Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 22.03.2012 - 1 K 264/08
Fundstelle
openJur 2012, 72221
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Anschluss an eine Außenprüfung über nichtabzugsfähige Betriebsausgaben im Sinne des § 3 c Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auf der Ebene der klagenden Muttergesellschaft wegen unentgeltlicher Nutzungsüberlassungen zwischen ihren Tochtergesellschaften mbH.

Die Klägerin ist eine Holding. Sie war im Streitjahr 2002 Alleingesellschafterin der ... GmbH (nachfolgend X GmbH) und der ... Immobilienfonds GmbH (nachfolgend A GmbH) und hielt zugleich 92 % der Anteile an der ... Verwaltungsgesellschaft für Immobilienfonds GmbH (nachfolgend B GmbH).

Die X GmbH gewährte der A GmbH ein zinsloses Darlehen (Darlehen 1). Der Zinsvorteil belief sich im Streitjahr auf 7.225,11 Euro (= 6 % der Darlehenssumme). Zugleich gewährte die A GmbH der B GmbH ein zinsloses Darlehen (Darlehen 2). Der Zinsvorteil betrug im Streitjahr 20.028,61 Euro (= 6 % der Darlehenssumme). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass wegen der Zinsvorteile aus den Darlehen 1 und 2 jeweils der Tatbestand einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) zu Gunsten der Klägerin realisiert ist und dass insoweit die Steuerbefreiung gemäß § 8 b Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG) eingreift. Unstreitig ist weiterhin, dass der Verbrauch der Nutzungsvorteile aus den zinslosen Darlehen bei der Klägerin zu (fiktiven) Beteiligungsaufwendungen führt. Umstritten ist, ob ein unmittelbarerer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen dem steuerfreien vGA-Ertrag der Klägerin aus dem Darlehen 2 in Höhe von 20.028,61 Euro und ihren (fiktiven) Aufwendungen aus Vorteilsverbrauch aus dem Darlehen 1 in Höhe von 7.225,11 Euro besteht. Der Beklagte – das Finanzamt (FA) – bejaht dies. Er geht insoweit von in unmittelbarem Zusammenhang mit steuerfreien Kapitalerträgen stehenden Betriebsausgaben aus, welche gemäß § 3 c Abs. 1 EStG nicht abzugsfähig seien, so dass insoweit eine Hinzurechnung zu erfolgen habe. Durch Bescheid vom 24. April 2007 stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 unter Übernahme der Rechtsauffassung der Betriebsprüfung auf 22.901 Euro fest. Den Einspruch der Klägerin wies es mit Einspruchsentscheidung vom 14. November 2008 zurück: Das Abzugsverbot gemäß § 3 c EStG komme hier zur Anwendung. Dem Ertrag der Klägerin aus vGA betreffend das Darlehen 2 stehe ein Aufwand in Gestalt des Vorteilsverbrauchs für das Darlehen 1 gegenüber. Der Vorteilsverbrauch/Aufwand sei durch die Beteiligung der Klägerin an der A GmbH veranlasst und beruhe damit auf dem gleichen Lebensvorgang wie die vereinnahmte vGA. Der Gewinn der Klägerin sei deshalb zu Recht um 7.225,11 Euro erhöht worden.

Mit der am 11. Dezember 2008 erhobenen Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend:

Das Abzugsverbot gemäß § 3 c EStG setze nicht lediglich einen einheitlichen Lebensvorgang, sondern einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen steuerfreiem Ertrag (vGA) und Aufwand (Vorteilsverbrauch) voraus. Dieser sei hier unter keinem Gesichtspunkt gegeben. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang folge insbesondere nicht bereits aus der Konzernleitungsmacht der Klägerin. Zum einen sei dieser Gesichtspunkt bereits zur Begründung des Tatbestands der vGA herangezogen worden und damit rechtlich verbraucht. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass hier hinsichtlich beider Darlehen und damit in zwei Fällen die Ausübung wirtschaftlicher Leitungsmacht angenommen worden sei. Die zweifache Ausübung der Leitungsmacht belege, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden Darlehen nicht gegeben sein könne. Das FA verknüpfe zwei zinslose Darlehensgewährungen, welche miteinander nicht das Geringste zu tun hätten, zu einem einheitlichen Sachverhalt. Dies sei von der Sache her unangebracht und führe zudem zu zufälligen Besteuerungsergebnissen. Wäre zum Beispiel das Darlehen 1 nicht im gleichen Geschäftsjahr wie das Darlehen 2 vergeben worden, wäre für eine Anwendung des § 3 c EStG von vornherein kein Raum.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2002 vom 24. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. November 2008 mit der Maßgabe abzuändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 30.126,11 Euro festzustellen ist.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Gründe der Einspruchsentscheidung seien nicht entkräftet. Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH im Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BStBl II 1988, 348, stelle der Nutzungsvorteil aus zinslosen Schwesterdarlehen kein einlagefähiges Wirtschaftsgut dar, so dass der Klägerin durch die Darlehensgewährung der X GmbH an die A GmbH (Darlehen 1) ein Aufwand aus Vorteilsverbrauch in Höhe von 7.225,11 Euro entstanden sei. Diesem Aufwand seien die aus derselben Beteiligung vereinnahmten vGA-Erträge in Höhe von 20.028,61 Euro (zinsloses Darlehen der A GmbH an B GmbH - Darlehen 2) gegenüberzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die ergänzenden Ausführungen der Klägerseite im Schriftsatz vom 20. März 2012 sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2012 verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat der Besteuerung zu Recht nicht abzugsfähige Betriebsausgaben in Höhe von 7.225,11 Euro zugrunde gelegt. Gemäß § 3 c Abs. 1 EStG dürfen Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden. Diese Voraussetzungen sind hier in Ansehung der verbrauchten Nutzungen aus dem Darlehen 1, welche unstreitig mit 7.225,11 Euro zu bewerten sind, erfüllt. Zur Überzeugung des Gerichts besteht ein unmittelbarer Zusammenhang mit den steuerfreien Einnahmen der Klägerin aus der vGA betreffend das Darlehen 2 in Höhe von 20.028,61 Euro. Im Einzelnen stellt sich die Sach- und Rechtslage wie folgt dar:

Die steuerrechtliche Beurteilung und Korrektur von Vorteilszuwendungen zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihren Gesellschaftern erfolgt ausschließlich im Verhältnis der Anteilseigner zur Gesellschaft. Demzufolge sind Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften mbH mangels direkter gesellschaftsrechtlicher Beziehung nicht im direkten Verhältnis zueinander (abgekürzter Laufweg), sondern in den durch das Gesellschaftsverhältnis vorgezeichneten Laufwegen von der zuwendenden Schwestergesellschaft zum gemeinsamen Gesellschafter und von dort zu der den Vorteil empfangenden Schwestergesellschaft zu korrigieren.

Gewährt eine Tochterkapitalgesellschaft ihrer Schwestergesellschaft einen Nutzungsvorteil in Gestalt eines zinslosen Darlehens, dann fließt der gemeinsamen Muttergesellschaft eine vGA zu, der jedoch ein gleich hoher Aufwand gegenübersteht. Der Aufwand resultiert aus dem Umstand, dass der Nutzungsvorteil steuerrechtlich kein einlagefähiges Wirtschaftsgut darstellt, so dass die entsprechende Gewinnerhöhung nicht im Wege einer verdeckten Einlage neutralisiert werden kann. Der Große Senat des BFH führt hierzu mit Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BStBl II 1988, 348 unter Ziffer II. Rechtsfrage 3 Folgendes aus:

Erbringt die Tochter 1 im Hinblick auf die Beteiligung der Muttergesellschaft eine unentgeltliche Leistung an die Tochter 2, mag diese in der Übertragung von Wirtschaftsgütern oder der Überlassung von Nutzungen bestehen, so erlangt die Mutter hierdurch einen Vorteil, da sie keine eigenen Mittel aufzuwenden braucht, um ihrerseits diese Leistung als zusätzlichen Gesellschafterbeitrag bei der Tochter 2 zu erbringen. Der Vorgang kann nicht anders beurteilt werden, als hätte die Tochter 1 ihrer Muttergesellschaft die Mittel für diese Leistung zur Verfügung gestellt. Da dieser Vorteil außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zugewendet wird und bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt worden wäre, liegt darin, wie auch in anderen Fällen der Leistung an eine dem Gesellschafter nahestehende Person, eine vGA seitens der Tochtergesellschaft 1. Die hieraus für die Muttergesellschaft resultierenden Folgen beurteilen sich nach der Art der an die Tochter 2 erbrachten Leistung. Handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, das Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein kann, entstehen der Mutter aus der Verwendung des erlangten Vorteils nachträgliche Anschaffungskosten auf ihre Beteiligung, die sich in einer Erhöhung ihres bilanzierten Vermögens niederschlagen. Überlässt die Tochter 1 der Tochter 2 dagegen unentgeltliche Nutzungen, erbringt die Mutter wie bei einer unmittelbaren Leistung an die Tochter 2 dadurch keine (verdeckte) Einlage, die zu einer Erhöhung des Beteiligungswertes führt. Gleichwohl kann hieraus nicht gefolgert werden, die seitens der Tochter 1 bewirkte vGA sei der Mutter nicht zugegangen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Mutter den von der Tochter 1 zugewendeten Vorteil tatsächlich erhalten, aber für die Zwecke ihrer Beteiligung verbraucht hat, so dass sich bei ihr Ertrag und Aufwand in gleicher Höhe gegenüberstehen.

Diese Ausführungen gelten auch nach der Unternehmensteuerreform weiter, soweit es um die Verwirklichung des Tatbestands einer vGA bei der Muttergesellschaft und den Verbrauch des Vorteils aus der vGA für Zwecke ihrer Beteiligung geht (Winter, GmbHR 2004, 1268, 1269 unter Ziffer III 5.). Eine Änderung hat lediglich hinsichtlich der Besteuerungsfolgen stattgefunden: Nach § 8 b Abs. 1 KStG in der Fassung des Streitjahres 2002 ist der körperschaftsteuerpflichtige GmbH-Gesellschafter nunmehr vollständig von der KSt befreit, so dass die der Muttergesellschaft zugeflossene vGA nicht mehr der Besteuerung unterliegt. Dementsprechend sind gemäß § 3 c Abs. 1 EStG in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der steuerfreien vGA stehende Ausgaben nicht abzugsfähig.

Zur Überzeugung des Senats ist hier ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Einnahmen der Klägerin in Gestalt der vGA aus dem Darlehen 2 und ihren Aufwendungen aus dem Verbrauch der Vorteile betreffend das Darlehen 1 gegeben:

Der Aufwand der Klägerin ist entstanden und veranlasst durch die mangelnde Einlagefähigkeit des der Darlehensnehmerin A GmbH gewährten Nutzungsvorteils. Die A GmbH hat aber im gleichen Veranlagungszeitraum eine (verdeckte) Gewinnausschüttung an die Klägerin vorgenommen, und zwar durch Vergabe eines zinslosen Darlehens an ihre Schwester, die B GmbH. Aufwendungen und Einnahme der Klägerin betreffen nicht nur dieselbe Beteiligung (A GmbH), sie weisen auch der Höhe nach einen inneren Zusammenhang insofern aus, als die Aufwendungen für die Beteiligung an der A GmbH in Höhe von 7.225,11 Euro die steuerfreien Einnahmen aus der Beteiligung an der A GmbH in Höhe von 20.028,61 Euro nicht übersteigen.

Der vorstehend beschriebene Zusammenhang zwischen Beteiligungsaufwand und Einnahme aus derselben Beteiligung wird auch in der Literatur überwiegend als unmittelbar im Sinne des § 3 c Abs. 1 EStG in der Fassung des Streitjahres qualifiziert (vgl. Schlagheck, GmbHR 2002, 92, 98; Winter, GmbHR 2004, 1268, 1270; Gosch, KStG, 2. Aufl., § 8 Rn. 240 jeweils mit weiteren Nachweisen; anderer Auffassung: Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl. § 8 Rn. 264 unter Hinweis auf Schulte/Behnes, DB 2004, 1525).

Der von der Klägerseite geltend gemachte Gesichtspunkt, die zweifache Ausübung konzernrechtlicher Leitungsmacht belege, dass ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden Darlehen nicht gegeben sein könne, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Abzugsverbot des § 3 c EStG knüpft weder an die Ausübung konzernrechtlicher Leitungsmacht noch an den Tatbestand einer vGA an. Maßgeblich für die Beurteilung des unmittelbaren Zusammenhangs ist vielmehr allein der konkrete Veranlassungsgrund für die Aufwendungen und seine direkte Zuordenbarkeit zu einer steuerfreien Ertragsquelle.

Eine solche Zuordenbarkeit ist hier gegeben. Die von der Klägerin ergänzend ins Feld geführte hypothetische Betrachtung eines zeitlichen Auseinanderfallens beider Darlehen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Für die Besteuerung kommt es allein auf den tatsächlich realisierten Sachverhalt an.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.