LAG Köln, Beschluss vom 16.12.1993 - 12 Ta 204/93
Fundstelle
openJur 2012, 74066
  • Rkr:

Klagt ein Arbeitnehmer in subjektiver Klagehäufung gegen

den bisherigen Arbeitgeber und Betriebsinhaber auf Fest-

stellung, daß das Arbeitsverhältnis durch eine von diesem

ausgesprochene Kündigung nicht aufgelöst worden ist, und

gegen den behaupteten Betriebsübernehmer zugleich auf Fest-

stellung, daß mit ihm das beim bisherigen Arbeitgeber be-

gründete Arbeitsverhältnis fortbesteht, so handelt es sich

um 2 Streitgegenstände, die selbständig bis zum Höchstbe-

trag nach § 12 VII, 1 ArbGG zu bewerten sind.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß

des Arbeitsgerichts Siegburg vom 19.10.1993

- 1 Ca 1190/93 - wird zurückgewiesen.

Gründe

I. Der Kläger hat sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt. Er war aufgrund Anstel- lungsvertrages vom 17.05.1979 ab 01.08.1979 bei der Firma A Aulmann & B Maschinenfabrik GmbH & Co KG als Leiter des kaufmännischen Büros beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde das Konkursver- fahren eröffnet, der Beklagte zu 1) zunächst zum Sequester, dann zum Konkursverwalter bestellt. Der Beklagte zu 1) kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23.12.1992 fristgerecht zum 30.06.1993. Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit am 28.04.1993 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage gewandt. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß nach § 102 BetrVG gehört worden, die Kündigung verstoße außerdem gegen den einschlägigen Tarifvertrag. Zudem sei sie gemäß § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam; denn es liege ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2) vor.

Der Kläger hat folgenden Antrag angekündigt,

festzustellen, daß das zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin be- gründete Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 23.12.1992 mit Wirkung zum 30.06.1993 sein Ende finden wird, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus zu unveränderten Bedingungen mit der Beklagten zu 2) fortbesteht.

Die Beklagten haben die Kündigung für wirksam gehalten, insbesondere das Vorliegen eines Betriebs- überganges bestritten.

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Der Rechtsstreit endete durch Klagerücknahme vom 12.08.1993.

Durch Beschluß vom 19.10.1993 hat das Arbeits- gericht den Streitwert auf DM 59.244,-- festgesetzt (6 x DM 9.874,--, letztes Monatsverdienst des Klägers). Es hat die gegen die Beklagte zu 1) gerichtete Kündi- gungsschutzklage sowie die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Feststellungsklage jeweils mit drei Brutto- monatsverdiensten bewertet. Gegen diesen nicht förmlich zugestellten Beschluß wendet sich der Kläger mit am 25.10.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schreiben vom 22.10.1993, in dem er "die Rücknahme" des Beschlus- ses verlangt: Es hätten nur drei Bruttomonatsverdienste angesetzt werden können, da das Rechtsschutzziel identisch sei, nämlich der Fortbestand des Arbeitsver- hältnisses.

II. Das Schreiben des Klägers vom 22.10.1993 ist als Beschwerde zu werten und als solche zulässig.

In der Sache ist sie nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Gegenstandswert auf DM 59.244,-- festgesetzt. Dieser Wert ergibt sich aus §§ 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG, 5 ZPO.

1. Der Kläger hat nicht lediglich einen einzigen Anspruch geltend gemacht, vielmehr handelt es sich bei der Kündigungsschutzklage gegen den Beklagten zu 1) und der Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO gegen die Beklagte zu 2) um zwei Streitgegenstände, wie nunmehr auch das Bundesarbeitsgericht zutreffend entschieden hat (Urt. v. 04.03.1993 - 2 AZR 507/92). Für jeden Streitgegenstand ist jedoch ein besonderer Wert anzu- setzen, diese Werte sind alsdann gemäß § 5 ZPO zu

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addieren. Insoweit gilt nichts anderes als bei mehreren Kündigungen, die in einer Klage angegriffen werden. Daß insoweit eine Wertaddition stattzufinden hat, ist von der beschließenden Kammer bereits mehrfach entschieden worden (z.B. Beschl. v. 03.08.1992 - 12 Ta 161/92).

2. Daß diese Sicht der Dinge zutreffend ist, zeigt gerade der vorliegende Fall. Der Kläger hat nämlich nicht nur auf die Unwirksamkeit der Kündigung vom 23.12.1992 nach § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB abgestellt (weil sie wegen eines Betriebsüberganges erfolgt sei), sondern auch auf eine Reihe weiterer Unwirksamkeits- gründe, die bei ihrem Durchgreifen dazu geführt hätten, daß das Arbeitsverhältnis zum Beklagten zu 1) fortbe- stand. Lediglich zusätzlich wendet der Kläger ein, ein Betriebsübergang sei eingetreten. Dementsprechend hat der Kläger weiterhin seinen früheren Arbeitgeber, Beklagte zu 1), in Anspruch genommen und nicht nur die Beklagte zu 2), die als angebliche Rechtsnachfolgerin an die Stelle des Beklagten zu 1) hätte treten können. Hinzukommt, daß es für den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 1) zwar entscheidungserheblich war, ob ein Betriebsübergang vorlag und die Kündigung nach § 613 a Abs. 4 S. 1 BGB unwirksam war; dabei handelte es sich jedoch nur um eine Vorfrage, auf die sich die Rechts- kraft nicht erstreckte (vgl. dazu BAG, Urt. v. 04.03.93 - 2 AZR 507/92).

Dies macht auch das eigenständige wirtschaft- liche Interesse deutlich, das der Kläger an der gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Feststellungsklage hatte.

3. Bei der danach vorzunehmenden Addition legt die Kammer jeweils drei Bruttomonatsverdienste gemäß § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG zugrunde. Der doppelte Ansatz des

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Regelwertes erscheint angesichts der unter 2. erörter- ten im vorliegenden Fall gegebenen Umstände angemessen.

Auch in Rechtsprechung und Rechtslehre wird die Ansicht vertreten, daß dann, wenn der Arbeitnehmer - auch nur vorsorglich - wegen möglicherweise eingetre- tener Rechtsnachfolge zwei selbständige Kündigungs- schutzklagen gegen rechtlich selbständige Gesellschaften erhebt, jede Klage selbständig bis zum Höchstbetrag zu bewerten ist (GK-Arbeitsgerichtsgesetz-Wenzel, Rdnr. 139 zu § 12 m.w.N. aus Rechtsprechung und Rechtslehre).

Gegen diesen Beschluß ist ein weiteres Rechts- mittel nicht gegeben (§ 78 ArbGG).

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