.2009 (C-480/06) wird diskutiert, ob und inwieweit weitere Vereinbarungen zwischen Gemeinden vergaberechtsfrei sind. Insbesondere wird erörtert, ob nicht nur Vereinbarungen, die die öffentlichen Aufgaben als solche betreffen (im Fall der Entscheidung vom 09.06.2009: Abfallbeseitigung), sondern die Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur mittelbar betreffen, vergaberechtsfrei sein könnten (Ganske, in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 3. Aufl., § 99 Rdnr. 46).

Struve (EuZW 2009, 805, 807) hält es nicht für ausgeschlossen, dass auch Vereinbarungen über Hilfsdienstleistungen (sie spricht konkret IT-Dienstleistungen an) vergaberechtsfrei sein könnten (zurückhaltend Portz, VergabeR 2009, 702, 709: Stromlieferungen für den Bedarf eines Verwaltungsgebäudes). Im Urteil des Gerichtshofs vom 15.10.2009 (C-275/08, VergabeR 2010, 57) über die Lieferung einer Software durch die Kommunale Datenverarbeitung in Bayern an die Datenzentrale Baden-Württemberg wird das Problem einer Vergaberechtsfreiheit von Verträgen zwischen verschiedenen Hoheitsträgern nicht aufgegriffen.

Der Senat hält es für zweifelhaft, ob Lieferbeziehungen zwischen verschiedenen Hoheitsträgern allein deshalb nicht der Richtlinie 2004/18/EG unterliegen, weil sie Hilfsgeschäfte zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffen und/oder weil das nationale Recht dafür besondere Rechtsvorschriften bereitstellt. Die vorliegende Fallkonstellation einer kommunalen Zusammenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie wirtschaftlich praktisch identisch ist mit einer der Richtlinie 2004/18/EG unterliegenden Beauftragung der Beigeladenen mit Reinigungsdienstleistungen gegen Entgelt. Ob vor diesem Hintergrund entscheidend ist, dass die Aufgabe auf die Stadt D... delegiert (§ 23 Abs. 1, 1. Alt., Abs. 2 S. 1 GkG NRW) und sie mit ihr nicht nur mandatiert (§ 23 Abs. 1, 2. Alt., Abs. 2 S. 2 GkG NRW) wird, ist zweifelhaft. Diese Unterscheidung spielt - anders als bei Vereinbarungen, die unmittelbar die Tätigkeit der Kommunen nach außen hin betreffen - bei bloßen Hilfsgeschäften keine Rolle. Dass mit Hilfe der Vereinbarung eine Zuständigkeitsverschiebung erfolgt, ist damit rein formal. Da die gewählte Art der Auftragserfüllung wirtschaftlich gleiche Folgen zeitigt, spricht nach Auffassung des Senates vieles dafür, die von dem Antragsgegner und der Beigeladenen tatsächlich gewählte Form als bloße Gestaltung anzusehen, "mit der das Vergaberecht umgangen werden sollte" (vgl. EuGH, Urteil vom 09.06.2009 - C-480/06 Rdnr. 48).

Dicks Schüttpelz Frister

Zusatz: Aktenzeichen des EuGH: C-386/11

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