LG Köln, Urteil vom 15.03.2011 - 21 O 95/10
Fundstelle
openJur 2012, 78627
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Mit Vertrag vom 29.06.1995 pachtete die Klägerin von dem Zeugen P, dem Vater des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten, die Gastwirtschaft „K“ in Leverkusen für die Zeit vom 01.07.1995 bis 30.06.2005. Aufgrund einer Nachpächtergestellung wurde das Pachtverhältnis vorzeitig zum 30.08.2000 beendet. Vom 01.09.2000 bis Ende September 2004 führte die Klägerin die Gaststätte „R“ in Leverkusen. In beiden Betrieben war sie jeweils Betreiberin und Konzessionsträgerin.

Im August 2004 stand das Grundstück M-Straße, ...1 Leverkusen, in dem sich die Gaststätte „Q“ befindet, zur Zwangsversteigerung an. Das in der Gaststätte befindliche Inventar hatte die Beklagte während der Betriebsführung durch den Voreigentümer des Grundstückes, den Zeugen L2, eingebracht. Das Inventar stand im Eigentum der Beklagten und war von der Zwangsversteigerung nicht umfasst. Betreibender Gläubiger war unter anderem der Zeuge P. Diesem gegenüber gab die Klägerin am 05.08.2004 eine notariell beurkundete Ausbietungsgarantie ab, die sie verpflichtete, in dem Zwangsversteigerungstermin ein Gebot in Höhe von 500.000,-- € abzugeben. Der Verkehrswert des Grundstücks belief sich auf 608.000,-- €.

Am gleichen Tag schlossen die Parteien einen Bierlieferungsvertrag. Danach stellte die Beklagte der Klägerin das in einer Anlage zum Vertrag näher bezeichnete Gaststätteninventar unentgeltlich zur Verfügung. Im Gegenzug verpflichtete sich die Klägerin für die Dauer von 10 Jahren zur Abnahme von mindestens 4.570 hl Fassbier der Sorten B Kölsch, G Alt und E Pils, jährlich mindestens 457 hl, zum Betrieb eines biertypischen Brauereiausschanks in dem Objekt und zum Bezug ihres Bedarfs an alkoholfreien Getränken bei der Beklagten.

Der Klägerin wurde die Wahl zwischen drei Sorten Kölsch freigestellt, wobei sie von A Kölsch insgesamt 3.800 hl abnehmen musste. Für den Fall, dass sie A Kölsch wählte, sollte die Klägerin außerdem bei Erreichen einer Abnahmemenge von 3.200 hl vor Ablauf von 10 Jahren eine Rückvergütung von 25,-- € zzgl. Umsatzsteuer je abgenommenem Hektoliter Fassbier A Kölsch erhalten. Falls die Klägerin die vereinbarte Abnahmemenge nicht erreichte, verpflichtete sie sich zur Zahlung eines Deckungsbeitragsausgleichs von 30,-- € zzgl. Umsatzsteuer je fehlendem Hektoliter. Nach vollständiger Abnahme von 4.570 hl Fassbier wurde der Klägerin eine Kaufoption auf das Inventar zum Preis von 150,-- € zzgl. Umsatzsteuer eingeräumt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den als Anlage zur Klageschrift eingereichten Bierlieferungsvertrag Bezug genommen.

Das Amtsgericht Leverkusen holte im Zwangsversteigerungsverfahren ein Wertgutachten ein. Der Sachverständige N bewertete das Gaststätteninventar darin per August 2003 mit rund 17.000,-- € netto. Dabei war er davon ausgegangen, dass die Einrichtung aus dem Jahr 1996 stammte. Für die Küche ging der Sachverständige von einem Neuwert der Gerätschaften ohne Aufstellung und Montage von 35.000,-- DM netto aus und für die Restauranteinrichtung von 122.487,-- DM netto.

Am 09.08.2004 erhielt die Klägerin im Versteigerungstermin aufgrund ihres Gebotes in Höhe von 500.000,-- € den Zuschlag und wurde am 26.10.2004 in das Grundbuch eingetragen. Zur Finanzierung des Ersteigerungspreises nahm die Klägerin ein Darlehen der Sparkasse Leverkusen auf, das durch eine erstrangige Grundschuld auf dem erworbenen Grundstück besichert wurde. Eingetragen wurde außerdem im Rang nach der Grundschuld eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Beklagten, wonach es der Klägerin verboten ist, auf dem belasteten Grundbesitz Getränke herzustellen, zu lagern, zu verkaufen oder zu vertreiben.

Am 11.11.2004 eröffnete die Klägerin die Gaststätte „Q“ neu. Sie entschied sich im Rahmen des Bierlieferungsvertrags zum Bezug von A-Kölsch. Die Insertionskosten für die Neueröffnung trug die Beklagte.

Im Jahr 2005 gewährte die Beklagte der Klägerin wegen kurzfristiger finanzieller Engpässe zwei Darlehen über je 10.000,-- €. Außerdem erreichte sie bei der A-Brauerei für die Klägerin eine zusätzliche Rückvergütung von 15,-- € je hl ab März 2005.

Während der Laufzeit des Bierlieferungsvertrages wurde bei insgesamt drei Gelegenheiten festgestellt, dass die Klägerin Fassbier eines anderen Lieferanten bezogen hatte (sog. Fremdbezug), weswegen sie einmal von der Beklagten abgemahnt wurde.

Mit Schreiben vom 21.11.2008 widerrief die Klägerin alle auf den Abschluss des Bierlieferungsvertrages vom 05.08.2004 gerichteten Willenserklärungen und kündigte den Vertrag vorsorglich aus allen in Betracht kommenden Gründen zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Mit der Klageschrift wiederholt sie diese Erklärungen.

