ArbG Minden, Urteil vom 13.04.2011 - 2 Ca 716/10
Fundstelle
openJur 2012, 79377
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 160,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.6.2010 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Der Streitwert wird auf 160,00 EUR festgesetzt.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um tarifliche Ansprüche der Klägerin aus dem ERA-Entgeltabkommen (ERA-EA) vom 18.02.2010.

Dieses bestimmt unter § 2 - Einmalbetrag

Für die Zeit vom 1. Mai 2010 bis 31. März 2011 erhalten die Beschäftigten einen Einmalbetrag in Höhe von insgesamt 320 Euro brutto, der in zwei Raten zu je 160 Euro brutto mit der Entgeltabrechnung für Mai 2010 sowie Dezember 2010 fällig ist.

...

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Teilzeitbeschäftigte erhalten den Einmalbetrag nach Maßgabe ihrer für die elf Monate Mai 2010 bis März 2011 einvertraglich vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Verhältnis zur regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden.

Die Verhandlungen zu diesem Tarifvertrag begannen am 10.02.2010, vorher sind seit Mitte Dezember 2009 Sondierungsgespräche geführt worden.

Die Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall, die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke e.V. und des Unternehmerverbandes der Metallindustrie Ostwestfalen Bielefeld-Herford-Minden e.V. (folgend: Unternehmerverband Ostwestfalen) Der Arbeitgeberverband Minden-Lübbecke e.V. ist selbst nicht Tarifvertragspartei, sondern schließt nur Haustarifverträge für ihre Mitgliedsunternehmen ab. Die Tarifgebundenheit wird durch die Mitgliedschaft in dem Unternehmensverband Ostwestfalen begründet, der selbst für seine Mitglieder Tarifverträge abschließt. Aufgrund dieser beiderseitigen Mitgliedschaft der Parteien in den tarifschließenden Verbänden fanden in der Vergangenheit die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.

Der Tarifabschluss vom 18.02.2010 in der nordrheinwestfälischen Metall- und Elektroindustrie ist von der Mitgliederversammlung des Unternehmerverbandes Ostwestfalen am 25.02.2010 angenommen worden. Hierüber verhält sich das Protokoll der Versammlung vom 25.02.2010. An dieser haben nur Vollmitglieder des Unternehmensverbandes Ostwestfalen teilgenommen, Mitglieder ohne Tarifbindung waren nicht anwesend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Protokoll (Bl. 109/110 d.A. mit Anhang Liste der Anwesenden Bl. 111 d.A.) Bezug genommen.

Im Jahr 2007 war zwischen der Beklagten und der IG Metall - Bezirksleitung Nordrhein-Westfalen ein Unternehmens- und Beschäftigungssicherungsvertrag geschlossen worden, der u.a. den Ausschluss von 326 tariflich beschäftigten Mitarbeitern vorsah. Unter § 8 sah dieser u.a. die Verpflichtung der Beklagten zur Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband für den Zeitraum von einem Jahr nach Ablauf des Vertrages vor. (Bl. 59 bis 64 d.A ) Dieser und dessen Ergänzungsvereinbarung aus dem Jahr 2007 wurden durch Ergänzungsvereinbarung vom 22.12.2008 zum 31.12.2008 beendet und vereinbart, dass ab dem 01.01.2009 wieder die Tarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie NRW in vollem Umfang gelten. (Bl. 66 d.A.)

Mit Schreiben vom 05.November 2009 beantragte die Beklagte den Wechsel in den Status als Mitglied ohne Tarifbindung. Mit Schreiben vom 27.11.2009 bestätigte der Unternehmerverband der Metallindustrie Ostwestfalen, dass der Vorstand diesem Wechsel zugestimmt hat und teilte mit, dass dieser zum 01.01.2010 wirksam wird. (Bl. 74/75 d.A.)

Die neue Satzung des Unternehmensverbandes Ostwestfalen datiert vom 10.06.2008 und wurde unter dem 17.11.2008 in das Vereinsregister eingetragen. (Bl. 83/84 d.A.)

Die Satzung bestimmt, soweit für dieses Verfahren von Interesse:

§ 3 Mitgliedschaft, Rechte und Pflichten:

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Bei Erwerb der Mitgliedschaft oder zu einem späteren Zeitpunkt kann durch Erklärung gegenüber dem Vorstand eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft) begründet werden. Mit der Aufnahme als OT-Mitglied oder der Erklärung des Wechsels in die OT-Mitgliedschaft unterfällt das Mitgliedsunternehmen nicht den durch den Verband selbst oder einen bevollmächtigten Landes- oder Bundesverband geschlossenen Flächentarifverträgen. Flächentarifverträge für OT-Mitglieder sind ausgeschlossen. Dagegen kann für OT-Mitglieder eine fachliche Unterstützung des Verbandes bei firmenbezogenen Tarifverhandlungen erfolgen.

...

Ein OT-Mitglied kann weder an den Wahlen des (allgemeinen) Vorstands noch des Beirats teilnehmen. Ein OT-Mitglied kann sich auch nicht zur Wahl für den Vorstand oder den Beirat stellen., OT-Mitglieder können einen eigenen Vorstandskandidaten speziell als OT-Vorstand zur Vertretung ihrer Interessen im Vorstand aufstellen und mit wählen, dessen Mitwirkung an tarifpolitischen Entscheidungen aber ausgeschlossen ist.

