LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.1995 - 4 (5) Sa 98/95
Fundstelle
openJur 2012, 74727
  • Rkr:

Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Abs. 1 BGB liegt nicht vor, wennein Gaststättenbetrieb mit gut bürgerlicher Küche, welcher im Rahmen eines Pachtvertrages mit dem Eigentümer des Grundstückes betrieben wurde, eingestellt wird und an seiner Stelle nach einem Umbau von einigen Monaten aufgrund eines neuen Pachtverhältnisses mit dem Eigentümer des Grundstückes ein arabisches Spezialitätenrestaurant eröffnet wird. Der Annahme eines Betriebsüberganges steht in einem solchen Falle entgegen, daß sich der Charakter des betrieblichen Gaststättenbetriebes so geändert hat, daß von einer Fortführung des alten Betriebes nicht mehr gesprochen werden kann.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 26.10.1994 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Geschäfts-Nr.:

4(5) Sa 98/95

5(6) Ca 3236/94

ArbG Essen

2. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob der Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Betriebsübernahme verpflichtet ist, vier Arbeitnehmer des Hotel- und Gaststättenbetriebes B., darunter die Klägerin dieses Verfahrens, zu übernehmen.

Der Hotel- und Gaststättenbetrieb B. bestand seit etwa 80 Jahren auf der S. Straße in F. und wurde als gut bürgerliches deutsches Speiserestaurant geführt, zu dem Restaurant gehörte auch ein Hotelbetrieb mit 14 Zimmern. Eigentümer des Grundstückes ist Herr B..

Am 1.10.1993 pachtete die S. GmbH den Betrieb von Herrn B. und führte ihn bis März 1994 fort. Sie begann dann mit dem Umbau und der Renovierung des Betriebes und schaffte das gesamte Inventar aus den Räumen. Sämtliche Wandverkleidungen und Bodenbeläge, Elektro- und Sanitärinstallationen wurden entfernt.

Der Gaststättenbetrieb wurde endgültig am 18.5. eingestellt, zu dieser Zeit fiel auch die S. GmbH in Konkurs; der Hotelbetrieb wurde noch kurze Zeit fortgeführt. Die von der S. GmbH gekündigten Arbeitnehmer, darunter die Klägerin, wandten sich gegen diese Kündigung, durch Urteil des Arbeitsgerichts Essen wurde das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses festgestellt. Die zwischen der S. GmbH und Herrn B. bestehenden Verträge bezüglich des Gaststätten- und Hotelbetriebes wurden von Herrn B. aus wichtigem Grund gekündigt.

Mit Wirkung vom 1.8.1994 mietete der Beklagte die Räume des Hotels und der Gaststätte an, Mietzins war hiernach ab 1.1.1995 zu zahlen.

Das Hotel wurde ab dem 1.8.1994 betrieben, die Gaststätte am 20.10.1994 eröffnet. Betrieben wird nunmehr das Hotel und Restaurant T., ein Restaurant mit arabischen Spezialitäten. Zu diesem Zweck führte der Beklagte zuvor Umbaumaßnahmen in den gemieteten Räumen durch.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Betriebsübergang sei vorliegend nicht gegeben.

Wegen der weiteren Darstellung des Tatbestandes, der gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen .

Die Klägerin hat gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts form- und fristgericht Berufung eingelegt und unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen geltend gemacht, daß vorliegend gerade die Voraussetzungen gegeben seien, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einen Betriebsübergang bedingt. Entscheidend sei hierbei, daß der Beklagte am gleichen Ort sowohl die Gaststätte als auch das Hotel weiter betreibe.

Sie beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 26.10.1994 abzuändern und

1.festzustellen, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht;

2.für den Fall des Obsiegens des Antrags zu 1., den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzube- schäftigen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und weist darauf hin, daß das Arbeitsgericht mit zutreffenden Erwägungen einen Betriebsübergang verneint habe.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Akte ergänzend Bezug genommen .

ENTSCHEIDUNGSGRUNDE

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die Klage hat keinen Erfolg, da zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht.

Entscheidend ist insoweit allein, daß ein Betriebsübergang vorliegend nicht gegeben ist. Dies ergibt sich im einzelnen aufgrund folgender Erwägungen:

I.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. statt aller Urteil vom 22.5.1979

-1 AZR 46/76 - DB 79, 1751 sowie Urteil vom 30.10.1986

-2 AZR 696/85 - DB 87, 992), der sich die Kammer anschließt, kommt es für die Übernahme eines Betriebes im Sinne des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB darauf an, ob der neue Inhaber mit den übernommenen Betriebsmitteln

den Betrieb oder einen Betriebsteil im wesentlichen unverändert fortführen kann. Bei der Frage, welche Betriebsmittel auf den Nachfolger übergehen müssen, um von einem Betriebsübergang sprechen zu können, muß gerade auf den arbeitstechnischen Zweck des in Frage stehenden Betriebes abgestellt und hierzu festgestellt werden, welche Betriebsteile hierfür erforderlich sind, was also den prägenden Charakter des Betriebs bzw. des Betriebsteiles ausgemacht hat. Sodann kann beurteilt werden, ob aufgrund der vorzunehmenden Gesamtwürdigung die hiernach maßgeblichen Betriebsmittel übernommen worden sind, welche die Annahme eines Betriebsübergangs rechtfertigen.

II.

Geht man von diesen Grundsätzen aus, ist festzustellen, daß ein Betriebsübergang des hier in Frage stehenden Hotel- und Gaststättenbetriebes B. deshalb ausscheidet, weil der Beklagte zwar Bestandteile des ehemaligen Betriebes in Form einiger Wirtschaftsgüter übernommen hat, diese es ihm jedoch nicht - und dies ist der entscheidende Gesichtspunkt - ermöglicht haben, den (ehemaligen) Betrieb im wesentlichen unver- ändert fortzuführen; vielmehr ist an die Stelle des aufgelösten Hotel- und Gaststättenbetriebes B. ein von dessen Charakter völlig losgelöster und unabhängiger neuer Betrieb - das Hotel und Restaurant T., ein arabisches Spezialitätenrestaurant und Hotel - getreten.

1.Unerheblich für die Beurteilung der Frage eines Betriebsüberganges ist zunächst, daß der Beklagte eine noch funktionsfähige Kühleinrichtung, drei Elektrogeräte und im mehr oder weniger schlechten Zustand eine Kegelbahn sowie Teile der Saalbestuhlung und Saaltische nach den Bekundungen des Zeugen B. übernommen hat. Insoweit handelt es sich allein um Teile - wie der Zeuge B. formuliert hat - einer Ruine, um noch gebrauchsfähige Betriebsmittel des alten Hotel- und Gaststättenbetriebs B..

2.Gewichtiger ist dagegen der Umstand, daß der Beklagte die als Bestandteil des Pachtvertrages ausgewiesenen Hotelzimmer in einem Zustand übernommen hat, der es ihm erlaubte, sie als Hotelzimmer weiterhin zu nutzen und zu vermieten. Dieser Gesichtspunkt in Verbindung mit dem jedem Mietverhältnis naturgemäß innewohnenden Umstand, daß die örtliche Lage des gemieteten Objektes zwangsläufig unverändert bleibt, rechtfertigt jedoch vorliegend nicht den Schluß, damit sei durch den Beklagten der damalige Hotel- und Gaststättenbetrieb unverändert fortgeführt worden.

a) Zwar kann - wie etwa bei der Übernahme von Ladengeschäften - der örtlichen Lage unter dem Gesichtspunkt häufiger Lauf- und/oder Stammkundschaft in Verbindung mit dem Warensortiment ausschlaggebende Bedeutung bei der Beurteilung der Frage eines Betriebsübergangs zukommen, vorliegend trifft dies jedoch nicht zu:

Bei dem Hotel- und Gaststättenbetrieb B. handelte es sich um einen Betrieb, in dem zwar auch zahlreiche Gaststätten und Restaurants im Umfeld angesiedelt sind, dessen Charakter jedoch nicht durch die Laufkundschaft, sondern die gut bürgerliche Küche in Verbindung mit seiner ca. 80jährigen Tradition geprägt gewesen ist. In Frage steht kein Messehotel mit Restaurationsbetrieb, dessen Wert durch seine örtliche Lage geprägt ist, die auswärtige Besucher anzieht.

b) Dieser Charakter, wie er auch in dem gesamten Zuschnitt der Räumlichkeiten zum Ausdruck gekommen ist, ist jedoch durch den Beklagten gerade nicht fortgeführt worden:

Unabhängig von der Zeitspanne, in der der Gaststätten- und Hotelbetrieb tatsächlich geschlossen worden ist, tritt als für die Kammer entscheidender, eine Betriebsübernahme ausschließender Gesichtspunkt in den Vordergrund, daß sich der Charakter des von dem Beklagten betriebenen Hotel- und Gaststättenbetriebes völlig von dem ehemaligen Betrieb unterscheidet, so daß von einer Fortführung des alten Betriebes nicht mehr gesprochen werden kann:

Der Hotel- und Gaststättenbetrieb B. war durch die gut bürgerliche deutsche Küche und sein 80jähriges Bestehen gekennzeichnet. Hierdurch war zugleich der Kundenstamm geprägt. Demgegenüber geht es vorliegend - wie die Speisekarte anschaulich dokumentiert - um das Hotel und Restaurant T., um "Essen wie aus 1000 und einer Nacht mit den besten Gerichten der arabischen Küche in einer exotischen Atmosphäre", jeden Samstag werden ausgefallene Menüs bei Bauchtanz serviert, von diesem Zuschnitt wird auch die Speisekarte geprägt. In den Hintergrund tritt der Hotelbetrieb sowie der Umstand, daß weiterhin die Kegelbahn betrieben wird. Der Beklagte hat sich ersichtlich nicht den Namen des Gaststättenbetriebs B., insbesondere seinen Kundenstamm zunutze gemacht. Vielmehr hat er ein ehemaliges, mehr oder weniger als Ruine noch vorhandenes Lokal - der Gaststättenbetrieb war, nachdem 30 Container Bauschutt abgefahren worden waren, entkernt, die Kücheneinrichtung stand auf dem Hof und rostete vor sich hin, nach Abschluß des Pachtvertrages zum 1.8.1994 wurden durch den Beklagten überhaupt erst die Voraussetzungen geschaffen, um durch Herrichten der entsprechenden Räumlichkeiten ein arabisches Spezialitätenrestaurant zu betreiben - gepachtet und als neues arabisches Restaurant und Hotel betrieben. Es wird gerade nichts mehr an den alten deutschen Gaststätten- und Hotelbetrieb B. - von der örtlichen Lage abgesehen - erinnert. Würde in Fallgestaltungen vorliegender Art eine Betriebsübernahme bejaht, hätte dies nach Auffassung der Kammer zwangsläufig zur Folge, daß bei der Eröffnung einer Gaststätte und/oder eines Hotels stets ein Betriebsübergang bejaht würde, sofern nur zuvor in dem Gebäude eine Gaststätte und/oder Hotel betrieben wurde. Nicht dieser Gesichtspunkt, sondern nur der Zuschnitt eines solchen Betriebes, seine prägenden Merkmale ist für die Frage eines Betriebsüberganges ausschlaggebend.

III.

Art dieser Beurteilung ändert nichts die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Anwendung der Richtlinie 77/187 EWG des Rats, wonach es für die Beurteilung eines Betriebsüberganges auf die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit im Hinblick auf die Gleichartigkeit der wahrgenommenen Aufgaben ankommt (vgl. EuGH, DB 94, 1370 sowie die im Hinblick hierauf ergangenen Entscheidungen des LAG Düsseldorf, DB 95, 275 und LAG Hamm, DB 95, 881). Unabhängig von der Frage, inwieweit das danach entscheidende Kriterium der "Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit" im Falle der Funktionsnachfolge einen Betriebsübergang ohne Übertragung der Vermögensgegenstände zu begründen vermag, kommt jedenfalls - hierauf weist Wilhelmsen (DB 95, 924, 925) zutreffend hin - gerade der - bisher noch nicht näher erfolgten - Bestimmung dieses Begriffes entscheidende Bedeutung zu, d. h. es ist zu prüfen, ob der (angebliche) Übernehmer tatsächlich dieselbe wirtschaftliche Einheit fortführt wie der bisherige Arbeitgeber. Wahrung der wirtschaftlichen Identität ist aber letztlich nichts anderes als eine Umschreibung, ein Sammelbegriff für die Merkmale, welche die prägenden, einen Betrieb charakterisierenden Faktoren ausmachen. Von einer solchen Wahrung der

wirtschaftlichen Identität kann aber nach Auffassung der Kammer nur dann gesprochen werden, wenn sich der Übernehmer das zunutze macht, was gerade prägend, bestimmend für das Übernommene war, vorliegend also die den Wert des Hotel- und Gaststättenbetriebes B. bestimmenden Merkmale. Dies ist aber - wie vorgehend dargelegt - gerade nicht der Fall gewesen, weil sich der Beklagte diese charakteristischen Fakten gerade nicht zunutze gemacht, sondern einen neuen, hiermit - von der örtlichen Lage abgesehen - nicht in Zusammenhang stehenden Betrieb eröffnet hat.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier vorliegenden Fragen die Revision zugelassen.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen das Urteil kann von der Klägerin

REVISION eingelegt werden.

Für den Beklagten ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Revision muß

innerhalb einer Notfrist von einem Monat

nach der Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Bundesarbeitsgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel,

eingelegt werden.

Die Revision ist gleichzeitig oder

innerhalb eines Monats nach ihrer Einlegung

schriftlich zu begründen.

Die Revisionsschrift und die Revisionsbegründung müssen von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein.

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