OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.05.2011 - VII-Verg 32/11
Fundstelle
openJur 2012, 80153
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 17. März 2011 (VK 3-159/10) unter 2. und 3. aufgehoben und durch folgende Anordnungen ersetzt:

„3. Die Kosten (Gebühren und Auslagen) der Vergabekammer tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerinnen je zur Hälfte, letztere als Gesamtschuldnerinnen.

4. Erstattungsansprüche der Verfahrensbeteiligten wegen ihrer notwendigen Aufwendungen im Verfahren vor der Vergabekammer bestehen nicht.“

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerinnen trägt die Antragstellerin.

Der Streitwert wird auf bis zu 6.000 € festgesetzt.

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

Die Antragsgegnerinnen führten ein Vergabeverfahren zum Abschluss von Arzneimittelrabattverträgen nach § 130a Abs. 8 SGB V über 87 Wirkstoffe für den Zeitraum vom 01. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2013 durch, wobei für jeden Wirkstoff ein Fachlos gebildet war, welches jeweils in 7 Gebietslose aufgeteilt war. Innerhalb der Fachlose waren anhand von Wirkstärke, Darreichungsform und Packungsgröße Preisvergleichsgruppen gebildet worden. Die Antragsgegnerinnen wiesen die Bieter darauf hin, dass in der Vergangenheit eine Umsetzungsquote von 70 % erreicht wurde, was aber wegen der gesetzlichen Änderungen nur bedingt Rückschlüsse auf zukünftige Umsetzungsquoten zulasse. Die Bieter konnten innerhalb der einzelnen Preisvergleichsgruppen eine Staffelung des Rabatt-ApU für 5 unterschiedliche Umsetzungsquotenbandbreiten anbieten, wobei nach Ablauf der Vertragslaufzeit der Rabatt nach der tatsächlich erreichten Umsetzungsquote abgerechnet wurde. Die Angebote der Bieter zu den einzelnen Umsetzungsquotenbandbreiten wurden von den Antragsgegnerinnen bei der Bewertung unterschiedlich gewichtet.

Das Angebot der Antragstellerin zu den Wirkstoffen Alfuzosin (Fachlos Nr. 2), Amiodaran (Nr. 4, Amisulprid (Nr. 5, Bisoprolol (Nr. 8, Finasterid (Nr. 24), Glirnepirid (Nr. 27), Ibuprofen (Nr. 29), Lisinopril (Nr. 35), Lisinopril + Hydrochlorothiazid (Nr. 36), Metformin (Nr. 38), Nitrendipin (Nr. 46), Ramipril (Nr. 49), Ramipril + Hydrochlorothiazid (Nr. 50), Roxithromycin (Nr. 53) und Sumatriptan (Nr. 57) - jeweils Gebietslose 1 bis 7 - wurde von den Antragsgegnerinnen wegen Unauskömmlichkeit ausgeschlossen.

Dagegen wandten sich die Antragstellerin nach erfolgloser Rüge mit ihrem Nachprüfungsantrag und haben geltend gemacht, sie seien auf Grund der Erläuterungen der Antragsgegnerinnen davon ausgegangen, dass eine Auskömmlichkeitsprüfung nur anhand einer Gesamtschau des Angebots und nicht für jede der Umsetzungsquotenbandbreiten, insbesondere nicht für diejenigen, deren Eintritt sehr unwahrscheinlich sei, durchgeführt werde. Im Übrigen könne ein Angebot nicht allein deswegen ausgeschlossen werden, weil es unter den Einstandskosten liege, vielmehr stehe dem Bieter der Nachweis offen, er sei dennoch leistungsfähig und werde den Auftrag ordnungsgemäß ausführen. Sie hat daher beantragt,

die Antragsgegnerinnen zu verpflichten, keine Zuschläge hinsichtlich der Wirkstoffe/Fachlose Alfuzosin (Fachlos Nr. 2), Amiodaran (Nr. 4, Amisulprid (Nr. 5, Bisoprolol (Nr. 8, Finasterid (Nr. 24), Glirnepirid (Nr. 27), Ibuprofen (Nr. 29), Lisinopril (Nr. 35), Lisinopril + Hydrochlorothiazid (Nr. 36), Metformin (Nr. 38), Nitrendipin (Nr. 46), Ramipril (Nr. 49), Ramipril + Hydrochlorothiazid (Nr. 50), Roxithromycin (Nr. 53) und Sumatriptan (Nr. 57) betreffend die Gebietslose 1 bis 7 zu erteilen, ihren, der Antragstellerin, Ausschluss gemäß § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG rückgängig zu machen und das Angebot in die Wertung einzubeziehen.

Durch Beschluss vom 10. Februar 2011 ordnete die Vergabekammer Folgendes an:

Den Antragsgegnerinnen … wird untersagt, den Zuschlag auf die Gebietslose …, Wirkstoffe … zu erteilen. Bei fortbestehender Vergabeabsicht ist das Vergabeverfahren zurückzuversetzen in den Zeitpunkt vor Angebotsabgabe. Den Bietern ist unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer Gelegenheit zur erneuten Angebotsabgabe zu geben.

Die Antragsgegnerinnen … tragen die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) zur Hälfte als Gesamtschuldnerinnen. Die Antragstellerin trägt die Kosten zur Hälfte.

Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin und der Antragsgegnerinnen werden gegeneinander aufgehoben. Die Beigeladenen tragen ihr zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen selbst.

Zur Begründung hat die Vergabekammer in diesen Verfahren ausgeführt, die Durchführung der dritten Wertungsstufe sei intransparent gewesen. Die fehlende Transparenz habe dazu geführt, dass die Antragstellerin ein Angebot abgegeben habe, das sich zwar an den Vorgaben der Antragsgegnerinnen ausrichte und daher nach den von ihnen selbst gesetzten Anforderungen nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen. Andererseits sei das Angebot der Antragstellerin nicht wertungsfähig, weil die Vorgaben der Antragsgegnerinnen fehlerhaft seien. Daher sei sämtlichen Bietern die Gelegenheit zu geben, auf der Grundlage ordnungsgemäßer Vorgaben neue Angebote abzugeben. Insbesondere die Möglichkeit des Bieters, trotz eines Unterkostenangebotes seine Lieferfähigkeit nachzuweisen, sei von den Antragsgegnerinnen zutreffend ausgeschlossen worden, dies gehe aber aus den Unterlagen nicht transparent hervor.

Mit Schriftsatz vom selben Tage, der der Vergabekammer aber erst nach Zustellung des Beschlusses zuging, teilten die Antragsgegnerinnen der Vergabekammer mit, dass sie das Vergabeverfahren am 09. Februar 2011 im Hinblick auf Entscheidungen der Vergabekammer in Parallelverfahren in das Stadium vor Angebotsabgabe zurückversetzt und allen interessierten Bietern Gelegenheit zur Angebotsabgabe unter geänderten Bewerbungsbedingungen entsprechend der Rechtsauffassung der Vergabekammer gegeben hatten.

Am 14. Februar 2011 teilte die Vergabekammer den Verfahrensbeteiligten mit, die Kostenentscheidung sei falsch, es sei eine Umdeutung nach § 47 VwVfG beabsichtigt, wobei die Kosten (einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin) den Antragsgegnerinnen auferlegt werden sollten. Des Weiteren komme eine Rücknahme nach § 48 Abs. 1 VwVfG in Betracht.

Daraufhin hob die Vergabekammer mit Beschluss vom 15. Februar 2011 den Beschluss vom 10. Februar 2011 gemäß § 48 VwVfG vollständig - nicht nur wegen der Kostenentscheidung - rückwirkend wieder auf. Nachdem die Antragstellerin mitgeteilt hatte, sie gehe von einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens infolge Abhilfe aus und wolle von einem Feststellungsantrag absehen, hat die Vergabekammer mit Beschluss vom 17. März 2011 die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens infolge Abhilfeentscheidung der Antragsgegnerinnen festgestellt (Nr. 1), die Kosten der Vergabekammer (Nr. 2) sowie die notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin den Antragsgegnerinnen auferlegt (Nr. 3) und die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin festgestellt (Nr. 4). Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, zwar habe die Abhilfemaßnahme der Antragsgegnerinnen nicht dem Begehren der Antragstellerin entsprochen, die Antragstellerin habe dies jedoch akzeptiert. Im Hinblick auf die Abhilfe hätten die Antragsgegnerinnen auch die Kosten zu tragen.

