OLG Köln, Urteil vom 05.03.1992 - 5 U 160/91
Fundstelle
openJur 2012, 73404
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 2. Juli 1991 - 7 0 144/91 - abgeändert. Es wird festgestellt, daß die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer X. verpflichtet ist, dem Kläger Deckungsschutz hinsichtlich der von der Firma S., M., aus dem Schadensereignis vom 17. Dezember 1989 geltend gemachten Ansprüche zu gewähren. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt vorbehalten, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.800,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der Kläger - von Beruf angestellter

Installateur - unterhält bei der Beklagten eine

Privat-Haftpflichtversicherung und macht aus dieser einen

Anspruch auf Deckungsschutz wegen eines Vorfalls vom 17. Dezember

1989 geltend, zu dem es wie folgt gekommen war: der Kläger war im

Rahmen eines Bereitschaftsdienstes gemäß Vertrag vom 22. Januar

1989, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, nebenberuflich für

die Firma S. tätig. Im Hinblick auf diese Tätigkeit war er im

Besitz der Schlüssel zum Betriebsgelände der Firma S..

Am 17. Dezember 1989 nahm der damals

10-jährige Sohn des Klägers diese Schlüssel, welche der Klä-ger

neben das Telefon im Flur der Wohnung gelegt hatte, an sich, begab

sich damit auf das Betriebsgelände S., wo er sich einen

Fahrzeugschlüssel nahm und mit dem entsprechenden Fahrzeug, einem

Mercedes, wegfuhr, bis er auf der A. Straße von der Fahrbahn abkam,

einen Baum umfuhr und damit mit dem PKW liegenblieb, der hierbei

stark beschä-digt wurde.

Wegen des entsprechenden Schadens

erwirkte die geschädigte Firma gegen den Kläger einen Mahnbescheid

vom 4. Januar 1991 über 59.187,11 DM nebst Zinsen und Kosten.

Unter dem 19. März 1990 hat die

Beklagte Deckungsschutz versagt, weil die Verwahrung der Schlüssel

eine berufliche Tätigkeit sei und deshalb von der

Privathaftpflichtversicherung nicht gedeckt werde. Außerdem sei der

Kläger wegen des Schadens gar nicht haftbar, da eine Verletzung der

ihm obliegenden Aufsichtspflicht nicht vorliege.

Der Kläger macht demgegenüber geltend,

er habe einen Anspruch auf Deckungsschutz, weil er infolge

Aufsichtspflichtverletzung hafte, da er sich kaum um seinen Sohn

gekümmert habe. Der Schadensfall beruhe auch nicht auf seiner nur

geringfügigen Nebentätigkeit, sondern sei ausschließlich aus der

privaten Sphäre heraus entstanden, da die Aufbewahrung von

Schlüsseln nur diesem zuzuordnen sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem

Klä-ger als Haftpflichtversicherung bezüglich des von seinem Sohn

J. M. am 17. Dezember 1989 verursachten Schadens gegenüber der

Firma S., M., Versicherungsschutz zu gewähren und den Kläger von

Ansprüchen dieser Firma aus diesem Vorfall freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, es liege

kein Fall der Privathaftpflichtversicherung vor. Die

Schlüsselaufbewahrung sei berufsorientiert gewesen, wobei es nicht

darauf ankomme, daß es sich bei der beruflichen Tätigkeit nur um

eine solche nebenberuflicher Art gehandelt habe. Eine

Aufsichtspflichtverletzung sei im übrigen nicht ersichtlich.

Durch Urteil vom 2. Juli 1991, auf das

wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht

die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte

als Privathaftpflichtversicherer brauche für den fraglichen

Schadensfall nicht einzustehen, weil dieser der beruflichen

Tä-tigkeit des Klägers zuzuordnen sei.

Gegen dieses am 8. Juli 1991

zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. August 1991 Berufung

eingelegt und diese am 7. Oktober 1991 begründet.

Er wiederholt und vertieft sein

erstinstanzliches Vorbringen und macht noch einmal ausdrücklich

geltend, seine Tätigkeit für die Firma S. falle nicht aus der

Sphäre der Privathaftpflichtversicherung heraus, da es sich hierbei

nur um ein gelegentliches und in keiner Weise berufs- und

betriebsspezifische Tätigwerden gehandelt habe. Ferner seien im

Rahmen seiner Tätigkeit für die Firma S. "berufliche Tätigkeiten"

allenfalls die tatsächlichen "Einsätze", nicht aber seine

Bereitschaft, in deren Rahmen er das gleiche tun könne, wie in

seiner sonstigen Freizeit. Auch das bloße Aufbewahren der

Firmenschlüssel mache diese "neutrale" Tätigkeit noch nicht zu

einer beruflichen Verrichtung, jedenfalls nicht, soweit diese

Aufbewahrung in seinem privaten Bereich erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen

Urteils festzustellen, daß die Beklagte aus dem

Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer X. verpflichtet

ist, dem Kläger Deckungsschutz hinsichtlich der von der Firma S.,

M. , aus dem Schadensereignis vom 17. Dezember 1989 geltend

gemachten Ansprüche zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auch sie wiederholt und vertieft ihr

erstinstanzliches Vorbringen, bezieht sich auf das

landgerichtliche Urteil und trägt vor, nach der Ausgestaltung des

Vertrages zwischen dem Kläger und der Firma S. habe es sich um ein

echtes Arbeitsverhältnis gehandelt, in dessen Rahmen auch die

Aufbewahrung der Betriebsschlüssel berufsbezogen sei. Auch am

Wochenende des Schadensfalls habe der Klä-ger Bereitschaftsdienst

bei der Firma S. gehabt. Gerade in Anbetracht dessen habe die

Schlüsselaufbewahrung eine der nebenberuflichen Tätigkeit des

Klägers unmittelbar zugehörige zentrale Nebenpflicht

dargestellt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens

wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug

genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d

Die zulässige Berufung des Klägers hat

auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte hat aus dem zwischen den

Parteien abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag dem

Kläger wegen des Schadensereignisses vom 17. Dezember 1989

Deckungsschutz zu gewähren, §§ 1, 3 II. 1 AHB. Versichert ist

vorliegend gemäß den Besonderen Bedingungen für die

Haftpflichtversicherung unstreitig die gesetzliche Haftpflicht des

Versicherungsnehmers "als Privatperson aus den Gefahren des

täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahren eines Betriebes,

Berufes ..."

Vorliegend hat sich entgegen der

Ansicht des Landgerichts keine Gefahr eines Berufes des Klägers

verwirklicht, wobei letztlich offenbleiben kann, ob seine

nebenberufliche Aushilfstätigkeit für die Firma S. überhaupt als

"Beruf" im Sinne der vorgenannten Bestimmung qualifiziert werden

kann.

Nach den in der Rechtsprechung zur

Frage der Abgrenzung der Gefahrenbereiche der

Privathaftpflichtversicherung und der

Betriebs-/Berufshaftpflichtversicherung entwickelten Kriterien ist

entscheidend, ob ein innerer, ursächlicher Zusammenhang zwischen

der schadenstiftenden Handlung und dem Tätigkeitsbereich des

Versicherungsnehmers besteht; dem Gefahrenbereich des Berufes ist

dabei jede schädigende Handlung des Versicherten zuzurechnen, die

eine Auswirkung seiner Tätigkeit in dem konkreten Beruf ist. Der

Privathaftpflichtversicherer hat demzufolge nicht für

Haftpflichtfälle einzutreten, bei denen der Versicherte im Rahmen

seiner Beschäftigung in dem konkreten Beruf einen Haftpflichtfall

herbeigeführt hat, der nach den sonstigen Umständen einen inneren

Zusammenhang mit dem Beruf aufweist. Zu prüfen ist mit anderen

Worten, welchem Risikobereich vernünftigerweise der Schaden

zuzurechnen ist (siehe u. a. BGH VersR 69/219 f., BGH VersR 76/921,

OLG Hamm, VersR 79/175, BGH NJW 1981/2057 f., OLG Karlsruhe, r + s

1987/157, BGH VersR 1988/125, Wussow: Allgemeine

Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung, 8.

Aufl., Seite 270, 271 f., Prölss-Martin, VVG, 24. Aufl., Seite 983

ff.).

Bildet demzufolge die

berufliche/betriebliche Tä-tigkeit nur den äußeren Rahmen, in dem

auch die schadenstiftende bzw. -verursachende Handlung vorgenommen

wird, ermöglicht oder erleichtert diese sie aber nicht unmittelbar

selbst, so liegt kein Fall der Berufshaftpflicht, sondern ein

solcher der Privathaftpflichtversicherung vor.

Bezogen auf den vorliegenden Fall

ergibt sich aus dem Vorgenannten folgendes:

Die - erlaubte - Mitnahme der Schlüssel

vom Firmengelände der Firma S. erfolgte seitens des Klägers zwar

auf der Grundlage seiner dortigen Aushilfstätigkeit; das bedeutet

aber noch nicht, daß das Liegenlassen dieser Schlüssel im privaten

Wohnungsbereich an einer für Dritte zugänglichen Stelle und ein

hierdurch ermöglichter schadenstiftender Mißbrauch dieser

Schlüssel schon in dem geforderten inneren, ursächlichen

Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers steht.

Eine Berufsbezogenheit könnte insoweit

noch bejaht werden, wenn der Kläger die ihm beruflich anvertrauten

Schlüssel Dritten z. B. ausgehändigt hätte. Anders ist es aber

dann, wenn er die Schlüssel lediglich während seiner Dienstzeit in

seinem privaten Wohnbereich zwecks jederzeitiger Verfügbarkeit

aufbewahrt, wie es in vielen Berufsbereichen (z. B. bei

Dienstzimmerschlüsseln pp.) der Fall ist, in welchen ebenfalls die

dem beruflichen Bereich zuzuordnenden Schlüssel zeitweise im

häuslichen, d. h. privaten Bereich aufbewahrt zu werden pflegen.

In diesen Fällen besteht nach Ansicht des Senats allenfalls noch

ein mittelbarer, äußerer Zusammenhang mit der beruflichen

Tätigkeit, der für eine Bejahung der Berufshaftpflicht aber nicht

ausreicht, sondern die Schadensursache ausschließ-lich dem privaten

Bereich zuordnet. Bei der gebotenen lebensnahen Betrachtungsweise

unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung geht es nicht an,

eine an sich ganz neutrale Maßnahme wie das Aufbewahren von

Schlüsseln und hieraus eventuell resultierende Gefahren

schlechterdings dem beruflichen Bereich und der diesbezüglichen

Haftpflicht zuzuordnen ohne Rücksicht darauf, ob sachlich eine

echte innere Beziehung der beruflichen Tätigkeit im konkreten Fall

besteht. Vielmehr unterfällt das Aufbewahren berufsbezogener

Schlüssel nach Ansicht des Senats im Normalfall noch dem privaten

Bereich, so daß der von der Beklagten herangezogene

Ausschlußtatbestand vorliegend zu verneinen ist und die Beklagte

Deckungsschutz zu gewähren hat.

Ob im Ergebnis der Kläger für den von

seinem minderjährigen Sohn angerichteten Schaden haftpflichtig

ist, ist im vorliegenden Verfahren auf Deckungsschutz nicht zu

prüfen, sondern angesichts des insoweit geltenden Trennungsprinzips

erst im Haftpflichtprozeß (siehe u. a. Prölss-Martin, a.a.0., Anm.

5 A + B zu § 149).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91

ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige

Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Berufungsstreitwert (insoweit in

Abänderung des Senatsbeschlusses vom 30. Dezember 1991) und Wert

der Beschwer der Beklagten: 60.984,29 DM.

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