LAG Hamm, Beschluss vom 15.07.2011 - 10 TaBV 41/11
Fundstelle
openJur 2012, 80692
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.04.2011 - 3 BV 38/11 - wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Die Arbeitgeberin betreibt in B1 ein Seniorenzentrum. In ihrem Betrieb ist ein fünfköpfiger Betriebsrat, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gewählt.

Im Betrieb der Arbeitgeberin existiert ein Ausschuss für Arbeitssicherheit, dem auch der Betriebsrat angehört.

Am 16.02.1997 wurde im Betrieb der Arbeitgeberin eine Gefährdungsanalyse durchgeführt, die die Arbeitsbedingungen und Arbeitsbelastungen der Arbeitnehmer/innen im Betrieb ermittelt hat.

Am 18.11.2010 wurde auf einer Sitzung des Ausschusses für Arbeitssicherheit die Arbeitsbelastung des Pflegepersonals und der Hauswirtschaft besprochen. Als neuer Termin für eine weitere Sitzung wurde der 14.04.2011 ins Auge gefasst (Bl. 47 d. A.).

Der Betriebsrat begehrt nunmehr die Durchführung einer neuen Gefährdungsanalyse. Zu diesem Zweck wandte er sich mit Schreiben vom 07.01.2011 (Bl. 36 d. A.) an die Arbeitgeberin und teilte ihr mit, dass er die Durchführung einer Gefährdungsanalyse begehre, im Rahmen derer die Arbeitsbedingungen und insbesondere die Arbeitsbelastungen der Arbeitnehmer/innen ermittelt würden und im Anschluss daran erörtert und ermittelt werden sollte, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich seien. Er bat die Arbeitgeberin mitzuteilen, ob Verhandlungsbereitschaft hinsichtlich des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung bestehe.

Nachdem die Arbeitgeberin hierauf nicht reagierte, forderte der Betriebsrat die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 01.03.2011 (Bl. 24 d. A.) nochmals unter Fristsetzung bis zum 11.03.2011 auf, mitzuteilen, ob sie bereit sei, entsprechende Verhandlungen aufzunehmen.

Mit Schreiben vom 11.03.2011 (Bl. 26 d. A.) teilte die Arbeitgeberin mit, dass sie für die Erstellung einer Gefährdungsanalyse die Fachkraft für Arbeitssicherheit P3 U3 beauftragt habe, die am 23.03.2011 ihre Arbeit aufnehme. Des Weiteren bat sie um weitere Erläuterungen, da das Ansinnen des Betriebsrats nicht nachvollziehbar sei.

Daraufhin teilte der Betriebsrat mit Schreiben vom 22.03.2011 (Bl. 27 d. A.) mit, dass er nunmehr davon ausgehe, dass seitens der Arbeitgeberseite keine Verhandlungsbereitschaft zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Durchführung einer Gefährdungsanalyse bestehe.

Die Arbeitgeberin wies mit Schreiben vom 28.03.2011 (Bl. 31 d. A.) anschließend darauf hin, dass bisher unklar sei, was mit dem Regelungsgegenstand "Durchführung einer Gefährdungsanalyse" gemeint sei. Außerdem finde am 14.04.2011 eine Sitzung des Ausschusses für Arbeitssicherheit statt, in der die Vorstellungen des Betriebsrats vorgetragen werden könnten.

Mit Schreiben vom 29.03.2011 (Bl. 33 d. A.) teilte der Betriebsrat daraufhin mit, dass es ihm darum gehe, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen, in der die Grundsätze der Gefährdungsbeurteilung festgelegt würden. Im Übrigen sei ein ernsthafter Versuch der Zusammenarbeit seitens der Arbeitgeberin nicht erkennbar.

In seiner Sitzung vom 30.03.2011 (Bl. 20, 21 d. A.) beschloss der Betriebsrat, das vorliegende Beschlussverfahren nach § 98 ArbGG einzuleiten.

Mit dem am 01.04.2011 beim Arbeitsgericht Bochum eingegangenen Schriftsatz begehrt der Betriebsrat die Einrichtung einer Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Bundesarbeitsgericht K sowie die Festlegung der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf drei Personen.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass die einzurichtende Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig sei. Die Arbeitgeberin habe bisher keine konkreten Verhandlungen zur Herbeiführung einer Betriebsvereinbarung aufgenommen.

