OLG Hamm, Urteil vom 18.05.1984 - 20 U 378/83
Fundstelle
openJur 2012, 72571
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung und die Anschlußberufung gegen das am 30. August 1983 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Bochum werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger 1/10 und der Beklagten 9/10 auferlegt.

Gründe

I.

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger den Feuerschaden vom 17./18. April 1982 in Höhe von unstreitig 10.000,- DM zu ersetzen. Sie ist nicht gemäß §§6 Abs. 1 Satz. 2 AFB, 23, 25, 27 VVG wegen Gefahrerhöhung leistungsfrei. Die Beklagte hat nicht bewiesen, daß seit der Übernahme des Risikos ... in ... eine Gefahrerhöhung eingetreten ist.

Gefahrerhöhung ist eine nachträgliche Änderung der bei Vertragsschluß tatsächlich vorhandenen gefahrerheblichen Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls oder eine Vergrößerung des Schadens wahrscheinlicher macht (Prölss-Martin, VVG, 23. Aufl. 1984 §23 Anm. 2 A). Daß diese Voraussetzungen eingetreten sind, kann nicht festgestellt werden.

Die Verbindung der Häuser Nr. 10 und 12 über das Kellergeschoß derart, daß man vom Flur über den Keller des Hauses Nr. 12 in den Keller und Flur des Hauses Nr. 10 (Versicherungsgrundstück) gelangen konnte, bestand unstreitig seit der Übernahme des Risikos. Insoweit liegt eine Veränderung der maßgebenden Umstände nicht vor. Auch in der Tatsache, daß der Gebäudekomplex, bestehend aus den Gebäuden Nr. 10 und 12, zum Abriß bestimmt war, liegt keine Gefahrerhöhung. Diese Tatsache stand ebenfalls seit der Veränderungsanzeige vom 12. November 1981 (Bl. 21 d.A.) fest und ist vom Beklagten auch, wie die Vernehmung des Zeugen ... in erster Instanz ergeben hat, angezeigt worden.

Als Gefahrerhöhung ist es allerdings auch, in der Feuerversicherung anzusehen, wenn ein Wohngebäude nicht mehr bewohnt wird und längere Zeit leersteht (Prölss-Martin, a.a.O. §23 VVG, Anm. 2 C a m.w.N.). Denn ein leerstehendes Gebäude zieht Hausbesetzer, Stadtstreicher oder spielende Kinder an und dies bringt es erfahrungsgemäß mit sich, daß mit Feuer hantiert wird, sei es, um in dem Gebäude zu "biwakieren", sei es um zu spielen. Dabei ist nach Ansicht des Senats hier nicht nur auf das Haus Nr. 10, sondern, wegen der vorgeschilderten Verbindung der beiden Gebäude, auch auf ein Leerstehen des Hauses Nr. 12 abzustellen. Jedoch hat die Beklagte nicht bewiesen, daß diese Voraussetzungen vorliegen und dem Kläger bekannt waren (§6 Abs. 1 Satz 2 AFB).

Bezüglich des Hauses Nr. 10 steht nicht einmal fest, ob es bei Vertragsänderung, am 12. November 1981, überhaupt bewohnt war, d.h., ob insoweit eine Veränderung eingetreten ist. Der Gastwirt und die alleinstehende Frau wohnten, wie der Kläger auch angegeben hatte, in dem Haus, in dem sich die Gaststätte befand. Von anderen Bewohnern war, wie der Zeuge ... ausgesagt hat, bei der Anzeige der Risikoänderung oder auch später nicht die Rede. Wenn es in der Veränderungsanzeige heißt, das Haus sei bewohnt, so beruht das ersichtlich darauf, daß der Zeuge ... und der Kläger die Gebäude als Einheit angesehen haben. Dieser Umstand ist für die vorliegende Frage jedoch ohne Bedeutung.

Bezüglich des Hauses Nr. 12 steht zwar aufgrund des Berichts der Kriminalpolizei ... vom 19. April 1982 (Beiakte 14 a UJs 447/83 StA Duisburg Bl. 5) fest, daß es zur Zeit des Schadenfeuers unbewohnt war und daß die dort befindliche Gaststätte " ..." seit wenigen Tagen ebenfalls nicht mehr in Betrieb war. Indessen ist bereits ungeklärt, ob das Nachbarhaus wenigstens während eines solchen Zeitraums leerstand, in welchem diese Veränderung sich im Sinne einer Erhöhung der Einbruchs- und Feuergefahr auswirken konnte. Regelmäßig tritt diese Gefahr nicht sogleich nach dem Auszug des letzten Bewohners ein. Einem Hause ist nicht immer alsbald anzusehen, daß es vollständig von Bewohnern verlassen und unbewohnt und damit für Unbefugte leicht zugänglich ist. Dies gilt hier umso mehr, als sich im Gebäude Nr. 10 noch zwei Lokale, nämlich der Hundesalon und das Spielcasino des Klägers, befanden. Nach dem Inhalt der Ermittlungsakte, der die Aussage des als Partei vernommenen Klägers entspricht, hatte der Gastwirt die Wirtschaft erst wenige Tage zuvor aufgegeben; es spricht alles dafür, daß er auch erst zu diesem Zeitpunkt ausgezogen ist.

Sollte das Haus tatsächlich längere Zeit unbewohnt gewesen sein, so steht jedenfalls nicht fest, daß der Kläger das gewußt hat. Er hat als Partei ausgesagt, daß ihm nicht einmal bekannt gewesen sei, daß der Gastwirt endgültig ausgezogen sei. Zumindest kann das Gegenteil nicht festgestellt werden, zumal die Lampe über dem Eingang zur Gaststätte nach der Aussage des Klägers noch gebrannt hatte.

Einen Umstand, der den Eintritt eines Schadensfalles wahrscheinlicher macht, würde es nach dem Gesagten ferner darstellen, wenn sich Stadtstreicher in dem Gebäudekomplex aufgehalten hätten. Aber auch insoweit ist bereits unklar, ob eine Veränderung im Sinne einer Gefahrerhöhung eingetreten ist: Nach der Behauptung der Beklagten im Senatstermin sollen sich schon bei Auszug der Zeugin ..., im Dezember 1981, Stadtstreicher in dem Hause aufgehalten haben. Dann liegt die Möglichkeit nahe, daß dieser Zustand auch schon bei Einzug des Klägers - im November/Dezember 1981 - bestanden hatte. Jedenfalls hat der Kläger, ohne daß das Gegenteil festgestellt werden könnte, bei seiner Parteivernehmung in Abrede gestellt, daß ihm die Anwesenheit von Stadtstreichern bekannt gewesen ist. Aus der Tatsache, daß der Kläger eine Tür vernagelt hat, kann eine solche Kenntnis nicht geschlossen werden, da diese Maßnahme dem Schutz vor Einbrechern gedient hat.

Schließlich stellt der - unstreitige - Umstand, daß in die Gaststätte eingebrochen worden ist, keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Die Tatsache eines Einbruchdiebstahls kann ein Indiz dafür sein, daß gefahrerhöhende Umstände eingetreten sind und sich ausgewirkt haben. Im allgemeinen stellt ein Einbruchdiebstahl selbst aber keinen Umstand dar, der den Eintritt der versicherten Gefahr in Gestalt eines weiteren Einbruchs oder, wie hier, der Entstehung eines Brandes, wahrscheinlicher macht.

II.

Die Anschlußberufung ist unbegründet. Der Kläger hat einen Zinsschaden von 16,03 % nicht bewiesen. Aus dem überreichten Mahnbescheid vom 27. Dezember 1983 (Beiheft Prozeßkostenhilfe) geht nur hervor, daß die ... sich eines Zinsanspruchs gegen den Kläger in dieser Höhe seit dem 18.11.1982 berühmt, nicht aber, daß dieser Anspruch begründet ist. Ein Vollstreckungsbescheid liegt nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht, auf §§97, 92 ZPO. Des Ausspruchs der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, weil der Rechtsstreit unzweifelhaft nicht der Revision unterliegt.

Die Beschwer der Beklagten beträgt 10.000,- DM.

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