OLG Hamm, Urteil vom 26.01.2011 - I-11 U 181/09
Fundstelle
openJur 2012, 78292
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das am 25.06.2009 verkündete Ur-teil der Zivilkammer IV des Landgerichts Detmold abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 2.865,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2008 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen der Kläger zu 24 % und das be-klagte Land zu 76 %, die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 16 % und das beklagte Land zu 84 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

(abgekürzt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)

Der Kläger, der vom 10. Januar bis zum 18. Juli 2007 in der Justizvollzugsanstalt (im Weiteren: JVA) Detmold inhaftiert war, mit deren Errichtung vor dem 01.01.1977 begonnen wurde, verlangt von dem beklagten Land Nordrhein-Westfalen nach Maßgabe ihm mit Beschluss des Landgerichts vom 29.05.2008 in Gestalt des Senatsbeschlusses vom 16.01.2009 bewilligter Prozesskostenhilfe Zahlung einer Entschädigung wegen seines Erachtens menschenunwürdiger Haftunterbringung für 188 Tage zu je 20,- € , also in Höhe von insgesamt 3.760,- €.

Der Kläger war innerhalb des von dem Entschädigungsbegehren umfassten streitgegenständlichen Zeitraums nach den unstreitigen Feststellungen im Urteil des Landgerichts vom 10.01.2007 bis zu seiner Verlegung in einen Einzelhaftraum am 18.07.2007 - mit Ausnahme einer Einzelunterbringung am 29.03.2007 - in den jeweils 9,06 qm großen Hafträumen A 122 und B 223 mit jeweils einem Mitgefangenen untergebracht, wobei die Toilette in beiden Hafträumen nur mittels einer Schamwand abgetrennt war.

Ab dem 19.01.2007 ging der Kläger werktags von ca. 06:45 Uhr bis ca. 16:00 Uhr - mit Ausnahme der Mittagskosteinnahme - außerhalb des Haftraumes einer Arbeitstätigkeit nach.

Förmliche Rechtsmittel gegen seine Unterbringung hat der Kläger nicht eingelegt.

Erstinstanzlich haben die Parteien im Wesentlichen darüber gestritten, ob der Kläger anstaltsinterne Anträge auf Einzelunterbringung gestellt hat, ob seine Unterbringung menschenunwürdig war, auf einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des Landes beruhte und einen geldwerten Entschädigungsanspruch nach sich zog, wobei sie insbesondere die Frage des Haftungsausschlusses nach § 839 Abs. 3 BGB problematisiert haben. Ferner hat das Land erstinstanzlich hilfsweise die Aufrechnung mit einer ihm gegenüber dem Kläger zustehenden Justizkostenforderung erklärt.

Das Landgericht hat das beklagte Land durch das angefochtene Urteil zur Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 3.402,00 € für insgesamt 188 Tage verurteilt, wobei es für den Zeitraum vom 10.01.2007 bis zum 18.01.2007 (9 Tage) von einer kalendertäglichen Entschädigung i.H.v. 20,00 € ausgegangen ist und für den Zeitraum vom 19.01.2007 bis zum 17.07.2007 mit Ausnahme des 29.03.2007 (179 Tage) eine wegen der Arbeitstätigkeit des Klägers reduzierten kalendertäglichen Entschädigung in Höhe von 18,00 €, also insgesamt 3.222,00 € in Ansatz gebracht hat.

Daneben hat das Landgericht Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.02.2008 zuerkannt und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, da dem Kläger und seinem jeweiligen Mitgefangenen während der gemeinschaftlichen Unterbringung nicht jeweils mindestens 5 qm Haftraumgrundfläche zur Verfügung gestanden habe und eine vollständig baulich abgetrennte Toilette nicht vorhanden gewesen sei, sei der Kläger menschenunwürdig untergebracht gewesen, was eine schuldhafte Amtspflichtverletzung des beklagten Landes darstelle. Der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB greife nicht ein. Zwar sei streitig, ob der Kläger es schuldhaft unterlassen habe, ein Rechtsmittel gegen die Art und Weise seiner Unterbringung einzulegen, das beklagte Land habe aber nicht schlüssig dargetan, dass ein solches Rechtsmittel in der damaligen Situation angesichts der ständigen Überbelegung der JVA Detmold in den streitgegenständlichen Zeiträumen trotz des Vorhandenseins von vier Schlichtzellen zu einer vorzeitigen Beendigung der gemeinschaftlichen Unterbringung geführt hätte. Es sei davon auszugehen, dass es nur in Einzelfällen möglich gewesen sei, einen Gefangenen, der ein Rechtsmittel eingelegt habe oder eine günstige Entscheidung der Strafvollstreckungskammer herbeigeführt habe, in einen Einzelhaftraum zu verlegen. Sobald mehr als zwei oder drei Gefangene Rechtsmittel eingelegt hätten, wäre der Weg über die Verlegung in Schlichtzellen nicht mehr gangbar gewesen. Dann hätte man wieder auf die Warteliste zurückgreifen müssen, die anstaltsintern zur Wahrung der Rangfolge von Einzelhaftraumanwärtern geführt worden sei. Zudem hätten Einzelzellen vorrangig problembehafteten Gefangenen zur Verfügung stehen müssen. Der weitere Vortrag des Landes zu Verlegungsmöglichkeiten aufgrund der Fluktuation und der Bereitschaft einzeln untergebrachter Gefangener, sich gemeinschaftlich unterbringen zu lassen, sei unsubstantiiert. Dies gelte auch für den Vortrag der Möglichkeit in der JVA Münster.

