FG Düsseldorf, Urteil vom 01.06.2011 - 4 K 3063/10 Z
Fundstelle
openJur 2012, 80390
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin beantragte am 6. Februar 2009, ihr den Status eines "zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten" zu bewilligen und ihr ein AEO-Zertifikat F (Zollrechtliche Vereinfachungen/Sicherheit) zu erteilen. Hinsichtlich der Frage, ob sie Sicherheitsüberprüfungen für Bewerber durchführe, gab sie an, je nach Einsatzort und Funktion ein Führungszeugnis oder eine Zuverlässigkeitsprüfung nach § 7 des Luftsicherheitsgesetzes anzufordern.

Das beklagte Hauptzollamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. Mai 2010 ab, weil die Klägerin für ihre in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten nicht in ausreichendem Umfang Sicherheits- und Hintergrundüberprüfungen vornehme. Sie überprüfe ihre Bediensteten nicht anhand der Listen der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 (VO Nr. 2580/2001) des Rates vom 27. Dezember 2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl EG Nr. L 344/70) und der Verordnung (EG) Nr. 881/2002 (VO Nr. 881/2002) des Rates vom 27. Mai 2002 über die Anwendung bestimmter spezifischer restriktiver Maßnahmen gegen bestimmte Personen und Organisationen, die mit Osama bin Laden, dem Al-Qaida-Netzwerk und den Taliban in Verbindung stehen, und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 467/2001 des Rates über das Verbot der Ausfuhr bestimmter Waren und Dienstleistungen nach Afghanistan, über die Ausweitung des Flugverbots und des Einfrierens von Geldern und anderen Finanzmitteln betreffend die Taliban von Afghanistan (ABl EG Nr. L 139/9).

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie hat am 27. August 2010 Klage erhoben.

Das beklagte Hauptzollamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 21. September 2010 zurück und führte aus: Die von der Klägerin durchzuführenden Sicherheits- und Hintergrundüberprüfungen ihrer Bediensteten erforderten einen Abgleich mit den Namenslisten der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002. Die vorgenannten Verordnungen verfolgten mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dasselbe Ziel wie sie dem Institut des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten im Hinblick auf die Absicherung der weltweiten Lieferketten vor terroristischen Bedrohungen zugrunde liege. Der von der Klägerin geforderte Abgleich mit den Namenslisten der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 belaste sie und ihre Bediensteten zudem weniger als die regelmäßige Vorlage von Führungszeugnissen. Datenschutzrechtliche Vorschriften stünden dem Abgleich nicht entgegen.

Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor: Der vom beklagten Hauptzollamt geforderte Abgleich mit den Namenslisten der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 sei aus datenschutzrechtlichen Gründen unzulässig. Die VO Nr. 2580/2001 und die VO Nr. 881/2002 enthielten für einen solchen Abgleich keine Rechtsgrundlage. Die in diesen Verordnungen vorhandenen Listen seien zudem nicht in rechtsstaatlicher Weise zustande gekommen. § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) berechtige ebenfalls nicht zu der geforderten Verwendung der elektronisch gespeicherten Daten ihrer Bediensteten, weil sie nicht dem Beschäftigungsverhältnis diene. Ein Rückgriff auf § 28 BDSG sei im Rahmen der Überprüfung von Arbeitnehmern unzulässig.

Die Klägerin beantragt,

das beklagte Hauptzollamt unter Aufhebung des Bescheids vom 3. Mai 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 zu verpflichten, ihr den Status eines "zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten" zu bewilligen und ihr ein AEO-Zertifikat F (Zollrechtliche Vereinfachungen/Sicherheit) zu erteilen;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Das beklagte Hauptzollamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 3. Mai 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2010 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 1010 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Hauptzollamt hat es zu Recht abgelehnt, der Klägerin den Status eines "zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten" zu bewilligen und ihr ein AEO-Zertifikat F (Zollrechtliche Vereinfachungen/Sicherheit) zu erteilen.

Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren ist Art. 5a Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex - ZK -) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften. Danach bewilligen die Zollbehörden nach den in Art. 5a Abs. 2 ZK genannten Kriterien den Status eines "zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten" jedem im Zollgebiet der Gemeinschaft ansässigen Wirtschaftsbeteiligten. Die Kriterien für diese Bewilligung umfassen gemäß Art. 5a Abs. 2 Anstrich 4 ZK u.a. angemessene Sicherheitsstandards. Die Sicherheitsstandards des Antragstellers gelten nach Art. 14k Abs. 1 Buchst. f der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZKDVO) der Kommission vom 2. Juli 1993 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften u.a. als angemessen, wenn der Antragsteller, soweit gesetzlich zulässig, künftig in sicherheitsrelevanten Bereichen tätige Bedienstete einer Sicherheitsüberprüfung unterzieht und regelmäßig Hintergrundüberprüfungen vornimmt.

Art. 14k Abs. 1 Buchst. f ZKDVO bestimmt nicht näher, wie die hiernach erforderlichen Überprüfungen durchzuführen sind. Auch die hierzu ergangenen, rechtlich nicht verbindlichen (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union - EuGH - , Urteil vom 11. Februar 2010 Rs. C-373/08 Randnr. 39) Leitlinien der Kommission sehen nur exemplarische Überprüfungsmethoden wie die Anforderung polizeilicher Führungszeugnisse vor (Seite 80 der Leitlinien zum zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten). Der vom beklagten Hauptzollamt geforderte interne Abgleich der in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten der Klägerin mit den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 ist durch Art. 14 Abs. 1 Buchst. f ZKDVO gedeckt. Der Abgleich ist geeignet, Sicherheitsrisiken zu verringern. Wie das beklagte Hauptzollamt zutreffend ausgeführt hat, verfolgen die Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 mit der Bekämpfung des internationalen Terrorismus dasselbe Ziel wie es auch dem Institut des zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten zugrunde liegt (vgl. Summersberger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, ZK Art. 5a Randnr. 5 ff.).

Anders als die Klägerin meint, hat der EuGH die VO Nr. 881/2002 auch nicht in Gänze für nichtig erklärt. Der EuGH hat vielmehr in seinem Urteil vom 3. September 2008 Rs. C-402/05 P und Rs. C-415/05 P (Slg. 2008, I-6351) die VO Nr. 881/2002 nur hinsichtlich der dortigen Kläger für nichtig erklärt. Das beklagte Hauptzollamt hat in seiner Einspruchsentscheidung zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass der geforderte Abgleich mit den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 für die Bediensteten der Klägerin weniger belastend als die Anforderung polizeilicher Führungszeugnisse ist. Den internen Abgleich kann die Klägerin selbst durchführen. Ihre Bediensteten müssen keine polizeilichen Führungszeugnisse beibringen, die möglicherweise Auskunft über nicht sicherheitsrelevante Verfehlungen geben können und daher weitaus mehr in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen als ein bloßer interner Namensabgleich mit den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002.

Die nach Art. 14k Abs. 1 Buchst. f ZKDVO erforderlichen Sicherheitsüberprüfungen stehen unter dem Vorbehalt des gesetzlich Zulässigen. Die Sicherheits- und Hintergrundüberprüfungen sind hiernach nur zulässig, soweit dies gesetzlich zulässig ist. Die Befugnis zur Durchführung der Überprüfungen ergibt sich nicht bereits aus den Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 (a.A. Harings in Dorsch, Zollrecht, ZK Art. 5a Randnr. 103). Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 2580/2001 verpflichtet lediglich Banken, sonstige Finanzinstitute, Versicherungsgesellschaften und sonstige Einrichtungen und Personen zur Übermittlung bestimmter, hier nicht einschlägiger Angaben über eingefrorene Konten und Beträge sowie getätigte Geschäfte. Nur hinsichtlich dieser Angaben haben die vorgenannten Einrichtungen und Personen mit den zuständigen Behörden bei der Überprüfung zusammen zu arbeiten (Art. 4 Abs. 1 Anstrich 4 VO Nr. 2580/2001). Entsprechendes gilt nach Art. 5 Abs. 1 VO Nr. 881/2002. Der Vorbehalt in Art. 14k Abs. 1 Buchst, f ZKDVO ist daher als Verweisung auf das einzelstaatliche Arbeits- und Datenschutzrecht zu verstehen (vgl. Summersberger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, ZK Art. 5a Randnr. 199, 201; Witte, ZK, 5. Aufl., Art. 5a Randnr. 44).

Nach § 4 Abs. 1 BDSG ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten nur zulässig, soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat. Der vom beklagten Hauptzollamt geforderte Abgleich der persönlichen Daten (Namen) der Bediensteten der Klägerin, die nach deren Vortrag elektronisch gespeichert worden sind, mit den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 stellt eine Nutzung personenbezogener Daten i.S. des § 3 Abs. 5 BDSG dar.

Diese Nutzung wird zwar nicht durch § 32 Abs. 1 BDSG erlaubt, weil die Daten nicht (unmittelbar) für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses genutzt werden (a.A. Pottmeyer, AW-Prax 2011, 26, 28). Der vom beklagten Hauptzollamt geforderte Abgleich der in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten der Klägerin mit den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 ist nicht für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder für dessen Durchführung erforderlich, sondern weil Art. 14k Abs. 1 Buchst. f ZKDVO eine Sicherheitsüberprüfung und regelmäßige Hintergrundüberprüfungen im Rahmen des gesetzlich Zulässigen verlangt.

Anders als die Klägerin meint, handelt es sich bei § 32 BDSG jedoch nicht um eine abschließende Bestimmung. Greift § 32 BDSG hinsichtlich personenbezogener Daten eines Beschäftigten nicht ein, ist ein Rückgriff auf § 28 BDSG zulässig (vgl. Gola/Schomerus, BDSG 10. Aufl., § 32 Randnr. 32; Simitis, BDSG, 6. Aufl., § 28 Randnr. 12; Bundestags-Ducksache 16/13657 Seite 20 f.). Das von der Klägerin genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 1986 5 AZR 660/85, BAGE 53, 226 verhält sich nicht zu dieser Frage.

Die Klägerin ist nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BDSG zu dem von ihr geforderten Abgleich mit den Namenslisten der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 befugt. Danach ist die Nutzung personenbezogener Daten für andere als eigene Geschäftszwecke zulässig, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass der Betroffene ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung oder Nutzung hat. Die Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit müssen nicht konkret oder gewichtig sein (vgl. Simitis, BDSG § 28 Randnr. 225).

Nach Überzeugung des Senats kann ernsthaft nicht in Zweifel gezogen werden, dass der geforderte Abgleich erforderlich ist, um diejenigen Personen aus sicherheitsrelevanten Bereichen im Unternehmen der Klägerin fernzuhalten, die im Verdacht stehen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein. Die vom beklagten Hauptzollamt verlangten Maßnahmen sind daher zur Abwehr von Gefahren für die staatliche oder öffentliche Sicherheit erforderlich.

Die nach § 28 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b BDSG erforderliche Interessenabwägung führt nicht zur Unzulässigkeit des geforderten internen Namensabgleichs. Der Begriff der schutzwürdigen Interessen verlangt eine Abwägung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen und des Stellenwertes, den die Verwendung der Daten für ihn hat, gegen die Interessen der speichernden Stelle und der Dritten, für deren Zwecke die Speicherung erfolgt. Dabei sind Art, Inhalt und Aussagekraft der beanstandeten Daten an den Aufgaben und Zwecken zu messen, denen ihre Nutzung dient. Nur wenn diese am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgerichtete Abwägung keinen Grund zu der Annahme bietet, dass die Nutzung der in Frage stehenden Daten zu dem damit verfolgten Zweck schutzwürdige Belange des Betroffenen beeinträchtigt, ist die Nutzung zulässig (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Dezember 1985 VI ZR 244/84, NJW 1986, 2505).

Hiervon ausgehend kann im Streitfall nicht ernsthaft angenommen werden, dass die in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss eines Abgleichs ihrer Namen mit den Namenslisten der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 haben könnten. Der Eingriff ist verhältnismäßig geringfügig, weil lediglich der Name des in sicherheitsrelevanten Bereichen tätigen Bediensteten mit den vorgenannten Listen abgeglichen wird. Das beklagte Hauptzollamt fordert auch keine Übermittlung der Namen, sondern nur einen internen Abgleich. Der Klägerin sind die Namen ihrer Bediensteten ohnehin bekannt. Ein schutzwürdiges Interesse der Bediensteten der Klägerin an dem Ausschluss eines Abgleichs ist nicht erkennbar. Falls ein Bediensteter zu Unrecht in den Listen der Verordnungen Nr. 2580/2001 und Nr. 881/2002 aufgeführt sein sollte, ist er nicht rechtlos gestellt. Er könnte vielmehr hiergegen - wie die Kläger in dem Rechtsmittelverfahren vor dem EuGH in den Rs. C-402/05 P und C-415/05 P - beim Gericht erster Instanz Klage erheben (Art. 256 Abs. 1, 263 Unterabs. 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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