OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.06.2011 - VII-Verg 2/11
Fundstelle
openJur 2012, 80663
  • Rkr:
Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29. November 2010 (VK 2 - 113/10) wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich des Verfahrens nach

§ 118 Abs.1 S. 3 GWB sowie der außergerichtlichen Aufwendungen der An-tragsgegnerinnen trägt die Antragstellerin.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Die Antragsgegnerinnen führen derzeit ein europaweites offenes Vergabeverfahren zum Abschluss von Rabattvereinbarungen nach § 130 a Abs. 8 SGB V für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Interferon beta-1b durch.

In der am 18. September 2010 veröffentlichten Bekanntmachung wird unter Ziff. II. 1.5 der Ausschreibungsgegenstand wie folgt beschrieben:

"Gegenstand der Ausschreibung ist der Abschluss von auf den Wirkstoff Interferon beta-1b bezogenen Rabattvereinbarungen gemäß § 130 a Abs. 8 SGB V für den Zeitraum vom 01.03.2011 bis 28.02.2013. … Die Ausschreibung erfolgt produktunabhängig und bezieht sich auf alle Arzneimittel des Wirkstoffs Interferon beta-1b, … Voraussetzung ist dabei, dass der Bieter jeweils mindestens ein Produkt der Packungsgrößen N2 und N3 des ausgeschriebenen Wirkstoffs in Vertrieb hat oder spätestens zu Vertragsbeginn in Verkehr bringt."

Unter der Überschrift "Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit" bestimmt Ziff. III. 2.2:

"Angaben und Formalitäten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Auflagen zu prüfen:

Die Bieter haben nach näherer Maßgabe der Verdingungsunterlagen mit dem Angebot eine Eigenerklärung zum Nachweis der eigenen und fremden Produktionskapazitäten für die Herstellung der auftragsgegenständlichen Arzneimittel gemäß § 7 Abs. 3 b VOL/A-EG vorzulegen,

Im Fall des Einsatzes von Unterauftragnehmern (insbesondere bei Einsatz von Auftragsherstellern im Sinne des § 9 AMWHV) hat der Bieter nach näherer Maßgabe der Verdingungsunterlagen den Auftraggeberinnen zugleich nachzuweisen, dass ihm im Auftragsfall die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er jeweils eine entsprechende Verpflichtungserklärung des/der benannten Unterauftragnehmer(s) oder eine Ablichtung eines entsprechenden Liefervertrages mit dem/den benannten Unterauftragnehmer(n) bezogen auf den ausgeschriebenen Wirkstoff, aus dem sich die Lieferverpflichtung des Unterauftragnehmers dem Bieter gegenüber einschließlich der zur Verfügung gestellten Produktionskapazitäten sowie die Vertragsdauer ergibt, vorlegt (§ 7 Abs. 9 VOL/A-EG)."

Im Hinblick auf die vorzulegenden Nachweise heißt es unter Ziff. 10 der Verdingungsunterlagen:

"Will sich der Bieter für die Vertragsausführung der Fähigkeiten eines Unterauftragnehmers, insbesondere eines Auftragsherstellers i.S. des § 9 AMWHV bedienen, so muss er diesen Umstand sowie Art und Umfang der an den/die Unterauftragnehmer zu vergebenden Leistungen durch eine entsprechende Eigenerklärung (…Anlage 5a, 5b …) mitteilen und den Auftraggeberinnen zugleich nachweisen, dass ihm im Auftragsfall die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, indem er jeweils eine Verpflichtungserklärung … oder eine Ablichtung eines entsprechenden Liefervertrages … vorlegt.

Zu den zu benennenden Unterauftragnehmern zählen

die Auftragshersteller der Arzneimittel i.S. des § 9 AMWHV, in deren Produktionsstätten die Arzneimittel … hergestellt werden (Herstellung des Wirkstoffs und Fertigstellung des Produkts; nicht jedoch Verpackung und Herstellung des Grundstoffs) und ggfs. zwischen Bieter und Auftragshersteller zwischengeschaltete Unternehmen,

…

Die Verpflichtungserklärung des benannten Unterauftragnehmers (Anlage 6) oder der entsprechende Liefervertrag bezogen auf den ausgeschriebenen Wirkstoff mit dem benannten Unterauftragnehmer, aus dem sich die Lieferverpflichtung des Unterauftragnehmers dem Bieter gegenüber einschließlich der … Produktionskapazitäten, sowie die Vertragsdauer ergeben, (s.o. A.III.5.2) müssen mit Abgabe des Angebots vorliegen …"

