OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.1978 - 8 U 59/78
Fundstelle
openJur 2012, 72301
  • Rkr:
Tenor

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 1978 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Koenen, des Richters am Oberlandesgericht Koenigk und der Richterin am Landgericht Schickert-Barlage

für R e c h t erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6. Januar 1978 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch eine Sicherheitsleistung von 8.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bank- oder Sparkassenbürgschaften erbracht werden.

Tatbestand

Der Kläger ist Konkursverwalter über das Vermögen der Firma Spedition und Lagerung S. GmbH. Die Gemeinschuldnerin hatte am 22. Juni 1976 die Eröffnung des gerichtlichen Vergleichsverfahrens beantragt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht abgelehnt, und am 2. Juli 1976 ist das Anschlusskonkursverfahren eröffnet worden.

Der Kläger hat mit vorliegender Klage im Mai und Juni 1976 vorgenommene Darlehensrückzahlungen der Gemeinschuldnerin an die Beklagte in Höhe von insgesamt 46.200 DM gemäß § 30 Nr. 1 KO angefochten. Die Klage ist am 4. Juli 1977 bei dem Landgericht eingegangen und der Beklagten am 11. August 1977 zugestellt worden, nachdem der Kläger augrund der am

7. Juli 1977 an ihn abgegangenen Gerichtskostenrechnung den darin geforderten Betrag von 444 DM am 26. Juli 1977 unbar bei der Gerichtskasse eingezahlt hatte und die Zahlungsanzeige der Gerichtskasse dem Landgericht am 3. August 1977 zugegangen war.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 46.200 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 11. August

1977 an ihn zu zahlen.

Die Beklagte hat gebeten,

die Klage abzuweisen.

Das Landgericht hat der Klage ohne Beweisaufnahme stattgegeben. Auf das Urteil vom

6. Januar 1977 wird Bezug genommen.

Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Sie erstrebt weiterhin die Abweisung der Klage. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens beider Parteien wird auf die Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Die Klage muss wegen Nichteinhaltung der in § 51 Abs. 1 Satz 1 KO bestimmten Anfechtungsfrist als unzulässig abgewiesen werden.

Dass die Klage erst am 4. Juli 1977 und damit mehr als ein Jahr nach dem Erlass des Beschlusses über die Eröffnung des Anschlusskonkursverfahrens bei Gericht eingereicht worden ist, steht ihrer Zulässigkeit allerdings nicht entgegen. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, beginnt die Frist des § 41 Abs. 1 Satz 1 KO im Falle des Anschlusskonkurses erst mit der Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses , die frühestens mit Ablauf des 9. Juli 1977 eingetreten ist.

Die Klage muss jedoch deshalb als unzulässig abgewiesen werden, weil die Voraussetzungen des § 270 Abs. 3 ZPO nicht erfüllt worden sind; die Zustellung der Klage am 11. August 1977 kann in Anbetracht der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles nicht als "demnächst erfolgt" im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden.

Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, wenn eine nach Fristablauf vorgenommene Zustellung noch als "demnächst erfolgt" angesehen werden soll, hat der Bundesgerichtshof in einer Reiche von Entscheidungen näher dargelegt (vgl. BGH NJW 1967, 779; 1971, 891; 1972, 1948; 1978, 215; alle mit weiteren Hinweisen). Danach kommt es darauf an, ob die klagende Partei alles ihr im Interesse alsbaldiger Zustellung der Klage Zumutbare getan und in diesem Rahmen nicht nur Verzögerungen vermieden, sondern aktiv im Sinne einer möglichsten Beschleunigung gewirkt hat, wobei Verstöße gegen diese Mitwirkungspflichten nicht etwa nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigen Verhalten, sondern auch bei leichter Fahrlässigkeit zu berücksichtigen sind, sofern die dadurch verursachte Verzögerung nicht als geringfügig zu bezeichnen ist. Diesen in der Rechtsprechung allgemein anerkannten Anforderungen hat der Kläger nach der Auffassung des erkennenden Senats nicht genügt.

Ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen die Pflicht zur Mitwirkung im Sinne einer möglichsten Beschleunigung der Klagezustellung liegt schon darin, dass er die gerichtliche Prozessgebühr in Höhe von 444 DM nicht sogleich bei Einreichung der Klage (oder wenige Tage später) eingezahlt und die Zahlung durch Kostenmarken oder Kostenstempel nachgewiesen hat. In der Rechtsprechung wird zwar allgemein die Auffassung vertreten, dass die klagende Partei und ihr Prozessbevollmächtigter nicht verpflichtet seien, den gerichtlichen Prozesskostenvorschuss selbst zu berechnen und unaufgefordert einzuzahlen, dass sie vielmehr befugt seien, die Zahlungsaufforderung des Gerichts abzuwarten (BGH NJW 1978, 215/216 mit weiteren Hinweisen). Das besagt jedoch nicht, dass ein derartiges Verhalten unter allen Umständen als schuldhafter Verstoß gegen die Verpflichtung der klagenden Partei zur Mitwirkung bei der "möglichsten Beschleunigung" der Klagezustellung auszuschneiden habe. Dieser Punkt ist vielmehr - wie kürzlich das Oberlandesgericht Hamm (NJW 1977, 2364) hinsichtlich eines anderen im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO zu beachtenden Erfordernissen zutreffend dargelegt hat - ebenso wie alle sonstigen in bezug auf die "demnächstige" Zustellung bedeutsamen Fragen nach der persönlichen Situation der jeweils klagenden Partei zu beurteilen. Ebenso wie das Oberlandesgericht Hamm in dem von ihm entschiedenen Fall zugunsten der damals klagenden Partei berücksichtigt hat, dass es sich um eine große Behörde handelte, der wegen ihrer "besonderen Verhältnisse" ein etwas großzügiger zu bemessender Zahlungsspielraum zuzugestehen sei, erscheint es hier sachgerecht, davon auszugehen, dass der Kläger den Gerichtskostenvorschuss unabhängig von der Anforderung durch das Gericht hätte einzahlen müssen. Der Kläger ist Rechtsanwalt und klagte in vorliegendem Fall bei dem Landgericht, bei dem er zugelassen ist, also der Vertretung durch einen Kollegen nicht bedurfte. Die Feststellung der Höhe des benötigten Gerichtskostenvorschusses war in Anbetracht des bezifferten Klageantrags für ihn eine kaum nennenswerte Mühe. Dasselbe gilt für den Vorgang der Einzahlung des Vorschusses beim Landgericht. Die Akten lassen nämlich erkennen, dass der Kläger zumindest durch Büroangestellte, also durch Personen, die üblicherweise die Einzahlung von Gerichtskostenvorschüssen seitens der Anwaltschaft tätigen mit dem Landgericht in ständiger Verbindung steht, denn ausweislich der Empfangsbekenntnisse vom 11. August 1977 und 20. Januar 1978 (Bl. 15, 55 GA) unterhält er ein Postfach bei diesem Gericht, das - so entspricht es der gerichtsbekannten Óbung der Rechtsanwälte - mehrmals wöchentlich von dem Anwalt selbst oder einem seiner Angestellten geleert wird. Unter diesen Umständen wäre es, zumal einerseits die unaufgeforderte Einzahlung der gerichtlichen Prozessgebühr eine in der Anwaltschaft selbst bei nicht zur Fristwahrung eingereichten Klagen sehr verbreitete Óbung darstellt und andererseits der Kläger hier nicht etwa für eine von ihm vertretene fremde Partei in Vorlage hätte treten müssen, sondern den relativ geringen Betrag von 444 DM aus einer seiner alleinigen Verfügung unterliegenden Vermögensmasse hätte zahlen können, eine sehr naheliegende, mit nur geringfügiger Mühe verbundene Maßnahme gewesen, den gerichtlichen Prozesskostenvorschuss gleich bei Einreichung der Klage zu entrichten. Auf diese Weise wäre die Zustellung der Klage ganz erheblich beschleunigt worden. Betrachtet man nämlich den tatsächlichen Ablauf der Dinge nach dem Eingang der Zahlungsanzeige der Gerichtskasse am 3. August 1977 und überträgt diese Vorgänge auf den Fall der Einzahlung des Vorschusses bereits am 4. Juli 1977, so wäre der Verhandlungstermin schon am 8. Juli 1977 (vier Werktage später) bestimmt und die Klageschrift nebst Ladung der Beklagten spätestens am 12. Juli 1977 zugestellt worden, also - bis auf einen Tag - einen vollen Monat früher als dies tatsächlich der Fall gewesen ist. Dass ein solcher Zeitgewinn beträchtlich gewesen wäre, die tatsächlich eingetretene Verzögerung also nicht nur geringfügig war, bedarf keiner weiteren Begründung. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn der Kläger den Vorschuss nicht am 4. Juli 1977, sondern im Laufe der mit jenem Tage beginnenden Woche eingezahlt hätte; auch eine Verzögerung um 25-Tage könnte nicht als geringfügig angesehen werden.

Ein schuldhafter Verstoß des Klägers gegen seine Pflicht zur Mitwirkung bei der "möglichsten Beschleunigung" der Zustellung der Klage wäre im übrigen selbst dann zu bejahen, wenn man auch ihm - entgegen obigen Ausführungen - zugestände, dass er die gerichtliche Anforderung des Kostenvorschusses habe abwarten dürfen. Die Anforderung ist ausweislich der Akten am

7. Juli 1977, einem Donnerstag, an ihn abgegangen. Man kann unter diesen Umständen davon ausgehen, dass sie jedenfalls am Montag, dem 11. Juli 1977, in seinen Besitz gelangt ist. Von diesem Zeitpunkt an hat es dann - ohne jeden erkennbaren Grund - noch 15 Tage gedauert, bis der Vorschuss eingezahlt wurde, und zwar unbar bei der Gerichtskasse, so dass weitere acht Tage vergingen, bis das Landgericht davon erfuhr. Auch diese Handhabung muss also schuldhafte Verletzung der oben näher beschriebenen Mitwirkungspflichten des Klägers, der als Rechtsanwalt über die Notwendigkeit tunlichster Beschleunigung der Angelegenheit nicht im ungewissen gewesen sein kann, bezeichnet werden.

Insgesamt könnte das Verhalten des Klägers allenfalls dann als entschuldigt angesehen werden, wenn er - wie dies in der vom Bundesgerichtshof am 14. Juli 1960 entschiedenen Sache (BGH KTS 1961, 39 = NJW 1960, 1952) der Fall gewesen ist - nachträglich Gründe vorgetragen hätte, die die eingetretene Verzögerung verständlich erscheinen ließen. Sein Prozessbevollmächtigter hat jedoch, obwohl der Vorsitzende des Senats auf Bedenken bezüglich der Fristwahrung mit Verfügung vom 16. September 1978 hingewiesen hatte und dieser Punkt auch in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 1978 erörtert worden ist, nichts dergleichen vorgetragen. Er hat ferner nicht etwa geltend gemacht, dass der Zeitraum zwischen dem Tage des Zugangs der Verfügung vom 16. September 1978 und der mündlichen Verhandlung für die Einholung der insoweit erforderlichen Informationen zu kurz gewesen sei, ganz abgesehen davon, dass dieses Argument, hätte er es vorgebracht, nicht stichhaltig gewesen wäre, weil der Kläger, der alle diesbezüglich etwa in Betracht kommenden Einzelheiten seinen Akten hätte entnehmen können, seine Kanzlei in demselben Haus unterhält, in dem auch die seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten sich befindet.

Der Berufung der Beklagten ist nach alledem stattzugeben; die Klage ist mangels Fristwahrung unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Beschwer des Klägers: 46.200 DM.

Koenen Koenigk Schickert-Barlage

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