LG Dortmund, Urteil vom 22.05.1997 - 8 O 308/96
Fundstelle
openJur 2012, 76537
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits

je zur Hälfte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch

Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von

450, 00 DM abwenden, wenn nicht das beklagte Land

zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der klagende Ehemann ist Angestellter der Firma C.

Er ist zudem Inhaber der Firma C2.

Die Buchhaltung beider Betriebe

wird durch den Steuerberater L erledigt. Dieser führt

sämtliche Korrespondenz mit der Finanzverwaltung. Die kla-

gende Ehefrau ist Hausfrau; sie geht im übrigen einer Teil-

zeitbeschäftigung nach, die nichts mit steuerlicher Tätig-

keit zu tun hat. Die Kläger wurden durch einen Bescheid des

Finanzamtes Dortmund-Ost vom 16.01.1996 zur Einkommens- und

Kirchensteuer 1994 gemeinsam veranlagt. Aufgrund eines

mechanischen Eingabeversehens übernahm der Veranlagungs-

bescheid die von dem klagenden Ehemann auf dem Formular

GSE erklärten Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 78.615,00 DM

doppelt; einmal als Einkünfte eines Einzelunternehmers mit

78.615,00 DM und ein weiteres mal aus Beteiligungen mit wiederum

78.615,00 DM. Der Steuerberater L erhob gegen diesen Ein-

kommenssteuerbescheid Einspruch. Zugleich beantragte er die

Aussetzung der Vollziehung wegen der übererhobenen Summe.

Mit der Veranlagung 1994 erhielten die Kläger Vorauszahlungs-

bescheide für 1995 und für 1996. Auch gegen diese Voraus-

zahlungsbescheide, die auf dem Einkommenssteuerbescheid 1994

beruhten, erhob der Steuerberater L jeweils Einspruch.

Den drei Einsprüchen gab die Finanzverwaltung antragsgemäß

statt.

Die Kläger begehren mit der Klage den Ersatz der hierbei entstandenen Steuerberatergebühren.

Sie sind der Auffassung, daß die doppelte Veranlagung durch

den Sachbearbeiter des Finanzamtes vermeidbar und damit

schuldhaft gewesen sei. Deshalb stehe ihnen ein Anspruch gegen

das beklagte Land unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtver-

letzung zu.

Die Kläger haben ursprünglich angekündigt, zu beantragen,

das beklagte Land zu verurteilen, an die Kläger als Ge-

samtgläubiger 2.163,15 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 11.03.1996

zu zahlen. In der mündlichen Verhandlung vom 22.05.1997

haben sie die Klage jedoch teilweise zurückgenommen und

beantragen nunmehr,

das beklagte Land zu verurteilen, an die Kläger als

Gesamtgläubiger 1.881,00 DM nebst 4 % Zinsen ab dem

11.03.1996 zu zahlen.

Das beklagte Land beantragt,

die Klage abzuweisen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch

aus § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 14 Grundgesetz

gegen das beklagte Land. Es kann dabei dahinstehen, ob

die Amtshaftungsansprüche grundsätzlich für den Ersatz von

Steuerberaterkosten neben den Vorschriften der Abgabenordnung

anwendbar sind oder nicht. Denn selbst wenn man vorliegend

eine Amtspflichtverletzung durch den Sachbearbeiter des

Finanzamtes bejaht, so steht den Klägern gleichwohl der

geltend gemachte Anspruch nicht zu. Ersetzt werden nämlich

im Rahmen von § 249 BGB nicht alle Aufwendungen für Be-

vollmächtigte, sondern nur die erforderlichen (vgl.

Palandt/Heinrichs, § 249 Rn. 21). Vorliegend war die Ein-

schaltung eines Steuerberaters jedoch nicht erforderlich,

denn es wäre zumindest für den geschäftlich erfahrenen klagen-

den Ehemann ohne weiteres erkennbar gewesen, daß Einkünfte

in Höhe von 78.615,00 DM doppelt berücksichtigt worden sind

und daß dies auf einem Versehen des Sachbearbeiters beim

Finanzamt beruhte. Die Kläger hätten sich dann mit dem Sach-

bearbeiter in Verbindung setzen und auf den Fehler aufmerk-

sam machen müssen. Wie die umgehende positive Bescheidung

der von dem Steuerberater eingelegten Einsprüche zeigt,

war das Finanzamt auch zur sofortigen Fehlerberichtigung

bereit.

Dasselbe ergibt sich ferner aus dem Gesichtspunkt des Mit-

verschuldens im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB. Zwar führt

grundsätzlich ein Mitverschulden nur zur Anspruchsminderung.

Es kann im Rahmen von § 254 Abs. 2 BGB aber auch zu einem

gänzlichen Wegfall der Ersatzpflicht des Schädigers führen.

(vgl. Palandt/Heinrichs, § 254 Rn. 52). Aufgrund der Offen-

sichtlichkeit des Versehens des Sachbearbeiters war hiervon

im vorliegenden Fall auszugehen. Es spielt auch keine Rolle,

daß der Steuerberater ohnehin die gesamte Buchführung erle-

digte und die Kläger ständig betreute. Denn die Pflicht zur

Schadensminderung trifft grundsätzlich die Kläger selbst.

Wenn sie sich statt dessen bei der Erfüllung dieser Pflichten

eines Dritten bedienen, so können sie mithin die dafür an-

fallenden Kosten nicht von dem Schädiger ersetzt verlangen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 in

Verbindung mit 100 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.