Der ausgeschriebene Wirkstoff Interferon beta-1b dient zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS). Das von der Antragstellerin vertriebene Arzneimittel Betaferon enthält diesen Wirkstoff ebenso wie das Präparat Extavia der Beigeladenen. Abgesehen von etwaigen Parallelimporteuren sind die Antragstellerin und die Beigeladene die einzigen Anbieter von Interferon beta-1b auf dem deutschen Pharmamarkt. Ausgangsstoff und Herstellungsprozess beider Arzneimittel unterscheiden sich nicht. Vielmehr wird das Interferon beta-1b für Betaferon und Extavia in derselben Produktionsstätte in den USA auf denselben Anlagen durch dieselben Mitarbeiter biotechnologisch hergestellt. Betaferon und Extavia enthalten bei der Verpackungsgröße N2 (gemäß der Packungsgrößenverordnung) ebenso wie bei der Verpackungsgröße N3 eine unterschiedliche Anzahl von Dosiereinheiten. Extavia und Betaferon werden zudem mit unterschiedlichen Applikationshilfen (Injektomaten) bzw. Injektionssystemen angeboten. Diese Applikationshilfen sind nicht untereinander austauschbar. Zudem bietet Betaferon ein exklusives Patientenbetreuungsprogramm durch speziell ausgebildete Krankenschwestern an. Dieses ist bei dem Präparat Extavia nicht der Fall. Gegenwärtig werden die Autoinjektoren zusammen mit dem Wirkstoff zur Verfügung gestellt, ohne dass hierfür ein Aufpreis zu zahlen ist. Die Applikationshilfen können auch gesondert bezogen werden.

Ziff. A I., 10. der Verdingungsunterlagen enthält folgende Erläuterungen:

" b. Substituierbarkeit in den beliefernden Apotheken

In § 129 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 4 Abs. 1 des Rahmenvertrages zwischen dem deutschen Apothekerverband (DAV) und dem GKV-Spitzenverband sind die Regelungen gemäß den Vorgaben im SGB V für den Austausch wirkstoffgleicher Produkte festgelegt. Danach haben die Apotheken, sofern eine Ersetzung eines Arzneimittels durch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel nicht ausgeschlossen ist, ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abzugeben, das die gleiche Wirkstärke, die gleiche Packungsgröße, eine gleiche oder austauschbare Darreichungsform besitzt und für den gleichen Indikationsbereich zugelassen ist. Für Extavia und Betaferon sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Unterlagen alle Kriterien erfüllt mit Ausnahme der Gleichheit der Packungsgröße in streng numerischer Auslegung. So differieren die Stückzahlen vergleichbarer Arzneimittel in der Packungsgröße N2 um genau eine Dosiereinheit (14 bzw. 15 Fertigspritzen) und in der Packungsgröße N3 und drei Mal eine Dosiereinheit (3 x 14 bzw. 3 x 15).

Darüber hinaus regelt o.g. Rahmenvertrag in der Fassung vom 07.12.2009 in Verbindung mit Anlage 1 des Rahmenvertrages, dass biotechnologische Arzneimittel verpflichtend auszutauschen sind, sofern sich diese in Ausgangsstoffen und Herstellungsprozess nicht unterscheiden.

Da zum jetzigen Zeitpunkt die Anlage 1 des Rahmenvertrages noch keine Präparate zum Austausch aufweist, erfolgt bei biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln - wie z.B. dem hier ausgeschriebenen Wirkstoff - bei ärztlicher Verordnung unter Angabe des konkreten Produktnamens keine zwingende Substitution in der beliefernden Apotheke. Bei Ausstellung einer ärztlichen Verordnung unter der Wirkstoffbezeichnung und Angabe einer Packungsgröße gemäß Packungsgrößen-Verordnung (s.o.) ist grundsätzlich die Auswahl des rabattbegünstigten Produktes in der Apotheke möglich.

c. Substituierbarkeit durch den behandelnden Arzt

Bei Betaferon und Extavia handelt es sich um sog. bioidentische Produkte ("Bioidenticals"), d.h. um biotechnologisch hergestellte Arzneimittel, die sowohl in den Ausgangsstoffen als auch im Herstellungsprozess identisch sind bzw. aus ein und demselben Herstellungsprozess stammen und von mehreren Unternehmen vermarktet werden.

Aus therapeutischer Sicht ergibt sich somit kein Unterschied zwischen dem Nutzen-Risikoprofil bzw. hinsichtlich der Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Sicherheit der beiden Produkte.

Einzig im Hinblick auf die Packungsgröße (s.o.) und auf die kostenfrei zur Verfügung stehenden Applikationshilfen (genauer: Autoinjektoren) bestehen Abweichungen. Da die Applikationshilfen von den Unternehmen separat entwickelt wurden und patentgeschützt sind, werden die beiden Interferon beta-1b-Produkte ggfs. mit unterschiedlichen Autoinjektoren als Applikationshilfe injiziert. Der Autoinjektor als die Applikationshilfe dient der vereinfachten Injektion der Fertigspritzen und ist kein zulassungsrelevanter Bestandteil des Arzneimittels bzw. nicht in der Fachinformation dokumentiert. Es handelt sich vielmehr um ein Serviceangebot der pharmazeutischen Unternehmen um den Umfang mit dem Arzneimittel zu erleichtern, das nicht Gegenstand dieser Ausschreibung ist.

Für den Arzt besteht somit die Wahl zwischen zwei therapeutisch gleichwertigen Arzneimitteln, so dass im Rahmen des wirtschaftlichen Handelns die Umsetzung einer Vertragsvereinbarung nach § 130a Abs. 8 SGB V im Regelfall zu leisten ist."

Nachdem sie die Vergabeunterlagen am 21. September 2010 erhalten hatte, rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 24. September 2010, dass Extavia und Betaferon vergaberechtlich nicht vergleichbar seien und daher nicht zum Gegenstand einer gemeinsamen Ausschreibung gemacht werden dürften. Die Austauschbarkeit nach § 129 SGB V stelle eine zwingende Voraussetzung für die vergaberechtliche Vergleichbarkeit von Arzneimitteln dar. An einer solchen Substituierbarkeit fehle es bereits deswegen, weil die Verpackungsgrößen infolge der unterschiedlichen Anzahl von Dosiereinheiten nicht identisch seien. Zudem stünden die unterschiedlichen Injektoren sowie das allein für Betaferon angebotene Schwesternprogramm der vergaberechtlichen Vergleichbarkeit entgegen. Die Antragsgegnerinnen halfen der Rüge nicht ab.

Den dagegen erhobenen, auf einer Vertiefung und Ergänzung des Rügevortrags beruhenden Nachprüfungsantrag hat die Vergabekammer zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die Bestimmung des Auftragsgegenstandes durch die Antragsgegnerinnen vergaberechtlich nicht zu beanstanden sei. Zwar könne sich aus dem Wettbewerbsgrundsatz ergeben, dass nur solche Güter und Leistungen in einer Ausschreibung zusammengefasst werden dürfen, zwischen denen ein Wettbewerbsverhältnis bestehe und die deshalb zu Recht einem vergaberechtlichen Vergleich ausgesetzt werden dürften. Einer in diesem Sinne zu verstehenden vergaberechtlichen Vergleichbarkeit stehe aber nicht entgegen, dass die beiden in Deutschland zugelassenen Interferon beta-1b-Präparate in den ausgeschriebenen Normpackungsgrößen N2 und N3 eine unterschiedliche Anzahl von Dosiereinheiten enthielten. Auch werde die wirkstoffbezogene Ausschreibung nicht dadurch vergaberechtswidrig, dass die Anlage 1 zum Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V in der aktuellen Fassung vom 7. Dezember 2009 noch keine Präparate als austauschbar aufführe.

Eine Zusammenfassung mehrerer Arzneimittel im Rahmen einer Ausschreibung setze eine Substitutionspflicht nach § 129 SGB V nicht voraus, sondern sei auch dann nicht zu beanstanden, wenn ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Arzneimitteln aus anderen Gründen bestehe. Ein solches Wettbewerbsverhältnis sei deswegen anzunehmen, weil die Wirkstoffe der ausgeschriebenen Präparate aus ärztlicher Sicht grundsätzlich beide für die Behandlung von an MS Patienten geeignet seien. Trotz der unterschiedlichen Applikationshilfen komme für eine relevante Anzahl von Erkrankten auch die Verschreibung beider Präparate in Betracht, so dass die Auswahl durch den Arzt zu treffen sei. Das dadurch begründete Wettbewerbsverhältnis zwischen den Arzneimitteln rechtfertige die durch die wirkstoffbezogene Ausschreibung bewirkte Zusammenfassung von Betaferon und Extavia. Die Antragsgegnerinnen seien auch nicht verpflichtet gewesen, die Autoinjektoren in die Ausschreibung einzubeziehen. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot durch missverständliche Hinweise in den Verdingungsunterlagen - wie vor der Antragstellerin geltend gemacht - sei nicht festzustellen.

Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde verbunden mit einem Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB eingelegt. Nach Zurückweisung des Verlängerungsantrags durch Beschluss des Senats vom 17. Januar 2011 hat die Antragsgegnerin auf die Angebote der Beigeladenen Zuschläge erteilt und mit ihnen die ausgeschriebenen Rabattvereinbarungen abgeschlossen.

Mit der Beschwerde macht die Antragstellerin nunmehr geltend, dass die Zuschlagserteilung rechtswidrig gewesen sei und sie in ihren Rechten verletze.

Sie beruft sich weiterhin darauf, dass zwischen den Arzneimitteln Extavia und Betaferon keine vergaberechtliche Vergleichbarkeit bestehe, da sie nicht nach § 129 SGB V substituierbar und aus therapeutischer Sicht auch nicht äquivalent seien. Die durch die unterschiedlichen Applikationshilfen bedingten Unterschiede in der Verabreichung der Arzneimittel seien, bedingt durch die kognitiven und körperlichen Beeinträchtigungen der betroffenen MS-Patienten, therapeutisch relevant. Soweit die Antragsgegnerinnen somit bei der Ermittlung des Beschaffungsbedarfs davon ausgegangen seien, dass es sich bei den Applikationshilfen nur um Marketingmaßnahmen, die der Benutzerfreundlichkeit dienten, handele, sei die therapeutische Relevanz ignoriert worden. Die Entscheidung der Antragsgegnerinnen, die Ausschreibung auf den Wirkstoff zu beschränken und die Applikationshilfen nicht einzubeziehen, beruhe demnach auf einer unzutreffenden und unvollständigen Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts. Das den Antragsgegnerinnen zustehende Bestimmungsrecht bei der Festlegung des Beschaffungsbedarfs sei somit beurteilungsfehlerhaft ausgeübt worden. Zudem seien infolge der Verkennung der therapeutisch relevanten Unterschiede unzutreffende und damit rechtswidrige Angaben zur Vertragsumsetzung zugrunde gelegt. Die Ausschreibung sei damit auch wegen der der unzutreffenden Vorgaben in den Verdingungsunterlagen rechtswidrig gewesen.

Die Antragsgegnerinnen hätten Ärzte ausdrücklich aufgefordert, statt Betaferon nunmehr Extavia zu verordnen. Die Angabe in den Vergabeunterlagen, wonach aufgrund der unzutreffend vorausgesetzten Gleichwertigkeit der Produkte im Regelfall das rabattierte Produkt zu verschreiben sei, sei somit als Grundlage für die Vertragsumsetzung verwendet worden. Diese Maßnahmen der Antragsgegnerinnen seien kalkulationserheblich und für die Bieter nicht vorhersehbar gewesen. Es können nicht angenommen werden, dass die Ärzte ihre Therapieentscheidung unbeeinflusst von diesen inhaltlich rechtswidrigen Maßnahmen träfen. Auf beabsichtigte Maßnahmen der Antragsgegnerinnen, mit denen Ärzte veranlasst werden sollen, Patienten auf Extavia umzustellen, sei in den Vergabeunterlagen nicht hingewiesen worden. Auch dieses sei aber erforderlich gewesen, um eine sachgerechte Kalkulation der Angebote zu gewährleisten. Zudem habe das bevorstehende Inkrafttreten des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) zum Zeitpunkt der Ausschreibung eine erhebliche Rechtsunsicherheit ausgelöst, die eine vergaberechtskonforme Kalkulation unmöglich gemacht habe.

Jedenfalls hätte das Angebot der Beigeladenen aber wegen fehlender bzw. nicht ordnungsgemäßer Eignungsnachweise zwingend von der Wertung ausgeschlossen werden müssen.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 29. November 2010 aufzuheben

festzustellen, dass die Zuschlagserteilung der Vergabestelle auf die Angebote der Beigeladenen für die Gebietslose 1 und 2 rechtswidrig gewesen und sie dadurch in ihren Rechten verletzt ist.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie treten dem Beschwerdevorbringen entgegen und machen geltend, dass der Feststellungsantrag bereits unzulässig sei. Auch der ursprünglich gestellte Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin schon nicht antragsbefugt sei. Dass die Ausschreibung beide Arzneimittel in einen Rabattwettbewerb stelle, sei unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden.

Soweit die Antragstellerin erstmalig im Beschwerdeverfahren vermeintliche Kalkulationsunsicherheiten auf Grund der Änderungen des AMNOG beanstandet habe, sei sie mit diesem Einwand, der auch der Sache nach nicht eingreife, bereits präkludiert. Die von der Antragstellerin geltend gemachten kalkulatorischen Unsicherheiten infolge der Ansprache und Einwirkung auf Ärzte könne schon im Hinblick auf den entsprechenden Hinweis in den Verdingungsunterlagen, wonach eine Umsetzung des Vertrages über eine entsprechende Kommunikation mit Ärzten erfolgen werde, nicht angenommen werden.

Die Beigeladene hat keine Stellung genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Verfahrensbeteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die vom Senat beigezogenen Vergabe- und Vergabekammerakten verwiesen.

II.

Der in zulässiger Weise auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Zuschlagserteilung umgestellte Beschwerdeantrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die Antragstellerin ist durch die Zuschlagserteilung an die Beigeladenen nicht in ihren Rechten verletzt worden.

1.

Für den Fall, dass sich das Beschwerdeverfahren erledigt, sieht § 123 S. 4 i.V.m.

§ 114 Abs. 2 S. 2 GWB vor, dass das Beschwerdegericht auf Antrag eines Beteiligten feststellen muss, ob aufgrund des durch den Antragsteller beanstandeten Vergaberechtsverstoßes eine Rechtsverletzung eingetreten ist, die ohne das erledigende Ereignis zum Erfolg des Nachprüfungsantrags geführt hätte (vgl. Reidt in Reidt/Stickler/Glahs, § 114 Rdn. 39 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor.

a.

Für die Frage der Erledigung kommt es nicht darauf an, ob der ursprüngliche Nachprüfungsantrag zulässig und begründet war. Es reicht vielmehr aus, dass der auf Vornahme oder Unterlassung gerichtete Antrag des Antragstellers gegenstandslos geworden ist (vgl. Senat, Beschl. v. 11.05.2011, VII-Verg 10/11; Beschl. v. 11.05.2011, VII-Verg 8/11; OLG Naumburg, Beschl. v. 21.06.2010 - 1 Verg 12/09). Der Wortlaut der § 114 Abs. 2 S. 2, § 128 Abs. 3 S. 3 GWB geht erkennbar von diesem Verständnis aus. Läge eine Erledigung nur dann vor, wenn der Nachprüfungsantrag ursprünglich zulässig und begründet gewesen wäre, wäre der das Ergebnis offen lassende Wortlaut "ob eine Rechtsverletzung vorgelegen hat", nicht verständlich, weil dann bei einer Erledigung immer eine Rechtsverletzung vorläge. Der Gesetzgeber hat sich insoweit an § 71 Abs. 2 S. 4 GWB und § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO orientiert. In der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass - anders als in einem Zivilprozess - Erledigung unabhängig davon eintreten kann, ob der Antrag ursprünglich zulässig und begründet war. Der Bundesgerichtshof hat diese Rechtsprechung für die Regelung des § 71 Abs. 2 S. 2 GWB übernommen (WuW/E BGH 2211, 2213 - Philipp Morris/Rothmans).

Das Vergabenachprüfungsverfahren hat sich dadurch erledigt, dass die Antragsgegnerinnen den Beigeladenen wirksam den Zuschlag erteilt und die ausgeschriebenen Rabattverträge mit ihnen geschlossen haben. Dadurch ist der auf die Aufhebung des Vergabeverfahrens gerichtete Gegenstand des Nachprüfungsantrages entfallen.

b.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerinnen ist der Antragstellerin das erforderliche Rechtsschutzinteresse nicht abzusprechen.

Ein Feststellungsinteresse rechtfertigt sich durch jedes nach vernünftigen Erwägungen und nach Lage des Falles anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, wobei die beantragte Feststellung geeignet sein muss, die Rechtsposition des Antragstellers in einem der genannten Bereich zu verbessern und eine Beeinträchtigung seiner Rechte auszugleichen oder wenigstens zu mildern (vgl. Senat, Beschl. v. 04.05.2009, VII-Verg 68/08 m.w.N.) In geeigneten Fällen kann mit einem Feststellungsantrag auch der Gefahr einer Wiederholung begegnet werden (vgl. Senat, Beschl. v. 2.5.2002, Verg 6/02, NZBau 2002, 583). Es soll dadurch sichergestellt werden, dass der Antragsteller der Früchte des von ihm angestrengten Nachprüfungsverfahrens nicht verloren geht (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 VwGO, Rn. 147 m.w.N). Da die Antragsgegnerinnen in dem Vergabenachprüfungsverfahren die Ausgestaltung der Ausschreibung als rechtmäßig verteidigen, ist - worauf die Antragstellerin zu Recht hinweist - davon auszugehen, dass sie auch bei künftigen Ausschreibungen an der Grundkonzeption festhalten werden, so dass die Gefahr einer Wiederholung besteht.

Zudem kann ein Feststellungsinteresse gegeben sein, wenn der Antrag der Vorbereitung einer Schadensersatzforderung dient (vgl. § 124 Abs. 1 GWB; so im Übrigen auch die Gesetzesbegründung BT-Drs. 13/9340; vgl. Sonderveröffentlichung der WuW, S. 166). Indem sich die Antragstellerin darauf berufen hat, es komme ein Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses in Betracht, hat sie dargelegt, sich die Verfolgung eines entsprechenden Schadensersatzbegehrens zumindest offen halten zu wollen. Eine konkrete und verbindliche Festlegung ist insoweit nicht erforderlich.

2.

Die gegen die Rechtmäßigkeit der Ausschreibung, insbesondere der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes und der Gestaltung der Vergabeunterlagen gerichteten Beanstandungen sind ebenso wie der Einwand, das Angebot der Beigeladenen sei auszuschließen gewesen, in der Sache unbegründet, so dass die Antragstellerin durch die Erteilung des Zuschlags nicht in ihren Rechten verletzt wird.

a.

Der Zulässigkeit des ursprünglichen Nachprüfungsantrags steht nicht bereits die fehlende Antragsbefugnis der Antragstellerin entgegen. Aus den von der Vergabekammer zutreffend dargestellten Gründen ergibt sich die Antragsbefugnis der Antragstellerin jedenfalls daraus, dass sie geltend gemacht hat, bei einer auch die Beschaffung von Autoinjektoren erfassenden Ausschreibung bessere Zuschlagschancen auf den Erhalt eines solchen Auftrags zu haben.

b.

Soweit die Antragstellerin sich mit der Beschwerde weiterhin darauf beruft, angesichts der fehlenden vergaberechtlichen Austauschbarkeit der Arzneimittel verstoße die auf den Wirkstoff bezogene, beide Präparate erfassende Ausschreibung gegen den Wettbewerbs- und Transparenzgrundsatz sowie das Gleichbehandlungsgebot, wird zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich auf die Gründe der Entscheidung des Senats über den Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung vom 17. Januar 2011 Bezug genommen. Der Senat hat im Übrigen mit Beschluss vom 11. Mai 2011 (VII-Verg 3/11) eine wirkstoffbezogene Ausschreibung auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Substitutionsregeln des § 129 SGB für zulässig erachtet.

c.

Ein Vergaberechtsverstoß ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragsgegnerinnen die Autoinjektoren nicht in die Ausschreibung einbezogen haben. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin haben die Antragsgegnerinnen ihre Beschaffungsentscheidung nicht auf einen unzutreffend und unvollständig ermittelten Sachverhalt gestützt und damit ihr Bestimmungsrecht beurteilungsfehlerhaft ausgeübt. Die Antragsgegnerinnen haben die therapeutische Relevanz der Autoinjektoren weder ignoriert noch sind sie unrichtigerweise davon ausgegangen, dass es sich dabei um reine Marketingmaßnahmen oder Verbesserungen der Benutzerfreundlichkeit handelt. Wie sich aus dem Vergabevermerk mit hinreichender Deutlichkeit ergibt, haben sie vielmehr die von den Herstellern beanspruchten Unterschiede erkannt und bewertet, so dass sie die Relevanz der Applikationshilfen durchaus erkannt haben. Dem steht auch der Hinweis, es handele sich nicht um zwingende Applikationshilfen für die Anwendung, nicht entgegen. Dieser Hinweis ist sachlich richtig und dient der Abgrenzung zu einem Hilfsmittel, ohne dass ein Medikament nicht verabreicht werden kann und das aus diesem Grund in die Ausschreibung aufzunehmen wäre. Eine unvollständige Sachverhaltsermittlung liegt ihrer Entscheidung, diese nicht in die Ausschreibung einzubeziehen, somit nicht zugrunde.

Die Antragsgegnerinnen sind allerdings abweichend von der Beurteilung der Antragstellerin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Unterschiede der Autoinjektomaten derart vertretbar marginal seien, dass eine Substitution vorgenommen werden könne. Diese Bewertung ist hinzunehmen. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift im Einzelnen aufgezeigten Unterschiede (Einführung mit Schutzkappe ebenso wie automatischer Rückzug der Nadel nur bei dem Betaferon-Injektomat, optische und akustische Anzeige der Beendigung der Injektion bei Betaferon-Injektomat im Gegensatz zu dem rein akustischen Beendigungssignal bei dem Extavia-Injektomat, einfaches Auslösen des Entsicherungsknopfes ohne dass - wie bei dem Extavia-Injektomaten - Druck auf Injektionsstelle ausgeübt werden muss, einheitliche, vormontierte Kanülen sowie unterschiedliche Nadeln) lassen die Gesamtwürdigung der Antragsgegnerinnen gerade nicht als unvertretbar, sachfremd oder willkürlich erscheinen. Dieses kann auch den von der Antragstellerin zitierten klinischen Studien nicht entnommen werden. Diese belegen zwar, dass die Verwendung von Autoinjektoren aus medizinischer Sicht sinnvoll und möglicherweise auch geboten ist. Da aber für beide Präparate derartige Autoinjektomaten erhältlich sind, bleibt bei der Entscheidung der Antragsgegnerinnen, rein wirkstoffbezogen auszuschreiben, die grundsätzliche therapeutische Relevanz der Applikationshilfen gerade nicht außer Betracht. Die Bestimmung des Auftragsgegenstandes kann somit auch unter diesem Gesichtspunkt nicht als sachfremd oder gar willkürlich bewertet werden.

c.

Die Vergabedingungsunterlagen verstoßen schließlich nicht gegen das Transparenzgebot im Sinne des § 97 Abs. 1 GWB oder das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung gemäß §§ 4 Abs. 1. 8 Abs. 1 EG-VOL/A.

aa.

Soweit die Antragstellerin unter Wiederholung und Vertiefung ihres Rügevortrags mit der Beschwerde weiterhin geltend macht, die Antragsgegnerinnen hätten in Verkennung der therapeutisch relevanten Unterschiede rechtswidrige Angaben zur Vertragsumsetzung zugrunde gelegt, wird - wie bereits in dem Beschluss des Senats vom 17. Januar 2011 - auf die zutreffenden und die Einwendungen der Antragstellerin erschöpfend behandelnden Ausführungen der Vergabekammer, denen sachlich und inhaltlich nichts hinzuzufügen ist, verwiesen.

bb.

Im Hinblick auf das ergänzende Vorbringen der Antragstellerin, die Beschwerdegegnerin zu 3) habe auf das Verschreibungsverhalten von Ärzten Einfluss zu nehmen versucht, obgleich entsprechende Maßnahmen in den Verdingungsunterlagen nicht angekündigt worden seien, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt eine sachgerechte Kalkulation nicht möglich gewesen sei, weist der Senat auf S. 10 der Verdingunterlagen hin, wo eine entsprechende Kommunikation mit den Ärzten angekündigt ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet eine einer sachgerechten Kalkulation entgegenstehende Intransparenz der Verdingungsunterlagen demnach aus.

cc.

Mit dem weiteren im Beschwerdeverfahren erstmals erhobenen Vorbringen, angesichts der bevorstehenden Umsetzung des AMNOG zum 1. Januar 2011 und der darin enthaltenen neuen Spannbreitenregelung hätten zum Zeitpunkt der Erstellung der Angebote erhebliche Kalkulationsunsicherheiten bestanden, ist die Antragstellerin gemäß § 107 Abs. 2 Nr. 3 GWB präkludiert. In dem Zeitraum, in dem ein Angebot hätte kalkuliert und eingereicht werden müssen, lag der Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes vor. Danach hätte Betaferon mit der 42-Stückpackung bei kaufmännischer Rundung außerhalb der nach dem Entwurf vorgesehenen Spannbreite für die Packungsröße N 3 gelegen. Da sich das Gesetzesvorhaben zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch in der Entwurfsphase befand, stand nicht fest, ob diese Änderung tatsächlich in Kraft treten würde. Eine etwaige damit verbundene Kalkulationsunsicherheit lag aber auf der Hand. Die Antragstellerin hätte unmittelbar nach der Bekanntgabe rügen können, dass ihr eine sachgerechte Kalkulation angesichts der nicht absehbaren Umsetzung der gesetzgeberischen Absichten nicht möglich sei. Dieses hat sie unterlassen und damit das Recht verloren, sich nunmehr auf die vermeintlichen Kalkulationsunsicherheiten zu berufen. Ein Ausnahmefall, in dem wegen eines besonders schwerwiegenden Verstoßes auch in einem wegen Präklusion unzulässigen Nachprüfungsantrag die Aufhebung des Vergabeverfahrens angeordnet werden (vgl. OLG München, Beschl. v. 10.12.2009, Verg 16/09), liegt nicht vor.

d.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist das Angebot der Beigeladenen nicht wegen fehlender bzw. nicht ordnungsgemäßer Eignungsnachweise zum Einsatz von Unterauftragnehmern vom Vergabeverfahren auszuschließen gewesen.

aa.

Ausweislich der Anordnungen unter Ziff. III.2.2 der Bekanntmachung sowie Ziff. A.III.5 und 10, B.I und II hatten die Bieter die Unterauftragnehmer zu benennen, zu denen insbesondere die Auftragshersteller der Arzneimittel im Sinne des § 9 AMWHV gehören. Dieser Verpflichtung ist die Beigeladene vollständig und ordnungsgemäß nachgekommen, indem sie die geforderten Eigenerklärungen mit den Alnlagen 5a und 5 b dem Angebot beigefügt hat. Die Angaben sind nicht deswegen unvollständig, weil die Beigeladene unstreitig den Hersteller des Applikationssets, die B...AG und den Hersteller der in dem Applikationsset enthaltenen Alkoholtupfer, die T... Group Inc., nicht als Unterauftragnehmer angegeben hat.

Gemäß der Definition in Ziff. A.III.10 der Verdingungsunterlagen zählen zu den "zu benennenden Unteraufragnehmern die Auftragshersteller der Arzneimittel im Sinne des § 9 AMWHV, in deren Produktionsstätten die Arzneimittel, zu denen der Bieter ein Angebot abgibt, hergestellt werden (Herstellung des Wirkstoffs und Fertigstellung des Produkts (Hervorhebung durch den Senat)…)".

Die Antragsgegnerinnen haben das für die vergaberechtliche Bewertung maßgebliche Verständnis des Begriffs des Unterauftragnehmers damit eindeutig und unmissverständlich festgelegt. Durch die Erläuterung, dass es auf die Herstellung des Wirkstoffs und die Fertigstellung des Produkts ankomme, haben sie eine Abgrenzung gerade zu den Herstellern von Nebenprodukten, die den Wirkstoff nicht enthalten und nicht unter dessen Einsatz fertiggestellt werden müssen, vorgenommen. Dabei kann dahinstehen, ob der für die Verabreichung des Medikaments zwingend erforderliche Einsatz von Applikationshilfen und Alkolholtupfern eine Subsumtion des zusammengefassten Produkts - wie die Antragstellerin vorträgt - unter das Arzneimittelrecht rechtfertigt. Maßgeblich ist, dass die Antragsgegnerinnen zu den zu benennenden Unterauftragnehmern nur die Hersteller des Wirkstoffs zählte, zu denen die Produzenten der Applikationssets und der Tupfer erkennbar nicht gehören.

bb.

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin war das Angebot der Beigeladenen auch nicht wegen eines unvollständigen Nachweises über die ihr zur Verfügung stehenden Produktionskapazitäten auszuschließen. Zwar hat die Beigeladene nur einen Liefervertrag mit der Sch... Pharma AG eingereicht und eine Lieferverpflichtung der ebenfalls als Unterauftragnehmerin angegebenen H... Inc. gegenüber der Sch... Pharma AG nicht nachgewiesen. Die Verdingungsunterlagen enthielten aber an keiner Stelle eine eindeutige und unmissverständliche Anforderung des Inhalts, dass die gesamte Lieferkette durch Vorlage entsprechender Lieferverträge nachzuweisen sei. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Verdingungsunterlagen seien in diesem Sinne auszulegen gewesen, ist ein dahingehendes Verständnis durchaus vertretbar. Der von ihr begehrte Ausschluss des Angebots wäre aber nur dann gerechtfertigt, wenn die Anforderungen an den Nachweis eine andere Interpretation vernünftigerweise nicht zulassen (vgl. Senat, Beschl. v. 10.11.2010, VII-Verg 28/10).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Aus Ziff. A. III. 5 .2, A. III.10 der Verdingungsunterlagen geht hervor, dass der Nachweis fremder Produktionskapazitäten entweder über Verpflichtungserklärungen der benannten Unterauftragnehmer oder aber durch Vorlage des Liefervertrages erfolgen kann. Schon nach ihrem Wortlaut lässt sich die Anforderung dahingehend verstehen, dass nur der Liefervertrag mit dem letzten Lieferanten der Lieferkette vorgelegt werden soll. So wird ausdrücklich die Vorlage eines Liefervertrages mit dem benannten Unterauftragnehmer gefordert. Hätten die Antragsgegnerinnen dagegen den vollständigen Nachweis der Lieferkette erwartet, hätte eine offenere Formulierung der Anforderung zumindest nahegelegen.

Die Forderung, denjenigen Liefervertrag vorzulegen, aus dem sich die Lieferverpflichtung des Unterauftragnehmers gegenüber dem Bieter ergibt, stellt ebenfalls ausschließlich auf dieses letzte Glied der Lieferkette ab. Dass die Antragsgegnerinnen die Forderungen auf den Nachweis der Lieferverpflichtung gegenüber dem Bieter beschränken, ist auch nicht sinnlos. Vielmehr verfügt der Bieter regelmäßig zwar über diesen, nicht aber über den Liefervertrag zwischen seiner Lieferanten und deren Vorlieferant, so dass schon praktische Gründe für eine derartige Beschränkung sprechen. Zudem wird das Ziel der Antragsgegnerinnen, anhand der angeforderten Nachweise beurteilen zu können, ob die Bieter die ordnungsgemäße Auftragsdurchführung gewährleisten können, auch durch den Nachweis einer ihm gegenüber bestehenden Lieferverpflichtung über die ausreichende Menge erreicht.

Die in der Bekanntmachung enthaltene und in den Verdingungsunterlagen konkretisierte Forderung an den Bieter, die ihm im Auftragsfall zur Verfügung stehenden fremden Produktionskapazitäten nachzuweisen, umfasst demnach nicht eindeutig und unmissverständlich den lückenlosen Beleg der gesamten Lieferkette. Ein Angebot, mit dem ausschließlich der Liefervertrag zwischen Bieter und Vorlieferantin vorgelegt wird, kann somit nicht als unvollständig ausgeschlossen werden.

Schließlich führt steht auch der Umstand, dass der Liefervertrag in englischer Fassung vorgelegt worden ist, nicht zum Ausschluss des Angebots. Gemäß Ziff. IV.3.6 war das Angebot in deutscher Sprache abzufassen. Allerdings wird die Wertung des Angebots nicht davon abhängig gemacht, dass angeforderte Nachweise in deutscher Sprache vorgelegt werden. Auch Ziff. A.III.5.2 und A.III.10 sehen die Vorlage des Liefervertrages und nicht einer ins Deutsche übertragenen Fassung vor (vgl. auch Senat, Beschl. v. 30.11.2009, VII-Verg 41/09).

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin konnten die Antragsgegnerinnen dem von der Beigeladenen vorgelegten Vertrag auch eine ihr und nicht nur der N... Pharma AG gegenüber bestehende Lieferverpflichtung des Auftragsherstellers entnehmen. Dass die Antragsgegnerinnen ihre dahingehende Überzeugung auf das den Vertragstext erläuternde Schreiben der Beigeladenen vom 10. Dezember 2010 stützen, in dem die Beigeladene ausgeführt hat, sie sei eine "affiliate" im Sinne der vertraglichen Definition, ist nicht zu beanstanden. Ausweislich des von den Antragsgegnerinnen vorgelegten und von der Antragstellerin nicht bestrittenen Geschäftsberichts der N... Pharma AG handelt es sich bei der Beigeladenen um eine 100%ige Tochter und damit um eine "affiliate" im Sinne des Vertrags.

3.

Die Entscheidung zu den Kosten folgt aus § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB.

Mangels näherer Beteiligung der Beigeladenen am Beschwerdeverfahren ist es nicht geboten, ihr Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen. Für die Streitwertfestsetzung ist die auf die streitgegenständlichen Lose entfallende prognostizierte Umsatzsumme maßgeblich. Da diese den Vergabeunterlagen nicht zu entnehmen ist, werden die Verfahrensbeteiligten um entsprechende Angaben binnen zwei Wochen gebeten.

Der Senat betont insoweit, dass die beabsichtigte Festsetzung des Streitwertes keine Stellungnahme zu dem Problem beinhaltet, ob in diesem Beschwerdeverfahren Gerichtskosten erhoben werden können.

Die Beschwerde ist - nach der damaligen Rechtslage zu Recht - vor dem Landessozialgericht eingelegt worden. Infolge des § 207 SGG, eingefügt durch Art. 2 Nr. 5 des Arzneimittelneuordnungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I .S. 2262,2271) ist das Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes auf das Oberlandesgericht übergegangen. Insoweit liegt eine seltene Ausnahme von dem Grundsatz vor, dass sich die Zulässigkeit des Rechtsweges nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Antrages richtet und nachträgliche Änderungen an der Zuständigkeit des zu Recht angerufenen Gerichts nichts ändern. Nach der Rechtsprechung des BSG (NZBau 2010, 777) fielen im vergaberechtlichen Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht keine Gerichtskosten an. Ob in einem derartigen Fall hinsichtlich der Gerichtskosten zu gewähren ist, ist unklar (vgl. auch Gabriel/Weiner, NZS 2010, 423). Denkbar wäre eine (analoge) Anwendung des § 71 Abs. 2 GKG (s. OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.05.2011 - WVerg 42/10). Gegebenenfalls wäre zu klären, ob - anders als noch BVerfGE 11, 139 angenommen hat - nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur unechten Rückwirkung (vgl. NJW 2010, 3629 ff.) jedenfalls für einen gewissen Zeitraum aus verfassungsrechtlichen Gründen Vertrauensschutz zu gewähren ist. Einer weiteren Stellungnahme enthält sich der Senat, weil zuvor der Justizfiskus angehört werden müsste.

Schüttpelz Frister Rubel