LAG Düsseldorf, Urteil vom 30.06.2011 - 11 Sa 276/11
Fundstelle
openJur 2012, 80193
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 19.01.2011 - 6 Ca 2751/10 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 02.12.1999 bei der Beklagten, die ein Speditionsunternehmen betreibt, beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 enthält u. a. folgende Regelungen:

"1. Vertragsgrundlagen

sind die jeweils zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer- Organisationen gültigen Lohn- und Manteltarifverträge.

…

7. Arbeitsentgeld

a) für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden, exklusive

gesetzlicher Pause

b) der monatliche Brutto-Lohn beträgt DM 5.000,00

c) Einsatzstunden (ab 261) werden mit gesetzlichen und/oder tarifli-

chen Zuschlägen vergütet.

…"

Wegen des näheren Inhalts des Arbeitsvertrages wird ausdrücklich auf diesen verwiesen.

Der Kläger erhielt auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 01.12.1999 zuletzt einen monatlichen Bruttolohn von 2.767,13 €. Seine Arbeitszeit schwankte regelmäßig unterhalb von 260 Stunden.

Die Beklagte legte dem Kläger einen von ihr bereits am 05.07.2010 unterschriebenen neuen Arbeitsvertrag vor. Dieser sah in § 4.1 ein monatliches Festgehalt in Höhe von 1.866,97 € brutto vor. Den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag, der am 01.08.2010 in Kraft treten sollte, unterschrieb der Kläger nicht.

Im August 2010 zahlte die Beklagte ausweislich der von ihr erstellten Abrechnung einen Monatslohn in Höhe von 1.830,08 € brutto, eine "Überstundengrundvergütung" in Höhe von 601,16 € brutto, einen Nachtzuschlag in Höhe von 9,18 € brutto sowie einen Arbeitgeber-Anteil Vermögenswirksame Leistung in Höhe von 13,29 € brutto.

Mit seiner beim Arbeitsgericht Essen am 27.09.2010 eingereichten und der Beklagten am 05.10.2010 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst für August 2010 die Differenz zwischen der bis zum 31.07.2010 von der Beklagten geleisteten festen Monatsvergütung in Höhe von 2.767,13 € und dem von der Beklagten für August 2010 tatsächlich gezahlten Gesamtbruttoentgelt in Höhe von 2.453,71 € (= 1.830,08 € brutto zuzüglich 601,16 € brutto), also 335,89 € brutto, sowie die Zahlung einer monatlichen Bruttovergütung von 2.767,13 € ab September 2010 verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne nicht einseitig die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung ändern.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1.die Beklagte zu verurteilen, an ihn 335,89 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.09.2010 zu zahlen;

2.festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab September 2010 eine monatliche Bruttovergütung von 2.767,13 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht:

Der von ihr ab August 2010 praktizierte Auszahlungsmodus stelle letztlich keine Abweichung von der bisherigen Vereinbarung dar. Die Regelung im Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 zur Arbeitszeit verstoße gegen § 2a, II, Nr. 1 Satz 1 des dort in Bezug genommenen Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2009, wonach die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit - unstreitig - für Kraftfahrer 40 Stunden betrage. Die Arbeitszeitregelung im Arbeitsvertrag sei somit nach §§ 134, 139 BGB teilnichtig. Deshalb könne sie nicht zur Zahlung des vollen Lohnes verpflichtet bleiben. Es sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Verhältnis zwischen dem fiktiven Stundenlohn aus 2.767,13 € brutto monatlich dividiert durch 260 Stunden im Monat zu bilden. Die sich so ergebenden 10,64 € brutto pro Stunde würden sodann bei der tariflichen Grundarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche zu einem Monatslohn von 1.830,08 € brutto führen. Mehrarbeitsstunden über die 40-Stunden-Woche hinaus seien insofern entsprechend dem Stundenlohn zuzüglich tariflicher Zuschläge zu vergüten. Es sei allgemein anerkannt, dass bei einer Arbeitszeitänderung aufgrund gesetzlicher Vorschriften die Vergütung proportional anzupassen sei. Dies müsse schon deshalb gelten, weil sie sich ihrerseits nicht auf eine Änderungskündigung berufen könne.

