VG Gelsenkirchen, Urteil vom 15.03.2011 - 6 K 3813/09
Fundstelle
openJur 2012, 78743
  • Rkr:
Tenor

Die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Nachtragsbaugenehmigung vom 10. August 2009 betreffend die Nutzungsänderung einer Gartenfläche in eine Außengastronomie - Az. 463-09-04 - wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer des mit einem Einfamilienreihenhaus bebauten Grundstücks T.------weg 54 in °°°°° H. (Gemarkung C. , Flur °°, Flurstück °°°). Das Schlafzimmer der Kläger befindet sich auf der rückwärtigen Seite des Hauses im ersten Obergeschoss.

Der Beigeladene betreibt auf dem Grundstück T.------weg 56 (Gemarkung C. , Flur °°, Flurstück °°°) eine Pizzeria mit rückwärtiger Außengastronomie. Der Gastraum der Pizzeria ist 77 m2 groß. Im südöstlichen Teil schließt sich an das Hauptgebäude ein eingeschossiger Anbau an. Zwischen den Grundstücken liegt das mit einem Einfamilienreihenendhaus bebaute Grundstück T.------weg 54 a, das eine Breite von ca. 8,3 m hat. Ein Bebauungsplan besteht nicht. In der näheren Umgebung finden sich auf der südlichen Straßenseite neben Wohnhäusern (Einfamilienhäuser, kleine Mehrfamilienhäuser) und der Pizzeria des Beigeladenen einige wenige kleine Ladenlokale. Die auf der nördlichen Seite der Straße befindlichen größeren Mehrfamilienhäuser und ein Discount-Lebensmittelmarkt mit 699 m2 Verkaufsfläche liegen auf dem Gebiet der Stadt H1. . Dem Vorhaben vergleichbare Nutzungen, etwa eine weitere Außengastronomie, finden sich weder in dem fraglichen Teil des T1.------wegs noch auf den rückwärtig anschließenden Grundstücken auf der nördlichen Seite der X.-----straße . Dort finden sich im rückwärtigen Bereich lediglich einige Garagen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den nachfolgenden Kartenausschnitt Bezug genommen.

Im Mai 2008 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zum Umbau und zur Nutzungsänderung des Hauses T.------weg 56 in ein "Wohngebäude mit Imbiss bzw. Schnellrestaurant". Die beantragte Genehmigung wurde ihm unter dem Datum des 11. November 2008 erteilt. Am 8. Januar 2009 gestattete die Beklagte dem Beigeladenen die Nutzung der Pizzeria im Erdgeschoss vor Fertigstellung. In der Folge nahm der Beigeladene den Betrieb auf.

Im April 2009 wandte sich der Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass der Beigeladene Gäste im rückwärtigen Garten bewirtet habe und dies offensichtlich fortführen wolle. Er forderte die Beklagte auf, hiergegen vorzugehen. Aufgrund der Beschwerde untersagte die Beklagte dem Beigeladenen mit Schreiben vom 23. April 2009 die Nutzung der Terrasse zu Zwecken der Außengastronomie. Eine solche Nutzung sei baugenehmigungspflichtig und könne, da das Vorhaben in einem allgemeinen Wohngebiet liege, nur unter Vorlage einer gutachterlichen Schallprognose genehmigt werden.

Am 15. Juni 2009 beantragte der Beigeladene bei der Beklagten die Erteilung einer Nachtragsbaugenehmigung betreffend die Nutzungsänderung einer Gartenfläche in eine Außengastronomie mit ca. 12 Sitzplätzen. Dabei legte er ein Gutachten der TÓV NORD Systems GmbH & Co. KG betreffend die Geräuschemissionen und

-immissionen bei einer Nutzung der Fläche für eine Außengastronomie vor.

