OLG Köln, Urteil vom 03.06.1996 - 12 U 5/96
Fundstelle
openJur 2012, 75381
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.1995 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 2 O 58/95 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Gründe

Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte restliche Schadensersatzanspruch von 12.256,70 DM weder mit dem Hauptantrag auf Zahlung an sich noch mit dem Hilfsantrag auf Zahlung an die Fa. B. XX zu. Seine Ersatzansprüche aus dem Unfall vom 5.6.1993 sind mit den vorprozessualen Zahlungen der Beklagten entsprechend ihrem Abrechnungsschreiben vom 27.8.1993 ausgeglichen.

Es ist - wie in der mündlichen Verhandlung näher dargelegt wurde - bereits zweifelhaft, ob der Kläger aktivlegitimiert ist, da er Ersatzansprüche aus dem Unfall mit seiner Erklärung vom 7.6.1993 an die Fa. B. XX abgetreten hat, diese Abtretung zwar möglicherweise - wie die Beklagte vorprozessual gemeint hat - gem. § 134 BGB nichtig ist, indes Anhaltspunkte dafür bestehen, daß im Zusammenhang mit dem Neuwagenkauf eine erneute Abtretung erfolgt ist, da in der Kaufvertragsurkunde die Formularrubrik über die Zahlungsweise entgegen allen Gepflogenheiten im Kfz-Handel nicht ausgefüllt worden ist. Diese Frage kann indes in gleicher Weise wie eine etwaige von der Fa. B. XX erteilte Ermächtigung zur klageweisen Einziehung der abgetretenen Forderung, auf welche der Kläger sich im Verhandlungstermin berufen hat, offenbleiben, da sich der restliche Ersatzanspruch wegen des Fahrzeugschadens entsprechend der von der Beklagten vorgenommenen Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungswert nur auf 8.533,76 DM beläuft, dieser indes wegen der von der Beklagten erklärten Aufrechnung wegen überbezahlter Mietwagenkosten erloschen ist.

1.

Zutreffend hat das Landgericht, auf dessen Ausführungen gem. § 542 Abs. 1 ZPO Bezug genommen wird, festgestellt, daß dem Kläger eine Abrechnung nach den Reparaturkosten verwehrt ist, weil er kein schutzwürdiges Interesse an dem Erhalt des ihm vertrauten Fahrzeugs hat.

Der Anspruch auf Erstattung von Reparaturkosten ist grundsätzlich der Höhe nach durch eine Abrechnung nach dem Wiederbeschaffungswert begrenzt, wobei den Reparaturkosten zuzüglich merkantiler u. technischer Minderwerte der Wiederbeschaffungswert abzüglich seines Restwertes gegenüberzustellen ist. Die Zubilligung der aufwendigeren Reparaturkosten ist im allgemeinen nur gerechtfertigt, weil und soweit dem Integritätsinteresse des Geschädigten an der Erhaltung des ihm vertrauten Wagens Rechnung zu tragen ist. Dafür ist grundsätzlich kein Raum, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug gar nicht weiter nutzt (vgl. BGH NJW 1985, 2469; NJW 1992, 302 und 1618 ; OLG Köln NJW-RR 1993, 1437).

Hier hat der Kläger indes unstrittig das Fahrzeug nicht mehr weiterbenutzt, sondern veräußert. Dies beruhte wiederum seinem eigenen erstinstanzlichen Sachvortrag zufolge darauf, daß er Ende Juni 1993 nach Besichtigung des Unfallfahrzeugs im zerlegten Zustand das "verheerende" Ausmaß der ihm von dem Sachverständigen T. erläuterten Schäden erkannt haben will. Nach seinem nunmehrigen Sachvortrag soll dagegen die Motivation darin bestanden haben, daß ihm ein interessantes Kaufangebot gemacht worden sei und er kurzfristig über das Neufahrzeug habe verfügen können, ohne allerdings auch auf Befragen im Termin darzulegen, wer ihm das Kaufangebot gemacht hat und welche Abreden insoweit getroffen worden sind. Jedenfalls hat der Kläger bereits zu einem Zeitpunkt von seiner Weiternutzungsabsicht Abstand genommen, zu dem das Fahrzeug "zerlegt", also eine Reparatur noch nicht erfolgt war. Es kann daher als richtig unterstellt werden, daß er der Fa. B. XX ursprünglich einen Reparaturauftrag erteilt hat, er zu diesem Zeitpunkt eine Selbstnutzungsabsicht hatte und am 2.7.1993, dem Tag, an dem er das ihm von der Fa. B. XX angebotene Neufahrzeug gekauft hat, eine Reparatur bereits erfolgt war. Jedenfalls im Zeitpunkt der Aufgabe der Selbstnutzungsabsicht, mit dem das Integritätsinteresse entfallen war, war das Unfallfahrzeug auch nach seinem Vorbringen noch nicht repariert. Die Sachlage ist daher entgegen seiner Meinung durchaus vergleichbar mit derjenigen, die der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (NJW-RR 1993, 1436), auf welche das Landgericht sich gestützt hat, zugrunde liegt. Der Unterschied besteht lediglich darin, daß - wiederum das Vorbringen des Klägers als richtig unterstellt - der Fa. B. XX ein Reparaturauftrag erteilt war, während in dem vom Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall eine Eigenreparatur erfolgt war, um das Fahrzeug alsdann zu veräußern. Auch im vorliegenden Fall war indes das Fahrzeug gerade noch nicht repariert und der Kläger hätte in Ausübung seiner Kündigungsbefugnis nach § 649 S. 1 BGB den Reparaturauftrag ohne weiteres "stoppen" können. Nennenswerte Kosten können zu diesem Zeitpunkt kaum angefallen gewesen sein, weil das Fahrzeug noch "zerlegt" war, so daß ein etwaiger Anspruch der Fa. B. XX aus § 649 S. 2 BGB ihn nicht über Gebühr belastet hätte. Sein Entschluß, von dieser naheliegenden Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, beruht wiederum seinem eigenen Vorbringen im Berufungsverfahren zufolge auf einem "interessanten Kaufangebot", also letztlich auf wirtschaftlichen Erwägungen, denen er den Vorzug vor der ursprünglichen Selbstnutzungsabsicht gegeben hat. Dann kann er schadensrechtlich auch nicht anders behandelt werden, als derjenige, der von Anfang an das Unfallfahrzeug nicht mehr nutzen wollte und deshalb von einer Reparatur abgesehen hat. Ob und inwieweit evtl. Grenzen zu ziehen sind, insbesondere für den Fall, daß im Zeitpunkt der Sinnesänderung das Fahrzeug schon so weit repariert ist, daß ein Anspruch des Betreibers der Reparaturwerkstatt aus § 649 S. 2 BGB so hoch sein kann, daß die durch den Wiederbeschaffungswert gezogenen Grenzen überschritten werden, bedarf keiner Entscheidung. Ein derartiger Fall hat gerade nicht vorgelegen. Auch zeigt der Kläger nicht nachvollziehbar auf, daß seine Sinnesänderung auf neuen Erkenntnissen zum Umfang des Schadens gegenüber denjenigen nach Vorlage des Schadensgutachtens, in dem bereits ein nach Reparatur verbleibender Minderwert berücksichtigt ist, beruht. Bereits durch das Gutachten mit einer Fotoanlage, die sich auch auf Schadensdetails erstreckt und in dem zur Begründung der Wertminderung von 3.000,00 DM vermerkt ist, daß Richt- und Schweissarbeiten sowie Eingriffe in das Karosseriegefüge erforderlich sind, waren ihm mögliche Risiken bei einer Erhaltung seines Fahrzeugs deutlich vor Augen geführt worden.

2.

Die hiernach nur teilweise gerechtfertigte Klageforderung ist wegen eines Gegenanspruchs der Beklagten auf Rückerstattung überbezahlter Mietwagenkosten erloschen. Der Fa. cs waren zwar nur Ersatzansprüche "auf Erstattung der Mietwagenkosten" abgetreten, so daß die Beklagte aufgrund der Zession zur Leistung nur in dem Umfang verpflichtet war, in dem ein entsprechender Anspruch des Klägers gegen sie bestand. Wegen der weitergehenden Mietwagenrechnung, welche die Beklagte insgesamt ausgeglichen hat, steht ihr jedoch ein Aufwendungsersatzanspruch aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag gem. den §§ 670, 677, 683 BGB zu, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat.

Die Beklagte hat, soweit sie nicht aufgrund der Zession zur Leistung verpflichtet war, eine fremde Verbindlichkeit, nämlich diejenige des Klägers aus § 535 BGB gegenüber der Mietwagenfirma getilgt. Die Bezahlung von Schulden eines Dritten ist wiederum ein objektiv fremdes Geschäft und eröffnet grundsätzlich Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 55. Auflage, § 267 Rdn. 7, Palandt/Thomas a.a.O. § 677 Rdn. 4). Auch wenn die Beklagte sich aufgrund der Abtretungserklärung zum Vorabausgleich der Mietwagenkosten unabhängig vom Umfang der Erstattungsansprüche des Klägers wegen der Mietwagenkosten für verpflichtet hielt, hat sie jedenfalls durch die Tilgung der Verbindlichkeit aus § 535 BGB ein Geschäft des Klägers mitbesorgt Es hat sich daher um den typischen Fall eines zugleich eigenen und fremden Geschäfts gehandelt, bei dem der Wille, auch das fremde Geschäft mitzubesorgen, vermutet wird (vgl. Palandt/Thomas § 677 Rdn. 6 mit Nachweisen aus der st. Rspr. des BGH). Tatsachen zur Entkräftung dieser Vermutung hat der Kläger nicht dargetan.

Schließlich entsprach die Geschäftsführung, selbst dann, wenn die Zahlung nicht auf einer nach dem Sachvortrag der Beklagten getroffenen Absprache zwischen ihr und dem damaligen anwaltlichen Vertreter des Klägers beruht haben sollte, jedenfalls dem mutmaßlichen Willen des Klägers (§ 683 S. 1, 2. Alt. BGB). Die Bezahlung einer Schuld des Geschäftsherrn liegt jedenfalls dann, wenn ihr Einwendungen nicht entgegenstehen, regelmäßig in dessen Interesse; ein diesem Interesse entsprechender Wille wird mangels anderweitiger Anhaltspunkte ebenfalls vermutet (Palandt/Thomas. § 683 Rdn. 4, 7). Hier war der Kläger unabhängig von der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Mietwagenkosten von dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung ersetzt werden können, gehalten den mietvertraglichen Erfüllungsanspruch der cs auszugleichen, ohne daß Einwendungen des Klägers hiergegen ersichtlich sind bzw. der Beklagten bei Übernahme der Geschäftsführung ersichtlich waren.

Keine andere Beurteilung ergäbe sich im übrigen bei dem von dem Landgericht aufgezeigten Weg über einen Bereicherungsanspruch aus einer Leistungskondiktion. Darauf, ob seitens der Beklagten der Wille bestanden hat, auf eine (vermeintlich) eigene Verbindlichkeit zu leisten, kommt es nicht an. Es ist nicht auf die Willensrichtung des Leistenden, sondern auf die Sicht des Leistungsempfängers abzustellen. Für einen objektiven Beobachter in der Person sowohl der cs wie auch des Klägers stellte sich die Zahlung indes, soweit sie über den schadensrechtlichen Erstattungsanspruch, der nur abgetreten war, hinausging, als eine Erfüllung der Verbindlichkeit des Klägers aus § 535 BGB dar. Dies hat die Folge, daß unmittelbar zwischen den Parteien ein Bereicherungsausgleich zu erfolgen hat, soweit die Beklagte dem Kläger gegenüber nicht zur Erstattung der Mietwagenkosten verpflichtet war. Der Normalfall, wonach bei einer irrtümlichen Annahme des Leistenden, er sei der Schuldner, ein Bereicherungsausgleich zwischen ihm und dem Gläubiger (hier cs) zu erfolgen hat, liegt gerade nicht vor, weil die cs zwei Ansprüche hatte, nämlich zum einen denjenigen gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht des Klägers und daneben den Erfüllungsanspruch gegen den Kläger. Jedenfalls zu letzterem war aber die Beklagte nicht der irrtümlichen Annahme, sie sei Schuldnerin. Im übrigen verbleibt selbst in derartigen Fällen die Möglichkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung des Leistenden mit der Folge, daß er gegenüber dem wahren Schuldner kondizieren kann (vgl. Palandt/Heinrichs § 267 Rdn. 8 u. Palandt/Thomas § 812 Rdn. 62). Von letzterem hat die Beklagte in ihrem Abrechnungsschreiben vom 27.8.1993 Gebrauch gemacht.

Für eine Anwendung des § 814 BGB hat der Kläger hinreichende Tatsachen nicht dargetan, so daß seinem Beweisantritt auf Vernehmung des Sachbearbeiters S. der Beklagten nicht nachzugehen ist. Der Zeuge S. war zwar der ursprünglich tätig gewesene Bearbeiter der Sache bei der Beklagten und hat auch deren Abrechnungsschreiben verfaßt. Grundlage der Abrechnung der Beklagten war aber wiederum der Vermerk des Assessors L. über das Regulierungsgespräch mit dem damaligen anwaltlichen Vertreter des Klägers und die hierin enthaltene Anweisung zu prüfen, in welcher Weise die unstreitige Entschädigungsleistung anzuweisen sei. Der Vermerk enthält die Rechtsauffassung des Zeugen L., daß die Mietwagenkosten "gemäß der vorliegenden Zession" zu erfüllen seien und der Rest an den Kläger auszuzahlen sei. Der Kläger legt nicht dar, daß der Zeuge S. die fehlerhafte Rechtsauffassung des Herrn L. erkannt und gleichwohl die Zahlung angewiesen hat. Hierzu wäre er aber gehalten gewesen.

Wegen der sachlichen Berechtigung der Gegenforderung nimmt der Senat gem. § 543 Abs. 1 ZPO Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Die Beklagte hat mehrere Preislisten Kölner Mietwagenunternehmen vorgelegt, aus denen sich ergibt, daß die von der Fa. cs berechnete Miete völlig aus dem Rahmen des Üblichen fällt. Da deren inhaltliche Richtigkeit nicht bestritten ist, gibt der Vortrag des Klägers, es sei unzutreffend, daß die angesetzten Tagessätze offensichtlich und für einen Laien erkennbar erheblich übersetzt seien, keinen Anlaß, dem Beweisantritt auf Einholung eines Sachverständigengutachtens nachzugehen. Der Kläger brauchte zwar vor der Anmietung bei der cs keine Marktforschung zu betreiben. Er war indes gehalten, sich - gegebenenfalls telefonisch - durch ein oder zwei Konkurrenzangebote Gewißheit über den Rahmen der üblichen Kosten zu verschaffen (vgl. BGH NJW 1985, 2639 sowie z.B. OLG Köln VersR 1993, 767) . Da dies nicht geschehen ist und sein Erstattungsanspruch auf die Dauer der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs beschränkt ist, die sich unstreitig auf 21 Kalendertage beläuft, nachdem er sich zur Anschaffung eines Neufahrzeugs entschlossen hat, stehen ihm mehr als die von der Beklagten anerkannten 4.816,20 DM nicht zu. Mit dem überschießenden Betrag kann die Beklagte aufrechnen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Beschwer: nicht mehr als 60.000,00 DM