Die Hilfsaufrechnung des beklagten Landes sei nach § 242 BGB unzulässig.

Dagegen richtet sich die Berufung des beklagten Landes. Es verfolgt seinen auf vollumfängliche Klageabweisung gerichteten Antrag unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags weiter, wobei es indes die erstinstanzlich erklärte Hilfsaufrechnung nicht mehr aufrecht erhält. Es trägt insbesondere vor, selbst wenn man von einer menschenunwürdigen Unterbringung des Klägers ausgehe, rechtfertige dies mangels psychischer bzw. physischer Auswirkungen keine Geldentschädigung, im Übrigen sei der in Ansatz gebrachte Entschädigungssatz übersetzt. Ferner wendet es sich gegen den Vorwurf des Organisationsverschuldens und ist weiterhin der Ansicht, der Haftungsausschluss des § 839 Abs. 3 BGB greife vollumfänglich ein. Bereits auf ein bloßes Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, insbesondere auf einen bloßen Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG wären seitens der JVA Maßnahmen ergriffen worden, mit denen die menschenunwürdige Unterbringung des Klägers binnen weniger als zwei Wochen beendet worden wäre. Es sei auf eine allein auf den Kläger fokussierte Betrachtungsweise abzustellen. Verlegungsmöglichkeiten für den Kläger hätten angesichts der Fluktuation und der wöchentlichen Entlassungen bestanden. Darüber hinaus sei der Abzug von 2,00 € wegen der Arbeitstätigkeit des Klägers zu gering.

Das beklagte Land beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als richtig. Durch ihre Entscheidung, den Kläger trotz entsprechenden Antrags nicht in einer Einzelzelle unterzubringen, habe die JVA dokumentiert, dass ihr keine Einzelunterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden hätten. Körperliche oder psychische Beeinträchtigungen seien für den Entschädigungsanspruch nicht Voraussetzung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Anlagen sowie die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in seinem angefochtenen Urteil verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung hat lediglich in Höhe von insgesamt 537,00 € im Hinblick auf den Entschädigungssatz für die Zeiten der Arbeitstätigkeit des Klägers Erfolg. Das Landgericht hat insofern einen zu geringen Abschlag von lediglich 2,00 €/ Kalendertag (10 %) statt in Höhe von 5,00 €/Kalendertag (25 %) in Ansatz gebracht.

1)

Im Rahmen des gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG gegebenen Entschädigungsanspruchs ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger wegen Überbelegung und unzureichender Sanitärausstattung mit Ausnahme der Einzelunterbringung am 29.03.2007 unter menschenunwürdigen Bedingungen in der JVA Detmold inhaftiert war, was eine rechtswidrige und entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung darstellte. a)

Eine Amtspflichtverletzung des beklagten Landes ergibt sich indes nicht bereits aus dem Umstand der gemeinschaftlichen Unterbringung des Klägers als solcher. Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (11 U 88/08, VersR 2009, 1666 ff. = StV 2009, 262 ff.) näher dargelegt hat, ergibt sich eine dem beklagten Land vorzuwerfende Amtspflichtverletzung indes nicht bereits daraus, dass der Kläger überhaupt gemeinschaftlich untergebracht war. Auch wenn § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG grundsätzlich eine Einzelunterbringung von Strafgefangenen während der Ruhezeiten vorsieht, ist nach § 201 Nr. 3 StVollzG davon abweichend in Justizvollzugsanstalten, mit deren Errichtung vor dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes am 01.01.1977 begonnen wurde und wozu auch die JVA Detmold gehört, während der Ruhezeiten eine gemeinschaftliche Unterbringung von Gefangenen gestattet, solange die räumlichen Verhältnisse der Anstalt dies erfordern. Die Vorschrift verfolgt damit das Ziel, in den vor dem genannten Zeitpunkt errichteten Anstalten die Anwendung des § 18 Abs. 1 Satz 1 StVollzG zu suspendieren, wodurch verhindert werden soll, dass Strafgefangene in diesen Anstalten ohne eine Einschränkungsmöglichkeit im Einzelfall einen einfachgesetzlichen Anspruch auf Einzelunterbringung erfolgreich geltend machen können (BGH, NJW 2006, 306, 309). Der Wirksamkeit des § 201 Nr. 3 Satz 1 StVollzG steht dabei nicht entgegen, dass es sich bei der Bestimmung um ein Zeitgesetz handelt, der Zeitpunkt des Außer-Kraft-Tretens hierin aber nicht bestimmt wird. Denn die fehlende Befristung liegt innerhalb des Gestaltungsermessens des Gesetzgebers und wird von sachlichen Erwägungen getragen (vgl. BGH, NJW 2006, 306, 309)