Das Gutachten legt bei seiner Beurteilung der zu erwartenden Emissionen bei maximal 12 gleichzeitig anwesenden Gästen einen Schallleistungspegel von 73,8 dB(A) und eine Anordnung der Tische und Stühle nahe der angrenzenden Garagenwand und damit in größtmöglicher Entfernung zur Wohnbebauung zu Grunde. Aufgrund der vorzunehmenden Mittelung über einen Zeitraum von 18 Stunden bei Öffnungszeiten von 12 bis 22 Uhr wird ein gemittelter Schallleistungspegel von 71,2 dB(A) angenommen. Weiterhin wird ein Maximalpegel von 100 dB(A) prognostiziert. Das Gutachten berücksichtigt bei der Ermittlung des Beurteilungspegels verschiedene Zuschläge, so für Informationshaltigkeit von Gesprächen (3 dB(A)), für die Impulshaltigkeit (4,6 dB(A)) und die Geräuscheinwirkungen in Zeiträumen mit einer besonderen Empfindlichkeit (6 dB (A)). Im Ergebnis wird für einen Immissionspunkt an der Südfassade (erstes Obergeschoss) des Hauses T.------weg 54 a ein Beurteilungspegel von 54 dB(A), für einen Immissionspunkt an der Ostfassade (zweites Obergeschoss) dieses Hauses ein Beurteilungspegel von 52 dB(A) angenommen. Insoweit seien die Anforderungen der TA Lärm im Hinblick auf den Immissionsrichtwert für allgemeine Wohngebiete eingehalten.

Die Beklagte erteilte die beantragte Nachtragsbaugenehmigung unter dem Datum des 10. August 2009. Dabei wurde zur Auflage gemacht, dass die Betriebszeit der Außengastronomie nur zwischen 12.00 und 22.00 Uhr liegen dürfe, nicht mehr als 12 Personen gleichzeitig auf der Terrasse bewirtet werden dürften und die genutzte Fläche der Außengastronomie 45 m2 betrage.

Gegen die Nachtragsbaugenehmigung haben die Kläger am 4. September 2009 die vorliegende Klage erhoben.

Die Kläger machen geltend, sie könnten die Gespräche auf der Außenterrasse zum Teil mithören. Auch wenn sie nicht jedes Wort verstünden, so dringe doch beständig ein Gemurmel zu ihnen herüber. Sich laut unterhaltende, sich begrüßende oder angetrunkene Personen führten dabei zu besonders hohen Lärmpegeln, denen sie sich auf ihrem Grundstück nicht entziehen könnten. Darüber hinaus verursachten auch die Bedienvorgänge und das Hantieren mit Tellern, Gläsern und Besteck entsprechenden Lärm. Ebenfalls führe die meist geöffnete Türe zwischen Gastraum und Außenterrasse dazu, dass zusätzliche Geräusche aus dem Inneren vernehmbar seien. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Schall an der Mauer zum Grundstück T.------weg 58 reflektiert werde und so verstärkt auf ihr Grundstück einwirke. Die Beeinträchtigungen träten sowohl in der Mittagszeit wie auch am Abend auf, so dass sie etwa nicht in der Lage seien, sich vor 22.00 Uhr bei geöffnetem Fenster schlafen zu legen oder zu entspannen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass sich die Außengastronomie nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, da sie rücksichtslos sei. Die Außengastronomie wirke sich intensiv und in nicht hinzunehmender Weise auf ihr Grundstück aus.

Die Kläger beantragen,

die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Nachtragsbaugenehmigung vom 10. August 2009 betreffend die Nutzungsänderung einer Gartenfläche in eine Außengastronomie

- Az. 463-09-04 - aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots zulasten der Kläger durch die Außengastronomie nicht vorliege. Das vorgelegte Gutachten gehe von einer Einhaltung der für allgemeine Wohngebiete nach der TA Lärm bestehenden Grenzwerte aus und beruhe darüber hinaus auf einer Maximalwertabschätzung. Tatsächlich lägen die Immissionen - insbesondere in den Nachmittagsstunden, wenn nur wenige Gäste anwesend seien - niedriger.

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Er macht geltend, dass die Terrasse ohnehin kaum von Gästen genutzt werde. Die genehmigte Anzahl von zwölf Gästen werde in der Realität nicht erreicht.

Die Kammer hat am 3. November 2010 durch den Berichterstatter einen Ortstermin durchgeführt. Insoweit wird auf das Terminsprotokoll einschließlich der gefertigten Lichtbilder verwiesen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat Erfolg, denn sie ist zulässig und begründet.

Das Rubrum des Verfahrens ist von Amts wegen dahingehend geändert worden, dass Klagegegner nicht mehr der Bürgermeister der Stadt H. , sondern die Stadt H. selbst ist. Durch das Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung und Bereinigung von Justizgesetzen im Lande Nordrhein-Westfalen vom 26. Januar 2010 (GVBl. NRW S. 30) hat zum 1. Januar 2011 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; auch eine Anfechtungsklage ist nunmehr gegen den Rechtsträger und nicht mehr gegen die handelnde Behörde zu richten.

Die Klage ist begründet, denn die dem Beigeladenen durch die Beklagte erteilte Nachtragsbaugenehmigung zur Nutzungsänderung der Gartenfläche in eine Fläche für Außengastronomie ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Dabei mag dahinstehen, ob die Baugenehmigung schon wegen Unbestimmtheit rechtwidrig ist, da die in dem Lageplan eingezeichnete Fläche und die dem Lärmgutachten, das ebenfalls Teil der Baugenehmigung geworden ist, zugrunde gelegte Fläche nicht deckungsgleich sind. Denn die Baugenehmigung verstößt jedenfalls gegen § 15 Abs. 1 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) i.V.m. § 4 BauNVO und § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB).

Die Außengastronomie als solche ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung zulässig. Für das in Rede stehende Gebiet besteht kein Bebauungsplan. Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht aber einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO, denn es finden sich dort neben einer vorherrschenden Wohnnutzung die Pizzeria des Beigeladenen, die für sich genommen nicht Verfahrensgegenstand ist, und mehrere weitere kleinere Ladenlokale. Ob die auf dem Gebiet der angrenzenden Stadt H1. befindlichen Wohnhäuser und der Discount-Lebensmittelmarkt mit 699 m2 Verkaufsfläche hierbei zu berücksichtigen sind, kann offen bleiben, da sich auch in diesem Fall kein anderes Ergebnis ergäbe. Somit beurteilt sich die Zulässigkeit des verfahrensgegenständlichen Vorhabens gemäß § 34 Abs. 2 BauGB allein danach, ob dieses nach den auf allgemeine Wohngebiete anzuwendenden Vorschriften der BauNVO allgemein zulässig wäre. Nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO sind in allgemeinen Wohngebieten die der Versorgung des Gebiets dienenden Schank- und Speisewirtschaften zulässig. Die Pizzeria des Beigeladenen ist eine solche der Gebietsversorgung dienende Schank- und Speisewirtschaft.

Die Frage der Gebietsversorgung ist für jeden Einzelfall unter Würdigung der konkreten Umstände zu beantworten, wobei ein verbraucherbezogener Einzugsbereich zu bestimmen ist. Ein Indiz für die funktionale Zuordnung einer Gaststätte zu einem Wohngebiet ist neben der gebietsangemessenen Betriebsgröße und einem darauf abgestimmten Nutzungskonzept die fußläufige Erreichbarkeit der Gaststätte, so dass realistischer Weise damit zu rechnen ist, dass sie durch die Gebietsbewohner in einem ins Gewicht fallenden Umfang ausgelastet wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Mai 1998 - 4 B 85/98 -, BRS 60 Nr. 67; OVG NRW, Beschluss vom 16. März 2005

- 10 B 1350/04 -, BRS 69 Nr. 62.

Dies ist hier auch unter Berücksichtigung der Außenterrasse mit 45 m2 und zwölf genehmigten Außensitzplätzen der Fall, da die Pizzeria des Beigeladenen aufgrund ihrer Gesamtgröße und ihres häufig zu findenden Angebots an Speisen und Getränken nicht geeignet ist, nennenswert Kundschaft über das Gebiet hinaus anzulocken.