Der von ihr vorgeschlagene Vorsitzende der einzurichtenden Einigungsstelle sei im Unternehmen der Arbeitgeberin bekannt. Die Anzahl der für jede Seite zu benennenden Beisitzer solle auf drei festgelegt werden, da es sich um ein komplexeres Thema handele.

Der Betriebsrat hat beantragt,

im Betrieb der Arbeitgeberin im M1-R1 B1 eine Einigungsstelle unter dem Vorsitz des Richters am Bundesarbeitsgericht K einzurichten, die eine Betriebsvereinbarung mit Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten nach § 5 ArbSchG § 12 ArbSchG herbeiführt.

die Anzahl der Beisitzer auf jeder Seite mit drei festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei zu unbestimmt, dem Betriebsrat fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Er habe sein Begehren nicht an die Arbeitgeberin herangetragen, diese habe es auch nicht zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin habe lediglich um Erläuterung des Gegenstandes der beabsichtigten Betriebsvereinbarung gebeten. Erst wenn feststehe, ob der Umfang der Gefährdungsanalyse streitig sei oder wenn der Abschluss einer Betriebsvereinbarung abgelehnt worden sei, sei die Anrufung einer Einigungsstelle denkbar. Es sei allerdings zu beachten, dass die Arbeitsbedingungen im Betrieb der Arbeitgeberin seit Erstellung der letzten Gefährdungsanalyse im Jahre 1997 sich nicht geändert hätten.

Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Ausschuss für Arbeitssicherheit am 14.04.2011 tage. Gegenstand dieser Sitzung sei auch die Durchführung der Gefährdungsanalyse.

Der Beschluss des Betriebsrats vom 30.03.2011 zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens sei fehlerhaft und folglich unwirksam.

Der Einsetzung des Richters am Bundesarbeitsgerichts K1 als Vorsitzenden hat die Arbeitgeberin widersprochen. Ihrerseits hat sie Herrn Prof. Dr. K2 S2 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität B1 als Vorsitzenden vorgeschlagen.

Durch Beschluss vom 12.04.2011 hat das Arbeitsgericht die begehrte Einigungsstelle antragsgemäß eingerichtet und die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die einzurichtende Einigungsstelle sei nicht offensichtlich unzuständig. Sowohl bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG als auch bei der anschließenden Unterweisung der Mitarbeiter gemäß § 12 ArbSchG bestehe ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergebe sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten noch nicht bzw. noch nicht ausreichend über die mitbestimmungspflichtige Maßnahme verhandelt hätten. Die Beteiligten hätten mehrfach schriftlich über ihre Prozessbevollmächtigten über das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats korrespondiert, ohne dass es zur Aufnahme von konkreten Verhandlungen gekommen wäre. Nach einem über fast drei Monate andauernden Schriftwechsel sei es nicht zu konkreten Verhandlungen gekommen. Auf die im Jahre 1997 durchgeführte Gefährdungsanalyse könne die Arbeitgeberin allein aufgrund des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs und der möglichen bei der Arbeitgeberin eingetretenen Veränderungen nicht berufen. Schließlich sei der Regelungsgegenstand auch ausreichend konkret und bestimmt genug. Gegen die Person des vom Betriebsrat vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden habe die Arbeitgeberin keine stichhaltigen Einwände erhoben. Allerdings sei die Zahl der Beisitzer auf zwei, der Regelbesetzung einer Einigungsstelle, festzulegen.

Gegen den der Arbeitgeberin am 12.04.2011 zugestellten Beschluss, auf dessen Gründe ergänzend Bezug genommen wird, hat die Arbeitgeberin am 02.05.2011 Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese zugleich begründet.

Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, es habe zwischen den Beteiligten keine Streitigkeit im Sinne des § 98 ArbGG vorgelegen. Zwischen den Beteiligten sei weder die Besetzung der Einigungsstelle noch die Person des Einigungsstellenvorsitzenden streitig gewesen.

Ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 bestehe nicht, weil in § 5 ArbSchG bereits eine gesetzliche Regelung bestehe. Hiernach habe die Arbeitgeberin bereits am 16.02.1997 eine umfassende Gefährdungsanalyse erstellt und vorgelegt. Seitdem hätten sich die Arbeitsbedingungen bei der Arbeitgeberin nicht verändert. Im Übrigen könne eine Betriebsvereinbarung zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse und die Unterweisung der Beschäftigten nicht gleichzeitig geregelt werden.