Kann nicht jedem Gefangenen ein Einzelhaftraum zur Verfügung gestellt werden, hat die JVA im Anwendungsbereich des § 201 Nr. 2 StVollzG das ihr im Rahmen ihrer Organisationshoheit zustehende Ermessen in zwei Stufen auszuüben: Zunächst ist zu klären, ob dem Gefangenen aus besonderen Gründen ein Einzelhaftraum zugewiesen werden kann bzw. muss. Ist dies nicht der Fall, ist zu klären, mit wie vielen und welchen Gefangenen er in einer Zelle untergebracht wird. Das bei beiden Entscheidungen eröffnete Ermessen ist dabei an nachvollziehbaren und mit dem Strafvollzugsgesetz in Einklang stehenden Kriterien auszurichten (OLG Celle, NJW 2004, 2766).

Dass dem beklagten Land (bereits) unter diesem Gesichtspunkt eine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen ist, ist weder nach dem Vortrag des Klägers noch aus sonstigen Gründen anzunehmen. Dass (schon) die Entscheidung, ihn gemeinschaftlich unterzubringen und/oder die Auswahl der Gefangenen, mit denen er zusammen untergebracht wurde, ermessensfehlerhaft getroffen worden sei, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger erstmals in seiner persönlichen Anhörung vor der Kammer am 26.05.2009 angegeben hat, er sei ohne sein Wissen mit einem mit Hepatitis C infizierten Mitgefangenen gemeinschaftlich untergebracht worden, ist dieser Vortrag mangels konkreter Angaben zu den daraus für den Kläger resultierenden Beeinträchtigungen unsubstantiiert.

b)

Dem beklagten Land ist indes als Amtspflichtverletzung vorzuwerfen, dass die gemeinschaftliche Unterbringung des Klägers in den streitgegenständlichen Zeiträumen unter haftraumbezogenen Bedingungen erfolgte, die menschenunwürdig waren, was einen Verstoß gegen Art. 1 und 2 Abs. 1 GG sowie zugleich gegen Art. 3 EMRK begründet.

Unabhängig davon, dass nach verbreiteter und vom Senat geteilter Auffassung je nach Lage des Einzelfalls allein schon die gemeinschaftliche Unterbringung eines Gefangenen mit anderen Mitgefangenen gegen die Menschenwürde des betroffenen Strafgefangenen verstoßen kann (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009 zu 11 U 88/08 unter Ziff. 2.2.1., veröffentlicht a.a.O), ist eine gemeinschaftliche Haftunterbringung nach ständiger Rechtsprechung des Senats, von der abzuweichen der der Streitfall keine Veranlassung gibt, jedenfalls dann als menschenunwürdig und damit als eine entschädigungspflichtige Amtspflichtverletzung anzusehen, wenn den gemeinschaftlich untergebrachten Gefangenen wie dem Kläger - nach den bindenden Feststellungen des landgerichtlichen Urteils während des gesamten streitgegenständlichen Zeitraums mit Ausnahme des 29.03.2007 - im jeweiligen Haftraum eine Grundfläche von weniger als 5 qm pro untergebrachtem Gefangenen zur Verfügung steht. Gleiches gilt bei ungenügender sanitärer Ausstattung des Haftraums mangels vollständiger baulicher Abtrennung der im Haftraum angebrachten Toilette, z.B. mittels einer Schamwand, insbesondere bei Fehlen einer gesonderten Entlüftung (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009, a.a.O., unter Ziff. 2.2.2. m.w.N.), und erst recht im Falle der Kumulation dieser Kriterien.

c)

Ungeachtet der seitens des beklagten Landes hiergegen erhobenen Einwände ist dem beklagten Land ein relevantes Verschulden in Gestalt eines Organisationsverschuldens anzulasten. Es ist nicht nachvollziehbar, dass und weshalb das beklagte Land aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen außerstande gewesen ist, Haftbedingungen wie die dem Kläger zugemuteten Haftbedingungen durch rechtzeitig veranlasste bauliche und/oder organisatorische Maßnahmen abzuwenden. Der hierzu gehaltene Vortrag des Landes, das unter eingehender Darlegung unter anderem auf von ihm in der Vergangenheit unternommene Anstrengungen zur Behebung vorhandener Missstände verweist, belegt gerade im Gegenteil, dass ein Mangel an geeigneten, den Anforderungen der Menschenwürde entsprechenden Haftplätzen durchaus bekannt war, und rechtfertigt so den Vorwurf eines erheblichen - weil jedenfalls als "vorsatznah" einzustufenden (so ausdrücklich: BGH, NJW-RR 2010, 167) - Organisationsverschuldens, wobei zur weiteren Begründung auf die Ausführungen im Urteil des Senats vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.5.1.) Bezug genommen wird, die der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.03.2010 (veröffentlicht u.a. in MDR 2010, 743) nicht beanstandet hat.