Gleichwohl erweist sich die verfahrensgegenständliche Außengastronomie nach § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO als unzulässig, denn von ihr gehen Belästigungen und Störungen aus, die nach der Eigenart des Baugebiets unzumutbar und deshalb rücksichtslos sind. Dass durch die Benutzung der Terrassenfläche zum Zwecke der Außengastronomie belästigende, also das körperliche subjektive Wohlbefinden beeinträchtigende,

vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: September 2010, § 15 BauNVO Rn 21; Fickert/Fieseler, BauNVO, 11. Auflage 2008, § 15 Rn 12,

Geräuschemissionen hervorgerufen werden, die auch eine Störung im Sinne der Vorschrift darstellen, da sie eine negative Auswirkung auf die Nutzungsmöglichkeiten anderer baulicher Anlagen,

vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand: September 2010, § 15 BauNVO Rn 21,

- hier des Hauses der Kläger - haben, ist unzweifelhaft.

Ob die von einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsfreien Anlage ausgehenden Immissionen - wie im vorliegenden Fall die durch die Außengastronomie des Beigeladenen zurechenbar verursachten Geräusche - die Grenze der Zumutbarkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO überschreiten, kann nur im Wege einer einzelfallbezogenen Bewertung aller Auswirkungen beurteilt werden. Dabei ist das Rücksichtnahmegebot verletzt, wenn unter Berücksichtigung der schutzwürdigen Interessen das Maß dessen, was billigerweise noch zumutbar ist, überschritten wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. September 1998 - 4 B 88/98 -, BRS 60 Nr. 85; OVG NRW, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 7 A 1868/07 -, n.v.

Eine Zumutbarkeit der von dem Vorhaben ausgehenden Geräuschimmissionen folgt nicht schon daraus, dass nach dem durch den Beigeladenen vorgelegten Lärmgutachten die nach Punkt 6.1 lit. d) der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) anzuwendenden Immissionsrichtwerte für allgemeine Wohngebiete knapp eingehalten werden. Dabei ist zunächst zu bedenken, dass es bei einer Anordnung der Tische entsprechend dem mit dem Bauantrag vorgelegten Lageplan, also abweichend von dem vorgelegten Gutachten, zu einem höheren Immissionsniveau auf dem Grundstück der Kläger kommen könnte, da insoweit eine geringfügig geringere Distanz etwa zur Terrasse der Kläger besteht und auch die Reflexionen an der Wand stärker zu berücksichtigen sein könnten. Hinzu kommt, dass in dem Gutachten ein Immissionsmesspunkt am Haus der Kläger fehlt.

Entscheidend ist indessen, dass die Ermittlung von Geräuschen nach der TA Lärm in diesem Fall nicht ohne Weiteres dazu geeignet ist, die besondere Lästigkeit und damit die Unzumutbarkeit der Immissionen zu erfassen, die von der zu Bewirtungszwecken genutzten Terrasse im rückwärtigen Bereich des Grundstücks des Beigeladenen ausgehen. Eine Schallprognose nach TA Lärm bietet insoweit zwar eine Orientierungshilfe, vermag die einzelfallbezogene Abwägung aber nicht zu ersetzen.

Dies ist auch bereits im System der TA Lärm selbst angelegt. Nach Punkt 1 Satz 1 lit. b) TA Lärm sind Freiluftgaststätten von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen. Zwar handelt es sich bei der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage nicht um eine (reine) Freiluftgaststätte im Sinne der TA Lärm, denn die Terrasse dient lediglich der Ergänzung der vorhandenen, im Haus angesiedelten Pizzeria. Insoweit handelt es sich um einen gemischten Betrieb. Wenn aber der Außenbereich einer Gaststätte bis auf wenige Meter an den rückwärtigen Ruhebereich angrenzender Wohngrundstücke reicht, ist es nicht sachgerecht, hinsichtlich der Lästigkeit der Immissionen (allein) auf die TA Lärm abzustellen. Die Auswirkungen von durch Menschen verursachtem Lärm, dessen Zumutbarkeit von einer Vielzahl von Faktoren abhängig ist, die nur unvollkommen in einem einheitlichen Messwert zusammengefasst werden können, werden nämlich nicht dadurch weniger gewichtig, dass bestimmte Immissionsrichtwerte noch eingehalten werden. Dies gilt gerade für im Bereich der Außengastronomie verursachten Lärm, der anders als gewerblicher Lärm auch nicht durch den Betreiber zuverlässig gesteuert werden kann.

