Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen
Das Amtsgericht hat den Angeklagten
wegen Beleidigung (§ 185 StGB) zu einer Geldstrafe von 20
Tagessätzen zu je 70,00 DM verurteilt. Das Landgericht hat die
Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, daß die
Tagessatzhöhe auf 30,00 DM herabgesetzt worden ist. Nach den
Feststellungen soll der Angeklagte, der am 15. Juli 1992 gegen 8.20
Uhr mit einem Pkw den H. in K. Richtung E. befuhr, einen anderen
Verkehrsteilnehmer, den Zeugen Sch., dessen Fahrweise ihn verägert
hatte, als "frustriertes Arschloch" bezeichnet haben. Die
Einlassung des Angeklagten, nicht er, sondern der andere habe
diesen Ausdruck gebraucht, hat die Strafkammer allein aufgrund der
Aussage des Zeugen Sch. als widerlegt angesehen.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich
die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen
und materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat (vorläufigen)
Erfolg.
Die Verfahrensrüge, das
Berufungsgericht habe einen Beweisantrag des Angeklagten mit
rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnt, greift durch.
Wie in der zu Protokoll der
Geschäftsstelle des Landgerichts erklärten Revisionsbegründung
ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO) vorgetragen ist und durch
das Sitzungsprotokoll bestätigt wird, hat der Angeklagte in der
Berufungshauptverhandlung beantragt, "seine Tochter L. R. als
Zeugin zu vernehmen". Óber diesen Antrag hat die Strafkammer in
der Hauptverhandlung durch Beschluß wie folgt entschieden:
"Der Beweisantrag auf Vernehmung der
Zeugin L. R. wird zurückgewiesen, da das Beweismittel völlig
ungeeignet ist. Die Erinnerungsfähigkeit der Zeugin - eines
8-jährigen Kindes - heute an diesen Vorfall im Straßenverkehr am
15. Juli 1992 ist nach Auffassung der erkennenden Kammer, die
insoweit über genügende eigene Sachkunde verfügt, nicht
gegeben."
Diese Ablehnungsentscheidung ist nicht
frei von Rechtsfehlern.
Nach § 219 Abs. 1 S. 1 StPO muß ein
Beweisantrag die Tatsachen bezeichnen, über die Beweis erhoben, und
die Beweismittel angeben, durch die er erbracht werden soll (vgl.
Meyer in: Alsberg/Nüse/Meyer, Der Beweisantrag im Strafprozeß, 5.
Aufl., S. 37). Benennt der Antragsteller keine Beweistatsachen,
sondern nur bestimmte Beweismittel, ist zunächst von einer
Unvollständigkeit des Antrags auszugehen, es sei denn, auf die
ausdrückliche Angabe könne ausnahmsweise verzichtet werden, weil
sich die Beweistatsachen aus den Umständen, unter denen der Antrag
gestellt worden ist, oder aus der Natur der benannten Beweismittel
ohne weiteres ergeben (vgl. BGH St. 1, 29, 31/32; BayObLG StV 1982,
414; Meyer a.a.O. St. 40). Unvollständige Anträge lösen die
Fürsorgepflicht des Gerichts aus. Es muß durch Befragung des
Antragstellers und Hinweise so auf eine Ergänzung und
Vervollständigung des Antrags hinwirken, daß dieser die förmlichen
Voraussetzungen eines Beweisantrags erfüllt (vgl. Meyer a.a.O. S.
76). Bleibt das ergebnislos, muß das Gericht versuchen, den Antrag
im Wege der Auslegung zu vervollständigen (vgl. BayObLG VRS 62,
450, 451). Erst wenn auch das mißlingt, weil weder der
Antragsteller imstande ist, die erforderlichen Angaben zu machen,
noch eine Ergänzung durch Auslegung in Betracht kommt, darf der
Antrag als Beweisermittlungsantrag behandelt werden, auf den die
Regeln des § 244 Abs. 3 bis 5 StPO keinen Anwendung finden (vgl.
Meyer a.a.O. S. 88 m.w.N.). Der Angeklagte hat hier zwar keine
Beweistatsache ausdrücklich mitgeteilt, sondern lediglich
beantragt, seine Tochter L. als Zeugin zu vernehmen. Auf welche
Beweistatsachen dieser Antrag zielte, ergibt sich jedoch bei
verständiger Auslegung des Begehrens aus den Umständen. Dem
Berufungsurteil, von dem der Senat aufgrund der ordnungsgemäß
erhobenen Sachrüge Kenntnis zu nehmen hatte, ist zu entnehmen, daß
der Angeklagte dem Vorwurf, den Zeugen Sch. als "Arschloch"
tituliert zu haben, mit der Behauptung entgegengetreten ist, nicht
er, sondern der Zeuge habe sich dieses Ausdrucks bedient. Somit
ging es in der Berufungshauptverhandlung ersichtlich allein um die
Frage, wer von beiden das Schimpfwort benutzt hatte. Wenn der
Angeklagte unter diesen Umständen nach der Vernehmung des einzigen
Belastungszeugen Sch. seine Tochter als Zeugin benannt hat, sollte
sich dieses Beweisangebot auf die unausgesprochene, aber für alle
Verfahrensbeteiligte zweifelsfrei erkennbare Tatsachenbehauptung
beziehen, daß nicht er (der Angeklagte) den Zeugen Sch. als
"Arschloch" bezeichnet habe, sondern umgekehrt jener ihn. Daß diese
Beweistatsache gemeint war, ist für das Berufungsgericht
offenkundig gewesen und von ihm auch so verstanden worden. Der den
"Beweisantrag" ablehnende Beschluß macht deutlich, daß die
Strafkammer genau wußte, zu welchem Beweisthema die Tochter des
Angeklagten als Zeugin benannt war. Dort wird nämlich der "Vorfall
im Straßenverkehr am 15. Juli 1992" ausdrücklich erwähnt und
angezweifelt, daß sich ein 8-jähriges Kind längere Zeit danach an
ein solches Geschehen noch erinnern könne. Darüber hinaus wertet
das Landgericht den Antrag, obwohl er keine Beweistatsachen
anführt, selbst als "Beweisantrag" und gibt damit zu erkennen, daß
es die Beweisbehauptung ohne weiteres aus den Umständen herleiten
konnte. Nimmt der Tatrichter eine solche Auslegung vor, darf dem
Antragsteller nicht entgegengehalten werden, daß sein Antrag
unvollständig sei. Dieser muß vielmehr als regelrechter
Beweisantrag anerkannt und behandelt werden.
Die Strafkammer hat den hiernach
ordnungsgemäßen Beweisantrag zu Unrecht mit der Begründung
abgelehnt, das Beweismittel sei "völlig ungeeignet". Die Ablehnung
von Beweisanträgen wegen völliger Ungeeignetheit des Beweismittels
setzt voraus, daß das Gericht ohne jede Rücksicht auf das bisher
gewonnene Beweisergebnis im Freibeweis feststellen kann, daß sich
mit dem angebotenen Beweismittel das in dem Beweisantrag in
Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht
erzielen läßt (vgl. BGH StV 1990, 98). Die vollkommene
Nutzlosigkeit der Beweisaufnahme, der völlige Unwert des
Beweismittels muß mit Sicherheit feststehen (Meyer aaO S. 611
m.w.N.). Die "relative" Ungeeignetheit des Beweismittels genügt
dagegen nicht (vgl. BGH NJW 1983, 404; StV 1983, 7; 1984, 232; KG
StV 1993, 120; OLG Düsseldorf NStZ 1990, 506; BayObLG MDR 1981,
338). Völlig ungeeignet ist danach ein Zeuge, der wegen dauernder
körperlicher oder geistiger Gebrechen oder wegen einer
vorübergehenden geistigen Störung, namentlich infolge Trunkenheit,
die in sein Wissen gestellte Wahrnehmung nicht machen konnte (vgl.
Gollwitzer in: Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Aufl., § 244 Rn. 281), der
wegen seiner feindseligen Einstellung zu Staat und Justiz nicht
gewillt ist, vor Gericht Angaben zu machen (vgl. BGH MDR 1983, 4),
oder der zu Vorgängen aussagen soll, die nur ein Sachverständiger
zuverlässig wahrnehmen kann (vgl. BGH VRS 21, 429, 431; KMR-Paulus,
StPO, § 244 Rn. 135) oder die sich im Inneren eines anderen
Menschen abgespielt haben, ohne daß er Umstände bekunden könnte,
die einen Schluß auf die innere Tatseite ermöglichen (vgl. BGH StV
1987, 236; 1984, 61; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 41. Aufl., §
244 Rn. 59). Zeugen, die für lange zurückliegende Vorgänge benannt
sind, können völlig ungeeignet sein, wenn es nicht nur
unwahrscheinlich, sondern unmöglich erscheint, daß sie die
Ereignisse zuverlässig im Gedächtnis behalten haben (vgl. BGH NStZ
1993, 295; StV 1982, 339, 341; bei Spiegel, DAR 1983, 203). Das ist
nach der Lebenserfahrung unter Berücksichtigung der Umstände des
Einzelfalles unter Anlegung eines strengen Maßstabs zu beurteilen
(vgl. BGH, bei Miebach, NStZ 1989, 219). Maßgebend sind der
Gegenstand der Beweisbehauptung, die Persönlichkeit des Zeugen,
die Bedeutung des Vorgangs für ihn und die Länge des Zeitablaufs
(vgl. BGH, bei Spiegel, DAR 1983, 203; BayObLG St. 1964, 135). Sind
Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß der Zeuge sich noch erinnert,
darf der Antrag nicht abgelehnt werden, wobei es grundsätzlich
Sache des Antragstellers ist, solche Anhaltspunkte darzutun (vgl.
Meyer-Goßner a.a.O., § 244 Rn. 60). Die besonderen persönlichen
Verhältnisse des Zeugen machen ihn nur in besonderen Ausnahmefällen
zu einem völlig ungeeigneten Beweismittel (vgl. BGH NStZ 1984, 42;
StV 1985, 356). Verwandtschaftliche Beziehungen zu dem Angeklagten
genügen ohne Hinzutreten besonderer Umstände nicht (vgl. BGH, bei
Spiegel, DAR 1977, 174; Meyer a.a.O. S. 611).
Nach diesen Grundsätzen durfte das
Landgericht die als Zeugin benannte 8-jährige L.R. nicht als völlig
ungeeignetes Beweismittel betrachten. Daß sie die Tochter des
Angeklagten ist, begründet - wie dargelegt - die Ungeeignetheit
nicht. Greifbare Anhaltspunkte dafür, daß das Kind völlig unter
dem Einfluß des Angeklagten stehe und nicht mehr zwischen der
eigenen Wahrnehmung und der Darstellung des Angeklagten
unterscheiden könne, fehlen. Der vom Landgericht aufgestellte
Erfahrungssatz, daß ein 8-jähriges Kind grundsätzlich nicht in der
Lage sei, sich an einen ca. 1 Jahr und 8 Monate zurückliegenden
Vorfall im Straßenverkehr zu erinnern, ist ebensowenig zu billigen.
Ohne eingehende Würdigung der Persönlichkeit des als Zeugin
benannten Kindes, die das Landgericht unterlassen hat, kann eine so
weitreichende Schlußfolgerung nicht gezogen werden, weil allgemein
bekannt ist, daß es bei Kindern dieser Altersstufe ganz
unterschiedliche Intelligenz- und Gedächtnispotentiale gibt. Auch
die Tatsache, daß es um einen Vorgang "im Straßenverkehr" geht, der
mehr als 1 1/2 Jahre zurückliegt, rechtfertigt nicht die Annahme,
für das Kind sei es unmöglich, sich daran zu erinnern. Immerhin
soll es mitbekommen haben, daß sein Vater von einem anderen
Verkehrsteilnehmer mit einem groben Schimpfwort belegt worden ist.
Es handelt sich daher aus der Sicht des Kindes nicht um ein
belangloses "Allerweltsereignis", das alsbald vergessen wird,
sondern um einen Vorfall mit Einmaligkeits- oder zumindest
Besonderheitswert, der sich dem Gedächtnis einzuprägen pflegt. Das
gilt gerade für Kinder, wenn sie erleben müssen, daß die Autorität
eines Elternteils von außen angegriffen oder in Frage gestellt
wird. Die Tatsache, daß sein Vater als Autoritätsperson von einem
Fremden mit einem groben Schimpfwort belegt worden ist, kann für
ein Kind dieser Altersstufe ein gravierendes und einprägsames
Erlebnis sein. Das Alter des Kindes, das zur Zeit des Vorfalls
zwischen 6 und 7 Jahren gelegen haben muß, gibt für sich genommen
noch keine Veranlassung, an der Wahrnehmungsfähigkeit zu zweifeln
(vgl. Meyer a.a.O. S. 174), zumal die Strafkammer nicht übersehen
durfte, daß die Tochter des Angeklagten in erster Instanz
detaillierte Angaben gemacht hatte. Selbst wenn Zweifel an der
Richtigkeit ihrer Bekundungen angebracht gewesen sein sollten, war
das Landgericht bei dieser Sachlage nicht befugt, die Zeugin, die
selbst angegeben hatte, sich an den Vorfall zuverlässig zu
erinnern, aufgrund eines allgemeinen Erfahrungssatzes als
"ungeeignetes Beweismittel" abzutun, ohne sich selbst ein Bild von
der Persönlichkeit des Kindes zu machen.
Wegen dieses Verfahrensmangels muß das
angefochtene Urteil aufgehoben werden (§ 353 StPO). Die Sache ist
gemäß § 354 Abs. 2 StPO zu neuer Verhandlung und Entscheidung unter
Beachtung der vorstehenden Grundsätze an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückzuverweisen.