OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2011 - 4 UF 200/10
Fundstelle
openJur 2012, 80953
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 10.09.2010 - 13 F 141/10 - wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Gründe

Die an sich statthafte - insbesondere frist- und formgerecht eingelegte - Beschwerde des Antragsgegners (§§ 117 Abs. 1 und 2, 58, 59, 61, 63, 64 FamFG) hat in der Sache keinen Erfolg. Gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG war die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung als unbegründet zurückzuweisen, da von einer erneuten mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Hierauf sind die Verfahrensbeteiligten gemäß Beschluss des Senates vom 11. Februar 2011 - 4 UF 200/10 - (Blatt 389 bis 394 GA) gemäß § 117 Abs. 3 FamFG hingewiesen worden. Auch das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers in seinen Schriftsätzen vom 15.02.2011 und 20.03.2011 (Blatt 411 bis 413 GA mit Anlagen, Blatt 414, 415 GA) sowie in seinem weiteren Schriftsatz vom 26.05.2011 (Blatt 433 bis 435 GA) geben dem Senat keine Veranlassung zu einer anderen rechtlichen Beurteilung. Insoweit verweist der Senat zunächst auf seinen vorgenannten Hinweisbeschluss. Es bleibt dabei, dass das Familiengericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der darlegungs- und beweisführungspflichtige Antragsgegner nicht den Beweis führen konnte, dass dem von ihm ausgestellten Schuldschein keine Darlehensverbindlichkeit - wie von der Antragstellerin vorgetragen - dieser gegenüber zu Grunde lag. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zur rechtlichen Bewertung dieses Schuldscheins und zur Beweissituation verweist der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf seine Argumentation in dem vorgenannten Hinweisbeschluss.

Soweit der Antragsgegner nunmehr erstmalig im Beschwerdeverfahren die Kopien zweier Urkunden zu den Akten reicht, aus denen sich ergeben soll, dass zum Einen eine Darlehensverbindlichkeit nicht bestanden habe und zum Anderen die Drittwiderantragsgegnerin jedenfalls auf die Durchsetzung ihrer Forderung aus dem Schuldschein verzichtet habe, kann hierauf die Beschwerde nicht gestützt werden. Das Vorbringen des Antragsgegners ist insoweit gemäß §§ 115, 117 FamFG als verspätet zurückzuweisen. In Familienstreitsachen können nach § 115 FamFG Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nicht rechtzeitig vorgebracht werden, zurückgewiesen werden, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Verfahrens verzögern würde und die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht. Diese Voraussetzungen sind gegeben.

Zwar ist dem Antragsgegner zuzugestehen, dass nach dem neuen Verfahrensrecht gemäß § 65 Abs. 3 FamFG, der auch für sonstige Familienstreitsachen gilt, auch im Beschwerdeverfahren noch neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden können. Diese Möglichkeit des neuen Sachvortrages findet aber seine Grenzen in den Schranken des § 115 FamFG. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen §§ 615, 621b ZPO. Danach sind die Verspätungsregeln in Ehesachen und Familienstreitsachen - auch in den sonstigen Familienstreitsachen nach § 112 Nr. 3 FamFG wie vorliegend - weniger streng als in den übrigen Zivilstreitigkeiten nach der ZPO (vgl. § 296 ZPO). Gleichwohl kann das Berufungsgericht in den Grenzen des § 115 FamFG nicht rechtzeitig vorgebrachten Sachvortrag zurückweisen. Unter dem Begriff der Angriffs- und Verteidigungsmittel fällt alles, was der Durchsetzung und der Abwehr des in der Familiensache erhobenen Begehrens dient. Hierzu gehören Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Beweismittel und Beweiseinreden (vgl. § 282 Abs. 1 ZPO). Nicht rechtzeitig vorgebracht sind solche Angriffs- und Verteidigungsmittel, wenn sie später vorgebracht werden, als es bei sorgfältiger und auf Förderung des Verfahrens bedachter Prozessführung notwendig gewesen wäre. Wie zeitig vorgetragen werden muss, ist in entsprechender Anwendung dem § 282 ZPO, der gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG auch für die sonstigen Familienstreitsachen gilt, zu entnehmen.

