LG Düsseldorf, Urteil vom 27.07.2011 - 12 O 360/10
Fundstelle
openJur 2012, 80732
  • Rkr:
Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, beim Abschluss von Rechtsschutz-Versicherungsverträgen mit Verbrauchern die nachstehend zitierte Klausel in neue Versicherungsverträge einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf diese Klausel zu berufen

die nachstehend kursiv und in eckigen Klammern abgedruckten Textbestandteile sind nicht Gegenstand des Verbots, sondern dienen nur seinem besseren Verständnis:

㤠17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls

5) Der Versicherungsnehmer hat,

c)

soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden,

cc)

alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte.“

II.

Die Beklagte wird verurteilt,

zur Erstattung von auf Klägerseite vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten 911,80 € an den Kläger zu bezahlen, dies zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13. Juli 2010.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Tatbestand

Der Kläger ist ein Verbraucherschutzverein. Die Beklagte betreibt ein Versicherungsunternehmen, das Rechtsschutzversicherungen anbietet. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung einer Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen in Anspruch.

Der Kläger gehört zu den qualifizierten Einrichtungen gemäß § 3 Abs.1 Nr.1 UKlaG und § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG. Er wendet sich vorliegend nach Vorschriften des Unterlassungsklagengesetzes gegen die Verwendung der im Klageantrag wiedergegebenen Klausel, die in den AVB der Beklagten in den Fassungen ARB 2000 und ARB 01.2010 enthalten ist.

Der Kläger mahnte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 21. Juni 2010 (Anlage K 5 a) ab und forderte sie zur Begleichung vorgerichtlich entstandener Rechtsverfolgungskosten bis zum 12. Juli 2010 auf. Die Beklagte gab eine Unterlassungs- /Verpflichtungserklärung nicht ab.

Der Kläger ist der Ansicht, die beanstandete Klausel sei wegen Intransparenz und einer inhaltlichen unangemessenen Benachteiligung unwirksam.

Der Kläger beantragt:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft zu vollziehen an den Vorstandsmitgliedern der Beklagten, insgesamt höchstens 2 Jahre) zu unterlassen, beim Abschluss von Rechtsschutz-Versicherungsverträgen mit Verbrauchern die nachstehend zitierte Klausel in neue Versicherungsverträge einzubeziehen oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge der genannten Art auf diese Klausel zu berufen

die nachstehend kursiv und in eckigen Klammern abgedruckten Textbestandteile sind nicht Gegenstand des Verbots, sondern dienen nur seinem besseren Verständnis:

"§ 17 Verhalten nach Eintritt eines Rechtsschutzfalls

5) Der Versicherungsnehmer hat,

c)

soweit seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigt werden,

cc)

alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite verursachen könnte."

II.

Die Beklagte wird verurteilt,

zur Erstattung von auf Klägerseite vorgerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten 911,80 € an den Kläger zu bezahlen, dies zuzüglich Jahreszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 13. Juli 2010.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, die beanstandete Klausel greife lediglich bereits bestehende Vorschriften des VVG auf, sei daher rein deklaratorisch und einer gerichtlichen Inhaltskontrolle nicht zugänglich. Darüber hinaus sei die Klausel auch klar und verständlich. Die Kenntnis des Rechtsanwalts des Versicherungsnehmers sei dem Versicherungsnehmer zuzurechnen. Im Übrigen fehle es an einer Wiederholungsgefahr.

Der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht wurde mit Schreiben vom 26.03.2011 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, die mit Schreiben vom 16.05.2011 erfolgt ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist in vollem Umfang begründet.

I.

Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1 BGB.

Die angefochtene Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle, da § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht eingreift. Die streitgegenständliche Regelung betrifft den speziellen Bereich der Rechtsschutzversicherung und regelt für diesen speziellen Bereich Obliegenheiten, die in § 82 VVG für den Bereich der Schadensversicherungen allgemein geregelt sind. Sie beschränkt sich insoweit nicht auf eine wörtliche oder sinngemäße Wiedergabe des Gesetzestextes. Vielmehr gestaltet sie die Obliegenheiten für den Bereich der Rechtsschutzversicherung aus.

1.)

Die angefochtene Klausel ist unangemessen benachteiligend, weil die Bestimmung intransparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist und nicht als verständlich angesehen werden kann.

Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (BGH NJW 2006, 996, 998; 2007, 3632 Tz 31). Dabei sollen die Transparenzanforderungen nicht überspannt werden; die Verpflichtung, den Klauselinhalt klar und verständlich zu formulieren, besteht nur im Rahmen des Möglichen (BGH NJW 1998, 3114, 3116). Diesen Anforderungen wird die angegriffene Klausel indessen nicht gerecht. Sie ist für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht klar und verständlich. Um zu erkennen, was zu einer "unnötigen Erhöhung der Kosten" oder zu einer "Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite" führen kann, sind Kenntnisse des Kosten- und Prozess- und materiellen Rechts erforderlich, über die ein durchschnittlicher Verbraucher nicht verfügt. Ihm wird zwar klar, dass er unnötige Kosten vermeiden muss,er erfährt aber nicht, was er tun muss, um solche Ausgaben zu vermeiden und nicht, welche finanziellen Folgen ein Verstoß gegen diese Obliegenheit auslöst (Landgericht Frankfurt, Az. A, Urteil vom 21. April 2011, überreicht als Anlage K 10). Zu Recht hat das Landgericht Karlsruhe im Urteil vom 21. April 2011 (Az. B, überreicht als Anlage K 9) darauf hingewiesen, dass die verwendete Klausel eher Rechtsunsicherheit als Rechtsklarheit schafft und die Pflichten des Versicherungsnehmers vernebelt.

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass §§ 28, 82 VVG selbst unbestimmte Rechtsbegriffe verwenden. Die streitgegenständliche Klausel fügt aber zusätzlich zu diesen unbestimmten Rechtsbegriffen des Gesetzes noch weitere unbestimmte Begriffe hinzu und führt damit bei dem Versicherungsnehmer zu erheblichen Unklarheiten.

In diesem Zusammenhang kann es nicht darauf ankommen, inwieweit das rechtsanwaltliche Wissen dem Versicherungsnehmer zuzurechnen ist. Maßgeblich ist insoweit die Transparenz bei Abschluss des Vertrages, der regelmäßig ohne anwaltliche Beratung erfolgt (vgl. Grüneberg in Palandt, 69. Aufl., § 307 Rn. 3).

2.)

Die Klausel ist darüber hinaus auch nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach dem Wortlaut der Klausel, die im Rahmen der Verbandsklage der kundenfeindlichsten Auslegung zuzuführen ist, soll bereits "die Gefahr" einer unnötigen Erhöhung der Kosten bei einer Erschwerung ihrer Erstattung durch die Gegenseite zu einer Obliegenheitsverletzung führen, die nach § 17 Abs. 6 ARB zu einem möglichen Verlust des Versicherungsschutzes führen kann. Es erscheint unangemessen benachteiligend für den Versicherungsnehmer, wenn er seinen Versicherungsschutz verliert, obwohl dem Rechtsschutzversicherer im Ergebnis kein Nachteil durch das Verhalten des Kunden entstanden ist (Landgericht Karlsruhe a.a.O.).

3.)

Es besteht auch die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr. Die durch die Verwendung der angegriffenen unzulässigen Klausel begründete Vermutung einer Wiederholungsgefahr, wird weder durch die Änderung der Klausel noch durch die Absichtserklärung der Beklagten, die Klausel nicht mehr zu verwenden, beseitigt. Für das Fortbestehen der Wiederholungsgefahr spricht vielmehr der Umstand, dass die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit die Klausel verteidigt und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat.

II.

Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten für die außergerichtliche Abmahnung folgt aus §§ 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG. Vorliegend erscheint es geboten, die Kosten eines Rechtsanwaltes als erforderliche Aufwendungen anzusehen, und zwar auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Abmahnungen wegen der Verwendung unzulässiger Klauseln zu den Kernaufgaben des Klägers gehören. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass es sich vorliegend um komplexe Rechtsfragen des Versicherungsrechts handelt, wobei in Literatur und Rechtsprechung unterschiedliche Rechtsauffassungen vertreten werden.

Der angenommene Gegenstandswert und der Ansatz der Geschäftsgebühr (1,3) sind mit Rücksicht auf das wirtschaftliche Gewicht und den Schwierigkeitsgrad der Angelegenheit angemessen.

Die Zinsforderung ist begründet gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 288 BGB.

Streitwert: 25.000,00 €.