Gegen die Kostenentscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen. Sie meinen, sie hätten der Rüge der Antragstellerin nur teilweise abgeholfen. Die Antragstellerin habe - unter Rückgängigmachung des Ausschlusses ihres Angebotes gemäß § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG - den Fortgang des Vergabeverfahrens unter Einbeziehung ihres Angebotes begehrt. Dies wäre auf eine Zuschlagserteilung an sie - die Antragstellerin - hinausgelaufen. Stattdessen hätten die Antragsgegnerinnen das Vergabeverfahren wieder in den Stand vor Versendung der Angebote zurückversetzt, wodurch sie - die Antragstellerin - ebenso wie alle anderen Bieter nur die Chance erhalten habe, unter geänderten Bedingungen ein neues Angebot abzugeben. Sie beantragt daher,

den Beschluss der 3. Vergabekammer des Bundes vom 17. März 2011 (VK 3-159/10) hinsichtlich der Entscheidung über die Kosten (Tenor zu 2. und zu 3.) aufzuheben,

auszusprechen, dass sie, die Antragsgegnerinnen, als Gesamtschuldnerinnen und die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer (Gebühren und Auslagen) jeweils zur Hälfte tragen,

auszusprechen, dass ihre, der Antragsgegnerinnen, und die Aufwendungen der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren vor der Vergabekammer gegeneinander aufgehoben werden,

festzustellen, dass die Heranziehung anwaltlicher Verfahrensbevollmächtigter durch sie, die Antragsgegnerinnen, im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig war.

Die Antragstellerin ist dem entgegen getreten. Sie habe weder eine Zuschlagserteilung an sich angestrebt noch sei ihr ihre Rangposition im Rahmen der 4. Wertungsstufe bekannt gewesen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Akten der Vergabekammer und die Vergabeakten verwiesen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerinnen hat Erfolg. Die Kostenentscheidung der Vergabekammer entspricht nicht den Maßstäben des § 128 Abs. 3, Abs. 4 GWB.

1.

Es kann offen bleiben, ob nicht der Beschluss vom 17. März 2011 zu 2. und 3. bereits deswegen aufzuheben ist, weil er von der Kostenregelung im Beschluss vom 10. Februar 2011 abweicht.

a) Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 10. Februar 2011 über den Nachprüfungsantrag (einschließlich der Kosten) eine Entscheidung getroffen. Dieser Beschluss ist spätestens dadurch wirksam geworden, dass er den Verfahrensbeteiligten zugegangen ist (vgl. zum Zeitpunkt des Ergehens des Beschlusses im Sinne des § 116 Abs. 2 GWB Senatsbeschluss vom 09.06.2010 - VII-Verg 19/10).

b) Die Vergabekammer hat sodann mit Beschluss vom 15. Februar 2011 den Beschluss vom 15. Februar 2011 gemäß § 48 VwVfG mit rückwirkender Kraft zurückgenommen.

Dies war rechtswidrig.

Zwar stellt das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer ein Verwaltungsverfahren dar (vgl. § 114 Abs. 3 S. 1, § 115a GWB), auf das grundsätzlich das jeweils geltende VwVfG Anwendung findet (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 31.01.2011 - 2 Verg 1/11).

Das VwVfG gilt jedoch nur insoweit, als das Bundesrecht nichts Anderes regelt. Eine derartige abweichende Regelung kann sich auch aus dem Sachzusammenhang ergeben. Bei der Anwendung des VwVfG ist zu berücksichtigen, dass die Vergabekammer einen Streit zwischen Dritten entscheidet, seine Entscheidung also inhaltlich einem Urteil ähnelt. Mit einer solchen streitentscheidenden Entscheidung ist unvereinbar, dass sie - von Amts wegen oder auf Antrag eines Verfahrensbeteiligten - von der Vergabekammer selbst aufgehoben oder geändert werden kann. Insoweit gilt der Rechtsgedanke des § 318 ZPO auch für die Entscheidungen der Vergabekammer im Nachprüfungsverfahren. Eine Abänderung kann nur im Beschwerdewege nach § 116 GWB erreicht werden. Anderes mag allenfalls gelten für Beschlüsse, mit denen die Vergabekammer ihre Kosten (Gebühren und Auslagen) festsetzt; insoweit handelt die Vergabekammer als klassischer Hoheitsträger.

Nur eine scheinbare Ausnahme erfährt dieser Grundsatz in Fallgestaltungen, bei denen auch ein Urteil von dem betreffenden Gericht trotz des § 318 ZPO unbeachtet bleiben kann, nämlich dann, wenn die Entscheidung kraft Gesetzes gegenstandslos/wirkungslos geworden ist und dies nur deklaratorisch ausgesprochen wird.

Dies ist zum Einen der Fall, wenn der Nachprüfungsantrag noch vor der Vergabekammer, aber nach Beschlusserlass, zurückgenommen wird. Da es sich beim Nachprüfungsverfahren um ein Antragsverfahren handelt (§ 107 Abs. 1 GWB), wird der Verwaltungsakt mit der Antragsrücknahme gegenstandslos (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 9 Rdnr. 36; s. auch § 269 Abs. 3 S. 1 ZPO).

Zum Anderen ist dies der Fall bei einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens. Eine Erledigung tritt zwar bereits mit einem Ereignis ein, welches den Gegenstand des Nachprüfungsantrages beseitigt (und zwar unabhängig von der Begründetheit des Nachprüfungsantrages, vgl. Senatsbeschlusses vom 11.05.2011 - VII-Verg 10/11). Da § 114 Abs. 2 GWB jedoch an den Wortlaut des § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO anknüpft, hat der Eintritt eines erledigenden Ereignisses ebenso wie im Verwaltungsgerichtsprozess eine verfahrensbeendende Wirkung erst dann, wenn entsprechende übereinstimmende Erklärungen der Verfahrensbeteiligten vorliegen und der Antragsteller keinen Feststellungsantrag stellt (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 9 Rdnr. 37; Clausen, in Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, 20. Erg.lief., § 161 Rdnr. 12). In diesem Falle wird eine bereits ergangene Entscheidung gegenstandslos, wobei dann die Erledigungserklärungen vor Einlegung von Rechtsmitteln auch vor der Vergabekammer abgegeben werden und diese eine Kostenentscheidung treffen kann (vgl. Clausen, a.a.O., Rdnrn. 17, 19).

Diese Voraussetzungen lagen am 15. Februar 2011 nicht vor. Die Antragstellerin hat erst mit Schriftsatz vom 17. Februar 2011 - unter Verzicht auf einen Feststellungsantrag - eine Erledigungserklärung abgegeben. Eine entsprechende Erledigungserklärung der Antragsgegnerin - eine solche der Beigeladenen war nicht notwendig (vgl. u.a. OLG Naumburg, Beschluss vom 12.07.2010 - 1 Verg 9/10) - lag auch beim Kostenbeschluss vom 17. März 2011 nicht vor.

Welche Folgen sich daraus für die Wirksamkeit der Beschlüsse der Vergabekammer vom 10. und 15. Februar 2011 ergeben und welche Bedeutung der Tatsache zuzumessen ist, dass die Antragsgegnerinnen Nr. 1 des Beschlusses vom 17. März 2011 über die Erledigung des Nachprüfungsverfahrens nicht angegriffen haben, kann offen bleiben.

Sollte der Beschluss der Vergabekammer vom 15. Februar 2011 nichtig sein (zur Frage der Nichtigkeit eines trotz des Ablaufs der Entscheidungsfrist ergangenen Beschlusses Summa, in juris-PK-Vergaberecht, § 113 GWB Rdnr. 27 ff.; Hunger, in Kulartz/Kus/ Portz, GWB-Vergaberecht, 2. Aufl., § 116 Rdnr. 47; Jaeger, in Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2. Aufl., § 116 Rdnr. 1109) mit der Folge, dass der Beschluss vom 10. Februar 2011 fort gilt (möglicherweise mangels rechtzeitiger Anfechtung sowie übereinstimmender Erledigungserklärung sogar bestandskräftig geworden sein könnte), wäre die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 10. Februar 2011 bereits aus diesem Grunde wieder herzustellen. Eine Berichtigung der Kostenentscheidung der Kostenentscheidung im Beschluss vom 10. Februar 2011 nach § 42 VwVfG (vgl. auch § 319 ZPO) kommt schon nicht in Betracht, weil aus der Begründung nicht erkennbar ist, dass die Antragstellerin nicht teilweise unterlegen gewesen ist. Die Tatbestandsvoraussetzungen einer Umdeutung liegen erkennbar nicht vor.

Der Antragstellerin ist auch für diesen Fall eine Möglichkeit zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde - unter Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - gegen die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 10. Februar 2011 zu gewähren, denn in der Sache war die darin getroffene Kostenentscheidung richtig (vgl. Senatsbeschluss vom 12.05.2011 - VII-Verg 21/11).

2.

Geht man davon aus, dass das Nachprüfungsverfahren entsprechend Nr. 1 des Beschlusses der Vergabekammer vom 17. März 2011 erledigt ist, ist die Kostenentscheidung, wie die Antragsgegnerinnen zutreffend ausführen, zu beanstanden.

Allerdings hat die Vergabekammer im Ansatzpunkt zu Recht ausgeführt, dass über die Kosten des Verfahrens (einschließlich der notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten) nach billigem Ermessen zu entscheiden ist (vgl. Senat, Beschlüsse vom 29.09.2010 - VII-Verg 15/10; vom 28.01.2011 - VII-Verg 62/10; vom 11.05.2011 - VII-Verg 10/11).

Jedoch entspricht eine vollständige Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegnerinnen nicht der Billigkeit.

a) Zur Frage, ob und inwieweit ein Antragsteller bei streitiger Entscheidung unterlegen ist und ihm daher die Kosten (teilweise) auferlegt werden müssen, hat der Senat ausgeführt (Beschluss vom 04.04.2011 - VII-Verg 19/11):

Ob und inwieweit ein Verfahrensbeteiligter im Sinne des § 128 Abs. 3 S. 1 GWB (für die Kosten der Vergabekammer) und des § 128 Abs. 4 S. 1 GWB (für die notwendigen Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten) unterliegt, richtet sich in erster Linie nach dem wirtschaftlichen Begehren des Antragstellers (vgl. Senat, Beschluss vom 22.02.2010 - VII-Verg 62/09; BGH, Beschluss vom 08.02.2011 - X ZB 4/10 - Rdnr. 76 m.w.N.).

Danach führt ein teilweiser Misserfolg einiger Rügen des Antragstellers nicht von vornherein zu einem teilweisen Unterliegen. Erreicht z.B. der Antragsteller entsprechend seinem Begehren das Ausscheiden des Angebots des Beigeladenen aus der Wertung, während das Vergabeverfahren im Übrigen fortgesetzt werden kann, ist es für den Antragsteller unerheblich, ob das Angebot des Beigeladenen nur aus einem oder aus allen von ihm angeführten Gründen auszuschließen ist. Die Bieterchancen des Antragstellers haben sich durch den Ausschluss des Beigeladenen verbessert, wobei das Maß dieser Verbesserung nicht von der Anzahl der Ausschlussgründe abhängt.

Erstrebt der Antragsteller dagegen den Ausschluss des Angebots des Beigeladenen in einem fortzuführenden Vergabeverfahren (wobei dann möglicherweise sogar aller Voraussicht nach sein - des Antragstellers - Angebot den Zuschlag erhalten wird), erreicht er aber demgegenüber wegen Fehlern der Ausschreibung selbst nur die Wiederholung des Vergabeverfahrens (mit der Folge, dass sämtliche Bieter, einschließlich des Beigeladenen, gegebenenfalls sogar Dritte, eine - zweite - Chance erhalten), so haben sich durch die Entscheidung der Nachprüfungsinstanz zwar die Bieterchancen des Antragstellers gegenüber der ursprünglichen Entscheidung der Vergabestelle verbessert, jedoch nicht in einem Umfange wie von ihm begehrt. In diesem Falle hat der Senat auch eine Kostenteilung zur Hälfte für gerechtfertigt gehalten (Beschluss vom 22.02.2010 - VII-Verg 62/09).

Ähnliches gilt, wenn die Vergabekammer aus dem gerügten Vergabefehler über das Begehren des Antragstellers hinausgeht und dadurch die Bieterchancen des Antragstellers gegenüber dem Zustand, der bei antragsgemäßer Entscheidung bestanden hätte, erheblich verringert.

b) Diese Grundsätze müssen auch bei einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens infolge Abhilfe der Vergabestelle gelten. Führt die Abhilfe zu einer Verschlechterung der Bieterchancen gegenüber den Anträgen des Antragstellers, ohne dass der Antragsteller dagegen einschreitet, ist dies - ebenso wie bei einem nichterledigten Verfahren (vgl. Beschluss vom 12.05.2011 - VII-Verg 21/11) zu berücksichtigen.

c) Gemessen an diesen Maßstäben haben die Antragsgegnerinnen durch ihre Maßnahmen, mit der sie den Rügen der Antragstellerin (vermeintlich) abgeholfen haben, die Chancen der Antragstellerin auf Zuschlagserteilung gegenüber ihrem Begehren im Nachprüfungsantrag erheblich verschlechtert.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin die Rückgängigmachung des Ausschlusses ihres Angebots nach § 19 Abs. 6 S. 1 VOL/A-EG und die Einbeziehung ihres Angebotes in die 4. Wertungsstufe begehrt. Sie wollte damit erreichen, dass das Vergabeverfahren unter Einbeziehung ihres Angebotes fortgesetzt werden sollte. Dies hätte - objektiv - zur Folge gehabt, dass das Angebot der Antragstellerin hätte bezuschlagt werden müssen.

Stattdessen haben die Antragsgegnerinnen das Vergabeverfahren in den Verfahrensstand vor Angebotseinreichung zurückversetzt. Dies hat zur Folge gehabt, dass die Antragstellerin erneut ein Angebot erstellen und mit ihren Wettbewerber konkurrieren musste. Hinzu kommt, dass die Rechtsauffassung der Antragstellerin, Unterkostenangebote seien nicht automatisch auszuschließen, vielmehr könne ein Bieter seine Fähigkeit nachweisen, den Vertrag trotzdem zu erfüllen, von der Antragsgegnerinnen in den geänderten Vergabeunterlagen zurückgewiesen worden ist.

Dies bedeutet eine messbare Minderung der Bieterchancen der Antragstellerin gegenüber dem ursprünglich Begehrten. Während sie nach der objektiven Sachlage bei einem Erfolg ihres Antrages höchstwahrscheinlich den Zuschlag erhalten hätte, muss sie nunmehr damit rechnen, in einem erneuten Vergabeverfahren Wettbewerbern zu unterliegen, zumal sie ihr Angebot nach Auffassung der Antragsgegnerinnen anders kalkulieren muss.

Dies gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin den Zuschlag an sich begehrt hat oder - wie hier - nicht. Vielmehr kommt es auch darauf an, ob sich die Bieterchancen des Antragstellers durch die teilweise Zurückweisung seiner Rügen und/oder das Abweichen von seinen Anträgen messbar objektiv nicht in einem derartigen Umfange verbessert haben, wie sich dies nach seinem Begehren erfolgt wäre.

3.

Der Senat hält danach eine hälftige Kostenverteilung für angemessen.

Für die Kosten der Vergabekammer hat dies zur Folge, dass diese von der Antragstellerin einerseits und den Antragsgegnerinnen jeweils zur Hälfte zu tragen sind.

Notwendige Aufwendungen der Verfahrensbeteiligten, die beide durch Verfahrensbevollmächtigte vertreten worden sind, sind danach nicht zu erstatten (§ 92 Abs. 1 S. 2 ZPO analog).

Für eine Anordnung nach § 128 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 VwVfG, wie sie die Antragsgegnerinnen zudem begehren, ist demgegenüber kein Raum. Eine derartige Anordnung ist nur dann geboten, wenn dem betreffenden Verfahrensbeteiligten dem Grunde nach Kostenerstattungsansprüche gegen einen anderen Verfahrensbeteiligten zustehen. Das ist aber gerade auch nach dem Antrag der Antragsgegnerinnen nicht der Fall.

III.

1.

Die Entscheidung zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB. Die Erfolglosigkeit des Begehrens der Antragsgegnerinnen, die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten festgestellt zu wissen, fällt wirtschaftlich nicht ins Gewicht, weil nach ihrem eigenen Antrag Kostenerstattungsansprüche gegen die Antragstellerin nicht bestehen sollten.

2.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Da die Antragsgegnerinnen mit ihrer sofortigen Beschwerde nur erreichen wollen, von der Hälfte der Kosten der Vergabekammer sowie dem Kostenerstattungsanspruch der Antragstellerin entlastetet zu werden, bemisst sich der Streitwert für das Beschwerdeverfarhen nach diesen Kosten. Mangels Unterlagen hat sie der Senat anhand von Vergleichsverfahren auf 6.000 € geschätzt.

Dicks Schüttpelz Frister