Mit seinem am 19.01.2011 verkündeten Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte hätte die dem Kläger zustehende Vergütung nicht einseitig anpassen können. Insbesondere hätte die Beklagte nicht nach den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung die tarifliche Grundarbeitszeit von 174 Stunden ihrer Berechnung des dem Kläger ab dem 01.08.2010 gezahlten monatlichen Entgelts zugrunde legen dürfen. Es fehle insoweit an einer planwidrigen Regelungslücke. Denn die Vereinbarung einer monatlichen Arbeitszeit von "bis zu 260 Stunden" verstoße insbesondere nicht gegen das Arbeitszeitgesetz. Sie stehe in Einklang mit der Regelung in § 3 Satz 2 ArbZG. Danach könne die tägliche Arbeitszeit ausnahmsweise zehn Stunden betragen, so dass bei sechs Arbeitstagen pro Woche sich eine wöchentlich grundsätzlich zulässige Arbeitszeit von 60 Stunden ergebe. Bei 52 Wochen pro Jahr folge hieraus pro Monat eine grundsätzlich zulässige Stundenzahl von 260. Der Arbeitgeber könne diese Arbeitszeit nur nicht dauerhaft abrufen, da § 3 Satz 2 ArbZG gerade einen Durchschnitt von acht Arbeitsstunden pro Tag innerhalb des Ausgleichszeitraumes vorsehe. Nichts anderes ergebe sich aus der zwischen den Parteien vereinbarten Regelung. Der Kläger sei zwar - gesetzeskonform - verpflichtet, 260 Stunden zu arbeiten, aber nicht in jedem Monat ("bis zu 260 Stunden"). Darüber hinaus stelle sich die Bildung eines Verhältnisses der höchstzulässigen monatlichen Stundenzahl zum Fixgehalt aus Sicht der Kammer nicht als zulässige Ausfüllung einer Regelungslücke zur Arbeitszeit dar. Im Übrigen handele es sich bei der getroffenen Vereinbarung um eine pauschalierte Überstundenabgeltung, da die Parteien mit der vereinbarten Vergütung auch die vom Kläger zu leistenden Überstunden hätten abgelten wollen. Um von der vereinbarten Pauschalierung auf die "Spitzabrechnung" umzustellen, sei der Arbeitgeber auf den Ausspruch einer Änderungskündigung verwiesen. Aus denselben Gründen könne der Kläger auch die begehrte Feststellung verlangen.

Gegen das ihr am 11.02.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte mit einem beim Landesarbeitsgericht am 25.02.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem hier am 11.04.2011 eingereichten Schriftsatz begründet.

Die Beklagte macht unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend:

Unter Beachtung der geltenden Auslegungsgrundsätze hätten die Parteien in Ziffer 7 lit. a des Arbeitsvertrages vereinbaren wollen, dass der Kläger verpflichtet sein solle, jeden Monat bis zu 260 Stunden zu arbeiten. Einer Auslegung, nach der die Parteien durch ihre Vereinbarung lediglich § 3 ArbZG in Bezug hätten nehmen wollen, stehe die grammatikalische, systematische und teleologische Auslegung der Regelung in Ziffer 7a des Arbeitsvertrages entgegen. Im Übrigen führe eine Auslegung, nach der die Parteien für eine durchschnittliche monatliche Arbeitszeit von 208 Stunden ein Gehalt in Höhe von 2.767,13 € brutto vereinbart hätten, auch nicht zu einem vernünftigen und im Interesse beider Parteien gerecht werdenden Ergebnis. Hiernach würde der Stundenlohn 13,30 € brutto betragen, was mehr als 25 % über dem Tariflohn in der höchsten Lohnstufe liege. Ein Arbeitnehmer könne sich nicht wirksam verpflichten, bis zu 260 Stunden im Monat zu arbeiten. Daher sei nicht nur die Vereinbarung unwirksam, nach der Überstunden erst ab der 261. Stunde im Monat vergütet werden sollten, sondern die Arbeitszeitregelung sei insgesamt nichtig. Die verbotenen Teile eines teilweise nichtigen Arbeitsvertrages würden durch die einschlägigen gesetzlichen oder tariflichen Bestimmungen, hier § 2a II Nr. 1 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft im Tarifgebiet Nordrhein-Westfalen vom 21.04.2009 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden (entspricht 173 Stunden im Monat), ersetzt. Das habe zur Folge, dass im Wege des Dreisatzes die ursprünglich vereinbarte monatliche Vergütung in Höhe von 2.767,13 € brutto, die sich auf bis zu 260 Stunden beziehe, proportional an die zulässige Arbeitszeit von bis zu 173 Stunden im Monat anzupassen sei. Der Umstand, dass der Kläger in der Vergangenheit auch weniger als 260 Stunden im Monat gearbeitet habe, stehe dieser Vergütungsanpassung nicht entgegen. Bei lebensnaher Auslegung stelle die vereinbarte Vergütung auch eine Gegenleistung für die Möglichkeit dar, ihrerseits Arbeitsleistungen im Umfang bis zu 260 Stunden pro Monat vom Kläger zu verlangen. Die vom Arbeitsgericht in seinem Urteil angeführte Möglichkeit einer Änderungskündigung sei nicht das richtige Anpassungsmittel.