Dass aus objektiver Sicht der neue Sachvortrag, die Drittwiderantragsgegnerin habe auf ihre Forderung verzichtet, nicht rechtzeitig ist, liegt der auf der Hand. Die von dem Antragsgegner in Kopie vorgelegte Urkunde, deren Echtheit die Antragstellerin bestreitet, datiert aus Dezember 2006. Das vorliegende Verfahren ist von der Antragstellerin im Oktober 2009 anhängig gemacht worden. Davor schwebten zwischen dem Antragsgegner und seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau, die ihren Anspruch an die Antragstellerin abgetreten hat, schon mehrere Familienstreitsachen. Die Scheidungsverbundsache ist noch rechtshängig. In keinem dieser Verfahren wurde bisher die angebliche Vereinbarung zwischen den getrennt lebenden Eheleuten vom 20.12.2006 (vgl. Blatt 408 GA) vorgetragen, wonach die Ehefrau des Antragsgegners und der Antragsgegner wechselseitig auf finanzielle Ansprüche aller Art gegeneinander verzichtet haben sollen. Die Urkunde, die nach dem Vortrag des Antragsgegners diese Vereinbarung bestätigten soll und deren Echtheit von der Antragstellerin bestritten wird, ist erstmals mit Schriftsatz vom 24.03.2011 nach dem Hinweis des Senates vom 11. Februar 2011 vorgetragen worden. In der Beschwerdebegründung wird sie ebenfalls nicht erwähnt. Seit Anhängigmachen des Prozesses sind damit eine Instanz und 1 ½ Jahre verstrichen.

Zur Überzeugung des Senates beruht die Verspätung auch auf grober Nachlässigkeit. Soweit der Antragsgegner den Umstand der Verspätung damit zu entschuldigen versucht, dass er unter einer posttraumatischen teilweisen Amnesie, also einer aktuellen Gedächtnisschwäche leide und ihm die Vereinbarung vom 20.12.2006 nicht mehr erinnerlich gewesen sei, kann ihn das nicht entlasten. Auch der Gesundheitszustand ist seitens der Antragstellerin bestritten. Der Vortrag des Antragsgegners ist zudem so pauschal und nicht unter Beweis gestellt, dass zur Überzeugung des Senates diese vom Antragsgegner zu beweisende Behauptung als nicht erheblich dargelegt, geschweige denn unter Beweis gestellt angesehen werden kann. Am Rande sei erwähnt, dass insoweit auch eine Glaubhaftmachung nicht ausreichen würde. Vielmehr ist der volle Beweis für die unverschuldete Verspätung zu erbringen.

Auch hier weist der Senat darauf hin, dass in der Vielzahl der Rechtsstreitigkeiten zu keinem Zeitpunkt von einem solchen krankhaften Zustand des Antragsgegners berichtet worden ist.

Insoweit erscheint auch die Prozessführung des Antragsgegners in zweifacher Hinsicht grob nachlässig. Zum Einen wird zum Krankheitszustand nur ganz pauschal und zudem ohne bzw. mit ungeeigneten Beweisangeboten vorgetragen. Auch insoweit würde es weiterer Hinweise des Senates bedürfen, um hier möglicherweise weitere Sachaufklärung betreiben zu können. Damit tritt eine weitere Verzögerung, die der Antragsgegner zu vertreten hat, ein. Dies gilt umso mehr, als zur Echtheit der Urkunden Beweis erhoben werden müsste.

Die Verspätung ist auch grob nachlässig. Sie beruht nicht auf leichter Fahrlässigkeit oder ist gar unverschuldet. Die Verspätung besteht objektiv und indiziert ein Verschulden. Im Rahmen der Feststellung grober Nachlässigkeit stellt das Gesetz darauf ab, ob das prozessförderungswidrige Verhalten des Beteiligten durch besondere Sorglosigkeit zurückzuführen ist. Dies kann daran liegen, dass der Verfahrensbeteiligte es unterlässt, seinen Prozessbevollmächtigten zu informieren oder dieser es unterlässt, seinen Mandanten zu befragen. Da der Antragsgegner bisher nicht erheblich vorgetragen hat, dass er krankheitsbedingt an dem Vorbringen seiner Verteidigungsmittel gehindert war, kann das lange Abwarten mit der Geltendmachung des Verteidigungsmittels aus möglicherweise taktischen Gründen nur als grob nachlässig bezeichnet werden.

Diese grob nachlässige Prozessführung würde auch zu einer Verzögerung des Rechtsstreites führen. Die Echtheit beider vorgelegten Urkunden ist bestritten. Es bedürfte insoweit nunmehr einer weiteren Beweisaufnahme, um zunächst die Echtheit der vorgelegten Urkunden zu überprüfen. Dagegen ist die Sache ansonsten - worauf der Senat hingewiesen hat - derzeit entscheidungsreif. Allein daraus folgt die Verzögerung der Sache.

Daneben erscheint es auch fraglich, ob bei unterstellter Echtheit der vorgelegten Urkunde die hier streitige Darlehensforderung überhaupt von den wechselseitigen Verzichtserklärungen der Parteien umfasst wäre. Insoweit wird der Antragsgegner darauf hingewiesen, dass nach dem eigenen Vortrag, beide Parteien hätten bis zum Dezember 2006 die hier streitgegenständliche Darlehensforderung zu keiner Zeit erwähnt und nach dem eigenen Vortrag des Antragsgegners hätte dieser auch gar nicht bei der Abgabe der Verzichtserklärungen an eine solche Darlehensforderung (mehr) gedacht. Von daher erscheint es schon äußerst fraglich, dass es bei unterstellter Abgabe der Verzichtserklärungen entsprechend der Urkunde vom 20.12.2006 um diese durch den Schuldschein belegte Darlehensforderung ging.

Hierauf kommt es aber letztlich nicht an, da der Antragsgegner mit seinem Verteidigungsvorbringen aus verfahrensrechtlichen Gründen ausgeschlossen ist.

Auch der Vortrag des Antragsgegners zur Erklärung seiner Ehefrau vom 18.01.1984 gegenüber der Deutschen Apotheker- und Ärztebank ist verspätet. Darüber hinaus würde diese Erklärung auch nicht den zwingenden Schluss zulassen, dass der Schuldschein nur "pro forma" ausgestellt war. Es kann mannigfaltige Gründe geben, warum die Antragstellerin, die Echtheit der Erklärung wiederum unterstellt, gegenüber der Bank diese Erklärung abgegeben hat. So ging es schließlich um die Kreditwürdigkeit der Eheleute.

Wie der Senat bereits in seinem Hinweisbeschluss deutlich gemacht hat, ist der Anspruch der Antragstellerin nicht verwirkt. Insoweit kann auf den Hinweisbeschluss verwiesen werden. Auch der geltend gemachte Zinsanspruch besteht. Der Senat legt die Zinsvereinbarung in dem Schuldschein dahin aus, dass hier keine Zinseszinsen, sondern nur die Zinsen auf die Hauptsumme geschuldet sein sollten. Entsprechend hat die Ehefrau auch vorgerichtlich ihren Zinsanspruch berechnet und geltend gemacht. Mit ihrem Aufforderungsschreiben vom 15. Juni 2009 (Blatt 7, 8 GA) werden aufgelaufene Zinsen in Höhe von 7 % von 150.000,00 DM geltend gemacht. Der gesamte Rückzahlungsbetrag per 30.09.2009 wird auf 258.313,06 € inklusive Zinsen beziffert. Daraus ergibt sich eindeutig, dass nur laufende Zinsen und keine Zinseszinsen geltend gemacht wurden.

Schließlich ist die Antragstellerin auch aus abgetretenem Recht aktivlegitimiert. Auch hierzu kann auf die Ausführungen des Senates in seinem Hinweisbeschluss verwiesen werden. Die Ehefrau konnte ihre Darlehensforderung an die Antragstellerin abtreten. Ein Abtretungsverbot aus § 399 BGB besteht nicht. Der Antragsgegner ist insbesondere nicht gehindert, die Darlehensverbindlichkeit im Zugewinnausgleichsverfahren einzustellen. Sie ist, da sie zum Stichtag - Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages - gegenüber der Ehefrau bestand, als Verbindlichkeit in sein Endvermögen einzustellen. Gleichzeitig ist sie, soweit sie noch nicht abgetreten war, zum Stichtag als Aktivvermögen ins Endvermögen der Ehefrau einzustellen.

Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass das Familiengericht im Ergebnis zu Recht den Antragsgegner wie vom Amtsgericht festgestellt zur Zahlung gegenüber der Antragstellerin verpflichtet hat. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde musste erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.

Der Beschwerdewert beträgt: 79.693,78 €