LG Dortmund, Urteil vom 15.03.2011 - 25 O 132/11
Fundstelle
openJur 2012, 78641
  • Rkr:
Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft es zu unterlassen, die nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Sollzinssätze für Girokonten zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

5. Anpassung von Zinsen und Entgelten: Soweit nichts anderes vereinbart ist, ist die Bank berechtigt, einen veränderlichen Sollzinssatz den Veränderungen ihrer wechselnden und bei Vertragsabschluss oft nicht überschaubaren künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten anzupassen. Zinsschwankungen am Geldmarkt werden an den sich ändernden Durchschnittssätzen für EURIBOR-Dreimonatsgeld erkennbar, die jeweils für den vorausgehenden Monat in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden.

Die Bank überprüft den Sollzinssatz spätestens zum Ende eines jeden Monats. Erhöht sich der letzte veröffentlichte Monatsdurchschnitt für den EURIBOR-Dreimonatsgeld gegenüber dem bei Vertragsschluss bzw. bei der letzten Konditionenanpassung bzw. bei Ablauf der Sollzinsbindung ermittelten Monatsdurchschnitt um mindestens 0,25 Prozentpunkte, so kann die Bank den Sollzinssatz unter Berücksichtigung ihrer Refinanzierungsmittel nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) anheben; entsprechend wird die Bank den Sollzinssatz nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Monatsdurchschnitt für EURIBOR-Dreimonatsgeld um mindestens 0,25 Prozentpunkte ermäßigt hat. Bei der Leistungsbestimmung wird sich die Bank an der Zinsgestaltung orientieren, die bei Vertragsabschluss bestanden hat.

2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 238,00 € (i. W.: zweihundertachtunddreißig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben es gehört, die Rechte der Verbraucher wahrzunehmen und bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, das AGB-Gesetz und andere Gesetze, soweit hierdurch Verbraucherinteressen berührt sind, erforderlichenfalls auch gerichtliche Maßnahmen einzuleiten. Er ist als qualifizierte Einrichtung im Sinne von § 4 des UKlaG anerkannt.

Die beklagte Bank verwendet in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die aus dem Tenor ersichtliche Klausel.

Mit Schreiben vom 23.07.2010 forderte der klagende Verein die Beklagte auf, die Nutzung dieser Klausel zu unterlassen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Für das Abmahnschreiben selbst stellte der Verein 238,00 € in Rechnung und forderte die Beklagte auf, diesen Betrag zu erstatten.

Eine Reaktion der Beklagten auf dieses Schreiben erfolgte nicht.

Der klagende Verein ist der Ansicht, dass die streitgegenständliche Zinsanpassungsklausel wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist. Sie stützt sich dabei auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.04.2009 zu Aktenzeichen XI ZR 55/08.

Bezüglich der Kosten für das Abmahnschreiben behauptet sie, dass diese pauschal ermittelten Kosten in angemessener Höhe geltend gemacht worden seien.

Der klagende Verein beantragt mit der am 04.02.2011 zugestellten Klage,

1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, der Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft es zu unterlassen, die nachfolgenden oder dieser inhaltsgleichen Bestimmungen in Bezug auf Sollzinssätze für Girokonten zu verwenden, sofern nicht der Vertrag mit einer Person abgeschlossen wird, die in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (Unternehmer):

5. Anpassung von Zinsen und Entgelten: Soweit nichts anderes vereinbart ist, ist die Bank berechtigt, einen veränderlichen Sollzinssatz den Veränderungen ihrer wechselnden und bei Vertragsabschluss oft nicht überschaubaren künftigen Refinanzierungsmöglichkeiten anzupassen. Zinsschwankungen am Geldmarkt werden an den sich ändernden Durchschnittssätzen für EURIBOR-Dreimonatsgeld erkennbar, die jeweils für den vorausgehenden Monat in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank veröffentlicht werden.

Die Bank überprüft den Sollzinssatz spätestens zum Ende eines jeden Monats. Erhöht sich der letzte veröffentlichte Monatsdurchschnitt für den EURIBOR-Dreimonatsgeld gegenüber dem bei Vertragsschluss bzw. bei der letzten Konditionenanpassung bzw. bei Ablauf der Sollzinsbindung ermittelten Monatsdurchschnitt um mindestens 0,25 Prozentpunkte, so kann die Bank den Sollzinssatz unter Berücksichtigung ihrer Refinanzierungsmittel nach billigem Ermessen (§ 315 BGB) anheben; entsprechend wird die Bank den Sollzinssatz nach billigem Ermessen senken, wenn sich der Monatsdurchschnitt für EURIBOR-Dreimonatsgeld um mindestens 0,25 Prozentpunkte ermäßigt hat. Bei der Leistungsbestimmung wird sich die Bank an der Zinsgestaltung orientieren, die bei Vertragsabschluss bestanden hat.

2. Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 238,00 € (i.W.: zweihundertachtunddreißig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass die gerügte Klausel schon nicht der AGB-Kontrolle entspricht. Soweit sie der Kontrolle unterliegt, benachteilige sie die Kunden jedenfalls nicht unangemessen.

Sie ist zudem der Ansicht, dass der Unterlassungsanspruch jedenfalls deshalb nicht bestehe, da die Klausel in Neuverträgen gar nicht mehr verwendet werde, sondern in diesen regelmäßig mit den Kunden eine andere Vereinbarung getroffen werde. In der mündlichen Verhandlung hat sie hierzu ergänzend ausgeführt, dass es aber bei den Altverträgen quasi zu einem vertragslosem Zustand kommen würde, wenn ihr nunmehr untersagt würde, diese Klausel auch in Bestandsverträgen zu benutzen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des jeweiligen Parteivorbringens wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Erklärungen in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Der zuerkannte Unterlassungsanspruch folgt aus § 1 des UKlaG in Verbindung mit §§ 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, wobei die Klagebefugnis des klagenden Vereins aus § 3 UKlaG i.V.m. § 4 UKlaG besteht. Bei dem klagenden Verein handelt es sich unstreitig um eine qualifizierte Einrichtung im Sinne der zuletzt genannten Norm.

Entgegen der Ansicht der Beklagten unterliegt die streitgegenständliche Klausel einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 - 309 BGB. Bei ihr handelt es sich nicht um eine sogenannte Preishauptabrede, sondern um eine sogenannte Preisnebenabrede, für die die Kontrollfähigkeit gegeben ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten wird mit der Klausel nicht die Gegenleistung des Kunden für eine bestimmte Leistung der Bank geregelt, für die grundsätzlich eine Vergütung verlangt werden darf, sondern es geht um einseitige Änderungen bereits festgelegter Gegenleistungen. Solche Preis- oder Zinsänderungsklauseln sind aber eben als sogenannte "Preisnebenabrede" einzuordnen und unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung der Inhaltskontrolle. Die Kontrollfähigkeit ergibt sich auch aus einem Rückschluss der Regelung in § 9 Ziff. 1 BGB (vgl. Grüneberg in Palandt, § 307 Rdnr. 10 mit Hinweis auf BGH in NJW 2010, Seite 1742 und Seite 2789).

Ein solches Zinsanpassungsrecht des Verwenders benachteiligt gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Kunden nur dann nicht unangemessen, wenn das Äquivalenzverhältnis gesichert ist, die Klausel mithin eine Bindung der Bank an den Umfang des Kostenanstiegs vorsieht und eine Verpflichtung der Bank enthält, Kostenminimierungen an den Kunden weiter zu geben. Ausdrücklich als nicht ausreichend hat der Bundesgerichtshof es in der vom Kläger zitierten Entscheidung vom 21.04.2009 zu Aktenzeichen XI ZR 78/08 angesehen, dass der Verwender ankündigt, dass er die vom Kunden zu erbringende Gegenleistung nach "billigem Ermessen" senken wird.

Eine unangemessene Benachteiligung liegt insbesondere auch darin, dass ausweislich der Klausel bei der gebotenen "kundenfeindlichsten" Auslegung nur zum Ausdruck gebracht wird, dass etwas geschehen wird bzw. soll. Die Formulierung dieser Ankündigung ist - so der BGH in der zitierten Entscheidung - nicht ausreichend, um eine bindende Verpflichtung der Beklagten anzunehmen, eine Preisänderung vorzunehmen.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass diese Klausel in Neuverträgen nicht mehr zum Tragen kommen soll, da in der Regel mit den Neukunden eine andere individualvertragliche Regelung in den jeweiligen Verträgen vereinbart wird, steht dies dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht entgegen und zwar selbst für den Fall, dass man einmal zugunsten der Beklagten diesen Vortrag als richtig unterstellt.

Für die Frage, ob die Klausel verwendet wird, kommt es nicht darauf an, in wie vielen Vertragsfällen sie tatsächlich zum Einsatz kommt. Ausreichend für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch ist bereits, dass sie theoretisch zum Einsatz kommen könnte und dies wäre auch bei Neuverträgen selbst nach dem Vortrag der Beklagten schon dann der Fall, wenn nur in einem Fall einmal eine anders lautende individualvertragliche Regelung nicht abgeschlossen würde.

Zudem beruft sich die Beklagte schließlich selbst darauf, dass sie jedenfalls bei Altverträgen diese Klausel weiter benutzen möchte, da bei diesen Verträgen sonst insoweit ein vertragsloser Zustand herrschen würde. Alleine deshalb ist es ihr auch wichtig, dass die Nutzung der Klausel nicht untersagt wird. Damit bringt die Beklagte letztlich in ihrer Argumentation selbst zum Ausdruck, dass sie weiterhin diese Klausel in bestehenden Verträgen verwenden will. Gerade das ist aber nicht zulässig.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 11.03.2011 vorsorglich beantragt hat, zu dem letzten Schriftsatz der Klägerseite vom 10.03.2011 vor einer Entscheidung des Gerichts nochmals Stellung nehmen zu dürfen, so war die Gewährung einer Schriftsatzfrist nicht erforderlich.

Der mit Datum vom 10.03.2011 eingereichte Schriftsatz enthält keinen erheblichen neuen Tatsachenvortrag, sondern lediglich Rechtsausführungen. Die wechselseitigen rechtlichen Standpunkte wurden in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 709 ZPO.