Die Klägerin ist der Ansicht, der Bierlieferungsvertrag sei gemäß § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB a.F. widerruflich. Sie sei als Verbraucherin nicht ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt worden; außerdem sei die in dem Vertrag enthaltene Belehrung fehlerhaft.

Darüber hinaus meint die Klägerin, der Bierlieferungsvertrag sei wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe ein auffälliges Missverhältnis, und die Beklagte habe die wirtschaftlich schwächere Position der Klägerin dahingehend ausgenutzt, indem sie sich nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für sie ungünstigen Vertrag eingelassen habe. Darüber hinaus schränke der Bierlieferungsvertrag die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und Selbständigkeit der Klägerin in einer mit den Anschauungen eines redlichen rechtsgeschäftlichen Verkehrs nicht zu vereinbarenden Weise ein.

Die einzige Gegenleistung der Beklagten habe nach Ansicht der Klägerin in der Überlassung des Inventars bestanden. Dessen Wert habe sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auf weniger als die von dem Sachverständigen N ermittelten 17.000,-- € belaufen. Entgegen seiner Annahme sei die Gaststätte bereits im Jahr 1994 inventarisiert worden, und aufgrund des zeitlichen Abstandes zwischen dem Gutachten und dem Abschluss des Bierlieferungsvertrages müsse ein weiterer Abschlag gemacht werden. Zudem falle die Stellung von Leihinventar als Wert der gegenüber der Klägerin erbrachten Leistung nicht stark ins Gewicht.

Die Summe der von der Klägerin nach dem Vertrag zu erbringenden Leistungen beliefe sich dagegen selbst bei wohlwollendster Betrachtung auf nicht unter 200.000,-- €. Die vertraglich vereinbarte Bierbezugsmenge von 380 hl jährlich sei unrealistisch. Zwischen 2004 und 2008 habe sie höchstens 118,85 hl Fassbier als Bezugsmenge erreicht. Realistisch seien in ihrer Gaststätte 115-120 hl jährlich, was auch die A-Brauerei bestätigt habe. Hinzu träten zahlreiche weitere, für die Klägerin ungünstige Regelungen des Bierlieferungsvertrages.

In subjektiver Sicht streite für die Klägerin zunächst die sich aus der objektiven Sittenwidrigkeit ergebende Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten. Darüber hinaus habe die Beklagte aber auch gewusst, dass der wirtschaftliche Spielraum der Klägerin nach dem Erwerb des Hauses, in dem sich die Gaststätte befindet, derart beengt gewesen sei, dass sie den Betrieb möglichst schnell habe aufnehmen und auf das vorhandene Inventar zurückgreifen müssen.

Die Klägerin behauptet weiter, der Bierlieferungsvertrag sei nicht ausgehandelt worden, sondern ihr am 05.08.2004 erstmals als vollständig vorgefertigtes Vertragswerk durch den persönlich haftenden Gesellschafter der Beklagten zur Unterzeichnung vorgelegt worden, der in diesem Termin zugleich den Zeugen P vertreten habe.

Der Voreigentümer habe in dem Objekt eine Diskothek betrieben, was der Klägerin schon nach dem Inhalt des Bierlieferungsvertrages nicht gestattet gewesen sei, und der Zeuge L2 habe gegen die ihm erteilte Konzession verstoßen. Überdies sei dessen Konzept wirtschaftlich nicht tragfähig gewesen, wie sich in seiner Insolvenz widerspiegele.

Soweit Fremdbezug festgestellt worden sei, habe es sich um die einzigen Ausnahmefälle gehandelt. Im Karneval 2007 habe die Klägerin kein Bier von der Beklagten beziehen können. Durch die Vertragsgestaltung werde die Beklagte auch hier unangemessen bevorteilt.

Die Klägerin beantragt,

1.     festzustellen,

a)     dass der zwischen den Parteien bestehende Bierlieferungsvertrag vom 05.08.2004 nichtig ist,

b)     hilfsweise: dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, von der Beklagten aufgrund des Bierlieferungsvertrages vom 05.08.2004 Biere und alkoholfreie Getränke zu beziehen.

2.     die Beklagte zu verurteilen, für die Liegenschaft der Klägerin - eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Leverkusen von Z Blatt 9316 Gemarkung Z Flur X, Flurstück X - auf die in der zweiten Abteilung, lfd. Nr. 10, zu Gunsten der Beklagten eingetragene beschränkte persönliche Dienstbarkeit - lautend darauf, Getränke herzustellen, zu lagern, zu verkaufen oder zu vertreiben - zu verzichten und die Löschung dieser Dienstbarkeit zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe kein Widerrufsrecht zu, da sie einerseits keine Existenzgründerin und damit keine Verbraucherin gewesen sei. Andererseits liege das Geschäftsvolumen über 50.000,-- €, so dass der Ausnahmetatbestand des § 507 BGB eingreife. Soweit durch die in dem Vertrag dennoch enthaltene Belehrung ein Widerrufsrecht eingeräumt worden sein könne, sei die hierfür vorgesehene Frist jedenfalls abgelaufen.

Der Bierlieferungsvertrag sei auch nicht sittenwidrig. Weder bestehe ein objektiv auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung noch lägen die weiteren Voraussetzungen eines wucherähnlichen Geschäfts vor, insbesondere fehle es an einer verwerflichen Gesinnung der Beklagten.

Die Klägerin habe sich zum Erwerb des Grundstücks und zum Abschluss des Bierlieferungsvertrages entschlossen, weil ihr bekannt gewesen sei, dass der Zeuge L2 die Gaststätte „Q“ zuvor mit großem Publikumserfolg geführt habe. So habe der Vorbetreiber jährlich über 500 hl Bier abgesetzt und sei aus anderen Gründen insolvent geworden. Dessen Konzept einer Musikkneipe habe die Klägerin fortführen wollen, darüber hinaus aber auch das Tages- und Wochentagsgeschäft zusätzlich aktiv gestalten wollen. Aufgrund dessen seien die Parteien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die im Bierlieferungsvertrag festgelegten Mindestabnahmemengen realistisch waren.

Dass die Klägerin deutlich weniger Bier abgesetzt habe, beruhe auf von ihr vorgenommenen Veränderungen der Gaststätte, indem sie die Theke verkleinert und ihre Aktivitäten im Hinblick auf das Angebot von Kaffee und Kuchen verstärkt habe. Die angebliche Äußerung eines Mitarbeiters der A-Brauerei habe auf diesen veränderten Umständen beruht.

Aufgrund der unstreitig festgestellten drei Fälle von Fremdbezug müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin öfter Fassbier von anderen Lieferanten bezogen habe, welches sie überdies unter Täuschung ihrer Kunden als A-Kölsch verkauft habe. Den Fremdbezug müsse sich die Klägerin auf die vereinbarte Mindestabnahme anrechnen lassen.

Das Inventar habe nach Erfüllung der von der Klägerin übernommenen Verpflichtungen auf sie übergehen sollen. Die vereinbarte Kaufoption habe rein steuerliche Gründe gehabt. Das von der Klägerin erworbene Objekt sei voll inventarisiert gewesen, und das Inventar habe sich in einem sehr guten Zustand befunden. Die Wertermittlung durch den Sachverständigen N gehe vom hier nicht einschlägigen Zerschlagungswert aus. Der Fortführungswert sei im Bierlieferungsvertrag mit 80.000,-- € realistisch angesetzt worden. Eine Neueinrichtung hätte 160.000,-- € gekostet. Der im Bierlieferungsvertrag enthaltene Mindestbezug von 3.200 hl A-Kölsch errechne sich, indem die Rückvergütung von 25,-- € je hl auf den Betrag von 80.000,-- € umgelegt werde.

Daneben sei die Beklagte der Klägerin bei der Beschaffung der zur Finanzierung des Grundstückserwerbs erforderlichen Darlehensmittel behilflich gewesen und habe günstigere Konditionen erwirkt. Der unter dem Verkehrswert liegende Kaufpreis sei nur wegen des Bierlieferungsvertrages möglich gewesen. Auch habe die Beklagte ihren Steuerberater bei der Erarbeitung eines Konzepts für die Selbständigkeit der Klägerin eingeschaltet und dessen Kosten in Höhe von 150,-- € übernommen. Daraus ergebe sich auch, dass dem Abschluss des Bierlieferungsvertrages ein mehrwöchiger Verhandlungszeitraum vorangegangen sei, innerhalb dessen alle wesentlichen wirtschaftlichen Eckdaten des Vertrages ausführlich besprochen und ausgehandelt worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 09.10.2009. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Prof. C vom 10.04.2010 nebst Ergänzung vom 08.10.2010 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 08.02.2011 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Insbesondere steht die Zulässigkeit der mit dem Antrag zu 1. verfolgten Feststellungsklage außer Zweifel.

Soweit die Klägerin mit dem Antrag zu 1. a) die Feststellung der Nichtigkeit des Bierlieferungsvertrages vom 05.08.2004 begehrt, dringt sie hiermit nicht durch. Der Vertrag ist nicht nichtig.

Grundsätzlich sind die §§ 307ff. BGB vorrangig gegenüber § 138 BGB zu prüfen. § 138 BGB ist aber dann anwendbar, wenn die Individualvereinbarung sittenwidrig ist oder gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bedenken bestehen, die nicht in den Schutzbereich der §§ 307ff. BGB fallen. Bei einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung kann die Verwendung von unangemessenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen den Ausschlag für eine Bejahung des § 138 Abs. 1 BGB ergeben (Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl., vor § 305, Rdnr. 15 m.w.N.).

Aufgrund des Sach- und Streitstandes ist vorliegend davon auszugehen, dass es sich bei dem unstreitig von der Beklagten gestellten Bierlieferungsvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Dafür spricht der erste Anschein, da offensichtlich eine Textvorlage verwendet wurde (vgl. BGH NJW 1992, 2160ff.) und sich auch aus der Fassung der Klauseln die Absicht einer mehrfachen Verwendung ergibt (vgl. BGH 2004, 502ff.). Zahlreiche Vertragsklauseln des Bierlieferungsvertrages sind ersichtlich für eine Mehrfachverwendung vorformuliert. Sie bestehen aus einer Vielzahl von formelhaften Wendungen zur Regelung der typischen konfliktgefährdeten Sachverhalte. Insbesondere die Regelungen der §§ 2 - 4 und 6 - 10 sind keine speziell auf die Gaststätte der Klägerin abgestimmten Klauseln. Soweit in den §§ 1 und 5 auf den konkreten Einzelfall Bezug genommen wird, wird der Anschein eines zur Mehrfachverwendung entwickelten Vertrags hierdurch allein nicht widerlegt (vgl. BGH NJW 2004, 502ff.). Soweit die Beklagte geltend macht, die wesentlichen Eckdaten wie Laufzeit, Leistung der Beklagten und Gegenleistung der Klägerin sowie Mindestabnahmemenge seien ausführlich besprochen und ausgehandelt worden, trifft sie dahingehend die Beweislast (BGH NJW 1982, 1035f.; NJW 1998, 2600ff.). Ein taugliches Beweismittel hat die Beklagte indes nicht angeboten. Der beantragten Parteivernehmung ihres persönlich haftenden Gesellschafters hat die Klägerin nicht zugestimmt (§ 447 ZPO), und andere Beweismittel bietet die Beklagte nicht an.