d)

Die vor dem Hintergrund der im gesamten vom Entschädigungsbegehren des Klägers umfassten Zeitraum zu geringen Haftraumgrundfläche und der während der Unterbringung vom 10.01.2007 bis zum 18.07.2007 mit Ausnahme des 29.03.2007 nicht den Anforderungen der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG genügenden Sanitärausstattung gegebene Verletzung der Menschenwürde des Klägers war auch von solchem Gewicht, wie dies ein geldwerter Entschädigungsanspruch erfordert.

Der Senat hält dabei auch in Ansehung der vom beklagten Land angeführten, insoweit abweichenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Köln und Düsseldorf (vgl. etwa Urteil des OLG Düsseldorf vom 25.08.2010 zu I-18 U 21/10) - weiterhin - daran fest, dass der Eintritt physischer und/oder psychischer Schäden in Fällen der hier in Rede stehenden Art grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Zuerkennung einer Entschädigung ist.

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.5.1.) dargelegt hat, ist der vom Kläger geltend gemachte Schaden einerseits kein Vermögensschaden, andererseits auch kein bloßes Schmerzensgeld im Sinne des § 253 Abs. 2 BGB (BGH, NJW 2005, 58, 59). Vielmehr geht es um den Ausgleich einer Verletzung der Menschenwürde (Art. 1 GG) und des aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG hergeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Die Zubilligung einer Geldentschädigung in bestimmten Fällen der Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gründet sich auf den Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH, a.a.O.). Anders als beim Schmerzensgeldanspruch steht bei dem Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund.

Würde man hingegen - wie dem Vortrag des beklagten Landes zu entnehmen - (zusätzlich) das Erfordernis körperlicher und/oder seelischer Beeinträchtigungen zur Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs fordern, führte dies dazu, dass neben der eigenständigen Verletzung der Rechtsgüter der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts die Verletzung eines weiteren Rechtsgutes, nämlich der Gesundheit, hinzutreten muss. Das schränkte den zu gewährleistenden Schutz der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unangemessen ein. Zum anderen käme dann den für den Senat ausschlaggebenden Aspekten der Sanktion und Prävention kein nennenswertes Gewicht mehr zu. Insoweit ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Justizvollzugsorgane mit der menschenunwürdigen Unterbringung gegen eine Kardinalpflicht verstoßen (BGH, NJW-RR 2010, 167). Deshalb bedarf es spürbarer Auswirkungen, um das beklagte Land dazu anzuhalten, künftig weitere Verstöße gegen die im Schutzauftrag aus Art. 1 Satz 2 GG wurzelnde Kardinalpflicht, Gefangene menschenwürdig zu behandeln, zu vermeiden und nicht länger fortdauern zu lassen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass trotz der vom beklagten Land mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigen vom 19.03.2009 vorgetragenen Bemühungen um eine Verbesserung der Situation in den Haftanstalten bis heute weiterhin viele Gefangene in Hafträumen untergebracht sind, die den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung widersprechen, wie dem Senat bereits aus den mündlichen Verhandlungen in Parallelverfahren am 08.09.2010 betreffend die JVA Detmold und die JVA Münster, am 22.09.2010 betreffend die JVA Hagen und am 29.09.2010 betreffend die JVA Werl erfahren hat. Auch wenn solche, gemeinschaftlichen Unterbringungen in Hafträumen mit zu geringer Grundfläche und/oder mit unzureichender sanitärer Ausstattung möglicherweise deshalb nicht entschädigungspflichtig sind, weil sie mit Zustimmung des jeweiligen Betroffenen erfolgen und dann nicht (mehr) auf einer Amtspflichtverletzung beruhen, verbleibt es dabei, dass die Art der Unterbringung objektiv gegen die Menschenwürde des betroffenen Häftlings verstößt und sie wegen der Unantastbarkeit und Unverzichtbarkeit der Menschenwürde verfassungswidrig ist. Bei dieser Sachlage würde die Sanktionslosigkeit einer - wie hier - auf einer Amtspflichtverletzung beruhenden und aus dargelegten Gründen von einem erheblichen Verschulden getragenen Verletzung der Menschenwürde die Besorgnis begründen, dass der dem Staat gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG obliegende Schutzauftrag auch weiterhin nicht die gebotene Umsetzung erfährt.