Ein Wechsel von einem Mitgliederstatus mit Tarifbindung in einen solchen ohne Tarifbindung oder umgekehrt, ist nur auf schriftlichen Antrag unter Einhaltung einer Frist von einem Monat zum Monatsende möglich. Über den Antrag entscheidet der Vorstand.

§ 6 Organe

Organe des Vorstandes sind:

a) die Mitgliederversammlung

b) der Beirat

c) der Vorstand

d) die Geschäftsführung

§ 7 Mitgliederversammlung

...

Die Mitgliederversammlung hat folgende Fragen zu regeln:

a) Entscheidung über Tarifabschlüsse

b) Wahl der Vorstandsmitglieder

c) Wahl der Beiratsmitglieder

d) Genehmigung der Jahresrechnung

e) Feststellung des Haushaltsplanes

f) Entlastung des Vorstandes

g) Festsetzung der Mitgliedsbeiträge

h) ...

i) ...

j) Änderung der Satzung

§ 8 Beirat

Der Beirat besteht aus Vorstand und bis zu 15 weiteren Mitgliedern, die durch die tarifgebundenen Mitglieder gewählt werden. ...

Die Mitgliedschaft im Beirat endet..., wenn das Mitglied aus der Tarifbindung ausscheidet,...

...

Von der Beratung und Entscheidung in tarifpolitischen Fragen sind Vertreter von Mitgliedsunternehmen ohne Tarifbindung ausgeschlossen.

§ 9 Vorstand

...

...

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Ein Kandidat für den Vorstand kann von den OT-Mitgliedern als OT-Vorstand benannt werden. Seine Aufgaben beschränken sich auf die Aufgaben nach § 9.8 soweit dadurch nicht tarifpolitische Beschlüsse betroffen sind.

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Der Vorstand wählt den Vorsitzenden und seine Stellvertreter aus seiner Mitte. Der Vorsitzende muss Vertreter eines tarifgebundenen Unternehmens sein.

...

Der Vorstand leitet den Verband. Er vertritt den Verband gerichtlich und außergerichtlich. Er hat insbesondere...

Der Vorstand für Tarifverhandlungen und etwaige Schlichtungsverfahren und leitet eventuell Arbeitskämpfe ein. Er wird dabei vom Beirat unterstützt. Er legt seine Verhandlungsergebnisse dem Beirat zur Prüfung vor. Dieser empfiehlt Annahme des Ergebnisses oder Ablehnung.

Der Vorstand fasst seine Beschlüsse ... Sollte ein OT-Vorstand Mitglied des Vorstands sein, darf er bei tarifpolitischen Beschlüssen nicht mitwirken. Im übrigen...

§ 11 Rechtsvertretung

Für die Vertretung des Verbandes nach außen, für die Verbindlichkeit und Wirksamkeit von Rechtsgeschäften mit Dritten genügt die Vertretung durch 2 Vorstandsmitglieder oder durch ein Vorstandsmitglied und den Hauptgeschäftsführer.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zu den Akten gereichte Exemplar der Satzung verwiesen. (Bl. 76-81d.A.)

Unter dem 14. April 2010 informierte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat, dessen Mitglied die Klägerin ist, über den Wechsel in die OT-Mitgliedschaft und die Absicht, die Tarifvereinbarungen für 2010 bereits nicht mehr umzusetzen. Entsprechend wurde verfahren.

Die Klägerin ist seit dem 01.08.1997 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern tätig. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag besteht nicht. Die Klägerin erhielt allerdings unter dem 25.01.2001 eine Einstellungsbestätigung, die einen Monatslohn nach dem Tarifvertrag der niedersächsischen Metallindustrie mitteilte. Aufgrund einer Änderung des Arbeitsortes erhielt die Klägerin unter dem 3.2.2005 eine Mitteilung über eine Vertragsänderung, die unter anderem mitteilte, dass die Klägerin ab dem 7.2.2005 ein Entgelt nach dem Tarif der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie in Nordrhein-Westfalen erhält. Die Klägerin erhielt sodann auch in der Folge ihre Gehaltsmitteilung auf Basis dieses Tarifvertrages. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schreiben (Bl. 86 - 90 d.A.) verwiesen.

Mit ihrer am 09.06.2010 bei Gericht eingegangen Klage begehrt die Klägerin nunmehr die Zahlung der ersten Rate der tariflichen Einmalzahlung.

Sie ist der Ansicht, der Anspruch auf dynamische Anwendung der tariflichen Regelungen bestehe aufgrund betrieblicher Übung, da die Tarifverträge während der gesamten Beschäftigungsdauer auf ihr Arbeitsverhältnis angewandt worden seien.

Sie beruft sich auf den zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Sanierungstarifvertrag, wonach die Tarifverträge in vollem Umfang nach Beendigung desselben gelten sollten.

Sie rügt, dass die tatsächliche Annahme des Austrittes der Beklagten aus dem Unternehmensverband nicht ausreichend belegt sei. Ferner ist sie der Auffassung, dass eine Einflussnahme der Beklagten auf tarifpolitische Entscheidungen gegeben sei, da ihr Vorstandsmitglied Herr M1 als Beiratsmitglied des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke e.V. fungiere.

Bei dem Tarifwechsel der Beklagten handele es sich um einen unzulässigen Blitzaustritt. Angesichts der seit Mitte Dezember 2009 laufenden Sondierungsgespräche wäre es der IG Metall bei rechtzeitiger Mitteilung der Beklagten im Rahmen der laufenden Tarifauseinandersetzungen oder zu einem früheren Zeitpunkt möglich gewesen, auf die Veränderung bei der Beklagten zu reagieren und etwa gezielte Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Beklagte richten können. Aufgrund dieser Umstände ermangele es der Transparenz gegenüber der am der Tarifverhandlung beteiligten Gewerkschaft.

