AG Bergisch Gladbach, Urteil vom 28.07.2011 - 60 C 182/11
Fundstelle
openJur 2012, 80992
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 569,06 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.11.2011 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Tatbestand ist gemäß § 313 a ZPO entbehrlich.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 569,06 € aus dem Vertag vom 17.11.2010.

Der Vertrag ist nicht gemäߧ 142 Abs. 1 BGB von Anfang an nichtig. Die Beklagte hat nicht wirksam die Anfechtung des Vertrages erklärt.

Ein Anfechtungsgrund gemäß § 123 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Klägerin hat die Beklagte nicht arglistig über die Kostenpflicht und die Vertragslaufzeit bei Abschluss des Vertrages getäuscht.

§ 123 BGB erlaubt die Anfechtung einer Willenserklärung, wenn der Betreffende zu deren Abgabe durch arglistige Täuschung bestimmt worden ist. Das setzt voraus, dass er sich bei Abgabe seiner Willenserklärung über einen Umstand geirrt hat, weil ein anderer eine Täuschungshandlung begangen hat, sowie dass der Irrtum den Entschluss zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst hat, wobei es ausreicht, wenn die Täuschungshandlung eine von mehreren Ursachen ist und die Entschließung lediglich beeinflusst hat (BGH NJW-RR 2005, 1082 m.w.N.) Die Täuschungshandlung kann in Angaben bestehen, die Tatsachen vorspiegeln, entstellen oder bei Bestehen einer Aufklärungspflicht verschweigen. Sofern sie nur geeignet ist, den entstandenen Irrtum hervorzurufen und hierdurch den Entschluss zur Abgabe der Willenserklärung zu beeinflussen, kommt als Täuschungshandlung aber auch jede andere Handlung in Betracht, wenn der Handelnde sich der Eignung bewusst ist (BGH, VersR 1985, 156) oder jedenfalls mit der Möglichkeit rechnet, der Gegner werde bei Kenntnis die Willenserklärung nicht oder nicht mit dem gewünschten Inhalt abgeben (BH NJW 2005, 1082 m.w.N.), und er gleichwohl die Handlung mit dem Willen vornimmt, den Irrtum hervorzurufen und den Gegner zur Abgabe der Willenserklärung zu veranlassen. Denn dann ist der bereits bei bedingtem Vorsatz gegebene Täuschungswille vorhanden, der die Arglist i.S. des § 123 BGB kennzeichnet (BGH NJW 2005, 1082 m.w.N.). Enthält das Schreiben objektiv falsche Angaben, wird insoweit bereit hieraus auf den erforderlichen subjektiven Tatbestand geschlossen werden können. Der Schluss auf den erforderlichen subjektiven Täuschungswillen wird dann möglich sein, wenn erkennbar für den Adressaten wichtige Umstände verschwiegen sind, obwohl eine Offenbarungspflicht besteht (BGH NJW 2005, 1082 m.w.N.). Die wesentlichen Vertragsmerkmale lassen sich aus dem Anschreiben b.z.w. aus den einbezogenen AGB entnehmen. Der monatliche Preis von 39,85 € ergibt sich aus dem Anschreiben und die Vertragslaufzeit ist aus den AGB zu entnehmen. Vor diesem Hintergrund kann somit nicht auf einen Täuschungswillen der Klägerin geschlossen werden.

Damit rückt die Frage in den Blickpunkt, ob aus der Art und Weise, wie die Vertragslaufzeit und das zu zahlenden Entgelt in dem Anschreiben dargestellt sind, auf den erforderlichen Täuschungswillen der Klägerin geschlossen werden kann. Ein Täuschungswille kann nicht schon deshalb ohne weiteres angenommen werden, weil die Darstellung zur Irreführung geeignet ist. So kann eine irreführende Darstellung beispielsweise auch auf einem bloß ungeschickten Vorgehen bei der Formulierung beruhen, das allein nicht Ausdruck einer arglistigen Täuschung ist (BGH NJW 2005, 1082 m.w.N.). Bei lediglich irreführender Darstellung wird es deshalb vor allem darauf ankommen, wie stark die maßgeblichen Punkte verzerrt oder entstellt wiedergegeben sind und ob vom Absender wegen des Grads der Verzerrung oder Entstellung hätte erwartet werden können, dass Adressaten die wahren Umstände nicht richtig oder nicht vollständig erkennen können. Bejahendenfalls wird eher darauf geschlossen werden können, dass das Schreiben tatsächlich in der Erwartung, dass die Adressaten sich irren, und in dem Bewusstsein und mit dem Willen zu täuschen, abgesandt wurde, als wenn das Schreiben nur eine geringe Irreführungsgefahr in sich birgt. Die Beurteilung ist der tatrichterlichen Würdigung überlassen. Eine Irreführungsabsicht der Klägerin ist nach Ansicht des Gerichts nicht zu bejahen, weil das Anschreiben der Klägerin den kaufmännischen Bereich betrifft, der beinhaltet, dass sich die Beklagte vor rechtsverbindlicher Unterzeichnung eines Schriftstückes erschöpfend - auch was das Kleingedruckte anbelangt - vergewissert, welche Wirkung hierdurch hervorgerufen wird.

Ein Anfechtungsgrund nach § 119 Abs. 1 BGB liegt ebenfalls nicht vor. Denn zur Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB rechtfertigt nur die unbewusste Unkenntnis. Wird eine Urkunde ungelesen unterzeichnet, hat der Unterzeichnende kein Anfechtungsrecht (vgl. Palandt, BGB, 69. Auflage, § 119 Rn. 9 m.w.N.). Dies gilt auch, wenn der Erklärende sich mit dem Inhalt eines Angebotes nicht hinreichend vertraut gemacht hat (OLG Hamm, Urteil vom 08.05.2008, 28 U 1/08).

Der Vertrag ist auch nicht nichtig gemäß § 138 Abs. 1 BGB. Der Vertrag ist nicht sittenwidrig. Insbesondere ergibt sich die Sittenwidrigkeit, anders als von der Beklagtenseite ausgeführt, nicht aus der der Klägerseite vorgeworfenen Täuschung. Wegen der vorstehenden Ausführungen kann gerade nicht von einer Täuschungshandlung der Klägerin ausgegangen werden.

Der Vertrag ist nicht nichtig gemäß § 138 Abs. 2 BGB. Selbst wenn Leistung und Gegenleistung in einem Missverhältnis stehen, kann § 138 Abs. 2 BGB nicht bejaht werden, da die Beklagte als Kaufmann nicht geschäftlich unerfahren ist. Eine Zwangslage ist ebenfalls nicht erkennbar.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus Verzug.

Die Kostenentscheidung und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Der Streitwert wird auf bis zu 600,00 EUR festgesetzt.