Gegenseitige Verträge können, auch wenn der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB nicht in allen Voraussetzungen erfüllt ist, als wucherähnliches Rechtsgeschäft nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig sein, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung objektiv ein auffälliges Missverhältnis besteht und mindestens ein weiterer Umstand hinzukommt, der den Vertrag bei Zusammenfassung der subjektiven und objektiven Merkmale als sittenwidrig erscheinen lässt. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten hervorgetreten ist, weil er etwa die wirtschaftlich schwächere Position des anderen Teils bewusst ausgenutzt oder sich zumindest leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass sich der andere nur unter dem Zwang der Verhältnisse auf den für ihn ungünstigen Vertrag eingelassen hat. Ist das Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besonders grob, wovon bei Grundstücksgeschäften bereits dann auszugehen ist, wenn der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist wie der Wert der Gegenleistung, lässt dies den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten zu. Diese tatsächliche Vermutung kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn sie im Einzelfall durch besondere Umstände erschüttert ist (BGH NJW 2007, 2841f. m.w.N.).

Darüber hinaus kann ein Bierlieferungsvertrag gegen die guten Sitten verstoßen und damit nichtig sein, weil er die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Gastwirtes in unvertretbarer Weise einengt und diesen dadurch in eine mit den Anschauungen des redlichen geschäftlichen Verkehrs nicht mehr zu vertretende Abhängigkeit von dem Bierlieferanten bringt (BGH MDR 1987, 490f.; OLG Köln, NJW-RR 1995, 1516f.). Dabei kann sich die Gesamtnichtigkeit auch daraus ergeben, dass mehrere der vereinbarten Vertragsbedingungen für sich genommen noch nicht schlechthin unbillig sind, aber in ihrer Gesamtheit die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Wirts in unvertretbarem Maße einengen (BGH NJW 1983, 159ff. zum Automatenaufstellvertrag).

Die vorgenannten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall sämtlich nicht erfüllt.

So liegt zum einen kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne der zuvor zitierten Rechtsprechung (BGH NJW 2007, 2841f.) vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist es aufgrund der besonderen Umstände des hier zu entscheidenden Falles geboten, nicht nur die vertraglich vereinbarten wechselseitigen Leistungspflichten zu vergleichen, sondern die beklagtenseits im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss erbrachten Leistungen sind mit zu berücksichtigen.

Der Bierlieferungsvertrag sowie der im Zwangsversteigerungswege zustande gekommene Erwerb des Gaststättengrundstücks standen in einem unauflöslichen Zusammenhang; sie bedingten sich wechselseitig, und keiner der Verträge wäre ohne den jeweils anderen geschlossen worden. Die Klägerin hat nicht bestritten, dass sie das Grundstück um 108.000,-- € unter dem Verkehrswert erworben hat. Hierzu war der betreibende Gläubiger, der Zeuge P, Vater des persönlich haftenden Gesellschafters der Beklagten, nur bereit, weil zugleich in Bierlieferungsvertrag geschlossen werden sollte, nach dem die Klägerin ihren Getränkebedarf für die in dem Objekt gelegene Gaststätte weiter bei der Beklagten decken musste. Hätte die Klägerin den Bierlieferungsvertrag nicht unterzeichnet, hätte sie auch das Grundstück nicht zu dem in Rede stehenden Preis erwerben können. Umgekehrt hätte der isolierte Abschluss des Bierlieferungsvertrages für die Klägerin - insbesondere wirtschaftlich - keinen Sinn ergeben.

Neben dem deutlichen Preisvorteil beim Erwerb des Grundstückes war die Beklagte ebenfalls unstreitig bei der Vermittlung der Finanzierung behilflich und hat die Insertionskosten im Vorfeld der Neueröffnung der Gaststätte übernommen. Ob und in welchem Umfang der Klägerin überdies Leistungen des Steuerberaters der Beklagten zugute gekommen sind, kann angesichts des hierfür in Rechnung gestellten geringen Betrages dahinstehen.

Des Weiteren ist der Klägerin der Wert des in den Gaststättenräumen befindlichen Inventars zuzurechnen. Dies sieht sie im Grunde selbst so und meint lediglich, dieses habe einen deutlich niedrigeren Wert aufgewiesen. Auch das Gericht steht auf dem Standpunkt, dass die Parteien trotz Wahl des Begriffes „unentgeltliche Nutzungsüberlassung“, was grundsätzlich unter das Rechtsinstitut der Leihe zu subsumieren wäre, und der Verwendung dieses Begriffs in § 4 des Vertrages jedenfalls wirtschaftlich ein Abschreibungsdarlehen gemeint haben. Dies folgt zwanglos daraus, dass sich bei Umlage des angenommenen Inventarwertes von 80.000,-- € über eine Rückvergütung von 25,-- € je hl exakt die vertraglich vereinbarte Menge von 3.200 hl A-Kölsch ergibt, ab deren Erreichen der Klägerin die Rückvergütung zustehen sollte.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Parteien in § 10 des Bierlieferungsvertrages eine Kaufoption zum Preis von 150,-- € netto vereinbart haben. Hierdurch wurde der Klägerin das Recht eingeräumt, das Inventar bei Erreichen der vertraglich vereinbarten Voraussetzungen durch einseitige Erklärung zu erwerben, ohne dass die Beklagte hierauf hätte Einfluss nehmen können. Im Falle der vorzeitigen Beendigung des Vertrages wäre das Eigentum am Inventar auch dann bei der Beklagten verblieben, wenn die Parteien schon bei Vertragsschluss eine Übertragung unter Eigentumsvorbehalt vereinbart hätten.

Zudem hat die Beklagte diesbezüglich schlüssig vorgetragen, dass eine solche Vertragsgestaltung gewählt worden sei, um eine steuerliche Aktivierung des Inventars als Betriebsvermögen zu vermeiden. Indem die Klägerin diesem Vorbringen lediglich mit einfachem Bestreiten entgegengetreten ist, genügt sie nicht den zu stellenden Substantiierungserfordernissen, denn sie hätte erläutern müssen, vor welchem Hintergrund die Klausel zu sehen sein sollte, wenn diese nicht steuerliche Gründe hatte.