e)

Der zu konstatierende Verstoß gegen die Menschenwürde des Klägers beruhte auch auf der seitens des beklagten Landes begangenen Amtspflichtverletzung. Dass der Kläger mit seiner gemeinschaftlichen Unterbringung einverstanden war, so dass der Menschenwürdeverstoß nicht (mehr) auf der schuldhaften Amtspflichtverletzung beruhte, was ohnehin nur nach vorheriger Inaugenscheinnahme des jeweiligen Haftraumsund bei gleichzeitigem Angebot einer menschenwürdigen Alternativunterbringung der Fall wäre, hat das insofern darlegungspflichtige beklagte Land nicht vorgetragen.

f) Der Haftungsausschluss nach § 839 Abs. 3 BGB greift nicht ein.

(1)

Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O. unter Ziff. 2.4) im Einzelnen dargelegt hat, tritt nach § 839 Abs. 3 BGB die Ersatzpflicht nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Es handelt sich dabei um eine besondere Ausprägung des Mitverschuldensprinzips, das in seiner allgemeinen Form in § 254 BGB niedergelegt ist. Die Bestimmung geht davon aus, dass nur demjenigen Schadensersatz zuerkannt werden kann, der sich in gehörigem und ihm zumutbarem Maß für seine eigenen Belange eingesetzt und damit den Schaden abzuwenden bemüht hat (vgl. BGH, NJW 1971, 1694, 1695). Es soll nicht erlaubt sein, den Schaden entstehen oder größer werden zu lassen, um ihn schließlich gewissermaßen als Lohn für eigene Untätigkeit, dem Beamten oder dem Staat in Rechnung zu stellen (BGH, NJW 1971, 1694, 1695). Der Betroffene hat kein freies Wahlrecht zwischen dem primären Rechtsschutz und der sekundären Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen (BVerfG, NJW 2000, 1402). Anders als § 254 BGB führt die Regelung in § 839 Abs. 3 BGB bei jeder Form schuldhafter Mitverursachung zum völligen Anspruchsverlust (MünchKomm/Papier, BGB, 4. Auflage, § 839 Rn. 329).

Rechtsmittel i.S.d. § 839 Abs. 3 BGB sind dabei alle Rechtsbehelfe im weitesten Sinne, die sich unmittelbar gegen ein bereits erfolgtes, sich als Amtspflichtverletzung darstellendes Verhalten richten und darauf abzielen und geeignet sind, einen Schaden dadurch abzuwenden oder zu mindern, dass dieses schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird (BGH, NJW 2003, 1208, 1212 und NJW-RR 2004, 706; Palandt/Sprau, BGB, 69. Aufl., § 839 Rn. 69). Dazu gehören insbesondere auch Gegenvorstellungen, Erinnerungen, Beschwerden und Dienstaufsichtsbeschwerden (BGH, NJW 1974, 639, 640) oder Verlegungsanträge an die Anstaltsleitung sowie Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG.

Die Nichtergreifung eines zur Verfügung stehenden Rechtsmittels ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats regelmäßig als schuldhaft anzusehen. Wird bewusst davon abgesehen, bestehende Rechtsmittel zu ergreifen, liegt hierin ein vorsätzliches Unterlassen. Selbst wenn dem Gefangenen das Rechtsmittelsystem unbekannt gewesen sein sollte, ist ihm gleichwohl Fahrlässigkeit anzulasten, da ihn insoweit eine Erkundigungspflicht durch Nachfrage bei fachkundigen Mitarbeitern in der Anstalt (Sozialarbeiter, Betreuungspersonal) oder bei Mitgefangenen trifft, zur Not auch die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen ist, was dem Kläger auch nicht unzumutbar war, wie der erstinstanzlich mit anwaltlicher Hilfe gefertigte Prozesskostenhilfeantrag nebst Klageentwurf zeigt (vgl. dazu: Urteil des Senats vom 18.03.2009, a.a.O. unter Ziff. 2.4.2.2.).

Etwas anderes kann indes dann in Betracht kommen, wenn dem Gefangenen auf einen von ihm gestellten Verlegungsantrag von Bediensteten der JVA vermittelt worden ist, jedes Bemühen um eine sofortige Verlegung in Einzelunterbringung sei aussichtslos. Besteht bei einer solchen Sachlage kein Anhalt dafür, an der Richtigkeit dieser Auskunft zu zweifeln, ist es regelmäßig nicht zumutbar, weitere Rechtsmittel einzulegen (BGH, Beschlüsse vom 29.01.2009 und vom 12.03.2009 - jeweils zu III ZR 182/08).

Die Kausalität zwischen der Nichteinlegung eines zumutbaren Rechtsmittels und dem Schadenseintritt ist dabei in der Regel zu bejahen, wenn über den Rechtsbehelf voraussichtlich zugunsten des Geschädigten entschieden worden wäre; sie ist zu verneinen, wenn die schädigende Amtspflichtverletzung durch den Rechtsbehelf nicht mehr hätte beseitigt oder berichtigt werden können. Maßgeblich ist grundsätzlich, wie die Behörde oder das Gericht richtigerweise hätte entscheiden müssen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, der der Senat folgt, nur dann, wenn eine Verwaltungsbehörde zur Überprüfung ihres eigenen Handelns veranlasst werden soll (BGH, NJW 1986, 1924) oder wenn es um die (hypothetische) Entscheidung eines Gerichts geht und ersichtlich eine einigermaßen zuverlässige Beurteilung, wie richtigerweise zu entscheiden gewesen wäre, nicht ohne Weiteres möglich ist (BGH, NJW 2003, 1308, 1313; BGH, Urteil vom 11.03.2010 - III ZR 124/09 - = VersR 2010, 811 f. = MDR 2010, 743 f.).

(2)

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist im Streitfall ein Haftungsausschluss nach

§ 839 Abs. 3 BGB für den vom Entschädigungsbegehren des Klägers umfassten

Zeitraum nicht gegeben, wobei im Ergebnis dahinstehen kann, ob der Kläger es

schuldhaft unterlassen hat, sich mit einem Rechtsmittel gegen seine gemeinschaftli-

che Haftunterbringung zur Wehr zu setzen. Denn dass der Kläger hierdurch eine frü-

here Beendigung seiner zu beanstandenden gemeinschaftlichen Unterbringung vor

deren tatsächlicher Beendigung durch Verlegung in einen Einzelhaftraum am

18.07.2007 hätte erreichen können, lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit fest-

stellen, was zu Lasten des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Landes geht.

aa)

Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Kläger nicht nur - wie unstreitig ist - keine förmlichen Rechtsmittel nach den §§ 109, 114 StVollzG gegen seine gemeinschaftliche Haftunterbringung eingelegt, sondern auch keinen anstaltsinternen Antrag auf Verlegung in einen Einzelhaftraum gestellt hat, wobei dies nach Ansicht des Senats das vom Kläger zunächst zu erwartende Rechtsmittel gewesen wäre, da die sofortige Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens weder zumutbar noch angezeigt ist, kommt es darauf an, wie seitens der JVA Detmold auf einen derartigen - fiktiven Verlegungsantrag reagiert worden wäre bzw. binnen welcher Zeitspanne auf einen (nachfolgenden) Antrag nach § 109 bzw. § 114 StVollzG gegebenenfalls eine Entscheidung der zuständigen Strafvollstreckungskammer hätte herbeigeführt werden können, falls allein die Antragstellung nach §§ 109, 114 StVollzG noch nicht zu einer Beendigung der beanstandeten Gemeinschaftsunterbringung des Klägers unter menschenunwürdigen Bedingungen geführt hätte.

bb)

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Betroffene den Schaden durch

Einlegung eines Rechtsmittels hätte abwenden können, trägt das in Anspruch

genommene beklagte Land (vgl. BGH, NJW 1986, 1924, 1925). Damit ist es Sache

des beklagten Landes darzulegen und zu beweisen, dass und in welcher Form eine

alternative (Einzel- oder Gemeinschafts-)Unterbringung des Klägers unter menschenwürdigen Haftbedingungen möglich gewesen und auch erfolgt wäre, wenn er einen anstaltsinternen Verlegungsantrag bzw. (nachfolgend) einen Antrag nach den §§ 109, 114 StVollzG an die Strafvollstreckungskammer gestellt hätte.

Abzustellen ist insoweit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 18.03.2010, III ZR 124/09 = VersR 2010, 811 f. = MDR 2010, 743 f.) und entgegen der vom Senat in seinem Urteil vom 18.03.2009 (a.a.O., Ziff. 2.4.2.3) vertretenen Auffassung, an der der Senat nicht mehr festhält, auf eine allein auf die Person des Klägers fokussierte, individuelle Betrachtungsweise und nicht etwa darauf, ob das beklagte Land zur fraglichen Zeit in der Lage gewesen wäre, allen Gefangenen, die in gleicher Weise wie der Kläger menschenunwürdig untergebracht waren, einen menschenwürdigen Haftraum zur Verfügung zu stellen.

In Anbetracht der Erkenntnisse des Senats aus dem Termin am 08.09.2010 und aus zahlreichen vergleichbaren weiteren Parallelverfahren - mit deren Verwertung in sämtlichen Parallelverfahren sich die Parteivertreter einverstanden erklärt haben - , dass grundsätzlich jeder neue Gefangene der JVA Detmold, der einen Antrag auf einen Einzelhaftplatz stellt, auf die Warteliste für Einzelhaftraumanwärter aufgenommen wird, ist ungeachtet des Vortrags des beklagten Landes zu den Möglichkeiten einer Einzelunterbringung (Gefangenenfluktuation, freie Schlichtzellen, Verlegungsbereitschaft einzeln untergebrachter Gefangener, Verlegung in Einzelhafträume der JVA Münster) bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der Kläger gleichfalls zunächst lediglich in die Warteliste von deren Bestehen das Landgericht für den streitgegenständlichen Zeitraum ausgegangen ist, ohne dass das beklagte Land dagegen Einwände erhebt - eingetragen worden wäre, wenn er unmittelbar nach Beginn seiner menschenunwürdigen Unterbringung einen solchen anstaltsinternen Verlegungsantrag gestellt hätte. Des Weiteren ist nach den in zahlreichen vergleichbaren Parallelverfahren erworbenen Kenntnissen des Senats davon auszugehen, dass dem Kläger auf seine Antragstellung hin seitens der JVA Detmold seine Aufnahme in die Warteliste sowie sein entsprechender "Ranglistenplatz" mitgeteilt worden wären.

Nach dem Vortrag des beklagten Landes in dem vor dem Senat anhängigen und einen gleichgelagerten Sachverhalt betreffenden Parallelverfahren zum Aktenzeichen I-11 U 51/09, der von seinem Vortrag in hiesigem Verfahren abweicht, ist ferner naheliegend, dass diese Warteliste, die streng historisch nach dem Eingangsdatum der Verlegungsanträge als nachvollziehbarem Kriterium geführt wurde, ungeachtet eines parallel dazu gestellten Antrags nach den §§ 109, 114 StVollzG an die Strafvollstreckungskammer eingehalten wurde, sofern kein - hier auch nach dem Vortrag des beklagten Landes nicht gegebener - Ausnahmefall in Gestalt einer die Einzelunterbringung anordnenden rechtskräftigen Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vorlag.

Zu der Dauer der Wartezeit der auf der Warteliste befindlichen Anwärter für einen Einzelhaftraum fehlen für den streitgegenständlichen Zeitraum indes verlässliche Angaben des beklagten Landes und damit eine gesicherte Grundlage für die Annahme, dass der Kläger seine beanstandete Gemeinschaftsunterbringung durch Einlegung eines Rechtsmittels im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB vor Ablauf des streitgegenständlichen Zeitraums hätte beenden können.

Das insoweit darlegungs- und beweisbelastete Land hat keine konkrete (Maximal-)

Dauer bis zu einer Verlegung des Klägers in einen Einzelhaftraum nach einem sofortigen (hypothetischen) anstaltsinternen Verlegungsantrag angegeben. Im Senatstermin am 08.09.2010 hat das beklagte Land insoweit lediglich erklärt, es sei von einer Wartezeit von durchschnittlich sechs Monaten auszugehen, wobei sich die Parteivertreter mit der Verwertung dieses Vortrags in sämtlichen Parallelverfahren gleichfalls einverstanden erklärt haben. Ferner hat der Prozessbevollmächtigte des beklagten Landes in dem Parallelverfahren I-11 U 293/09 (Land NRW ./. A) im Senatstermin am 10.12.2010 in diesem Zusammenhang ausdrücklich erklärt - wobei sich die Prozessbevollmächtigten der Parteien mit der Verwertung dieses Vortrags in sämtlichen Parallelverfahren einverstanden erklärt haben - hinsichtlich der hypothetischen Dauer bis zu einer Verlegung in einen Einzelhaftraum könnten lediglich Durchschnittswerte angegeben werden, da insoweit keine Aufzeichnungen in der JVA Detmold geführt würden. Damit ist zum einen nicht auszuschließen, dass es nach seiner Aufnahme in die Warteliste mindestens 180 Tage gedauert hätte, bis der Kläger in einen Einzelhaftraum verlegt worden wäre. Zum anderen ist dieser Zeitraum aber nicht als maximale Höchstgrenze anzusehen, sondern lediglich als unverbindlicher Durchschnittswert, da das beklagte Land insoweit nicht nachvollziehbar dargelegt hat, auf welchen tatsächlichen Grundlagen dieser Durchschnittswert beruht. Es ist zudem senatsbekannt, dass es nach Eintragung in die Warteliste auch deutlich längere Wartezeiten als 180 Tage gegeben hat, wie zum Beispiel in dem vergleichbaren, vor dem Senat anhängigen Parallelverfahren I-11 U 149/09 (Land NRW ./. K - Wartezeit: 8 ½ Monate). Dazu, dass der Kläger nach einer unterhalb der von ihm gerügten Unterbringungszeit liegenden Wartezeit in einen menschenwürdigen Haftraum verlegt worden wäre, hat das beklagte Land demgegenüber nichts mit Substanz vorgetragen.

