LG Krefeld, Beschluss vom 06.06.1984 - 6 T 53/84
Fundstelle
openJur 2012, 72580
  • Rkr:
Tenor

Unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Kostenrechnung werden die von den Beschwerdeführern an den Beschwerdegegner zu leistenden Gebühren und Auslagen zu UR-Nr. 1118/83 auf 675,47 DM festgesetzt.

Gründe

Am 21. April 1983 schlossen die Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG als Verkäufer und die Beschwerdeführer als Käufer vor dem Beschwerdegegner einen Grundstückskaufvertrag ab. Auf die Urkunde Nr. 1118 vom 21. April 1983 des Notars Dr. Kremer, Kempen,( in Hülle Blatt 3 der Akten) wird Bezug genommen.

Unter II der vorgenannten Urkunde ist bestimmt, daß der Kaufpreis 90,-- DM je Quadratmeter des verkauften Grundbesitzes, bei der angenommenen Flächengröße von 574 qm somit 51.660,—— DM betrage. Ferner enthält die Urkunde unter II unter anderem die Klausel, daß sich die Käufer dem Verkäufer gegenüber wegen der in der Urkunde übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde mit der Maßgabe unterwerfen, daß dem Verkäufer jederzeit ohne weiteren Nachweis eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde erteilt werden kann.

Unter IV der Urkunde ist sodann unter anderem folgendes bestimmt:

Die Erschließung des Kaufobjektes wird im Auftrage der Gemeinde X durch die Gemeinnützige Wohnungsgesellschaft für den Kreis X Aktiengesellschaft in X durchgeführt. Der Käufer verpflichtet sich gegenüber der Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft Aktiengesellschaft als Erschließungsträger zur Zahlung der Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers bei der, Konto Nr., Verwendungszweck .

Die Erschließungskosten betragen voraussichtlich bei einer eingeschossigen Bauweise 44,51 DM je qm der Grundstücksfläche und bei einer zweigeschossigen Bauweise 62,15 DM je qm der Grundstücksfläche. Das Kaufobjekt wird eingeschossig gebaut, so daß die voraussichtlichen Erschließungskosten 44,51 DM x 574 = 25.548,74 DM betragen.

Die voraussichtlichen Erschließungskosten sind wie folgt fällig:

a)

zu 90 % unverzüglich nach Eingang der Bauerlaubnis für das auf dem gekauften Grundstück zu errichtende Gebäude, spätestens jedoch zu dem gemäß b) festgelegten Zeitpunkt,

b)

zu 10 % vier Wochen nach Aufforderung durch den Erschließungsträger aufgrund der von der Gemeinde X genehmigten Abrechnung für den jeweiligen Bauabschnitt.

Dem Käufer ist bekannt, daß die Gemeinde X über die voraufgeführten Erschließungskosten hinaus Kanalanschlußbeiträge nach dem zum Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht geltenden Ortsrecht erhebt. Die Beitragspflicht entsteht, wenn die Entwässerungsanlage betriebsfertig hergestellt ist und das gekaufte Grundstück an das Entwässerungsnetz angeschlossen werden kann. Die Beteiligten sind darüber einig, daß alle Erschließungsbeiträge und sonstigen Anliegerbeiträge sowie der Kanalanschlußbeitrag zu Lasten des Käufers gehen.

Am 02.01.1984 erteilte der Beschwerdegegner den Beschwerdeführern zu UR—Nr. vom 21.01.1983 — Kaufvertrag — folgende Kostenrechnung:

Wert: 51.660,-- DM+ 25.548,74DM

Gebühr § 36 II KostO 390,00 DM

Gebühr § 146 KostO 82,50 DM

Gebühr § 147 KostO 82,50 DM

Gebühr § 136 KostO 96,00 DM

Gebühr § 137 KostO 85,54 DM

10 % MWSt 85,54 DM

743,54 DM.

Die Beschwerdeführer wenden sich dagegen, daß bei der Ermittlung des Geschäftswertes künftige Erschließungskosten in Höhe von 25.548,74 DM berücksichtigt worden sind.

Der Beschwerdegegner hat vorgetragen:

Da die Gemeinde X nach § 123 Abs. 3 Bundesbaugesetz die Erschließung durch Vertrag der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft AG übertragen habe, müsse der Erwerber eines Baugrundstückes die Verpflichtung zur Zahlung der Erschließungskosten vertraglich übernehmen. Die vertragliche Übernahme der Erschließungskosten gegenüber dem privaten Erschließungsträger sei Bedingung des Vertrages gewesen. Der Erschließungsträger habe einen Titel gegen die einzelnen Käufer haben wollen. Auch die Fälligkeit der Erschließungskosten habe vereinbart werden müssen. Die Verkäuferin, Firma X Baugesellschaft mbH & Co. KG habe sich gegenüber dem Erschließungsträger verpflichtet, in jeden Kaufvertrag die Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Erschließungsträger ausdrücklich aufzunehmen. Bei der Vereinbarung in dem Kaufvertrag handele es sich also nicht um einen Hinweis auf eine gesetzlich bestehende Pflicht zur Zahlung von Erschließungskosten sondern um eine vertraglich festgelegte Verpflichtung.

Der Beschwerdegegner ist deshalb der Ansicht, daß die Erschließungskosten bei der Berechnung der Gebühren dem Kaufpreis zuzurechnen seien.

Der Präsident des Landgerichts als vorgesetzte Dienstbehörde des Notars vertritt demgegenüber die Auffassung, dass auch in diesem Falle noch nicht fällige Erschließungsbeiträge dem Kaufpreis nicht hinzugerechnet werden könnten. Im einzelnen wird auf die Stellungnahmen vom 19.03.1984 und 27.04.1984 verwiesen.

Die gemäß § 156 Abs. 1 zulässige Beschwerde der Beschwerdeführer gegen die Kostenberechnung ist begründet.

Nach § 20 Abs. 1 KostO ist beim Kauf eines Grundstückes grundsätzlich der Kaufpreis für die Kostenberechnung maßgebend. Hinzuzurechnen sind die vom Käufer übernommenen oder die ihm sonst infolge der Veräußerung obliegenden Leistungen. Dabei muß es sich um Leistungen handeln, die ebenso wie der Kaufpreis dem Verkäufer zugute kommen. Durch die in § 20 KostO vorgesehene "Hinzurechnung" von sonstigen Leistungen außerhalb des nominellen Kaufpreises soll nämlich erreicht werden, dass der Gebührenberechnung der tatsächliche wirtschaftliche Wert der Käuferleistung für den Verkäufer zugrunde gelegt wird.

Die Abreden der vertragschließenden Parteien über die Erschließungskosten unter IV des notariellen Vertrages vom 21.04.1983 stellen keine zusätzliche Leistung dar, die der Käufer zugunsten des Verkäufers übernommen hat. Der Erschließungsbeitrag ruht gemäß § 134 Abs. 2 Bundesbaugesetz als öffentliche Last auf dem Grundstück. Beitragspflichtig ist derjenige, der zum Zeitpunkt der Zustellung des Beitragsbescheides Eigentümer des Grundstücks ist (§ 134 Abs. 1 Satz 1 Bundesbaugesetz). Den Erwerber eines noch unerschlossenen und nicht bebauten Grundstücks, für das ein Beitragsbescheid noch nicht zugestellt worden ist, trifft daher die Beitragspflicht für noch vorzunehmende Erschließungsmaßnahmen. Der Erwerber haftet für künftige Erschließungsbeiträge und der Veräußerer ist von solchen befreit, ohne daß eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertragschließenden getroffen werden muß. Die Übernahme künftig fällig werdender Erschließungsbeiträge durch einen Grundstückskäufer ist daher dem Kaufpreis nicht hinzuzurechnen.

Etwas anderes gilt hier auch nicht deshalb, weil sich die Käufer gegenüber der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG als Erschließungsträger zur Zahlung der Erschließungskosten auf das Konto des Erschließungsträgers verpflichtet haben. Wirtschaftlich haben die Käufer damit nicht mehr übernommen, als sie ohnehin aufgrund gesetzlicher Vorschrift zu tragen haben. Für die Käufer hat sich nur der Adressat der ohnehin von ihnen zu erbringenden Erschließungsbeiträge geändert. Auch die Abrede über die Fälligkeit der Erschließungsbeiträge stellt keine echte Zusatzleistung dar. Auch für den Fall, dass die Gemeinde selbst die Erschließung vornimmt, kann sie Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag verlangen, wenn ein Bauvorhaben auf dem Grundstück genehmigt wird (§ 133 Abs. 3 Bundesbaugesetz). Da eine von der Gemeinde genehmigte Abrechnung für die Erschließungskosten vorliegen muß, bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Käufer in dem notariellen Vertrag höhere Beitragslasten übernommen haben, als von ihnen ohne die Abrede zu Gunsten der Erschließungsträgerin gegenüber der Gemeinde geschuldet würden.

Andererseits handelt es sich bei den Zusatzabreden über die Erschließungsbeiträge zu Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft AG nicht um eine Leistung an den Verkäufer, durch die wirtschaftlich der Grundstückskaufpreis erhöht wird. Die Verkäuferin hat zwar, wie der Beschwerdegegner dargelegt hat, sich vertraglich verpflichtet, mit allen Grundstückseigentümern die Zusatzabrede über die Erschließungskosten zu Gunsten der gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft und für den Kreis X AG zu schließen. Dies dient einer reibungslosen und möglichst schnellen Aufschließung des gesamten Baugebietes. Dadurch werden auch die Verkaufs- und Bebauungsmöglichkeiten seitens der Verkäuferin sicherlich gefördert. Solche Vorteile bei der technischen Abwicklung eines größeren Verkaufs und Bauvorhabens stellen aber keine dem Kaufpreis zuzuschlagende Leistung dar. Der Kaufpreis ändert sich durch eine Vertragsgestaltung, die die Abwicklung eines Großbauvorhabens durch einen Bauträger o.ä. erleichtert, nicht. Im Sinne von § 20 KostO sind dem Kaufpreis nur solche Leistungen des Käufers an den Verkäufer hinzuzurechnen, die sich konkret aus dem Grundstücksgeschäft an sich ergeben und deshalb Kaufpreischarakter haben. Dies ist bei Abreden darüber, an wen und in welcher Form vom Käufer zu erbringende Erschließungsbeiträge zu leisten sind, nicht der Fall. Es handelt sich nicht um dem Kaufpreis zuzurechnende echte Leistungen des Käufers an den Verkäufer wegen des konkreten Grundstücksgeschäftes sondern um Zusatzabreden über die Zahlungsmodalitäten der jedenfalls geschuldeten Erschließungsbeiträge. Für letztere ist auch mit der notariellen Urkunde zugunsten der Erschließungsträgerin kein Titel geschaffen worden. Die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung in Ziffer III des notariellen Vertrages betrifft eindeutig nur die vorausgehenden Kaufpreisansprüche. Die Regelung über die Erschließungsbeiträge folgt unter IV nach und ist bereits deshalb von der Unterwerfungsklausel nicht umfaßt.. Es verbleibt dabei, dass die Erwerber die künftigen Erschließungsbeiträge in bestimmter Weise unmittelbar an die Erschließungsträgerin zu leisten haben, der reibungslosen Durchführung des Großbauvorhabens in einem Neubaugebiet dient. Die Abrede über die Zahlungsweise der Erschließungsbeiträge kommt damit Verkäufer, Käufer und Erschließungsträger in gleicher Weise zugute, ohne dass sich dadurch das Gewicht der Leistungen von Käufer und Verkäufer bei dem eigentlichen Grundstücksgeschäft verschiebt. Für die Ermittlung des Geschäftswertes sind daher die unter IV des des notariellen Vertrages geregelten "Erschließungsbeiträge" von 25.548,74 DM nicht zu berücksichtigen. Nach § 20 KostO ist maßgeblich allein der Grundstückskaufpreis von 51.660,-- DM. Nach diesem Wert sind folgende Gebühren entstanden:

Beurkundungsgebühr § 36 Abs. 2 KostO

(2 x 165,-- DM) 330,-- DM

Vollzugsgebühr § 146 KostO

(1/2 von 165.-- DM) 82,50 DM

Gebühr für Nebentätigkeit § 147 KostO

(z.B. Feststellung der Fälligkeitsvoraus-

setzungen (1/2 von 165,-- DM) 82,50 DM

Schreibauslagen gemäß § 136 KostO 96,00 DM

Sonstige Auslagen wie Porto etc.

gemäß § 137 KostO 7,00 DM

13 % MWSt 77,74 DM

675,74 DM.

Auf diesen Betrag war die Kostenrechnung vom 2.1.1984 zu der Urkundennummer 118/83 vom 21.04.1983 abzuändern.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Von der Auferlegung gerichtlicher Auslagen wird abgesehen (§ 156 Abs. 4 Satz 2 und 4 KostO).

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