1) Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs des PKWEigenhändlers nach Ende des Händlervertrags. 2) Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist von den unverbindlichen Preisempfehlungen des Herstellers auszugehen. 3) Zu berücksichtigten ist nur der tatsächliche, nicht aber ein hypothetischer Mehrfachkundenumsatz. 4) Bei einem Eigenhändler entspricht der Anteil des Händlerrabatts, mit dem die werbende Tätigkeit des Händlers abgegolten werden soll, der Provision des Handelsvertreters. Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs sind von dem Händlerrabatt danach die Verwaltungskosten des Händlers und die von ihm gewährten Preisnachlässe abzusetzen. 5) Der Ausgleichsanspruch ist für einen Zeitraum von fünf Jahren zu ermitteln. Dabei sind eine jährliche Abwanderungsquote von 25 % des jeweiligen Vorjahresbetrags und ein weiterer Abzug wegen der Sogwirkung der Marke zu berücksichtigten.
Die Berufungen der Parteien sind zulässig. In der Sache hat
lediglich das Rechtsmittel der Beklagten - teilweise - Erfolg,
während die Berufung des Klägers insgesamt unbegründet ist.
Dem Kläger steht in entsprechender Anwendung des § 89 b HGB
gegen die Beklagte ein Ausgleichsanspruch auf Zahlung von 54.963,95
DM zu.
Der Kläger war zwar für die Beklagte nicht als Handelsvertreter,
sondern als Eigenhändler tätig. Nach ständiger Rechtsprechung ist
dem Eigenhändler aber ein Ausgleichsanspruch zuzubilligen, wenn
zwischen ihm und dem Lieferanten ein Rechtsverhältnis besteht, das
sich nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft,
sondern den Eigenhändler aufgrund vertraglicher Abmachungen so in
die Absatzorganisation seines Lieferanten eingliedert, daß er
wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter
vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat und er verpflichtet ist, bei
Vertragsende seinem Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen,
so daß dieser sich die Vorteile des Kundenstamms nutzbar machen
kann (BGH, ZIP 1987, 1383; BGH, DB 1993, 1031; BGH, DB 1993, 2526).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Der Kläger war in die Absatzorganisation der Beklagten
eingebunden, wie sich u.a. aus seiner vertraglich übernommenen
Verpflichtung ergibt, eine Konkurrenztätigkeit zu unterlassen, die
Richtlinien der Beklagten betreffend Lagerung und Auslieferung von
Neufahrzeugen zu befolgen sowie ein Ersatzteillager und eine
Werkstatt zur Reparatur von RenaultFahrzeugen zu unterhalten. Der
Kläger war ferner zur Óbertragung seines in der Vertragszeit
gewonnenen Kundenstamms verpflichtet. Dabei kommt es nicht darauf
an, ob diese Verpflichtung erst bei Vertragsbeendigung oder schon
während der Vertragszeit durch laufende Óbermittlung der
Kundendaten an den Hersteller zu erfüllen ist; entscheidend ist,
daß der Hersteller dadurch tatsächlich in die Lage kommt, sich den
Kundenstamm auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses weiter
nutzbar zu machen (BGH, DB 1993, 2526). Der Kläger mußte nach den
Vorgaben der Beklagten, wie diese nicht näher bestritten hat, jede
Bestellung/Zulassung eines Neufahrzeugs über EDV an die Beklagte
melden. Hierbei wurden der Beklagten auch die Kundendaten (Namen,
Anschrift) mitgeteilt. Aufgrund dieser Meldungen verfügte die
Beklagte über alle sie interessierenden Kundendaten des Klägers.
Sie war deshalb in der Lage, seinen Kundenstamm nach
Vertragsbeendigung weiter zu nutzen.
Nach dem vorgetragenen Sachverhalt muß auch davon ausgegangen
werden, daß die Beklagte aus der Geschäftverbindung mit neuen
Kunden, die der Kläger geworben hat, noch nach Beendigung des
Vertragsverhältnisses Vorteile hat, während der Kläger keine der
Provision vergleichbare Teile des Händlerrabatts mehr erhält. Der
Kläger hat insoweit seiner Darlegungslast genügt, indem er für das
letzte Vertragsjahr eine Liste der von ihm geworbenen
Mehrfachkunden vorgelegt und darin die Daten dieser Kunden und der
an sie getätigten Verkäufe aufgeführt hat. Dem Inhalt dieser Liste
ist die Beklagte nicht näher entgegengetreten. Ihre Behauptung, die
erwähnten Mehrfachkunden des Klägers seien bereits von der Firma G.
geworben worden, ist ohne Angabe der entsprechenden Kunden- und
Verkaufsdaten der Firma G. unsubstantiiert und damit unbeachtlich.
Grundlage für den Ausgleichsanspruch des Klägers ist danach die von
ihm vorgetragene Liste seiner Mehrfachkunden.
Für die weitere Berechnung des Ausgleichsanspruchs gilt im
einzelnen folgendes:
1. Das Landgericht ist bei seiner Berechnung zutreffend von den
unverbindlichen Preisempfehlungen der Beklagten ausgegangen. Soweit
der Kläger seinen Kunden einen Rabatt gewährt hat, minderte dies
zwar seinen Gewinn, nicht aber den Vorteil, den die Beklagte aus
dem übertragenen Kundenstamm hat. Dies rechtfertigt es, die
unverbindlichen Preisempfehlungen der Beklagten zugrundezulegen.
Die Gewinneinbußen des Klägers durch gewährte Rabatte führen
jedoch, wie noch darzulegen ist, im Rahmen der
Billigkeitserwägungen zu einer Herabsetzung des Ausgleichsanspruchs
(vgl. BGH, NJW 1961, 120, 121).
2. Das Landgericht hat bei der Berechnung der Höhe der
äProvisionsverlusteô im Einklang mit der Rechtsprechung auf den
Umsatz des Klägers im Neuwagengeschäft im letzten Vertragsjahr
abgestellt, und zwar beschränkt auf den Umsatz mit Mehrfachkunden
(vgl. BGH, NJW 1983, 2877, 2879; BGH, ZIP 1987, 1383, 1387). Nach
den nicht bestrittenen Zahlenangaben des Klägers betrug dieser
Umsatz auf der Basis der unverbindlichen Preisempfehlungen der
Beklagten 350.393,20 DM.
Ein weiterer potentieller Mehrfachkundenumsatz aus dem Kreis der
Neukunden des letzten Vertragsjahres ist vom Landgericht zu Recht
außer Betracht gelassen worden. Der Handelsvertreter kann nur für
bereits geworbene neue Stammkunden einen Ausgleich fordern, nicht
aber für eine erst bei Fortsetzung seiner Tätigkeit zu erwartende
weitere Vermehrung des Kundenstamms (BGH, NJW 1974, 1242, 1243).
Etwas anderes ergibt sich entgegen der Ansicht des Klägers auch
nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2.7.1987 (ZIP 1987,
1383, 1386). Vielmehr hat der Bundesgerichtshof auch dort unter B 1
b) auf die in der Vertragszeit ermittelten Mehrfachkunden
abgestellt.
3. Bei einem Eigenhändlervertrag wie im vorliegenden Fall ist
die der Provision des Handelsvertreters vergleichbare
Händlervergütung in dem vom Hersteller gewährten Händlerrabatt
enthalten. Der durchschnittliche Händlerrabatt der Beklagten,
nämlich die Differenz zwischen ihren unverbindlichen
Preisempfehlungen und dem Einkaufspreis des Händlers, ist vom
Kläger mit 17 % und von der Beklagten zunächst in der
Berufungsbegründung mit 16,5 % und später in ihrem Schriftsatz vom
19.5.1995 mit rund 16 % angegeben worden. Der Senat geht im Wege
der Schätzung (§ 287 ZPO) von einem Mittelwert von 16,5 % aus, da
die Differenz zwischen den Angaben der Parteien gering ist und eine
genaue Ermittlung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich
wäre.
Von diesem Händlerrabatt kann jedoch nach ständiger
Rechtsprechung für den Ausgleich nach § 89 b HGB nur der Anteil
berücksichtigt werden, mit dem die werbende Tätigkeit des Händlers
abgegolten wird (BGH, NJW 1985, 860, 861; BGH, ZIP 1987, 1383,
1388).
Von dem Händlerrabatt sind zunächst die Verwaltungskosten
abzuziehen (BGH, NJW 1985, 860, 861). Der Kläger hat diese Kosten
mit 2,5 % der unverbindlichen Preisempfehlung angegeben. Bedenken,
daß diese Angabe zu niedrig sein könnte, bestehen schon deshalb
nicht, weil der Kläger nur einen geringen Neuwagenumsatz hatte (47
Fahrzeuge im letzten Vertragsjahr), wofür nur eine kleine
Ausstellungsfläche und kaum zusätzliches Personal erforderlich war.
Die Beklagte, die für einen höheren Verwaltungskostenanteil
darlegungspflichtig ist (BGH, BB 1988, 2199, 2200) hat keine auf
die konkreten Verhältnisse des Klägers bezogene abweichende
Darstellung vorgetragen, so daß ein Verwaltungskostenanteil von 2,5
% zugrundezulegen ist.
Abzuziehen sind im Rahmen der Billigkeitserwägungen ferner die
vom Kläger gewährten Preisnachlässe, weil hierdurch der in dem
Händlerrabatt der Beklagten enthaltene Gewinnanteil gemindert wird
(vgl. BGH, NJW 1961, 120, 121; OLG Stuttgart, Urteil vom 22.12.1994
- 13 U 72/94). Die Beklagte beziffert die durchschnittlichen
Nachlässe ihrer Händler mit 6,5 %. Durchschnittsangaben für die
Nachlässe des Klägers sind nicht ermittelt. Nach den zu den Akten
gereichten Unterlagen des Klägers erscheinen seine Nachlässe im
Mittel niedriger als die Durschnittsangaben der Beklagten von 6,5
%. Hierauf deutet auch die niedrige Zahl seiner Neuwagenverkäufe
hin. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und auch der
Inzahlungnahmen von Gebrauchtwagen zu günstigem Preise schätzt der
Senat den durchschnittlichen Preisnachlaß des Klägers auf 5 %.
Damit verbleibt nach Abzug der Verwaltungskosten und des
Preisnachlasses ein der Provision des Handelsvertreters
entsprechender Gewinnanteil des Klägers von 9 %, so daß auf seinen
Stammkundenumsatz von 1992 (350.393,20 DM) eine äProvisionô von
31.535,38 DM entfiel.
4. Hiervon ist eine jährliche Abwanderungsquote abzuziehen, die
der Senat mit 25 % ansetzt (ebenso BGH, ZIP 1987, 1386). Die
Prognosedauer bemißt der Senat mit Rücksicht darauf, daß bei
Kraftfahrzeugen Neubestellungen in der Regel erst nach einem
längeren Zeitraum erfolgen, mit fünf Jahren (vgl. die
Rechtsprechungsnachweise bei Küstner/von Manteuffel, Handbuch des
gesamten Außendienstrechts, Band II, 5. Aufl., Rn. 302). Die
Abwanderungsquote von 25 % bezieht sich allerdings entgegen der
Auffassung der Beklagten nur für das erste Prognosejahr auf die 100
% des letzten Vertragsjahres, für die folgenden Prognosejahre
dagegen immer auf den prozentual geminderten Betrag des
vorangehenden Prognosejahrs (vgl. Küstner/von Manteuffel, a.a.O.,
Rn. 299). Hierfür spricht, daß der überlassene Kundenstamm sich
durch die Abwanderung im Zweifel gleichmäßig mindert, so daß die
Verlustquote von 25 % ab dem zweiten Prognosejahr von dem bereits
geminderten Betrag des Vorjahrs abzuziehen ist.
Danach ergibt sich für die Jahre 1993 bis 1997 folgender
Provisionsausfall des Klägers:
l993 23.651,54 DM 1994 17.738,65 DM 1995 13.303,99 DM 1996
9.977,99 DM 1997 7.483,49 DM 72.155,66 DM.
5. Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist von diesem
Betrag allerdings im Rahmen der Billigkeitserwägungen ein Abzug
wegen der äSogwirkungô der Marke veranlaßt (vgl. BGH, NJW 1982,
2819; BGH, ZIP 1987, 1386). Der Entschluß zum Kauf eines neuen
Kraftfahrzeugs wird erfahrungsgemäß nicht allein durch die werbende
Tätigkeit des Eigenhändlers beeinflußt, sondern in erheblichem
Umfang auch durch die Besonderheiten des Fabrikats der Beklagten
und durch deren Werbung. Der Senat schätzt diese Sogwirkung auf 25
%, so daß nach Abzug dieser Quote ein Betrag von 54.116,75 DM
verbleibt.
Der Umstand, daß der Kläger sein Unternehmen an einen
PeugeotHändler verkauft hat, rechtfertigt keinen weiteren Abzug.
Die Behauptung der Beklagten, daß dem Kläger hierbei bereits sein
Kundenstamm vergütet worden sei, ist unsubstantiert und im übrigen
auch unerheblich, weil nicht erkennbar ist, daß hierdurch gegenüber
der Beklagten bestehende Ansprüche von einem Dritten erfüllt worden
sein könnten.
6. Wegen der vorzeitigen Fälligkeit der Ausgleichssumme ist -
unstreitig - eine Abzinsung erforderlich, die nach der Methode
Gillardon (54.116,75 : 60 x 52,9907) einen Betrag von 47.794,74 DM
ergibt.
Hierauf kann der Kläger 15 % Mehrwertsteuer aufschlagen, da für
den Ausgleichsanspruch die Bruttoprovisionen maßgebend sind und der
Kläger seinen Stammkundenumsatz auf der Basis von Nettopreisen
errechnet hat (BGH, ZIP 1987, 1387). Der Ausgleichsanspruch beträgt
damit insgesamt 54.963,95 DM.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 352, 353 HGB. Ein höherer
Zinssatz konnte nicht zugesprochen werden, da die Beklagte die
Aufnahme von Bankkredit bestritten hat und eine Bankbescheinigung
vom Kläger nicht vorgelegt worden ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713
ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 113.255,79 DM
Urteilsbeschwer des Klägers: 58.291,84 DM Urteilsbeschwer der
Beklagten: 54.963,95 DM