Nach der Rechtsprechung des BAG sei die Beklagte auch bei einem Statuswechsel an die Tarifverträge gebunden, die Gegenstand der Verhandlung gewesen seien. Danach erfordere der Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit, dass die Mitglieder ohne Tarifbindung von Entscheidungen in Tarifangelegenheiten ausgeschlossen seien. Dies sei nach der Satzung des Unternehmensverbandes ebenfalls nicht der Fall. So ergebe sich nicht, dass die OT-Mitglieder von der Bestimmung über die Verwendung von Fonds für Arbeitskämpfe ausgeschlossen seien. Die Fristen für einen wirksamen Verbandsaustritt (6 Monate) und einen Statuswechsel (1 Monat) stünden nicht im Verhältnis

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 160,00 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2010 an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, die Vertretung der Beklagten durch Herrn M1 im Beirat des Arbeitgeberverbandes Minden-Lübbecke stünde einer OT-Mitgliedschaft im Unternehmensverband Ostwestfalen nicht entgegen, da nur der letzte tarifschließende Partei sei und ein Einfluss des Beirates des Arbeitgeberverbandes Minden Lübbecke auf den Unternehmensverband Ostwestfalen nicht ersichtlich sei.

Der wirksame Wechsel ergebe sich aus den vorgelegten Unterlagen.

Die Voraussetzungen für einen "Blitz-Wechsel" lägen nicht vor, da dieser nicht während laufender Tarifverhandlungen erfolgt sei. Es könne auch dahinstehen, ob im Dezember tatsächlich Sondierungsgespräche stattgefunden hätten, da nach der Rechtsprechung des BAG auf Tarifverhandlungen abzustellen sei, welche aber erst am 10.02.2010 stattgefunden hätten. Arbeitskampfmaßnahmen gegenüber der Beklagten wären im übrigen unzulässig gewesen, da bis zum 30.04.2010 aufgrund des frühestens zum 30.04.2010 kündbaren Entgeltabkommens Friedenspflicht bestanden habe. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sei auch durch den Statuswechsel nicht beeinträchtigt worden, da bei der Beklagten nur 380 Mitarbeiter im Verhältnis zu 700.000 insgesamt in der nordrheinwestfälischen Metall- und Elektroindustrie organisierten Beschäftigten tätig seien.

Aufgrund der Regelungen in § 3 Ziffer 7, 5 Ziffer 2, 8 Ziffer 4 und 9 Ziffer 10 der Satzung sei jede Mitentscheidung in tarifpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen.

Dem stehe nicht entgegen, dass § 7 (Mitgliederversammlung) die OT-Mitglieder nicht ausdrücklich von tarifpolitischen Entscheidungen ausschließe. Diese Bestimmung sei im Kontext der übrigen Bestimmungen zu sehen. So fänden sich eine Fülle von Regelungen, die deutlich die notwendige Trennung zwischen tariffähigen und OT-Mitgliedern sicherten. Diese Notwendigkeit sei auch dem Satzungsgeber bekannt gewesen. Sie nimmt ausdrücklich Bezug auf die Entscheidung des BAG vom 4.6.2008 (4 AZR 419/07) in dem es als unschädlich angesehen wurde, dass die Satzung den automatischen Verlust von Funktionen nach dem Statuswechsel nicht vorsah, da sich aus anderen Regelungen ergab, dass diese Funktionen von Mitgliedern ohne Tarifbindung nicht übernommen werden können. Die Satzung des Unternehmensverbandes Ostwestfalen sei daher dahingehend auszulegen, dass OT-Mitglieder von der Mitgliederversammlung bei Entscheidungen über Tarifabschlüsse auszuschließen seien.

Die tatsächliche Handhabung sei bei der Annahme des Tarifabschlusses vom 18.02.2010 auch entsprechend dem Willen des Satzungsgebers zur eindeutigen Trennung zwischen den Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung erfolgt, wie sich aus dem Protokoll ergebe.

Weder die Einstellungs- und Eingruppierungsmitteilung zu Beginn des Arbeitsverhältnisses noch die regelmäßig übermittelten Entgeltmitteilungen enthielten eine dynamische Bezugnahmeklausel; diese sollten lediglich den Status quo wiedergeben. Eine Absicht der Beklagten, unabhängig von einer Tarifbindung die jeweils gültigen Tarifverträge für die Eisen- und Metallindustrie anzuwenden, ergebe sich daraus nicht

Aus denselben Gründen sei auch keine betriebliche Übung hinsichtlich einer Anwendbarkeit der Tarifverträge entstanden. Die Ansprüche seien jeweils in Erfüllung der tariflichen Verpflichtungen erfüllt worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Vereinbarung im Unternehmens- und Beschäftigungssicherungsvertrag. Auch hier sei die erklärte zukünftige Anwendung des Flächentarifvertrages nur deklaratorisch.

Sie bestreitet die Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifschließenden Gewerkschaft mit Nichtwissen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung des tariflichen Einmalbetrages gem. § 2 Ziff. 1 ERA-Entgeltabkommen (EA) vom 18.02.2010, da die Beklagte aufgrund der nicht hinreichenden Abgrenzung zwischen den Mitgliedergruppen mit und ohne Tarifbindung in der Satzung des Unternehmensverbandes Ostwestfalen nicht wirksam in den Status eines Mitgliedes ohne Tarifbindung gewechselt hat, so dass die Tarifgebundenheit bestehen bleibt.

Bereits mit seiner Entscheidung vom 18.06.2006 (1 ABR 36/05, NZA 2006, 1225) hat das Bundesarbeitsgericht die Möglichkeit für die Begründung einer Mitgliedschaft ohne Tarifbindung in einem Arbeitgeberverband als zulässig anerkennt. Die Möglichkeit, im Wege eines abgestuften Modells neben einer Vollmitgliedschaft oder einer reinen Gastmitgliedschaft auch eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung vorzusehen, folge im Grundsatz aus der Verbandsautonomie und der Koalitionsfreiheit, da Art. 9 GG die Selbstbestimmung der Koalitionen über ihre eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte schütze. Dementsprechend unterfalle auch die Art und Weise der innerverbandlichen Organisation der Betätigungsfreiheit der Koalition. Die Koalitionen seien daher grundsätzlich nicht gehindert, in ihren Satzungen die Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder unterschiedlich auszugestalten. Dies schließe die Möglichkeit ein, Mitgliedschaften vorzusehen, welche nicht die Rechtsfolgen des § 3 TVG auslösten. Die Tarifbindung der Mitglieder der tarifschließenden Verbände beruhe auf deren freiwilligem Eintritt in den Verband und darauf, dass der Tarifabschluss auch durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung oder einen Willensakt des durch Satzung oder konkreten Mitgliederbeschluss dazu ermächtigten Vereinsorgans erfolge. Tarifautonomie als kollektive Privatautonomie gründe sich entscheidend auf mitgliedschaftliche Legitimation. Die Befugnis der Koalitionen, durch kollektive Vereinbarungen mit dem sozialen Gegenspieler Tarifnormen zu vereinbaren, ergebe sich zumindest auch daraus, dass sich die Mitglieder der tariflichen Normsetzungsbefugnis unterworfen hätten. Allerdings bedürfe es zur Tarifgebundenheit keiner ausdrücklichen Unterwerfungserklärung der Verbandsmitglieder. Hierfür genügt regelmäßig der Verbandsbeitritt. Darin kommt der Wille zum Ausdruck, sich an die vom Verband geschlossenen Tarifverträge zu binden. An der mitgliedschaftlichen Legitimation für die Tarifgebundenheit bestimmter Mitglieder fehle es aber, wenn diese grundsätzlich nicht bereit sind, die Tarifverträge gegen sich gelten zu lassen.

Eine OT-Mitgliedschaft widerspricht grundsätzlich weder einfachem Recht noch Verfassungsrecht. § 3 TVG schließe eine OT-Mitgliedschaft nicht generell aus. Die Norm regele eine - wichtige - Rechtsfolge der Mitgliedschaft in einer Koalition, indem sie bestimme, dass die Mitglieder an einen Tarifvertrag, den der Verband schließt, gebunden sind. Sie regelt aber nicht, wer Mitglied im Sinne der Bestimmung ist. Auch beschränke sie nicht die Satzungsautonomie.

Allein durch die Eröffnung der Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft verstoße ein Verband nicht gegen seine Verpflichtung, die Mitglieder gleich zu behandeln. Zum einen steht den Verbandsmitgliedern die Wahl zwischen Voll- und OT-Mitgliedschaft frei. Die unterschiedlichen Rechte und Pflichten beruhten daher auf der freiwilligen Entscheidung des jeweiligen Mitglieds. Zum anderen würden die OT-Mitglieder gegenüber den Vollmitgliedern nicht in unzulässiger Weise benachteiligt oder bevorzugt. Mit der Tarifgebundenheit sind sowohl Rechte als auch Pflichten verknüpft. Daher könne dahinstehen, ob ein etwaiger Verstoß gegen den vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz überhaupt Außenwirkung entfalten könnte.

Durch die Möglichkeit einer OT-Mitgliedschaft würde die Verhandlungsparität zwischen Arbeitgeberverband und Gewerkschaft nicht in unzulässiger Weise zu Lasten der einen oder anderen Seite gestört. Zwar setze eine funktionierende Tarifautonomie voraus, dass zwischen den Tarifvertragsparteien ein ungefähres Kräftegleichgewicht besteht. Unvereinbar mit Art. 9 GG wäre daher die Anerkennung der OT-Mitgliedschaft, wenn diese dazu führen würde, dass die Verhandlungsfähigkeit einer Tarifvertragspartei bei Tarifauseinandersetzungen einschließlich der Fähigkeit, einen wirksamen Arbeitskampf zu führen, nicht mehr gewahrt wäre. Von einer strukturellen Störung der Verhandlungsparität durch jede Form der OT-Mitgliedschaft könne jedoch nicht generell ausgegangen werden.

Durch die Möglichkeit der OT-Mitgliedschaft als solcher entstehe keine die Funktionsfähigkeit des Tarifsystems gefährdende Intransparenz. Anders als die Tarifzuständigkeit des Verbands, die anhand der Satzung zuverlässig feststellbar sein müsse, müsse die Tarifgebundenheit einzelner Mitglieder nicht unmittelbar erkennbar sein. Die Gewerkschaft möge ein berechtigtes Interesse daran haben, zu wissen, welche Mitglieder des Arbeitgeberverbands an einen Tarifvertrag gebunden seien. Dieses Interesse stehe jedoch der Zulässigkeit einer OT-Mitgliedschaft nicht entgegen. Die Frage der Tarifgebundenheit einzelner Arbeitgeber stelle sich nicht nur in Fällen einer OT-Mitgliedschaft, sondern in gleicher Weise, wenn es darum gehe, ob ein Arbeitgeber überhaupt Mitglied des Verbands sei. (grundlegend BAG, s. oben; ihm folgend BAG, Urt. v. 04.06.2008, 4 AZR 419/07, NZA 2008, 1366)

In der Folge hat das Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen die Voraussetzungen für einen wirksamen Wechsel von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine solche ohne Tarifbindung festgelegt.

a)Voraussetzung für einen wirksamen Wechsel ist zum einen, dass ein Wechsel, der während laufender Tarifverhandlungen stattfindet, der Gegenseite mitgeteilt wird. Ein vereinsrechtlich wirksamer Wechsel in eine OT-Mitgliedschaft kann tarifrechtlich unwirksam sein. Ein solcher Wechsel während laufender Tarifverhandlungen kann die Geschäftsgrundlage der Tarifverhandlungen und den Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit stören. Für die tarifrechtliche Wirksamkeit bedarf es daher der Offenlegung gegenüber der an den Verhandlungen beteiligten Gewerkschaft zu einem Zeitpunkt, zu dem diese im Rahmen der laufenden Verhandlungen noch reagieren kann; unterbleibt die Offenlegung, bleibt der Arbeitgeber trotz vereinsrechtliche wirksamen Statuswechsels nach § 3 Abs. 1 TVG an den Tarifvertrag gebunden, der Gegenstand der Verhandlungen war. Grundsätzlich darf die Gewerkschaft bei Aufnahme der Tarifverhandlungen darauf vertrauen, dass diejenigen Arbeitgeber, die bei Verhandlungsbeginn Mitglied des an den Tarifverhandlungen beteiligten Arbeitgeberverbandes waren, an den auszuhandelnden Tarifvertrag gebunden sein werden. (BAG, Urt. v. 4.6.08, 4 AZR 419/07, a.a.O)

Vorliegend war die Beklagte zum Zeitpunkt der Aufnahme von Tarifverhandlungen nicht mehr Mitglied des tarifschließenden Verbandes.

Die Beklagte ist laut der vorgelegten Unterlagen mit Schreiben vom 5. November 2009 zum 31.12.2009 aus der aktiven in die OT-Mitgliedschaft gewechselt. Dies wurde durch den Unternehmensverband mit Schreiben vom 27.11.2009 unter Bezugnahme auf einen Vorstandbeschluss angenommen. (Bl. 74/75 d.A.) Damit war die Beklagte aufgrund der Möglichkeit des Wechsels gem. § 3 Ziff. 8 der Satzung mit einer Frist von einem Monat zum Monatsende fristgemäß und unter Einhaltung der dort vorgesehenen Formalien (schriftlicher Antrag, Annahme durch den Vorstand) in die OT-Mitgliedschaft gewechselt. Dass der in dem Schreiben aufgeführte Vorstandsbeschluss tatsächlich nicht gefasst wurde, behauptet der Kläger nicht.

Unstreitig wurden die Tarifverhandlungen selbst erst am 10.02.2010 aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt war die Beklagte nicht mehr Mitglied des tarifschließenden Verbandes. Die nach dem 31.12.2009, dem Zeitpunkt des Austritts aus dem Arbeitgeberverband, begonnenen Verhandlungen konnten die Beklagte daher nicht mehr binden. Da auch die Aufnahme der Verhandlungen selbst erst nach dem 31.12.2009 erfolgte, bedurfte es auch keiner Offenlegung des Statuswechsels.

b) Weitere Voraussetzung eines wirksamen Statuswechsels ist, dass dieser vereinsrechtlich wirksam erfolgt ist.

Dies setzt voraus, dass die Satzung zum Zeitpunkt des Wechsels in eine OT-Mitgliedschaft, diese Möglichkeit vereinsrechtlich wirksam vorsieht. Dies ist dann gegeben, wenn die diesbezügliche Satzungsänderung in das Vereinsregister eingetragen ist. (§ 71 Abs. 1 BGB; hierzu auch BAG , Urt. v. 26.08.2009, 4 AZR 294/08, NZA-RR 2010, 205 f.)

Gemäß der vorgelegten Auskunft des Amtsgerichtes Bielefeld vom 18.11.2008 ist die Eintragung am 17.11.2008 erfolgt. (Bl. 83, 84 d.A.), damit also erheblich vor dem Statuswechsel der Beklagten.

c) Nach Auffassung der Kammer genügt die Satzung aber nicht den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an eine ordnungsgemäße Trennung der Rechte und Pflichten der Mitglieder mit und ohne Tarifbindung.

Notwendige Voraussetzung einer wirksamen Regelung von OT-Mitgliedschaften ist, dass die Satzung für die Mitglieder ohne Tarifbindung nicht lediglich die Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 TVG abbedingt. Sie muss darüber hinaus für Tarifangelegenheiten eine klare und eindeutige Trennung der Befugnisse von Mitgliedern mit und ohne Tarifbindung vorsehen.

Eine unmittelbare Einflussnahme von OT-Mitgliedern auf tarifpolitische Entscheidungen ist nicht zulässig. OT-Mitglieder dürfen daher nicht in Tarifkommissionen entsandt werden, den Verband im Außenverhältnis nicht tarifpolitisch vertreten und nicht in Aufsichtsorganen mitwirken, die die Streikfonds verwalten. Zudem sind sie von Abstimmungen auszuschließen, in denen die tarifpolitischen Ziele festgelegt oder Ergebnisse von Tarifverhandlungen angenommen werden. Demgegenüber stehen den OT-Mitgliedern die allgemeinen Mitwirkungsrechte eines "gewöhnlichen" Vereinsmitglieds zu, die keinen originären Bezug zur Tarifpolitik des Verbands haben. Die Beteiligung bei der Erörterung tarifpolitischer Fragen mit beratender Stimme ist ebenfalls unbedenklich, da dem Verband auch nicht verwehrt ist, sich durch an die tarifpolitischen Entscheidungen nicht gebundene außenstehende Dritte beraten zu lassen. (BAG, Urt. v. 4.6.2008, 4 AZR 419/07 a.a.O. detailliert; darauf bezugnehmend BAG, 20.05.2009, 4 AZR 179/08, NZA 2010, 102 f; BAG 22.04.2009, 4 AZR 111/08, NZA 2010, 105 f)

Es wird teilweise darüber hinaus auch noch gefordert, die Verbandssatzung müsse vorsehen, dass ein Wechsel in die OT-Mitgliedschaft zum Verlust entsprechender Ämter führe (Löwisch/Rieble § 2 Rn. 34; Buchner NZA 2006, 1377, 1382) . Dieses Erfordernis verneint das BAG jedenfalls dann, wenn die Satzung zwar nicht ausdrücklich für den Fall des Wechsels von einer Mitgliedschaft mit Tarifbindung in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung den Verlust von Funktionen vorsieht, welche im Zusammenhang mit Angelegenheiten der Sozialpolitik, Tarifpolitik oder des Arbeitskampfes stehen. Darauf kommt es aber nicht an, wenn die Satzung in diesem Sinne auszulegen ist. Dies ist dann gegeben, wenn sie in den Regelungen der allgemeinen Rechte und Pflichten der Mitglieder vorsieht, dass derartige Funktionen nicht von Mitgliedern ohne Tarifbindung übernommen werden können. "Der damit zum Ausdruck kommende Regelungswille des Satzungsgebers, die tarifpolitische Willensbildung den Mitgliedern mit Tarifbindung vorzubehalten, könne nur dann die beabsichtigte Wirkung entfalten, wenn mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft auch der automatische Verlust des Amtes verbunden sei."(BAG, BAG, Urt. v. 04.06.2008, 4 AZR 419/08, a.a.O).

Die Satzung des Unternehmerverbandes der Metallindustrie Ostwestfalen Bielefeld - Herford - Minden e.V. genügt nach Auffassung der Kammer diesen Anforderungen nicht, eine Auslegung mit zulässigem Inhalt ist nicht möglich.

Der Beklagten ist zuzugestehen, dass die Satzung bezüglich der Gremien "Beirat" und "Vorstand" weitreichende Regelungen getroffen hat, um die Beteiligung von OT-Mitgliedern an tarifpolitischen Entscheidungen zu verhindern. So bestimmt § 8 Ziff. 1, dass die Mitglieder des Beirates durch die tarifgebundenen Mitglieder gewählt werden. Auch die Mitglieder des Beirates sollen Vertreter von tarifgebundenen Mitgliedsfirmen sein. Auch endet die Mitgliedschaft im Beirat, wenn das Mitglied aus der Tarifbindung ausscheidet, von der Beratung und Entscheidung in tarifpolitischen Fragen sind Vertreter von Mitgliedsunternehmen ohne Tarifbindung auszuschließen.(§ 8 Ziff. 2 und 4)

Nicht so stringent ist die Regelung in § 9 zum Vorstand, da hier theoretisch auch nicht tarifgebundene Mitglieder ein Amt innehaben können, da nur für den Vorsitzenden geregelt ist, dass der Vertreter eines tarifgebundenen Mitglieds sein muss, für die übrigen Vertreter ist dies nicht ausdrücklich geregelt. Inzidenter kann die Regelung insgesamt so ausgelegt werden, dass außer dem von den OT-Mitgliedern nach § 9 Ziff. 4 entsendbaren Vorstandsmitglied kein weiteres OT-Mitglied sein sollte, da weiterhin in Ziff. 10 geregelt ist, dass, "sollte" ein OT-Vorstand Mitglied des Vorstandes sein, dieses nicht bei tarifpolitischen Beschlüssen mitwirken darf. Im Umkehrschluss lässt sich ableiten, dass außer dem von den OT-Mitgliedern entsendbaren Vertreter kein weiterer Vertreter ein OT-Mitglied sein sollte. Ergänzt wird die Regelung durch § 3 Ziff. 7, wonach sich ein OT-Mitglied nicht zur Wahl für den Vorstand oder den Beirat stellen kann. Daraus ergibt sich, dass ein Mitglied, das während seiner Amtszeit den Status wechselt, wohl nicht sein Amt niederlegen müsste, aber von tarifpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen wäre und nicht wiedergewählt werden könnte.

Dies kann aber dahinstehen, da jedenfalls hinsichtlich des für die Tarifpolitik des Verbandes letztlich wichtigsten Organs, die Mitgliederversammlung, eine ausreichende Trennung nicht gegeben ist.

Gem. § 7 Ziff. 2 a) entscheidet die Mitgliederversammlung u.a. über Tarifabschlüsse. Damit vertritt und verantwortet sie letztlich die Tarifpolitik des Verbandes, da unabhängig von den Vorarbeiten durch Vorstand und Beirat und ggf. von diesen organisierten Arbeitskämpfen der abschließende Akt der Annahme oder Verwerfung einer Einigung bei der Mitgliederversammlung liegt.

Hier ist in keiner einzigen Ziffer geregelt, wie mit OT-Mitgliedern zu verfahren ist. Vielmehr sehen die Regelungen in Ziff. 4 die Möglichkeit der Einberufung von außerordentlichen Sitzungen bei Antrag von 10 v.H. der Mitglieder für jedwede Thematik vor. Nach Ziff. 7 ist jede ordnungsgemäß eingeladene Mitgliederversammlung wahl- und beschlussfähig und fasst Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Ziff. 8 ermöglicht bei 2/3 der Stimmen die Abberufung von Vorstands- oder Beiratsmitgliedern, die im übrigen für die Tarifpolitik zuständig sind. Gem. Ziff. 11 hat jedes anwesende oder ordnungsgemäß vertretene Mitglied eine Stimme, eine Beschränkung auf bestimmte Thematiken im Fall von OT-Mitgliedern ist nicht vorgesehen.

Damit sieht die Satzung eben keine ausreichend klare Trennung von tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Mitgliedern bei der Annahme von Tarifabschlüssen vor.

Die Satzung lässt sich auch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dahingehend auslegen, dass der Verlust des Stimmrechtes für OT-Mitglieder bei Abstimmungen über tarifpolitische Entscheidungen sich aus den Regelungen im Übrigen ergibt. Dieses wäre eine Auslegung gegen den Wortlaut. Auf die Regelungen, wie sie die Satzung derzeit enthält könnte sich nach Auffassung der Kammer jedes OT-Mitglied gegenüber seiner Vereinigung berufen, wenn es gegen seinen Willen von tarifpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen werden sollte.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den grundlegenden Regelungen zur Mitgliedschaft in §3 der Satzung. Auch hier ist in keiner Ziffer geregelt, dass die nicht tarifgebundenen Mitglieder bei der Abstimmung in der Mitgliederversammlung nicht in allen Bereichen stimmberechtigt ist. Soweit in Ziff. 5 geregelt ist, dass ein Mitglied mit dem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft nicht mehr den geschlossenen Flächentarifverträgen unterfällt und in Ziff. 6, dass für OT-Mitglieder die tarifpolitischen Beschlüsse des Vorstandes und des Beirates nicht gelten, ist dies nicht mehr, als gerade die Regelung, die das Bundesarbeitsgericht eben nicht als ausreichende Trennung angesehen hat, da sie nicht mehr enthält, als die Abbedingung der Rechtsfolgen des § 3 TVG.

Auch die Regelungen in Ziff. 7 beziehen sich ausschließlich auf den Vorstand und den Beirat und schließen eine Wahlbeteiligung und eine Wählbarkeit für diese Gremien aus. Eine Auslegung dieser Ziffer für die Handhabung in der Mitgliederversammlung ergibt sich nicht, da die Mitglieder ja nicht von jedweder Abstimmung ausgeschlossen werden sollen oder können, ebenso wenig wie von der Teilhabe an dem Gremium selbst. Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass das BAG in seiner bereits mehrfach zitierten Entscheidung vom 4.6.08 - 4 AZR 419/08 eine dahingehende Auslegung vorgenommen hat, so ist der Sachverhalt nicht vergleichbar. Dort ging es um eine fehlende Regelung dazu, dass Mitglieder ohne Tarifbindung ihre Funktionen, die im Zusammenhang mit der Tarifpolitik stehen, verlieren. Dass dies der Fall war (sie also ihre Ämter verlieren), sah das Gericht aus auslegbar an, da sich aus den übrigen Regelungen ergab, dass diese Mitglieder von der Mitwirkung an tarifpolitischen Entscheidungen ausgeschlossen werden. Wie ausgeführt lässt sich dies auf die Mitgliederversammlung nicht übertragen, da zum einen der Verlust der Teilhabe an der Mitgliederversammlung insgesamt gar nicht vereinsrechtlich möglich wäre und gerade § 7 zur Mitgliederversammlung überhaupt keine Regelungen für die Handhabung der Abstimmungen für OT-Mitglieder vorsieht.

Eine Begründung für die Zulässigkeit der Regelung in der o.g. Entscheidung des BAG war, "dass die Satzung ein förmliches Verfahren vorsieht, vor der abschließenden Abstimmung die Stimmberechtigung - und deren Fehlen bei den OT-Mitgliedern - festzustellen. " (BAG, Urt. v. 4.6.08, 4 AZR 419/07, a.a.O., Rz. 42) Die dortige Satzung sah für die Mitgliederversammlung vor, dass in sozialpolitischen Belangen sowie in Tarif- und Arbeitskampfangelegenheiten das Stimmrecht nur den Mitgliedern mit Tarifbindung zusteht und das Stimmrecht durch Vorlage der Mitgliedskarte nachzuweisen ist. Vergleichbare Regelungen sieht die Satzung des Unternehmerverbandes Ostwestfalen nicht vor.

e) Im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten ergibt sich etwas anderes auch nicht aus einer in der Mitgliederversammlung vom 25.02.2010, in der die Tarifabschlüsse angenommen worden sind, praktizierten tatsächlichen Handhabung.

Für die Überprüfung der Rechtslage ist nicht von der geübten tatsächlichen Handhabung auszugehen, sondern von der Rechtslage nach der Satzung. Diese ist in der Regel allein aus ihrem Inhalt auszulegen, der Satzungsinhalt ist einheitlich und objektiv, aus Wortlaut, Sinn und Zweck sowie dem Gesamtzusammenhang der Regelung zu bestimmen. Eine anderweitige Handhabung kann nur in Ausnahmefällen Bedeutung haben, etwa bei bewusstem Satzungsverstoß oder einer sehr geringen Regelungsintensität der Satzung. Zudem könnten sich der Verband oder ein Unternehmen hierauf nicht berufen, da beide an die Satzungsregelungen gebunden sind und im Innenverhältnis zueinander einen durchsetzbaren Anspruch auf deren Einhaltung haben. ( BAG Urt. v. 22.4.2009,, 4 AZR 111/08, a.a.O., Rz. 45; so schon BAG, Beschl. V. 27.11.1964, 1 ABR 13/63, NJW 1965, 887; Soergel-Hadding, BGB, 13. Auflage, § 25 Rz. 32)

Dass demnach bei dieser anscheinend ersten außerordentlichen Mitgliederversammlung zur Abstimmung über einen Tarifvertrag nach der Verabschiedung der im Jahr 2008 geänderten Satzung besonders bewusst auf eine Nichteinladung und eine Nichtabstimmung von OT-Mitgliedern tatsächlich geachtet worden sein dürfte, steht dem Umstand nicht entgegen, dass die Satzung keine Voraussetzungen für eine wirksame Trennung der tarifgebundenen und nicht tarifgebundenen Mitglieder schafft.

Rechtsfolge dieser nicht hinreichenden Abgrenzung ist, dass der mit Schreiben vom 05.11.2009 erklärte Wechsel der Beklagten in die OT-Mitgliedschaft nicht wirksam ist und . nicht zu einer Beendigung der Tarifgebundenheit führt. Als "normales" Mitglied des Unternehmerverbandes Ostwestfalen bleibt sie damit tarifgebunden.

Das am 18. 02.2010 vereinbarte ERA-Entgeltabkommen findet aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit der Parteien Anwendung.

Soweit die Beklagte die Tarifgebundenheit der Klägerseite pauschal bestritten hat, bestünde ein Anspruch der Klägerin jedenfalls im Fall der Weitergeltung der Tarifbindung für die Beklagte. Zwar hat die Beklagte das Bestehen einer betrieblichen Übung dahingehend, dass eine Anwendbarkeit der Tarifverträge in jedem Fall, auch unabhängig von ihrer - der Beklagten - eigenen Tarifgebundenheit bestehen sollte, bestritten. Für diese Rechtsauffassung ergeben sich auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erhebliche Anhaltspunkte.

Danach ist unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Umstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt. Auch die Anwendbarkeit tarifvertraglicher Bestimmungen kann durch betriebliche Übung begründet werden. Die Anbindung an die dynamische Entwicklung tariflich geregelter Arbeitsbedingungen endet bei einer betrieblichen Übung mit diesem Inhalt zum selben Zeitpunkt, wie sie tarifrechtlich auch für einen tarifgebundenen Arbeitnehmer endet, wenn der Arbeitgeber erkennbar nur seine tarifvertraglichen Pflichten erfüllen will. (siehe hierzu nur BAG Urt. v. 17.02.2010, 5 AZR 191/09, - juris - )

Damit spräche vorliegend aufgrund der Handhabung der Beklagten, im Zeitraum ihrer eigenen Tarifgebundenheit jeweils die Tarifanpassungen vorzunehmen und die Entgelte nach Tarif zu zahlen, einiges dafür, dass sie lediglich ihre tariflichen Pflichten als tarifgebundener Arbeitgeber erfüllen wollte.

Nicht streitig war aber zwischen den Parteien, dass angesichts der Tarifbindung der Beklagten selbst, die Anwendung der tariflichen Regelungen auf ihre Arbeitnehmer ohne Ansehen von deren Tarifbindung erfolgte. Nicht anders wäre auch das pauschale Bestreiten der Gewerkschaftsmitgliedschaft der Klägerin durch die Beklagte zu verstehen. Wenn sie aufgrund ihrer eigenen Tarifgebundenheit zur Erfüllung der tariflichen Pflichten an die Arbeitnehmer seit Jahren tarifliche Leistungen erbracht hat, ohne deren Tarifgebundenheit zu prüfen (nur die beiderseitige Tarifgebundenheit kann ja eine tarifliche Pflicht zur Zahlung der Leistungen nach dem Tarifvertrag begründen), so hat sie die tariflichen Leistungen einheitlich an alle Arbeitnehmer im Sinne einer Gleichstellungsabrede im Weg einer betrieblichen Übung erbracht. Solange also ihre eigene Tarifgebundenheit besteht, bleibt jedenfalls auch - bis zu einer Abänderung auf ggf. vertraglichem Weg - weiter bestehen.

Die Klägerin hat daher, solange die Beklagte als tarifgebunden anzusehen ist, unabhängig von einer bestehenden Gewerkschaftszugehörigkeit Anspruch auf die Leistungen nach dem ERA-Entgeltabkommen vom 18.02.2010.

Der Klage war stattzugeben.

II.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 Zpo.

Die Berufung war gem. § 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen.