LG Arnsberg, Urteil vom 04.05.2011 - 3 S 1/11
Fundstelle
openJur 2012, 79867
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 01.12.2010 (15 C 55/09) unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.617,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2008 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 388,50 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt der Kläger zu 10 % und der Beklag-te zu 90 %; die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen ungenehmigter Verwendung u.a. einer Tragwerksplanung in Anspruch.

Im Jahr 1999 erstellte der Kläger, ein Bauingenieur, für das Bauvorhaben des Beklagten in der E.-Straße 5 in T. eine Tragwerksplanung sowie einen Wärmeschutznachweis. Anschließend rechnete der Kläger seine Leistungen gegenüber dem Beklagten ab, dieser zahlte die Rechnungsbeträge.

Am 23.11.2006 erteilte der Kreis T. dem Beklagten eine Baugenehmigung (Az.: 00000000) zur Errichtung eines Einfamilienhauses in N., L.-Straße 00. Die Rohbauabnahme erfolgte am 09.02.2007. Am 14.02.2007 ging bei dem Bauordnungsamt des Kreises T. die vom Kläger im Jahr 1999 erstellte Tragwerksplanung mit Wärmeschutznachweis ein, wobei auf dem Deckblatt handschriftlich die Adresse des früheren Bauvorhabens gestrichen und die des neuen eingefügt wurden. Am 19.02.2007 ging ein Wärmeschutznachweis der Fa. X. Baugesellschaft mbH vom 14.02.2007 bei dem Bauordnungsamt des Kreises T. zu dem Bauvorhaben des Beklagten in der L.-Straße 18 ein. Unter dem 20.02.2007 erteilte der Kreis T. die Bescheinigung über die Rohbauabnahme.

Als der Kläger Kenntnis davon erlangte, dass die von ihm erstellten Unterlagen bei dem Bauordnungsamt des Kreises T. zu dem Bauvorhaben L.-Straße 00 eingereicht worden sind, stellte er dem Beklagten für die erneute Verwendung der Tragwerksplanung und des Wärmeschutznachweises Beträge von 3.617,22 € und 417,12 € in Rechnung.

Mit Schreiben vom 09.06.2008 (Bl. 9 d. A.) mahnte der Kläger die Zahlung des Rechnungsbetrages in Höhe von 3.617,22 € unter Fristsetzung bis zum 13.06.2008 erfolglos an.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stünde gegen den Beklagten ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung zu. Hierzu hat der Kläger behauptet, der Beklagte habe eigenmächtig die von ihm für das Bauvorhaben E.-Straße 0 in T. erstellten Unterlagen auch für das Bauvorhaben L.-Straße 00 in N. verwendet. Dies sei auch möglich gewesen, da beide Bauvorhaben planerisch identisch seien.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 4.034,34 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2008 sowie eine Geschäftsgebühr in Höhe von 374,90 € zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, dass die Parteien eine Vereinbarung über die nur einmalige Verwendung der streitgegenständlichen Unterlagen getroffen hätten. Jedenfalls könne der Kläger, auch im Rahmen eines Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung allenfalls ein Honorar in Höhe von nicht mehr als 10 % des Mindesthonorars der HOAI verlangen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, er habe nichts auf Kosten des Klägers erlangt, da die Planungsunterlagen des Klägers für das Objekt L.-Straße 00 nicht verwendet worden seien. Die statische Berechnung sowie der Wärmeschutznachweis für dieses Vorhaben seien durch den Dipl.-Ing. O. F. erstellt und bei der Baubehörde eingereicht worden. Dass dies erst nachträglich erfolgt sei, stelle zwar gegebenenfalls einen Verstoß gegen das Bauordnungsrecht dar, sei jedoch für die Frage der Nutzung der Unterlagen des Klägers unerheblich. Soweit die Planungsunterlagen des Klägers zur Akte des Bauordnungsamtes gelangt seien, so handele es sich hierbei um ein Versehen des Architekten U.

Das Amtsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 02.12.2009 (Bl. 62 f. d. A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. C. vom 29.03.2010 (Bl. 67 ff. d. A.) verwiesen. Zudem waren die Bauakten 00000000 Kreis T. Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Kläger stehe ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 2 BGB nicht zu, da nicht feststellbar sei, dass der Beklagte etwas "in sonstiger Weise" erlangt habe, ihm also ein Vermögensvorteil entstanden sei.

Hinsichtlich des Wärmeschutznachweises sei bereits am 19.02.2007 ein weiterer, nicht von dem Kläger erstellter Nachweis bei dem Kreis T. eingegangen. Zudem habe der Kläger selbst vorgetragen, die Anforderungen im Wärmeschutznachweis von 1999 seien überholt, dieser daher für eine mehrfache Verwendung ohnehin nicht geeignet.

In Bezug auf die statische Berechnung könne es dahinstehen, ob der Beklagte diese bei der Baubehörde eingereicht habe, denn zum Zeitpunkt des Eingangs habe die Rohbauabnahme bereits stattgefunden. Es sei daher nicht ersichtlich, inwieweit der Beklagte durch einen von ihm durchgeführten oder veranlassten Eingriff in die Rechtsposition des Klägers einen Vermögensvorteil erlangt habe.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die abändernde Verurteilung des Beklagten begehrt, wobei er gemäß dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. C. hinsichtlich des Wärmeschutznachweises nur noch den hälftigen Nettobetrag in Höhe von 175,26 € begehrt.

Zur Begründung führt die Berufung unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag aus, das Amtsgericht habe aus nicht nachvollziehbaren Gründen und trotz entsprechender Beweisantritte des Klägers nicht aufgeklärt, ob die Planungsunterlagen des Klägers in dem Bauvorhaben des Beklagten L.-Straße 00 in N. verwendet worden sind.

Dass die Unterlagen erst am 14.02.2007 und damit nach der Rohbauabnahme am 09.02.2007 beim Kreis T. eingegangen sind, bedeute nicht, dass diese nicht bei der Errichtung des Objektes verwendet worden seien. Dadurch, dass der Beklagte die Unterlagen vollständig bei der Bauordnungsbehörde eingereicht und das Deckblatt an das aktuelle Bauvorhaben angepasst habe, habe dieser einen Vermögensvorteil erlangt. Hinsichtlich des Wärmeschutznachweises habe der Beklagte zumindest für die Dauer bis zum Eingang des weiteren Nachweises eine Befreiung von den Verpflichtungen des § 68 BauO erreicht und damit "etwas" erlangt.

Zudem habe das Amtsgericht die Verspätungsrügen des Klägers mehrfach ignoriert und dem Beklagten dadurch ermöglicht, seinen Vortrag auf denjenigen des Klägers einzustellen.

Die Entscheidung stehe auch im krassen Widerspruch zur gerichtlichen Mitteilung vom 23.06.2010, in der das Gericht mitgeteilt hatte, es gehe von einer Verwendung der Planungsunterlagen auch in dem Bauvorhaben L.-Straße 00 in N. aus.

Der Kläger beantragt, unter teilweiser Aufhebung des am 01.12.2010 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Soest (Az.: 15 C 55/09) den Beklagten zu verurteilen,

an den Kläger 3.793,93 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.06.2008 zu zahlen;

an den Kläger eine Geschäftsgebühr in Höhe von 374,90 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte trägt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens vor, die Tragwerksplanung des Klägers sei bei dem Bauvorhaben L.-Straße 00 nicht verwendet worden, hierfür habe Herr O. F. eine Statik erstellt. Der Beklagte habe daher keinen anderweitigen Vermögensvorteil erlangt.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 04.05.2011 (Bl. 151 ff. d. A.) Bezug genommen.

Ferner lag die Bauakte 00000000 des Kreises T. vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.

1.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB in Höhe von 3.617,22 € zu, denn der Beklagte hat durch die unberechtigte Verwendung der statischen Berechnung des Klägers aus dem Jahr 1999 in dem Bauvorhaben L.-Straße 00 in N. auf dessen Kosten einen vermögenswerten Vorteil in dieser Höhe erlangt.

a)

Unter einem erlangten "etwas" i. S. d. § 812 Abs. 1 BGB versteht man jeden vermögenswerten Vorteil, wobei dieser auch in ersparten Aufwendungen bestehen kann (Palandt/Sprau, BGB, 69. Auflage, § 812 Rn. 8 und 11). Bei unberechtigter Nutzung fremder Leistungen liegt eine Bereicherung dann vor, wenn bei ordnungsgemäßem Vorgehen für die Nutzung eine Bezahlung geschuldet gewesen wäre (ebenda, Rn. 11, 12).

Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte die statische Berechnung in dem Bauvorhaben L.-Straße 00 in N. verwendet hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Errichtung des Bauvorhabens L.-Straße 00 auf der Grundlage der statischen Berechnung des Klägers aus dem Jahr 1999 erfolgte, sodass es dahinstehen kann, ob die Bauvorhaben E.-Straße 0 in T. und L.-Straße 00 in N. planerisch identisch sind.

Entscheidend ist vorliegend nur, dass der Beklagte die statische Berechnung im Rahmen des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach § 68 BauO NRW verwendet hat. Nach der Nebenbestimmung Nr. 1 zur Baugenehmigung vom 23.11.2006 war die statische Berechnung vor Baubeginn vorzulegen. In den der Baugenehmigung beigefügten "Informationen zur Baugenehmigung" war ferner der Hinweis enthalten, dass der entsprechende Nachweis bei nicht fristgemäßem Eingang gebührenpflichtig durch die Gemeinde angefordert werden würde.

Es ist daher unschädlich, dass die statische Berechnung nicht bereits im Zeitpunkt der Rohbauabnahme zur Bauakte gelangt war. Der Zeuge G. hat hierzu in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgesagt, dass die statische Berechnung in solchen Fällen jeweils nachgefordert werde und eine Bescheinigung über die Rohbauabnahme erst bei Vorliegen der erforderlichen Unterlagen erteilt werde. So war es auch im streitgegenständlichen Bauvorhaben. Die Rohbauabnahme fand am 09.02.2007 statt, am 14.02.2007 ging die statische Berechnung des Klägers beim Bauordnungsamt des Kreises T. ein, die Bescheinigung über die Rohbauabnahme wurde unter dem 20.02.2007 erteilt.

Eine Verwendung der statischen Berechnung des Klägers im vereinfachten Genehmigungsverfahren lag damit spätestens zu diesem Zeitpunkt vor, da aus bauordnungsrechtlicher Sicht die Nebenbestimmung zur Baugenehmigung dadurch erfüllt worden ist. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob die statische Berechnung für das beantragte Bauvorhaben passend war, da dies im vereinfachten Genehmigungsverfahren gem. § 68 Abs. 5 S. 1 BauO NRW nur auf Antrag des Bauherrn geprüft wird.

Aus dem gleichen Grund kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte in der Folgezeit eine weitere Statik durch den Zeugen F. hat erstellen lassen, denn eine solche ist jedenfalls unstreitig zu keinem Zeitpunkt beim Bauordnungsamt des Kreises T. zu dem Bauvorhaben L.-Straße 00 in N. eingereicht worden. Dies war aufgrund der zuvor erfolgten Vorlage der vom Kläger gefertigten statischen Berechnung und der anschließend erteilten Bescheinigung über die Rohbauabnahme auch nicht mehr erforderlich. Unabhängig von der Frage, ob das erst in zweiter Instanz erfolgte Beweisangebot einer Zeugenvernehmung des Herrn F. nach § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen gewesen wäre, war dessen Vernehmung bereits aus diesem Grund nicht erforderlich.

Durch die Verwendung der statischen Berechnung des Klägers hat der Beklagte Aufwendungen in Höhe von 3.617,22 € erspart. Die insoweit von dem Kläger erstellte Rechnung entspricht nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr.-Ing. C. vom 29.03.2010 der Abrechnungssystematik der HOAI und ist daher als Maßstab für eine üblicherweise geschuldete Vergütung heranzuziehen.

b)

Diese Aufwendungen hat der Beklagte in sonstiger Weise und auf Kosten des Klägers erspart.

Eine Leistung des Klägers oder eines Dritten liegt offensichtlich nicht vor, sodass der Vorrang der Leistungskondiktion nicht eingreift. Allein der Umstand, dass der Kläger dem Beklagten die Unterlagen im Jahr 1999 für das damalige Bauvorhaben überlassen hat, stellt keine Leistung hinsichtlich späterer Bauvorhaben dar, da der Kläger insoweit das Vermögen des Beklagten nicht bewusst mehren wollte.

c)

Die Bereicherung des Beklagten erfolgte auch rechtsgrundlos. Nach dem unangegriffenen und überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. - Ing. C. stellt die Erstellung einer statischen Berechnung eine einmalige und objektgebundene Leistung dar. Mangels anderweitiger Vereinbarung zwischen den Parteien war der Beklagte daher nicht berechtigt, die Berechnung ein weiteres Mal zu verwenden. Insoweit ist es auch unerheblich, ob die Vorlage beim Bauordnungsamt durch den Beklagten selbst oder durch einen von ihm beauftragen Architekt erfolgt ist, da eine Eingriffskondiktion ein Verschulden nicht voraussetzt (Palandt/ Sprau, BGB, 69. Auflage, § 812 Rn. 41).

Da eine Herausgabe der erlangten Bereicherung in Form der ersparten Aufwendungen nicht möglich ist, schuldet der Beklagte gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz in Höhe einer angemessenen und üblichen Vergütung, welche der Kläger zutreffend berechnet hat.

2.

Dem Kläger steht dagegen kein Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB wegen der ebenfalls erfolgten Einreichung des vom Kläger im Jahr 1999 erstellten Wärmeschutznachweises zu, da der Beklagte hierdurch keine Aufwendungen erspart und deshalb einen vermögensrechtlichen Vorteil nicht erlangt hat. Unstreitig ist mit Schreiben der X. Baugesellschaft mbH vom 16.02.2007 zu dem Bauvorhaben des Beklagten ein weiterer, aktueller Wärmeschutznachweis eingereicht worden. Dass der Beklagte für den Zeitraum vom 14.02.2007 - Einreichung der klägerischen Unterlagen - bis zum 19.02.2007 - Eingang des Wärmeschutznachweises der X. Baugesellschaft mbH - einen vermögenswerten Vorteil erlangt hat, ist nicht ersichtlich, zumal der weitere Wärmeschutznachweis vor der Erteilung der Bescheinigung über die Rohbauabnahme am 20.02.2007 vorlag, was aus bauordnungsrechtlicher Sicht ausreichend war.

3.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, da sich der Beklagte nach der Zahlungsaufforderung des Klägers vom 09.06.2008 ab dem 14.06.2008 mit der Zahlung des geschuldeten Betrages in Verzug befindet.

Aus dem gleichen Grund schuldet der Beklagte auch vorgerichtlich angefallene Anwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von bis zu 4.000 €, mithin in Höhe von 338,50 €.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 708 Nr. 10 ZPO.