Vielmehr ist anzunehmen, dass der Kläger seine ihm bei anstaltsinterner Antragstellung mitgeteilte Aufnahme in die Warteliste nebst "Ranglistenplatz" als eine der bestehenden Belegungssituation angemessene Reaktion der JVA ansehen durfte und danach keine Veranlassung hatte anzunehmen, er könne mit einem (nachfolgenden) Antrag an die Strafvollstreckungskammer schneller eine menschenwürdige Haftunterbringung erreichen, ohne sich dem Vorwurf eines schuldhaften Versäumnisses im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB auszusetzen. Denn einem Gefangenen, der auf einen anstaltsinternen Verlegungsantrag hin in die anstalts- oder abteilungsbezogene Warteliste für Einzelhaftraumanwärter eingetragen wird, ist die Einlegung - weiterer - Rechtsmittel gegen seine Unterbringung - insbesondere in Form förmlicher Anträge an die Strafvollstreckungskammer nach §§ 114, 109 StVollzG - nach Ansicht des Senats nicht zumutbar. Die Aufnahme in die Warteliste, die auf Grundlage der Eingangsdaten der Verlegungsanträge geführt wird und der damit auf Grundlage eines nachvollziehbaren Kriteriums eine Steuerungsfunktion zukommt, suggeriert dem Gefangenen, dass faktisch keine andere Möglichkeit besteht, als über diese Liste einen Einzelhaftraum zu erhalten. Andernfalls wäre das Führen einer solchen Liste sinnlos. Auf die Zuverlässigkeit dieses Erklärungswertes darf der Gefangene sich grundsätzlich verlassen, jedenfalls dann, wenn - wie hier - mit der Aufnahme in die Warteliste keine zusätzlichen Erklärungen, z.B. zu Umgehungsmöglichkeiten über die Sprechstunde der Anstaltsleitung oder auch über Anträge nach §§ 109, 114 StVollzG, verbunden sind.

cc)

Vor diesem Hintergrund bedarf es jedenfalls im Streitfall keiner weiteren Aufklärung mehr dazu, welche Möglichkeiten einer anderweitigen Unterbringung des Klägers unter menschenwürdigen Haftbedingungen in der JVA Detmold oder alternativ auch in einer anderen Anstalt überhaupt bestanden hätten und wie die JVA Detmold auf eine einem (fiktiven) Antrag nach §§ 109, 114 StVollzG stattgebende Entscheidung der zuständigen Strafvollstreckungskammer reagiert hätte. Unerheblich ist weiter, dass sich nach der Stellungnahme des Präsidenten des LG Detmold vom 17.12.2008 nicht einmal sagen lässt, ob ein die Unterbringungssituation betreffender Eilantrag eines Gefangenen nach § 114 StVollzG überhaupt sachlich beschieden und nicht wegen unzulässiger Vorwegnahme der Hauptsache zurückgewiesen worden wäre und wie lange andernfalls ein Beschwerdeverfahren nach § 109 StVollzG im Einzelfall gedauert hätte.

g)

Demnach steht dem Kläger dem Grunde nach ein Entschädigungsanspruch zu.

Indes hat die Berufung des beklagten Landes hinsichtlich der Höhe teilweise Erfolg. Das Landgericht ist zwar grundsätzlich im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des Senats von einem kalendertäglichen Entschädigungssatz von 20,00 € wegen des Zusammentreffens der Überbelegung und der unzureichenden sanitären Ausstattung ausgegangen, indes ist der in Ansatz gebrachte Abzug von 2,00 € (10 %) für die Zeit der Arbeitstätigkeit des Klägers ab dem 19.01.2007 zu gering bemessen. In ständiger Rechtsprechung hält der Senat insoweit einen pauschalen Abzug von 25 % für angemessen, da die dem Kläger zugemuteten Haftbedingungen ihn während der Zeiten seiner Arbeitstätigkeit außerhalb des Haftraums fühlbar weniger stark belastet und in seiner Menschenwürde verletzt haben.

Demnach steht dem Kläger ein Entschädigungsanspruch in Höhe von insgesamt 2.865,00 € zu, der sich wie folgt berechnet:

Zeitraum Tage Abzug Entsch.-Satz

10.1.07-18.1.07 9 nein 20,- € 180,- €

19.1.07-28.3.07 69 ja 15,- € 1.035,- €

29.03.07 1 Einzelunterbringung 0,- €

30.3.07-17.7.07 110 ja 15,- € 1.650,- € 2.865,- €

2)

Den zuerkannten Zinsanspruch ab dem 20.02.2008 aus §§ 286, 288 Abs. 1 BGB hat das beklagte Land mit der Berufung nicht angegriffen (vgl. hierzu: Zöller-Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 520 Rn. 38 unter Hinweis auf BGH, NJW 1994, 1656 f.).

3)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit gründet sich auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts.