OLG Köln, Beschluss vom 02.02.1993 - Ss 15/93 (Z)
Fundstelle
openJur 2012, 73739
  • Rkr:
Tenor

I. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. II. Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils wird die Betroffene freigesprochen. Die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Aus-lagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

 

 

 

Das Amtsgericht hat die Betroffene

wegen eines (fahrlässigen) Verstoßes gegen §§ 12 Abs. 1 Nr. 8, 49

Abs. 1 Nr. 12 StVO i.V.m. § 24 StVG zu einer Geldbuße von 75,00 DM

verurteilt.

 

Nach den Feststellungen parkte die

Betroffene am 30. August 1991 ihren PKW in der Zeit von 17.33 Uhr

bis 17.38 Uhr neben dem Grundstück I.-straße ..., K., in einer

"amtlich gekennzeichneten" Feuerwehrzufahrt. Diese Zufahrt wurde

bei Errichtung des dahinter gelegenen 13-geschoßigen Hochhauses

vor 1975 aufgrund einer Auflage des Bauordnungsamtes als

Rettungsweg ausgewiesen, hergestellt und mit einem

Feuerwehrzufahrtsschild versehen.

 

Mit der Auffassung der Betroffenen, die

Zufahrt befinde sich auf Privatgelände, wo das

Feuerwehrzufahrtsschild ohne Bedeutung sei, hat sich das

Amtsgericht, dem Lichtbilder der Örtlichkeit zur Verfü-gung

standen, nicht weiter auseinandergesetzt.

 

Gegen das Urteil richtet sich der

Zulassungsantrag der Betroffenen, mit dem die Verletzung

materiellen Rechts gerügt und weiterhin geltend gemacht wird, § 12

Abs. 1 Nr. 8 StVO sei auf private Feuerwehrzufahrten nicht

anwendbar.

 

Die gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zur

Fortbildung des Rechts zuzulassende Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und

zum Freispruch der Betroffenen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

 

Nach § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO, eingefügt

durch die 9. Verordnung zur Änderung der StVO vom 22. März 1988

(BGBl. I, S. 405 ff.), ist das Halten vor und in amtlich

gekennzeichneten Feuerwehrzufahrten unzulässig.

 

Zweifelhaft ist bereits, ob es sich

hier um eine "amtlich gekennzeichnete" Feuerwehrzufahrt handelt. In

der StVO gibt es bislang kein amtliches Kenn-, Richt- oder

Hinweiszeichen für Feuerwehrzufahrten. Auch die baupolizeilichen

Rechtsvorschriften der Länder sehen solche amtlichen Kennzeichen

nicht vor. Die baubehördliche Bestätigung auf privaten Bau- oder

Grundstücksplänen, die Feuerwehrzufahrten ausweisen, stellt keine

"amtliche Kennzeichnung" im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO dar.

Nach der amtlichen Begründung (vgl. VkBl 1988, 221) ist eine

Kennzeichnung der Feuerwehrzufahrt ("erforderlichenfalls durch

entsprechendes Schild") notwendig, weil für die Verkehrsteilnehmer

erkennbar sein muß, daß es sich um eine solche Zufahrt handelt.

Gekennzeichnet im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO sind also nur

diejenigen Feuerwehrzufahrten, bei denen ihre Bestimmung durch

geeignete Hinweisschilder (z.B. "Feuerwehrzufahrt freihalten")

kundgetan wird (vgl. Jagusch/Hentschel, StVR, 31. Auflage, § 12

StVO Rn. 37 b). Diese Kennzeichnung muß nach der dazu im Schrifttum

vertretenen Auffassung wegen des eindeutigen Wortlauts der

Bestimmung ("amtlich") von einer Behörde in ihrer Eigenschaft als

Hoheitsträger, vorgenommen worden sein. Die von privaten

Grundstückseigentümern (sei es auch aufgrund einer Auflage der

Baubehörde) angebrachten Hinweisschilder sollen dagegen für § 12

Abs. 1 Nr. 8 StVO nicht ausreichen (vgl. Mühlhaus/Janiszewski,

StVO, 12. Aufl., § 12 Rn. 43 a; Vogel, NZV 1990, 419, 421). Eine

berichtigende Auslegung des Wortlauts dahin, daß alle amtlich -

d.h. baupolizeilich - vorgeschriebenen, festgelegten oder

bestätigten Feuerwehrzufahrten, die durch (auch private)

Hinweisschilder als solche gekennzeichnet sind, unter den

Anwendungsbereich der Vorschrift fallen, entfernt sich nach dieser

Ansicht zu weit von der gesetzlichen Grundlage und soll daher nicht

in Betracht kommen (vgl. Vogel a.a.O.). Um der Vorschrift des § 12

Abs. 1 Nr. 8 StVO einen sinnvollen Anwendungsbereich zu sichern,

müßte der Verordnungsgeber hiernach entweder ein amtliches

Verkehrszeichen "Feuerwehrzufahrt" einführen oder den Wortlaut der

Bestimmung so fassen, daß auch privat aufgestellte Hinweisschilder,

soweit sie "amtlich veranlaßt" sind, den Anforderungen genügen. Ob

dieser Auffassung, die sich auf den Wortlaut des § 12 Abs. 1 Nr. 8

StVO berufen kann, im Ergebnis zu folgen wäre, bedarf hier indes

keiner abschließenden Entscheidung. Denn eine Anwendung dieser

Grundsätze würde im vorliegenden Fall nur zum vorläufigen Erfolg

des Rechtsmittels führen. Den Feststellungen des Amtsgericht kann

nämlich nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, wer

das hier maßgebliche Feuerwehrzufahrtsschild aufgestellt hat. Zwar

deutet nach der im Urteil mitgeteilten Aussage des Zeugen K. vieles

darauf hin, daß es der damalige Grundstückseigentümer war.

Eindeutige Feststellungen dazu hat das Amtsgerichts jedoch

ersichtlich nicht getroffen. Deshalb müßte die Sache, wollte man

auf diesen Gesichtspunkt abstellen, nach Aufhebung des Urteils

wegen Lückenhaftigkeit zur weiteren Aufklärung dieser Frage an die

Vorinstanz zurückverwiesen werden.

 

Einer solchen Zurückverweisung bedarf

es jedoch deshalb nicht, weil die bußrechtliche Ahndung des

Verhaltens der Betroffenen nach den Feststellungen des Amtsgerichts

bereits aus einem anderen Grund ausgeschlossen ist mit der Folge,

daß unter Aufhebung des angefochtenen Urteils unmittelbar auf

Freispruch zu erkennen ist.

 

Die Verbotsnorm des § 12 Abs. 1 Nr. 8

StVO bezieht sich ihrem Wortlaut nach auf jede Feuerwehrzufahrt,

die als solche amtlich gekennzeichnet ist. Gleichwohl ist zu

beachten, daß die Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 StVG, auf

die § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO gestützt wird, den Verordnungsgeber

nicht zum Verbot des Haltens und Parkens auf einem ausschließlich

privaten Weg ermächtigt, auf dem auch tatsächlich kein öffentlicher

Verkehr stattfindet (vgl. OLG Hamm, NZV 1990, 440). Somit ist zu

unterscheiden: Geht es um ein Halten oder Parken auf einer

öffentlichen Verkehrsfläche vor einer Feuerwehrzufahrt, so

ist der Umstand, daß sich der Rettungsweg selbst auf einem

Privatgelände befindet, ohne Bedeutung (vgl. BayObLG VRS 65, 78).

Unproblematisch ist die Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO

ferner, sofern die Feuerwehrzufahrt auf öffentlichem Verkehrsgrund

liegt (vgl. BayObLG a.a.O.). Öffentlich im Sinne des Verkehrsrechts

sind - ungeachtet bestehender Eigentumsverhältnisse und ohne

Rücksicht auf eine Widmung im Sinne des öffentlichen Wegerechts -

alle Flächen, auf denen mit Billigung oder unter Duldung des

Verfügungsberechtigten die Benutzung durch jedermann tatsächlich

zugelassen ist (vgl. BGH VersR 1985, 835; BayObLG VRS 70, 53, 54;

Jagusch/Hentschel a.a.O. § 1 StVO Rn. 13 m.w.N.). Danach ist eine

Anwendung des § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO nicht möglich, wenn das Halten

oder Parken in (auf) einer Feuerwehrzufahrt stattfindet, die auf

Privatgrund liegt und nicht dem öffentlichen Verkehr im oben

beschriebenen Sinne offensteht (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Das

Zuparken solcher privaten Wege, die zur Gefahrenbekämpfung für

Rettungsfahrzeuge freizuhalten sind, kann somit obwohl diese

Konsequenz letztlich unbefriedigend ist, nicht als

Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß §§ 12 Abs. 1 Nr. 8, 49 Abs. 1 Nr.

12 StVO geahndet werden, weil dieses Verhalten vom

Anwendungsbereich der Verbotsnorm nicht erfaßt wird.

 

Nach diesen Grundsätzen ist die

Betroffene freizusprechen. Aus dem Inbegriff der Urteilsgründe und

aus den Lichtbildern der Örtlichkeit, auf die das Amtsgericht

zulässigerweise (§ 267 Abs. 1 Satz 2 StPO) Bezug genommen hat,

ergibt sich unzweifelhaft, daß die Feuerwehrzufahrt, in (auf) der

die Betroffene am 30. August 1991 geparkt hatte, vollständig auf

Privatgrund liegt und nicht dem öffentlichen Verkehr zugänglich

ist. Dem Zusammenhang läßt sich hinreichend klar entnehmen, daß

die Zufahrt zu einem Garagenhof führt und deshalb nicht der

allgemeinen Benutzung durch jedermann offensteht, sondern nur einem

eng umgrenzten Kreis von Berechtigten (vgl. Jagusch/Hentschel

a.a.O. § 1 StVO Rn. 16 m.w.N.).

 

Da die vom Amtsgericht angewendeten

Bußgeldnormen nicht eingreifen und das Verhalten der Betroffenen

auch nicht durch einen anderen Bußgeldtatbestand erfaßt wird,

insbesondere nicht durch die Bußgeldvorschrift des § 32

FeuerschutzG NW vom 25. Februar 1975, war unter Aufhebung des

angefochtenen Urteils auf Freispruch zu erkennen.

 

Dabei stand einer Zulassung der

Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts nicht

entgegen, daß die Frage, ob § 12 Abs. 1 Nr. 8 StVO auch das Halten

bzw. Parken in/auf einer Feuerwehrzufahrt erfaßt, die über einen

Privatweg führt, auf dem kein (tatsächlich) öffentlicher Verkehr

stattfindet, bereits von einem anderen Oberlandesgericht (OLG Hamm

a.a.O.) im gleichen Sinne entschieden worden ist. Der Fortbildung

des Rechts dient auch die Festigung eines aufgestellten Leitsatzes

(vgl. KG VRS 82, 206, 207; Göhler, OWiG, 10. Auflage, § 80 Rn. 3),

die hier nicht zuletzt deshalb geboten erscheint, weil das

Amtsgericht der Betroffenen im Urteil eine Aufrechterhaltung seiner

Rechtsprechung bei künftigen "Verstößen" bereits angekündigt

hat.

 

Die Kosten- und Auslagenentscheidung

folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 467 StPO-Analog.