Die Beklagte beantragt zuletzt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Essen, Az.: 6 Ca 2751/10 vom 19.01.2011 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und macht unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens ergänzend geltend:

Der Beklagten sei entgegenzuhalten, dass sie selbst die von ihr jetzt als teilnichtig angesehenen vertraglichen Regelungen entworfen und mit ihm vereinbart hätte. Ihr Vorgehen verstoße zudem gegen ihre selbstbindende Zusicherung in der Mitarbeiterinformation vom 11.12.2009, in der sie - unstreitig - erklärt habe, neue arbeitsrechtliche Bedingungen würden nur umgesetzt "nachdem wir von jedem Einzelnen das Einverständnis eingeholt haben". Die im Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 geregelte Arbeitszeit von "bis zu 260 Stunden" mit dem gleichzeitig festgehaltenen Gehalt sei eine in jeder Hinsicht zulässige Gesamtregelung, die für die Beklagte durchaus auch Vorteile gehabt habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen.

Gründe

A.

Die Berufung der Beklagten, gegen deren Zulässigkeit keinerlei Bedenken bestehen, ist unbegründet.

I.Zunächst hat die Vorinstanz zutreffend erkannt, dass dem Kläger für August 2010 gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung eines Restlohns in Höhe von 335,89 € brutto nebst Zinsen zusteht.

1.Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung von 335,89 € brutto als Restlohn für August 2010 gemäß § 611 Abs. 1 BGB verlangen.

a)Nach Ziffer 7 lit. a und b des Arbeitsvertrages der Parteien vom 01.12.1999 stand dem Kläger bis zum 31.07.2010 ein monatlicher Bruttolohn in unstreitiger Höhe von 2.767,13 € zu. Dieser Betrag stellt auch, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, den Bruttolohn des Klägers für den Monat August 2010 dar. Den Anspruch des Klägers auf diesen Lohnbetrag für den genannten Monat hat die Beklagte lediglich in Höhe von 2.431,24 € brutto erfüllt mit der Folge, dass der Lohnanspruch für den streitgegenständlichen Monat nur in dieser Höhe erloschen (vgl. § 362 Abs. 1 BGB) und in Höhe von 335,89 € brutto noch zu erfüllen ist.

b)Richtig gesehen hat das Arbeitsgericht, dass die Beklagte mit Wirkung von August 2010 das dem Kläger monatlich zustehende Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 2.767,13 € brutto nicht auf 1.830,08 € brutto im Wege der Ausübung des ihr zustehenden Direktionsrechts (vgl. § 106 Satz 1 GewO) reduzieren konnte. Im Wege des Direktionsrechts können nämlich nicht die in § 611 Abs. 1 BGB konkret geregelten Hauptpflichten des Arbeitsvertrages, d. h. die Arbeitsleistung und das Arbeitsentgelt, geändert werden. Hiergegen hat sich die Beklagte mit ihrer Berufung auch nicht gewendet.

c)Richtig erkannt hat die Vorinstanz weiterhin, dass die Beklagte nicht im Wege der von ihr vorgenommenen ergänzenden Vertragsauslegung das monatliche Arbeitsentgelt des Klägers auf 1.830,08 € brutto reduzieren konnte.

aa)Die eigentliche Auslegung hat festzustellen, ob ein bestimmtes Verhalten als Willenserklärung aufzufassen ist und welchen Inhalt die Erklärung hat (vgl. § 133 BGB). Dagegen hat die gemäß § 157 BGB vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung den Zweck, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen (vgl. BGH 25.06.1980 - VIII ZR 260/79 - BGHZ 77, 301, 304). Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung ist demnach das Vorliegen einer Regelungslücke, d. h. einer "planwidrigen Unvollständigkeit" (BGH 21.09.1994 - XII ZR 77/93 - BGHZ 127, 138, 142; BAG 28.09.2006 - 8 AZR 568/05 - Rz. 23 EzA § 611 BGB 2002 Arbeitgeberhaftung Nr. 5). Sie ist gegeben, wenn der Vertrag eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihm zugrunde liegenden Regelungsplan zu verwirklichen. Ohne die Vervollständigung des Vertrages muss eine angemessene, interessengerechte Lösung nicht zu erzielen sein (BGH 17.01.2007 - VIII ZR 171/06 - Rz. 28 ZIP 2007, 774, 777).