Vgl. OVG, Beschluss vom 25. Juni 2008 - 10 A 2525/07 -, juris; hinsichtlich eines reinen Wohngebiets OVG NRW, Urteil vom 13. November 2009 - 7 A 146/08 -, DVBl. 2010, 259, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 3. August 2010 - 4 B 9/10 -, ZfBR 2010, 696.

Zwar handelt es sich hier nicht um ein reines, sondern vielmehr um ein faktisches allgemeines Wohngebiet, dem etwa nach Punkt 6.1 lit. d) TA Lärm ein geringeres Schutzniveau zukommt. Gleichwohl ist auch die Wohnnutzung in allgemeinen Wohngebieten insoweit schutzwürdig, wie eine Nutzung dem in § 4 Abs. 1 BauNVO aufgestellten Grundsatz, dass ein solches Gebiet vorwiegend dem Wohnen dient, zuwiderläuft. Dies muss dabei besonders für solche Zeiten gelten, in denen die Bewohner des Gebietes dort Ruhe und Erholung suchen, also in den Abendstunden und an Wochenenden und Feiertagen.

Vgl. insoweit zum Schutzniveau in Mischgebieten OVG NRW, Beschluss vom 17. Juli 2008 - 7 A 1868/07 -, n.v.

Auf der Grundlage des Vorstehenden ergibt sich hier die Unzumutbarkeit der von der Außengastronomie ausgehenden und auf das Grundstück der Kläger wirkenden Immissionen. Die Terrasse auf dem Grundstück des Beigeladenen liegt im rückwärtigen Ruhebereich. Denn sowohl auf dem Grundstück der Kläger wie auch auf den benachbarten Grundstücken sind die Gebäude jeweils nahe der Straße errichtet und schaffen so einen rückwärtigen Blockinnenbereich, der vorwiegend zur Anlage von Gärten genutzt worden ist. Soweit sich auf den südlich angrenzenden, an der X.-----straße gelegenen Grundstücken rückwärtige Bebauung befindet, handelt es sich hier ausschließlich um kleine Garagenanlagen für die Anwohner, die nicht geeignet sind, die Wohnruhe in den Gärten maßgeblich zu stören. So haben auch die Kläger den rückwärtigen Teil ihres Grundstücks zur Anlage einer Terrasse und eines Gartens genutzt. Ebenso liegt ihr Schlafzimmer gartenseitig im ersten Obergeschoss und somit zu diesem Ruhebereich hin ausgerichtet. Dieser rückwärtige Ruhebereich wird durch die verfahrensgegenständliche Außengastronomie erstmals derartigen Lärmimmissionen ausgesetzt.

Die verfahrensgegenständliche Terrasse reicht unmittelbar bis zur westlichen Grenze, so dass der Abstand zum Grundstück der Kläger nur ca. 8,3 m beträgt. Bei dieser geringen Distanz zum rückwärtigen Ruhebereich der Kläger bestimmt sich die Lästigkeit der von der Außengastronomie ausgehenden Geräusche gerade nicht nur durch die Lautstärke, sondern vielmehr durch die Eigenart der Lärmimmissionen selbst. Dies betrifft zunächst die unmittelbar mit der Bewirtung zusammenhängenden und vor allem auch unregelmäßigen Geräusche wie das Klirren von Tellern, Gläsern und Besteck. Diese Geräusche entstehen sowohl beim Servieren wie auch beim Abräumen. Dabei ist aufgrund der Art der Gaststätte davon auszugehen, dass die Verweildauer der Gäste aufgrund der Art der Bewirtung (Schnellrestaurant) kürzer als bei anderen Speisegaststätten ist, so dass die Anzahl der anzunehmenden Servier- und Abräumvorgänge höher ist.

Hinzu kommen die Geräusche, die durch die Gäste verursacht werden und die der Außengastronomie zuzurechnen sind, da sie durch deren Betrieb bedingt sind. Dies betrifft insbesondere die durch die Kommunikation der Gäste untereinander verursachten Geräusche, also Unterhaltungen sowie lautes Lachen und Gläserklirren. Hierzu haben die Kläger im Ortstermin glaubhaft vorgetragen, dass sie, wenn sie sich im Garten oder in ihrem Schlafzimmer bei geöffnetem Fenster aufhalten, ständig Gespräche als Gemurmel hören können. Zwar könnten sie nicht jedes Wort, wohl aber laufend Gesprächsfetzen verstehen. Dem ist weder die Beklagte noch der Beigeladene entgegengetreten. Schon das nur als Gemurmel wahrnehmbare Gespräch mehrerer Personen beinhaltet aufgrund seiner Charakteristik und ständig wechselnden Modulation ein Störpotential für den Ruhesuchenden. Darüber hinaus sind informationshaltige Gesprächsbruchstücke besonders geeignet, die Aufmerksamkeit der beschallten Personen zu erregen, auch wenn diese dem Gespräch nicht bewusst folgen wollen. Denn es liegt wohl in der Natur des Menschen, derartigen Reizen - auch wenn sie ihn ungewollt erreichen - zunächst jedenfalls kurz Aufmerksamkeit zu schenken. Dies führt in solchen Fällen, in denen nur Teile eines Gesprächs zu verstehen sind, zu einem - ungesteuerten - besonderen Bemühen, den Inhalt eines Gesprächs in sinngebender Weise zu erfassen, was die Ablenkung des Betroffenen verstärkt. Diese Beeinträchtigung wird intensiviert durch die vorstehend bereits erwähnten, unregelmäßig auftretenden Geräuschereignisse wie Lachen oder Klirren von Gläsern oder Besteck.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Terrasse von den Gästen aus dem Gastraum kommend durch eine Türe betreten und wieder verlassen wird. Dabei erscheint der Vortrag der Kläger, die Türe stehe häufig offen, glaubhaft, da angesichts der Plätze auf der Terrasse, der anzunehmenden Fluktuation der Gäste und der zu berücksichtigenden Bedienvorgänge ein ständiges Öffnen und Schließen der Türe jedenfalls bei gutem Wetter nicht praktikabel, sondern realitätsfern erscheint. Auch diesem Vortrag ist weder die Beklagte noch der Beigeladene entgegengetreten. Durch die geöffnete Tür können daher auch in diesen Zeiten zusätzlich Geräusche aus dem Innenraum der Pizzeria nach außen dringen.

Die vorstehend beschriebenen Geräuschimmissionen treffen die Kläger zu einem erheblichen Anteil auch gerade in Zeiten, in denen sie selbst besonders schutzwürdig sind, da es sich um Zeiten des Ausruhens und der Erholung handelt. So ist auf der Basis des anzunehmenden Freizeitverhalten der potentiellen Gäste und im Óbrigen nach den glaubhaften Angaben der Kläger von einer besonders starken Nutzung in den Abendstunden sowie an Wochenenden und Feiertagen auszugehen. Dabei umfasst die angegriffene Baugenehmigung Betriebszeiten von 12.00 bis 22.00 Uhr. Dies sind aber gerade Zeiten (insbesondere die Abendstunden der Wochentage sowie insgesamt am Wochenende), die auch die Kläger als Anwohner aufgrund eigener Berufstätigkeit nutzen oder nutzen können, um in ihrem Garten oder im Schlafzimmer Erholung zu suchen bzw. zu schlafen. Dass diese Zeiten nicht nur im Einzelfall, sondern allgemein als besonders schutzwürdig anzusehen sind, ergibt sich auch aus Punkt 6.5 der TA Lärm, deren Regelungsgedanke insoweit gleichwohl Anwendung finden kann. Soweit der Beigeladene vorgetragen hat, die Terrasse werde ohnehin nur selten und nur in geringem Maße benutzt, hat dies auf die zu erwartenden Immissionen bei genehmigungskonformem Betrieb mit zwölf Gastplätzen keinen Einfluss.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt hat, konnten ihm gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt werden. Aus dem gleichen Grund entsprach es mangels eigenen Kostenrisikos auch nicht der Billigkeit, seine Kosten der Beklagten oder der Staatskasse aufzuerlegen.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).