Im Übrigen habe das Arbeitsgericht verkannt, dass dem Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Betriebsrat habe entgegen seiner Verpflichtung aus § 74 BetrVG weder mit der Arbeitgeberin verhandelt noch selbst das Initiativrecht ausgeübt. Er habe auch nicht klargestellt, welche Arbeitsbedingungen beurteilt werden sollten. Im Übrigen habe die Arbeitgeberin vorprozessual die Durchführung einer Gefährdungsanalyse gar nicht abgelehnt. Allein der Umfang der Gefährdungsanalyse sei mangels jedweder Äußerung des Betriebsrats unklar. Das Angebot der Arbeitgeberin, dies auf der Sitzung des Ausschusses für Arbeitssicherheit vom 14.04.2011 zusammen mit den Fachkräften zu erörtern, habe der Betriebsrat ohne jedwede Erläuterung nicht wahrgenommen.

Im Übrigen habe das Arbeitsgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass es der Einsetzung einer Einigungsstelle schon an einem ordnungsgemäß gefassten Betriebsratsbeschluss mangele. Der Beschluss vom 30.03.2011 sei fehlerhaft. Schon in der Einladung vom 23.03.2011 sei unzutreffenderweise darauf hingewiesen worden, dass die Arbeitgeberin keinen Kontakt mit dem Betriebsrat aufgenommen habe. Die Durchführung einer Gefährdungsanalyse sei von der Arbeitgeberin auch nicht abgelehnt worden.

Im Anhörungstermin vom 06.06.2011 wies die Arbeitgeberin schließlich darauf hin, dass nach ihrer Information der Betriebsrat auf einer Sitzung vom 25.05.2011 beschlossen habe, eine Gefährdungsanalyse nicht durchzuführen.

Die Arbeitgeberin beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Bochum vom 12.04.2011 - 3 BV 38/11 - abzuändern und die Anträge des Betriebsrats zurückzuweisen.

Der Betriebsrat beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und ist nach wie vor der Auffassung, die Arbeitgeberin habe Verhandlungen mit dem Betriebsrat über die Durchführung einer Gefährdungsanalyse schlichtweg abgelehnt. Unzutreffend sei es auch, dass zwischen den Betriebsparteien weder die Besetzung der Einigungsstelle noch die Person des Einigungsstellenvorsitzenden streitig gewesen seien. Schließlich habe die Arbeitgeberin im Anhörungstermin vor dem Arbeitsgericht einen entsprechenden Antrag gestellt.

Der Antrag des Betriebsrats sei auch bestimmt genug. Der Regelungsgegenstand sei ausreichend konkret bezeichnet. Es sei ohnehin Aufgabe der Einigungsstelle, ihre Zuständigkeit zu Beginn des Einigungsstellenverfahrens selbst zu überprüfen.

Eine Einschränkung auf bestimmte Arbeitnehmerkreise bei der Durchführung der Gefährdungsanalyse sei seitens des Betriebsrats bisher nicht vorgesehen.

Eine im Jahre 1997 durchgeführte Gefährdungsanalyse sei auch nicht geeignet, aktuelle Erkenntnisse zu liefern. Die Arbeitsbedingungen in Altenheimen/ Seniorenzentren hätten sich in den letzten Jahren erheblich geändert. Dies gelte für den Umfang der Pflege, den gesundheitlichen Zustand der Bewohner und die Dokumentationsverpflichtungen der Pflegekräfte.

Die Arbeitgeberin könne auch die ordnungsgemäße Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Verfahrens nicht bestreiten. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen. Schließlich sei es unzutreffend, dass der Betriebsrat am 25.05.2011 auf seiner außerordentlichen Sitzung beschlossen habe, eine Gefährdungsanalyse durchzuführen. Dies ergebe sich jedenfalls aus dem Protokoll vom 25.05.20112 (Bl. 116 d. A.).

Im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss die vom Betriebsrat begehrte Einigungsstelle eingerichtet.

I. Gemäß § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. statt aller: LAG Hamm 07.07.2003 - 10 TaBV 92/03 - NZA-RR 2003, 637; LAG Köln 14.01.2004 - 8 TaBV 72/03 - AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 18; LAG Hamm 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 43 m.w.N.).

II. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats auf Einrichtung der Einigungsstelle zu Recht stattgegeben. Die Einigungsstelle ist für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Durchführung einer Gefährdungsanalyse und Unterweisung der Beschäftigten nach den §§ 5, 12 ArbSchG nicht offensichtlich unzuständig.

1. Der Antrag des Betriebsrats ist nicht wegen nicht ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und zur Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten unzulässig.

a) Die Arbeitgeberin hat nicht bestritten, dass dem Verfahrensvertreter eine Vollmacht im Sinne der §§ 80, 81 ZPO zur Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens erteilt worden ist. Gemäß § 88 Abs. 2 ZPO war danach ein entsprechender Nachweis nicht zu erbringen.

b) Der Betriebsrat hat die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens und die Vollmachtserteilung an seine Verfahrensvertreter wirksam beschlossen.

Ein solcher Beschluss ist sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen Beauftragung eines Rechtsanwalts erforderlich (BAG 05.04.2000 - 7 ABR 6/99 - AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 33; BAG 18.02.2003 - 1 ABR 17/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 11; BAG 20.04.2005 - 7 ABR 44/04 - AP BetrVG 1972 § 38 Nr. 30; BAG 30.09.2008 - 1 ABR 54/07 - AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 71 m.w.N.). Fehlt es daran, ist der Betriebsrat gerichtlich nicht wirksam vertreten, ein Prozessrechtsverhältnis kommt nicht zustande. Für den Betriebsrat gestellte Anträge wären unbeachtlich und als unzulässig abzuweisen.

Zwar hat die Arbeitgeberin erst- und zweitinstanzlich ausdrücklich bestritten, dass der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde gelegen habe. Im Streitfall ist aber davon auszugehen, dass der Betriebsrat die Einleitung des Verfahrens und die Beauftragung seiner Verfahrensbevollmächtigten wirksam beschlossen hat. Der am 30.03.2011 gefasste Betriebsratsbeschluss ist nicht nichtig.

Ein ordnungsgemäßer Betriebsratsbeschluss erfordert, dass der Beschluss nach § 33 Abs. 1 BetrVG mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst wird. Ein Betriebsrat ist nur beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt, § 33 Abs. 2 BetrVG. Betriebsratsbeschlüsse können auch grundsätzlich nur auf einer ordnungsgemäßen Sitzung des Betriebsrats gefasst werden. Die Beschlussfassung setzt insoweit eine ordnungsgemäße Ladung der Betriebsratsmitglieder unter Mitteilung der Tagesordnung voraus, § 29 Abs. 2 und 3 BetrVG.

Die Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens, die Beauftragung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats sind durch den wirksamen Beschluss des Betriebsrats vom 30.03.2011 gedeckt. Der Betriebsrat hat auf seiner Sitzung vom 30.03.2011 mit vier zu eins Stimmen den Beschluss gefasst, seine jetzigen Verfahrensbevollmächtigten mit der Einreichung der ihm auf der Sitzung vom 30.03.2011 vorliegenden Antragsschrift beim Arbeitsgericht Bochum und der Vertretung des Betriebsrats im gerichtlichen Verfahren zu beauftragen. Die dem Betriebsrat im Entwurf vorliegende Antragsschrift betraf die Einleitung und Durchführung eines Verfahrens nach § 98 ArbGG, mit dem Ziel der Einrichtung einer Einigungsstelle zur Herbeiführung einer Betriebsvereinbarung mit Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten nach den §§ 5, 12 ArbSchG. Dies ergibt sich aus dem am 30.03.2011 gefassten Beschluss (Bl. 21 d. A.).

Gegen die Wirksamkeit des Beschlusses vom 30.03.2011 kann auch nicht eingewandt werden, dass zu dieser Sitzung nicht ordnungsgemäß unter Mitteilung der Tagesordnung eingeladen worden wäre. Zu der Betriebsratssitzung vom 30.03.2011 ist durch Schreiben vom 23.03.2011 (Bl. 20 d. A.) unter Mitteilung der Tagesordnungspunkte eingeladen worden. Unter TOP 11 ist der Tagesordnungspunkt "Herbeiführung einer Betriebsvereinbarung zum Thema Gefährdungsanalyse" ausführlich dargelegt worden. Soweit die Arbeitgeberin meint, die Tagesordnung enthalte zu TOP 11 inhaltlich eine falsche Darstellung, ist dies unbeachtlich. Zwar sind in der Tagesordnung die zu behandelnden Punkte möglichst konkret anzugeben. Dabei sind aber keine überhöhten Anforderungen zu stellen. Es müssen bei einem anstehenden Beschluss zur Einleitung eines Gerichtsverfahrens auch nicht schon die zu stellenden Anträge formuliert sein. Vielmehr ist es ausreichend, wenn ein Betriebsratsbeschluss den Gegenstand, über den in dem einzuleitenden Beschlussverfahren eine Klärung herbeigeführt werden soll, und das angestrebte Ergebnis bezeichnet (BAG 29.04.2004 - 1 ABR 30/02 - AP BetrVG 1972 § 77 Durchführung Nr. 3 - unter B. II. 1. a) aa) der Gründe; LAG Schleswig-Holstein 20.09.2001 - 5 TABV 2/01 - AiB 2002, 632; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 25. Aufl., § 29 Rn. 46 m.w.N.). In Anwendung dieser Grundsätze ist der Beschluss des Betriebsrats vom 30.03.2011 inhaltlich nicht zu beanstanden. Ausreichend ist es, wenn der Einladung unter TOP 11 das gewünschte Ziel bestimmt ist.

2. Die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beteiligten nicht über den streitigen Regelungsgegenstand verhandelt hätten. Ein Rechtsschutzbedürfnis des Betriebsrats kann insoweit nicht verneint werden.

Nach Sinn und Zweck des gerichtlichen Bestellungsverfahrens nach § 98 ArbGG, den Betriebsparteien im Konfliktfall möglichst zügig und ohne weitere Verzögerung durch eine der Betriebsparteien eine Einigungsstelle zur Seite zu stellen, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, wenn eine der Betriebsparteien aufgrund des bisherigen Verhaltens der anderen Partei die weitere Führung von Verhandlungen für aussichtslos hält, das Scheitern der Verhandlungen erklärt und die Einigungsstelle anruft. Ist der Regelungsgegenstand hinreichend bekannt, liegt es in der Hand jeder Seite, frei zu entscheiden, wann sie die Errichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet. Hält ein Betriebspartner weitere Verhandlungen aufgrund des bisherigen Verhaltens der Gegenseite für aussichtslos und ruft er das Arbeitsgericht zur Einsetzung einer Einigungsstelle nach § 98 ArbGG an, so ist diese auch nicht deswegen offensichtlich unzuständig, weil der Verhandlungsanspruch nach § 74 Abs. 1 Satz 2 BetrVG noch nicht oder noch nicht vollständig erfüllt worden ist; andernfalls hätte es die verhandlungsunwillige Seite in der Hand, die Einsetzung einer Einigungsstelle längere Zeit zu blockieren (LAG Baden-Württemberg 16.10.1991 - 12 TaBV 10/91 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 21; LAG Niedersachsen 07.12.1998 - 1 TaBV 74/95 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 35; LAG Hamm 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14 = LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 41; LAG Hamm 10.05.2010 - 10 TaBV 23/10 -; Fitting, a.a.O., § 74 Rn. 9; GK/Kreutz, BetrVG, 9. Aufl., § 74 Rn. 28 m.w.N.).

a) Nach diesen Grundsätzen kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der begehrten Einigungsstelle im vorliegenden Verfahren nicht angenommen werden. Zwischen den Beteiligten haben über den streitigen Regelungsgegenstand ausreichende Verhandlungen stattgefunden. Dies ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt und dem vorgerichtlichen Schriftverkehr.

Mit Schreiben vom 07.01.2011 hat der Betriebsrat von seinem Initiativrecht Gebrauch gemacht und Verhandlungen zur Herbeiführung einer Betriebsvereinbarung über die Durchführung einer Gefährdungsanalyse verlangt. Nachdem die Arbeitgeberin zunächst gar nicht reagiert hat, hat sie auf die Erinnerung des Betriebsrats vom 01.03.2011 mit Schreiben vom 11.03.2011 lediglich um Erläuterung des Begehrens des Betriebsrats gebeten. Diesem Begehren ist der Betriebsrat mit Schreiben vom 22.03.2011 nachgekommen. Mit Schreiben vom 28.03.2011 hat die Arbeitgeberin daraufhin mitgeteilt, dass sie die zuständige Fachkraft für Arbeitssicherheit entsprechend beauftragt habe. Eine derartige Beauftragung ersetzt jedoch nicht die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Betriebsrat über den Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung. Betriebsvereinbarungen mit dem Betriebsrat schließt nicht die Fachkraft für Arbeitssicherheit, sondern der Arbeitgeber ab. Aufgrund des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 22.03.2011 war der Arbeitgeberin auch bekannt, dass der Betriebsrat den Weg in die Einigungsstelle anstrebte. Auch hierzu hat sich die Arbeitgeberin nicht geäußert. Wenn unter diesen Umständen der Betriebsrat nach Ablauf von fast drei Monaten die Einrichtung einer Einigungsstelle mit gerichtlicher Hilfe für notwendig erachtet hat, ist dies nicht nur zu beanstanden, sondern nachvollziehbar. Die Arbeitgeberin ist nicht berechtigt, durch ihre Verhandlungsunwilligkeit die Einsetzung einer Einigungsstelle länger zu blockieren.

b) Die Arbeitgeberin kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, dass der Regelungsgegenstand der einzurichtenden Einigungsstelle nicht ausreichend bestimmt gewesen ist. Der Regelungsgegenstand ergibt sich eindeutig aus dem vorgerichtlichen Schriftverkehr und der Antragsschrift des Betriebsrats vom 29.01.2011. Der Betriebsrat verlangt den Abschluss einer Betriebsvereinbarung mit Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten nach §§ 5, 12 ArbSchG. Dieses Begehren ist eindeutig und ausreichend bestimmt. Dass der Betriebsrat der Arbeitgeberin vor Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens noch keinen Entwurf einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung vorgelegt hat, ist unschädlich. Zwar muss ein Antrag auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG erkennen lassen, welche konkreten betrieblichen Regelungen zur Umsetzung dieser Handlungspflicht mitbestimmt werden sollen (BAG 15.01.2002 - 1 ABR 13/01 - AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 12). Insoweit sind in der genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.01.2002 entsprechende Anträge des Betriebsrats als unzulässig zurückgewiesen worden. Auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.01.2002 kann die Arbeitgeberin sich aber im vorliegenden Verfahren, einem Einigungsstellenbesetzungsverfahren, nicht berufen. Im Einigungsstellenbesetzungsverfahren muss die antragstellende Betriebspartei ein konkretes Regelungsverlangen zur Klärung von Inhalt und Umfang eines Mitbestimmungsrechts nicht im Einzelnen benennen. Dies ergibt sich erst nach konkreten Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien, zu denen es im vorliegenden Fall noch gar nicht gekommen ist. Die vorliegende Fallgestaltung weist gegenüber der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 15.01.2002 wesentliche Unterschiede auf. Die einzurichtende Einigungsstelle soll sich insbesondere mit Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG und zur Unterweisung der Beschäftigten nach § 12 ArbSchG befassen. Insoweit streiten die Beteiligten nicht um den Umfang des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, sondern allein um die Frage, ob der Betriebsrat überhaupt ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei der Gefährdungsbeurteilung und bei der Unterweisung der Beschäftigten hat oder nicht. Eine derartige, auf bestimmte Regelungsfragen bezogene Konkretisierung ist genügend bestimmt (vgl. BAG 08.06.2004 - 1 ABR 13/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 13, unter B. I. 2. a) bb) der Gründe).

3. Zu Recht ist das Arbeitsgericht in dem angefochtenen Beschluss auch davon ausgegangen, dass die Einigungsstelle nicht deshalb offensichtlich unzuständig ist, weil Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommen.

Bei den vom Betriebsrat verlangten Regelungen zur Gefährdungsbeurteilung und zur Unterweisung der Beschäftigten nach den §§ 5, 12 ArbSchG handelt es sich ersichtlich um mitbestimmungspflichtige Tatbestände gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Sowohl bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG als auch bei der anschließenden Unterweisung der Mitarbeiter gemäß § 12 ArbSchG besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes über Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 und über die Unterweisung der Arbeitnehmer gemäß § 12 sind Rahmenvorschriften im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG, bei deren Ausfüllung durch betriebliche Regelungen der Betriebsrat mitzubestimmen hat (BAG 08.06.2004 - 1 ABR 13/03 - AP BetrVG 1972 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 13; BAG 11.01.2011 - 1 ABR 104/09 - DB 2011, 1111; Fitting, a.a.O., § 87 Rn. 299 m.w.N.).

4. Die Arbeitgeberin kann auch nicht einwenden, dass in ihrem Betrieb am 16.02.1997 eine Gefährdungsanalyse durchgeführt worden ist. Dieser Umstand schließt die Einrichtung einer Einigungsstelle nicht aus. Bereits das Arbeitsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen, dass sich aufgrund des Zeitablaufs und der möglichen im Betrieb der Arbeitgeberin eingetretenen Veränderungen der Arbeitsbedingungen die Erstellung einer neuen Gefährdungsanalyse rechtfertigt. Dem ist die Arbeitgeberin mit der Beschwerde nur unzureichend entgegengetreten. Der Betriebsrat hat sich insoweit darauf berufen, dass sich die Arbeitsbedingungen in Altenheimen/Seniorenzentren in den letzten Jahren erheblich geändert haben. Der gesundheitliche Zustand der Bewohner habe sich erheblich verschlechtert, die Dokumentationsverpflichtungen der Pflegekräfte hätten ebenfalls erheblich zugenommen. Ob diese Umstände die Durchführung einer neuen Gefährdungsanalyse rechtfertigen, wird die Einigungsstelle im Einzelnen zu überprüfen haben.

Unerheblich ist auch der Einwand der Arbeitgeberin, der Ausschuss für Arbeitssicherheit habe am 14.04.2011 getagt, auf dieser Sitzung hätte die Problematik zusammen mit den Fachkräften erörtert werden können. Zuständig für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung ist nicht der Ausschuss für Arbeitssicherheit, sondern die Arbeitgeberin selbst. Dass der Sachverstand des Ausschusses in die Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberin eingebracht wird, bleibt den Betriebsparteien unbenommen, hindert aber keine neue Überprüfung der Gefährdungsanalyse durch die hierfür zuständigen Betriebsparteien. Dies sind der Betriebsrat und die Arbeitgeberin, nicht der Ausschuss für Arbeitssicherheit.

Schließlich kann sich die Arbeitgeberin auch nicht darauf berufen, dass der Betriebsrat nach seinen Informationen auf seiner Sitzung vom 25.05.2011 beschlossen habe, eine Gefährdungsanalyse nicht durchzuführen. Nach dem vom Betriebsrat vorgelegten Protokolls zur außerordentlichen Betriebsratssitzung vom 25.05.2011 (Bl. 116 d. A.) ist ein derartiger Beschluss nicht gefasst worden. Ein derartiger Beschluss hätte nach § 34 Abs. 1 S. 1 BetrVG in die Sitzungsniederschrift aufgenommen werden müssen. Unter Umständen muss auch diese Frage in der Einigungsstelle überprüft werden. Auch wenn diese Frage zwischen den Beteiligten seit dem Anhörungstermin vor der Beschwerdekammer vom 06.06.2011 streitig ist, kann sie im Einigungsstellenbesetzungsverfahren nicht geklärt werden. Tatsachenfeststellungen sind im Einigungsstellenbesetzungsverfahren auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkt, in die der unstreitige Vortrag der Beteiligten sowie die streitigen Tatsachenbehauptungen des Antragstellers einzubeziehen sind. Es besteht im Einigungsstellenbesetzungsverfahren kein Raum für die Durchführung einer Beweisaufnahme, die allenfalls vor einer vollständig besetzten Kammer des Arbeitsgerichts stattfinden könnte. Beweisbedürftige Tatsachenbehauptungen sind nicht offensichtlich im Sinne des § 98 Abs. 1 Satz 2 ArbGG (LAG Hessen 03.11.2009 - 4 TaBV 185/09 - NZA-RR 2010, 359; LAG Berlin-B2 22.01.2010 - 10 TaBV 2829/09 - LAGE ArbGG 1979 § 98 Nr. 56 = BB 2010, 500).

III. Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch zum Vorsitzenden der Einigungsstelle den Richter am Bundesarbeitsgericht K bestellt. Bei dem vom Arbeitsgericht bestellten Vorsitzenden handelt es sich um einen äußerst fachkundigen und fähigen Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit, der auch über zahlreiche Erfahrungen als Einigungsstellenvorsitzender verfügt. Hiergegen sind von der Arbeitgeberin mit der Beschwerde keine weiteren Einwendungen erhoben worden.

Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle hat das Arbeitsgericht zu Recht auf zwei für jede Seite festgelegt. Dies entspricht der Regelbesetzung einer Einigungsstelle (LAG Hamm 09.08.2004 - 10 TaBV 81/04 - AP ArbGG 1979 § 98 Nr. 14). Auch hiergegen sind in der Beschwerdeinstanz keine Einwendungen erhoben worden.