Aus den vorgenannten Gründen wirkt es sich auch nicht zugunsten der Klägerin aus, dass lediglich Leihinventar zur Verfügung gestellt wurde, welches schon deshalb nicht stark ins Gewicht fällt, weil es mit fortschreitender Vertragszeit an Wert verlieren musste und die Beklagte zu einem Austausch nicht verpflichtet war (vgl. BGH MDR 1987, 490f.).

Dass die Klägerin für eine Neuinventarisierung der Gaststätte einen den seinerzeit angenommenen Zeitwert übersteigenden Betrag hätte aufwenden müssen, wozu sie wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen wäre, hat sie selbst nicht in Abrede gestellt.

Aufgrund der Vorgabe des Gerichts hat der Sachverständige Prof. C den Fortführungswert des Inventars im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit rund 36.000,-- € netto ermittelt. Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, die auf einer sorgfältigen und fehlerfreien Ermittlung der Anknüpfungstatsachen beruhen an. Die Fragen und Einwendungen der Klägerin hat der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung erschöpfend beantwortet und überzeugend entkräftet. Hiervon abzuziehen ist der Betrag von 150,-- €, den die Klägerin nach Ablauf der Bindungsfrist für den Erwerb des Inventars zu zahlen hat.

Werden der Vorteil beim Erwerb des Grundstückes und der Wert des Inventars zusammenrechnet, ergibt sich ein Betrag von 143.850,-- €. Die durch die Darlehensvermittlung und die Begleichung der Insertionskosten bedingten Zuflüsse können mangels Bezifferung nicht berechnet werden, was aber letztlich auch dahinstehen kann.

Die Klägerin geht selbst davon aus, dass die Summe der von ihr zu erbringenden Leistungen bei wohlwollendster Betrachtung für die Beklagte einen wirtschaftlichen Vorteil von mindestens 200.000,-- € bedeutet, im für die Klägerin günstigsten Fall sogar 238.860,-- € (215.460,-- € + 11.400,-- € + 12.000,-- €). Warum der Wert der Ausbietungsgarantie zu berücksichtigen sein soll, erläutert die Klägerin nicht. Dies wäre allenfalls wertneutral, stand dem doch der Wert des erworbenen Grundbesitzes gegenüber.

Auch die letzte Zahl liegt noch deutlich unterhalb des Doppelten der Gegenleistungen (287.700,-- €), so dass vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung (BGH NJW 2007, 2841f.) eine Sittenwidrigkeit nicht zu bejahen ist und auch keine Vermutung für eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten streitet. Insofern kommt es an dieser Stelle auch nicht darauf an, ob das subjektive Element als widerlegt anzusehen ist.

Eine Sittenwidrigkeit lässt sich zum anderen nicht auf eine unvertretbare Einengung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Klägerin stützen. Insofern ist freilich der Klägerin darin Recht zu geben, dass es nicht darauf ankommt, ob der Bierlieferungsvertrag unter Ausnutzung einer Zwangslage zustande gekommen ist, was nach dem Sachverhalt aber auch zu verneinen wäre, sondern wie sich die Vertragsbedingungen auf die unternehmerische Selbständigkeit der Klägerin auswirken.

Ausschließlichkeitsbindungen und die Sicherung dieser Bindung durch eine Vertragsstrafe sind gemessen an den §§ 305ff. BGB als wirksam einzustufen (BGH WM 80, 1309ff.). Gleiches gilt für die Vereinbarung eines höheren Entgelts bei Unterschreitung des angenommenen Jahresbezuges (BGH NJW 1990, 567ff.) und die Vereinbarung von Nachfolgeklauseln bezüglich einer Getränkebezugspflicht (BGH NJW 2001, 2331ff.; OLG Köln, NJW-RR 2007, 498f.). Selbst wenn der Bierlieferungsvertrag mit der Klägerin als Allgemeine Geschäftsbedingungen eingestuft wird, liegt hinsichtlich seines vorgenannten Inhalts keine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB vor, die den Ausschlag für eine Bejahung des § 138 Abs. 1 BGB geben könnte. Die Wirksamkeitsschranke des § 138 BGB liegt erheblich höher als die des § 307 BGB, da letzterer nur objektiv eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung voraussetzt und kein subjektives Tatbestandsmerkmal. Liegt also hinsichtlich der vorgenannten Punkte schon kein Verstoß gegen AGB-Recht vor, gilt dies erst recht für eine Bewertung am strengeren Maßstab des § 138 BGB.

Was die Mindestlaufzeit von 10 Jahren betrifft, kann es letztlich dahinstehen, ob der Vertrag individuell ausgehandelt worden ist oder ob es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wofür allerdings der - von der Beklagten nicht entkräftete - äußere Anschein spricht. Wird wie im vorliegenden Fall ein Darlehen oder Inventar zur Verfügung gestellt, ist eine Laufzeit von 10 Jahren auch unter Berücksichtigung von Art. 81 EGV und Art. 5 EG-VO Nr. 2790/99 v 22. 1. 99 - Abl. L 336/21 (Gruppenfreistellungsverordnung zum Kartellverbot) noch nicht unangemessen (BGH NJW 2001, 2331ff.; OLG Karlsruhe, MDR 2002, 445; Coester, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2006, § 307, Rdnr. 539; wohl auch Palandt-Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 307, Rdnr. 78).

Der Bierlieferungsvertrag verlängert sich auch nicht dadurch, dass die Grenze der vereinbarten Mindestabnahme unterschritten wird. Die Formulierung in § 2 („mindestens jedoch zur Abnahme“) soll lediglich verdeutlichen, dass auch mit dem Ende der 10-jährigen Laufzeit die Mindestabnahmeverpflichtung nicht automatisch entfällt. Das ergibt sich aus der Zusammenschau mit § 3, wonach bei Nichterreichen der vereinbarten Abnahmemenge für jeden fehlenden hl eine Deckungsausgleichszahlung zu entrichten ist. Einerseits von der Nichterreichung der Abnahmemenge zu sprechen und dafür eine Ausgleichszahlung zu verlangen, auf der anderen Seite aber die Klägerin in zeitlicher Hinsicht uneingeschränkt an die Mindestabnahmeverpflichtung zu binden, ergäbe keinen Sinn. Im Wege der Auslegung ergibt sich daher, dass sich der Bierlieferungsvertrag bei Nichterreichen der vereinbarten Abnahmemenge nicht automatisch verlängert.

Auch die vereinbarte Bierbezugsverpflichtung schränkt die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht unvertretbar ein. Dies gilt sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht.

Aus Sicht des Gerichts ist es weder zu beanstanden, dass die Klägerin, nachdem sie zu Beginn des Vertrages eine Kölschmarke gewählt hatte, an diese für die gesamte Laufzeit gebunden war, noch dass sie Bier und alkoholfreie Getränke nicht fremdbeziehen durfte. Dass sich ein Wechsel im Publikumsgeschmack ergeben könnte, behauptet die Klägerin lediglich allgemein und ohne konkrete Bezugspunkte zum zu beurteilenden Vertrag. Warum sich innerhalb der Vertragslaufzeit ein derartiger Wandel vollziehen sollte oder gar vollzogen hat, dass die Klägerin aus diesem Grund die vereinbarten Mengen nicht absetzen könnte, wird nicht näher dargelegt und erscheint sowohl angesichts der Art der Gaststätte als auch der gewählten Biermarke unwahrscheinlich. Änderungen des Nachfrageverhaltens, die nicht mit der ausgeschenkten Marke zusammenhängen, so z.B. der allgemeine Rückgang des Bierkonsums, fallen ohnehin allein in die vertragliche Risikosphäre eines jeden Gastwirtes. Dass ein Fremdbezug von Bier und alkoholfreien Getränken vertraglich ausgeschlossen wurde, liegt in der Natur der Ausschließlichkeitsbindung an den Bierlieferanten, der im Gegenzug anderweitige Vorteile gewährt (siehe hierzu oben). Folglich kann dieser Aspekt jedenfalls nicht zusätzlich als Argument für eine Einengung der unternehmerischen Freiheit der Klägerin herangezogen werden. Entsprechend verhält es sich, soweit sie eine Meistbegünstigungsklausel vermisst.

Im Hinblick auf die von der Klägerin als überhöht gerügte Bierabnahmeverpflichtung hat der Sachverständige Prof. C - von den Parteien letztlich unbeanstandet - ausgeführt, dass er die vereinbarte Menge Fassbier für „realistisch“ hält. Diese Aussage hat er auf Nachfrage dahingehend konkretisiert, dass ein Bierabsatz der in Rede stehenden Größenordnung nach seinen Kenntnissen in etwa einer von 60 Gaststätten erreichbar sei und tatsächlich erreicht werde. Um diese hohe Menge zu erreichen, müssten besondere Umstände, etwa in der Person des Betreibers, der Lage und Beliebtheit des Objektes oder einer anderweitig begründeten Attraktivität vorliegen. Dass hierzu zwingend gegen ordnungsbehördliche Genehmigungen oder Auflagen verstoßen werden müsse, hat der Sachverständige dagegen nicht festgestellt, sondern diese Möglichkeit lediglich nicht ausgeschlossen („gegebenenfalls“).

Eine unvertretbare Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Klägerin ist nach Ansicht des Gerichts unter diesen Umständen nicht anzunehmen. Die Erreichung der vereinbarten Absatzmenge war nicht per se ausgeschlossen, sondern - wenn auch mit einer relativ geringen Wahrscheinlichkeit - möglich. Dass die Klägerin hierzu gegen geltende Rechtsnormen verstoßen musste, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, und auch sonstige zwingende Hinderungsgründe sind nicht ersichtlich. Es stand ihr mithin grundsätzlich frei, ein Konzept zu wählen und die Gaststätte so zu betreiben, dass der vertragliche Bierabsatz erreicht wurde, ohne dass sie wirtschaftlich unvertretbar eingeschränkt war. Dass die Klägerin das von dem Zeugen L2 umgesetzte Konzept geändert hat, was sich nachteilig auf den Verkauf von Fassbier auswirkte, ist zwischen den Parteien unstreitig, wobei es nicht auf die von dem Vorbetreiber erzielten Absatzzahlen und deren konkrete Verringerung nach dem Wechsel auf die Klägerin ankommt.

Auch kann nicht unbeachtet bleiben, dass die Klägerin unbestritten in drei Fällen Bier von Fremdlieferanten bezogen hat, wodurch sich die Absatzmenge gegenüber dem Beklagten verminderte. Ihre Behauptung, wonach es sich um die einzigen Fälle von Fremdbezug gehandelt habe, erscheint bereits kaum glaubhaft. Da die Beklagte die Gaststätte der Klägerin sicher nicht täglich kontrolliert hat, was auch nicht vorgetragen worden ist, wäre es ein sehr großer Zufall, wenn immer genau zu den Zeitpunkten, als Fremdbier ausgeschenkt wurde, dies von Mitarbeitern der Beklagten bemerkt wurde. Wesentlich lebensnäher erscheint dagegen eine nicht unerhebliche „Dunkelziffer“ von nicht entdeckten Fällen von Fremdbezug. Im Übrigen hat die Klägerin ihre Behauptung, es habe keine weiteren Fälle gegeben, nicht unter Beweis gestellt.

Die in § 2 des Bierlieferungsvertrages enthaltene Preis- und Sortimentsänderungsklausel ist nicht unwirksam. Ob ein einseitiges Preisänderungsrecht, das keine Einschränkungen, insbesondere keine Konkretisierung der Preiserhöhungsfaktoren enthält und dem Partner des Klauselverwenders keine Lösungsmöglichkeit einräumt, stets gemäß § 307 BGB unzulässig ist, kann nicht ohne Berücksichtigung des konkreten Vertrags, der typischen Interessenlage der Vertragsschließenden und der die jeweilige Klausel begleitenden Regelung entschieden werden (BGHZ 93, 252ff. m.w.N. zu § 9 AGBG).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Parteien eine langfristige Bindung über die Lieferung von Waren (Getränken) eingehen wollten, bei denen von vorne herein klar sein musste, dass sich die Preise im Verlauf der Vertragsdauer - auch kurzfristig - ändern würden. Die Preise in jedem Einzelfall neu auszuhandeln, wäre ersichtlich unwirtschaftlich und nicht interessengerecht gewesen. Der Klägerin blieb in jedem Fall die Kontrollmöglichkeit des § 315 Abs. 3 BGB.

Soweit die Klägerin die Deckungsbeitragsklausel (§ 3 Abs. 1 bis 3) bemängelt, ist diese ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die Möglichkeit des Nachweises eines geringeren Schadens wird nicht explizit ausgeschlossen, und auch der Höhe nach ist der pauschalierte Schadensersatz nicht übersetzt (vgl. OLG Köln, OLGR 2007, 524ff.). Die - möglicherweise unzulässige - Vereinbarung einer Vertragsstrafe (vgl. OLG Nürnberg, NJW-RR 2002, 917f.) ist hierin nicht zu sehen.

Entsprechend verhält es sich mit dem pauschalierten Schadensersatzanspruch, den sich die Beklagte für den Fall des Fremdbezuges hat versprechen lassen (§ 3 Abs. 4). Anders als in den Sachverhalten, die den Entscheidungen des OLG Karlsruhe (MDR 2002, 445) und OLG Nürnberg (aaO) zugrunde lagen, geht es vorliegend nicht um die vollständige Einstellung des Bierbezuges durch die Klägerin, sondern um Fälle des vertragswidrigen Fremdbezuges. Dass die Klausel ein Verschulden voraussetzt, ergibt sich außerdem aus dem Wort „vertragswidrig“, und auch der Nachweis eines geringeren Schadens ist eingeräumt bzw. nicht ausgeschlossen worden.

Dass die Klausel in § 3 Abs. 5 des Vertrages lediglich aufgrund eines Versehens ein Kellerkontrollrecht der Brauerei vorsieht, hat die Beklagte schlüssig dargetan und die Klägerin nicht mehr erheblich bestritten. Ersichtlich wollten die Parteien hier auch kein eigenes Recht der Brauerei im Sinne des § 328 BGB begründen. Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin kann hierin nicht erblickt werden.

Die Abräumklausel (§ 4) ist genauso wenig zu beanstanden. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 27.02.1985 (NJW 1985, 2693ff.) betraf eine andere Konstellation. Im vorliegenden Fall ist die Verpflichtung zum Weiterbezug ausdrücklich verschuldensabhängig gestaltet (§ 4 Abs. 2), und auch die Herausgabe des Inventars ist von einer vorherigen Kündigung abhängig (§ 4 Abs. 1). Dass die Gründe hierfür nicht abschließend aufgezählt sind, ist unschädlich, denn jedenfalls ist eine außerordentliche Kündigung nur aus besonderen Gründen zulässig, die den ausdrücklich genannten vergleichbar sind. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist durch die Klausel auch nicht das ihr im Falle einer „Abräumung“ zustehende Sonderkündigungsrecht abbedungen worden.

Eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin beinhalten auch die Bestimmungen in § 5 des Bierlieferungsvertrages nicht. Eine Übersicherung liegt nach Ansicht des Gerichts nicht vor. Die klägerseits zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes (NJW 1992, 2626f.) betraf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank und ist wegen der besonders gelagerten Interessenkonstellation nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar.

Zur Rechtsnachfolgeklausel (§ 6) wurde bereits oben ausgeführt, warum diese wirksam ist. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass entgegen der Ansicht der Klägerin keine unbefristete Haftung aller Schuldner herbeigeführt werden sollte. Tritt ein Rechtsnachfolger in die Rechte und Pflichten aus dem Bierlieferungsvertrag ein, bedingt dies grundsätzlich die Enthaftung des scheidenden Vertragspartners. Anderslautende Passagen finden sich im Vertrag nicht. Auch die nach Ansicht der Klägerin ebenfalls unrichtige Belehrung zu einem Widerrufsrecht nach dem Verbraucherkreditgesetz bewirkte jedenfalls keine unangemessene Benachteiligung.

Die unter Ziffer III. der Klageschrift aufgeführten weiteren Klauseln führen ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Soweit zu diesen nicht bereits vorher Stellung genommen wurde, liegt auch insofern keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin vor. Insbesondere gilt dies für die salvatorische Klausel (§ 9), so dass es auf den Streit über deren Reichweite und Wirkung nicht ankommt.

Auch die mit dem hilfsweise gestellten Antrag zu 1. b) begehrte Feststellung konnte nicht ausgesprochen werden.

Da eine Sittenwidrigkeit unter dem Aspekt der überlangen Bezugsdauer des Bierlieferungsvertrages nicht vorliegt, kommt eine Reduzierung auf das noch angemessene Maß nicht in Betracht.

Ein Recht zur ordentlichen Kündigung war der Klägerin nicht eingeräumt worden, und auch außerordentlichen Kündigungsgründe bestehen nicht, insbesondere nicht vor dem Hintergrund der geltend gemachten, nach Ansicht des Gerichts jedoch bestehenden Sittenwidrigkeit des Bierlieferungsvertrages oder einzelner seiner Klauseln.

Schließlich konnte die Klägerin den Vertrag nicht gemäß § 355 BGB wirksam widerrufen. Ein gesetzliches Widerrufsrecht stand der Klägerin nicht zu.

In Betracht kommt allein ein solches aus § 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB in der vom 01.01.2002 bis zum 10.06.2010 (im Folgenden: BGB a.F.) geltenden Fassung.

Entgegen ihrer Ansicht ist die Beklagte zum einen nicht Verbraucherin im Sinne dieser Vorschrift. Dass sie bei Abschluss des Bierlieferungsvertrages als Verbraucherin gemäß § 13 BGB handelte, macht die Klägerin selbst nicht geltend. Sie ist aber auch nicht als Existenzgründerin (§ 507 BGB) anzusehen.

Zwar steht dem eine früher ausgeübte gewerbliche oder selbstständige Tätigkeit nicht grundsätzlich entgegen, auch nicht in derselben Branche (OLG Köln, NJW-RR 1995, 816; OLG Celle, NJW-RR 1996, 119f. zu § 1 VerbrKrG a.F.). Ein Kreditnehmer ist auch dann Verbraucher im Sinne des § 1 Abs. 1 VerbrKrG, wenn er den ihm gewährten Kredit für den Aufbau einer neuen gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit (sog. Existenzgründung) verwenden will (BGH NJW-RR 2000, 1221ff. m.w.N.). Übt der Kreditnehmer aber bereits eine gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit aus, ist er nur dann Verbraucher, wenn die bereits ausgeübte Tätigkeit mit der neuen Tätigkeit nicht im Zusammenhang steht und davon klar abgegrenzt ist (BGH aaO m.w.N.).

Wie die Klägerin im vorliegenden Fall meinen kann, ihre mit dem streitgegenständlichen Bierlieferungsvertrag aufgenommene Tätigkeit stehe mit ihren früheren Tätigkeiten nicht im Zusammenhang und sei davon klar abgegrenzt, erschließt sich dem Gericht nicht.

Die Klägerin war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 05.08.2004 unstreitig Betreiberin einer anderen Gaststätte, die sie erst im September 2004 geschlossen hat. Zwischen neuer und alter Tätigkeit besteht ein so enger zeitlicher Zusammenhang, dass ein geradezu übergangsloser Wechsel von der alten zur neuen Betriebsstätte vorliegt. Der bereits am 11.11.2004 aufgenommene Betrieb der Gaststätte „Q“ stellt seinem Inhalt nach auch eine gleichartige Tätigkeit gegenüber dem Betrieb der Gaststätte „R“ dar. Der Vortrag der Klägerin, beide Betriebe unterschieden sich in Größe und Angebot, vermag daran nichts zu ändern. Im Kern stellen beide Betriebe sehr ähnliche Anforderungen an den jeweiligen Betreiber, so dass auch bei in Teilen abweichendem Charakter eine vergleichbare Tätigkeit zu bejahen ist. Aufgrund des fast nahtlosen Übergangs vom Betrieb der einen Gaststätte zum Betrieb einer anderen sind beide Tätigkeiten nicht klar voneinander abgrenzbar. Die Klägerin hat lediglich die Stätte ihrer selbstständigen und gewerblichen Tätigkeit gewechselt, die Tätigkeit selbst aber fortgeführt. Zwischen beiden Betätigungen lag kein erkennbarer Einschnitt, wie etwa eine Unterbrechung aus persönlichen Gründen, wonach eine klare Abgrenzung möglich wäre.

Zum anderen greift der Ausnahmetatbestand des § 507 BGB a.F., wonach das Widerrufsrecht für Existenzgründer auch dann nicht eröffnet war, wenn der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis 50.000,-- € übersteigt. Die Klägerin trägt selbst vor, der Wert der von ihr zu erbringenden Leistungen belaufe sich im für die Beklagte günstigsten Fall auf rund 200.000,-- €. Auch hat sie der Streitwertberechnung einen Betrag von 71.820,-- € zugrunde gelegt, der sich aus 380 hl Bier zu einem Preis von 189,-- € je hl errechnet. Angesichts dessen kann nicht bezweifelt werden, dass auch die zweite - negative - Voraussetzung eines Widerrufsrechts gemäß §§ 505 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 507 BGB a.F. nicht erfüllt ist.

Soweit die Klägerin in der Anlage zum Bierlieferungsvertrag dennoch über ein Widerrufsrecht belehrt wurde, führt eine solche Belehrung über ein tatsächlich nicht bestehendes Recht nicht zu dessen Entstehung, und zwar weder als gesetzliches noch als vertragliches Widerrufsrecht, letzteres insbesondere nicht inhalts- und umfangsgleich mit dem gesetzlichen Recht. Selbst wenn also ein vertraglich begründetes Widerrufsrecht eingeräumt worden sein sollte, wäre dieses nicht fristgerecht innerhalb der bestimmten zwei Wochen erklärt worden. Der Bierlieferungsvertrag datiert vom 05.08.2004, den Widerruf  hat die Klägerin erstmals am 21.11.2008 ausgeübt.

Aus der Unbegründetheit der unter Ziffer 1. gestellten Anträge folgt zugleich die Unbegründetheit des Antrages zu 2.

Soweit der Inhalt der im Grundbuch eingetragenen Dienstbarkeit von der im Bierlieferungsvertrag abweicht, kann dahinstehen, ob der Klägerin insofern ein Berichtigungsanspruch zusteht, denn einen solchen macht sie mit der Klage nicht geltend, und ihre Anträge können auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.

Streitwert: 71.820,-- €