bb)Vorliegend ist die von der Beklagten vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen, weil es entgegen ihrer Auffassung an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

(1.)Zunächst folgt die von der Beklagten angenommene Regelungslücke im Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 nicht daraus, dass in ihm unter Ziffer 7 lit. a und lit. b für eine monatliche Arbeitszeit bis zu 260 Stunden ein monatlicher Bruttolohn in Höhe von zuletzt 2.767,13 € (ursprünglich DM 5.000,--) vereinbart worden ist. Diese Regelung ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gemäß § 134 BGB nichtig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen die Arbeitszeitregelung des von den Parteien im Arbeitsvertrag (Ziffer 1) in Bezug genommenen Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft Nordrhein-Westfalen, zuletzt i. d. F. vom 21.04.2009 (künftig: MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft). Zwar bestimmt § 2a II Nr. 1 Satz 1 dieses Tarifvertrages, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden beträgt. Sie kann jedoch nach § 2a II Nr. 1 Satz 3 MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft bis zu 60 Stunden betragen, wenn innerhalb eines Ausgleichszeitraums von regelmäßig sechs Monaten 48 Stunden Arbeitszeit nicht überschritten werden. Bei 52 Wochen pro Jahr folgt hieraus, wie die Vorinstanz bereits festgestellt hat, pro Monat eine grundsätzlich zulässige Stundenzahl von 260 unter Beachtung des vorgenannten Ausgleichszeitraums. Die in § 2a II Nr. 1 Satz 3 des vorerwähnten Tarifvertrages enthaltene Regelung steht in Einklang mit § 21a Abs. 6 Nr. 2 ArbZG, der für die Beschäftigung im Straßentransport eine Tariföffnungsklausel enthält.

(2.)Entgegen der Auffassung der Beklagten ist mit der in Ziffer 7 lit. a des Arbeitsvertrages geregelten Arbeitszeit nicht zugleich vereinbart, dass diese monatlich, d. h. jeden Monat, also ohne den in § 2a II Nr. 1 Satz 3 MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft geregelten Ausgleichszeitraum geschuldet sein sollte. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte mit der in Ziffer 7 lit. a getroffenen Vereinbarung gegen die in § 2a II Nr. 1 Satz 3 MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft enthaltene Regelung verstoßen und damit nicht den dort normierten Ausgleichszeitraum beachten wollte. Im Übrigen räumt die Beklagte selbst ein, dass "bei lebensnaher Auslegung" die in Ziffer 7 lit. b des Arbeitsvertrages vereinbarte Vergütung "auch eine Gegenleistung für die Möglichkeit der Beklagten" darstelle, "Arbeitsleistungen im Umfang von bis zu 260 Stunden pro Monat zu verlangen". Diese Annahme kann selbstverständlich nur unter Berücksichtigung des in § 2a II Nr. 1 Satz 3 MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft geregelten Ausgleichszeitraums gelten. Denn eine "lebensnahe Auslegung" kann nicht tarifwidrig sein.

(3.)Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt die Nichtigkeit der in § 7 lit. a des Arbeitsvertrages getroffenen Arbeitszeitregelung nach § 134 BGB auch nicht daraus, dass gemäß Ziffer 7 lit. c des Arbeitsvertrages Einsatzstunden (ab 261) mit gesetzlichen und/oder tariflichen Zuschlägen vergütet werden. Vorliegend geht es ausschließlich um die Vergütung der vom Kläger vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden, nicht um die Vergütung von Mehrarbeit. Im Übrigen liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass in der Vergangenheit, d. h. bis Juli 2010, die in Ziffer 7 lit. c enthaltene Regelung tatsächlich praktiziert wurde.

d)Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte sich durch die von ihr vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung in Widerspruch zu ihrem eigenen vorausgegangenen Verhalten setzen würde.

aa)Treuwidriges, § 242 BGB widersprechendes Verhalten setzt voraus, dass sich die Beklagte hierdurch in Widerspruch zu eigenem vorausgegangenen Verhalten gesetzt und dadurch beim Kläger ein schutzwürdiges Vertrauen verletzt hat oder anderweitige Umstände die Rechtsausübung als missbräuchlich erscheinen lassen (vgl. nur BAG 15.03.2011 - 1 AZR 808/09 - Rz. 18 EzA § 112 BetrVG 2001 Nr. 40).

bb)Hiervon ist vorliegend auszugehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Beklagte, wie sie selbst eingeräumt hat, durch ihre frühere Geschäftsführung, also in ihrer eigenen Verantwortung, die hier streitgegenständliche Arbeitszeitregelung (§ 7 lit. a) zum Gegenstand des Arbeitsvertrages vom 01.12.1999 gemacht und jahrelang danach verfahren ist. Zum anderen hat die Beklagte durch die in Ziffer 4 Abs. 3 der "Mitarbeiter-Information vom 11.12.2009" enthaltene, nachfolgend wiedergegebene Aussage u. a. in dem Kläger den Eindruck erweckt, dass eine Änderung der im Arbeitsvertrag vom 01.12.1999 getroffenen Arbeitszeit- und Entgeltregelung nur im Wege einer Änderungsvereinbarung (vgl. § 311 Abs. 1 BGB) oder einer Änderungskündigung (vgl. § 2 Satz 1 KSchG) erfolgen sollte. Es heißt dort: "Wir versprechen Ihnen daher schon heute, dass wir neue Verträge nur umsetzen, nachdem wir von jedem Einzelnen das Einverständnis eingeholt haben." Dieser Satz macht nur Sinn mit dem Inhalt, dass allein durch eine Änderungsvereinbarung und im Falle ihres Scheiterns nur im Wege einer Änderungskündigung die im Arbeitsvertrag enthaltene Arbeitszeit- und Arbeitszeitentgeltregelung geändert werden sollte. Neue, von der Beklagten verfasste Verträge können per se nur mit Einverständnis der jeweils betroffenen Arbeitnehmer "umgesetzt" werden. Ansonsten bleibt nur die Änderungskündigung.

e)Entgegen der Auffassung der Beklagten ist, nachdem sich die Parteien nicht auf eine Änderung der in Ziffer 7 lit. a des Arbeitsvertrages enthaltenen monatlichen Arbeitszeit einigen konnten, die ihr noch verbleibende Änderungskündigung nicht ungeeignet, um eine Neufassung des zwischen den Parteien geltenden Arbeitsvertrages auf der Basis des von ihr - der Beklagten - am 05.07.2010 unterschriebenen Arbeitsvertragsentwurfs zu erreichen. Vorliegend kommen nicht die von der Rechtsprechung entwickelten verschärften Anforderungen an eine sozial gerechtfertigte Änderungskündigung gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG i. V. m. § 2 Satz 1 KSchG zur Anwendung, wenn es nur um die Absenkung der bisherigen Vergütung geht (vgl. nur BAG 12.01.2006 - 2 AZR 126/05 - Rz. 19 NZA 2006, 587, 588; BAG 26.06.2008 - 2 AZR 139/07 - Rz. 20 EzA § 2 KSchG Nr. 71; BAG 10.09.2009 - 2 AZR 822/07 - Rz. 34 DB 2010, 563, 565 f.). Hier geht es vielmehr vorrangig um eine Änderung der Arbeitszeit, u. U. weil die Beklagte die in Ziffer 7 lit. a des Arbeitsvertrages geregelte Arbeitszeit i. V. m. dem in § 2a II Nr. 1 Satz 3 MTV Speditions-, Logistik- und Transportwirtschaft enthaltenen Ausgleichszeitraum nicht (mehr) so befolgen kann bzw. will, dass sie dem Kläger entsprechend Arbeit zuweisen kann. Im Zuge der geänderten Arbeitszeit ist dann allerdings auch das Arbeitsentgelt im Wege der Änderungskündigung entsprechend der verringerten Arbeitszeit anzupassen.

2.Der Zinsanspruch ergibt sich dem Grunde nach aus § 286 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB i. V. m. § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB und der Höhe nach aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.

II.Das nach § 256 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG zulässige Feststellungsbegehren ist ebenfalls begründet. Die Beklagte ist gemäß § 611 Abs. 1 BGB i. V. mit Ziffer 7 lit. a und b des Arbeitsvertrages verpflichtet, dem Kläger ab September 2010 monatlich die geschuldete Bruttovergütung in Höhe von 2.767,13 € zu zahlen. Dies folgt ohne Weiteres aus den vorstehenden Ausführungen unter I., auf die ausdrücklich verwiesen wird.

B.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG.

Die Kammer hat die Revision an das Bundesarbeitsgericht gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen.

R E C H T S M I T T E L B E L E H R U N G :

Gegen dieses Urteil kann der Beklagten

R E V I S I O N

eingelegt werden.

Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht

Hugo-Preuß-Platz 1

99084 Erfurt

Fax: 0361 2636 2000

eingelegt werden.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.

Eine Partei, die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

gez.: Prof. Dr. Vossengez.: Schroeder gez.: Flack