LG Itzehoe, Urteil vom 26.04.2012 - 7 O 262/09
Fundstelle
openJur 2012, 72124
  • Rkr:
Tenor

1.) Es wird festgestellt, dass der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der ..., eine Insolvenzforderung in Höhe von 130.589,21 Euro zusteht.

2.) Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4.) Der Streitwert wird auf bis zu 300,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin hat zunächst gegen die ... Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Erbringung von Finanzdienstleistungen geltend gemacht. Nach Insolvenz der Aktiengesellschaft begehrt sie nunmehr gegen den Insolvenzverwalter Feststellung zur Tabelle, aus abgetretenem Recht.

Der Ehemann der Klägerin schloss gemeinsam mit ihr am 28. 10.2004 einen Vermögensverwaltungsvertrag mit der Beklagten. Als Anlageziel und Richtlinie zur Durchführung des Vertrages wurde die sogenannte Strategie B vereinbart. Danach ist der Mandant zur Hinnahme von gewissen Risiken bereit. Seine Strategie ist ausgerichtet auf Zinserträge und Kursgewinne. Der Anlagehorizont ist zumindest mittelfristig ausgerichtet. Eine Risikobereitschaft ist in bestimmten Grenzen vorhanden. Der Anteil der Aktien und Aktienfonds innerhalb des Portfolios darf bis zu 70 % betragen. Die Investments erfolgen überwiegend in Aktien oder in Aktien ähnlichen Wertpapieren. Der Vertrag enthielt weiter eine Vergütungsvereinbarung. Zu den Einzelheiten des Vermögensverwaltungsvertrages wird Bezug genommen auf die Anlage B 3, Bl. 51 d. A.

Im beigefügten Risikoanalysebogen der Beklagten hatten die Klägerin und der Zedent den sogenannten Anlagetyp 2 angekreuzt. Auf Veranlassung des Mitarbeiters der Beklagten, der die Beratung durchführte, hat dieser unter dem 19.04.2006 einen Risikoanalysebogen für die Klägerseite ausgefüllt, in der der Anlagetyp 3 angekreuzt wurde. Unter dem 27.12.2007 hat der Mitarbeiter ... der Beklagten erneut einen Analysebogen ausgefüllt, in dem das Anlageziel spekulativ als Anlagedauer mittelfristig mehr als 1 Jahr bis zu 5 Jahren, als Zweck der Anlage kurzfristige Liquidität, Vermögensaufbau, Vorsorge und überdurchschnittliche Gewinnchancen/Spekulation angekreuzt waren. Der Vermögensverwaltungsvertrag wurde auf Veranlassung des Beraters der Beklagten unter dem 14.04.2008 gekündigt. Durch den Vollzug des Vermögensverwaltungsvertrages erwarb die Beklagte für die Klägerseite u. a. Aktien der ..., ... Inhabergenussscheine, ferner ..., ..., ..., ..., ... Genussscheine, ..., ...., ..., ..., ..., ..., ... sowie weitere andere Firmenanleihen für insgesamt 90.408,58 €. Im Zuge des Verwaltungsvertrages wurde für 302,69 € ... Wertpapiere verkauft sowie nach Beendigung des Verwaltungsvertrages weitere im Zuge des Vertrages erworbene Wertpapierpapiere in der Zeit vom 15.04.2008 bis zum 15.09.2009 mit einem Erlös von insgesamt 54.047,02 €. Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf Seiten 8 bis 12 der Klagschrift.

Im Zuge der anschließenden Anlageberatung erwarb Herr Gernegroß nachfolgend auf Empfehlung des für die Beklagte tätigen Kundenberaters weitere Wertpapiere, nämlich Genussscheine der ..., Teilschuldverschreibungen der ..., ... und ... sowie Genussscheine der ... und Zertifikate der .... Zu den Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Seiten 17 und 18 der Klagschrift. Insgesamt hat der Zedent 94.789,86 € bezahlt. Die Wertpapiere wurden anschließend teilweise verkauft mit einem Resterlös von 6.828,20 €.

Die Klägerin macht mit der Klage Schadensersatzansprüche aus der Vermögensverwaltung und Kapitalanlageberatungen geltend. Sie behauptet, es habe sowohl hinsichtlich der Vermögensverwaltung als auch hinsichtlich der Kapitalanlageberatung mehrfache Pflichtverletzungen seitens der Beklagten bzw. der für sie tätigen Mitarbeiter gegeben. Zum einen sei keine anlegergerechte Beratung erfolgt, keine anlagegerechte Beratung. Bei der Vermögensverwaltung seien die Anlagerichtlinien verletzt worden. Hinsichtlich der Anlageberatung sei ebenfalls fehlerhaft beraten worden. Der Zedent habe dem Berater in den Beratungsgesprächen jeweils klargemacht, dass er die Gelder, die er anlegen wollte, für die Altersvorsorge benötige und deshalb nicht bereit sei, den Verlust des eingesetzten Kapitals hinzunehmen. Zudem habe er dem Berater mitgeteilt, dass er das Geld unter bestimmten Umständen kurzfristig benötigen könnte und die Wertpapiere jeder Zeit verkäuflich sein müssten. Er sei darüber hinaus weder darüber informiert worden, dass die Beklagte bei der Vermittlung von Kapitalanlagen Zuwendungen von den Kapital suchenden Gesellschaften erhalten habe noch, dass aus der Annahme der Zuwendungen ein Interessenkonflikt entstehe. Auch hinsichtlich der Beratungen nach Beendigung des Vermögensverwaltungsvertrages sei weder eine anleger- noch eine anlagegerechte Beratung erfolgt. Es seien Klumpenrisiken geschaffen worden ohne dass auf das Risiko hingewiesen sei. Es seien ebenfalls Rückvergütungen erfolgt.

Der Kläger behauptet, er habe bei ordnungsgemäßer Beratung die Geschäfte sämtlichst nicht getätigt, vielmehr die Anlageberatung sofort beendet, wenn er Kenntnis von den Zahlungen an die Beklagte gehabt hätte.

Im Verlaufe des Rechtsstreits ist hinsichtlich der verklagten ... das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Klägerin hat die im vorliegenden Prozess geltend gemachten Ansprüche zur Insolvenz angemeldet. Sie hat den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und beantragt nunmehr, nachdem der Zendent die erworbenen Magnum Papiere veräußert hat,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wendet zum einen Verjährung ein, zum anderen ist er der Auffassung, die Mitarbeiter der ... hätten ordnungsgemäß beraten, die Vermögensverwaltung sei ordnungsgemäß gewesen und habe den Wünschen des Zedenten entsprochen.

Im Verlaufe des Verfahrens hat die ... die streitgegenständlichen Telefondateien zur Akte und für den Gegner überreicht. Zu deren Inhalt wird Bezug genommen auf den Inhalt der Dateien. Sie wurden hinsichtlich eines wesentlichen Teils zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Zum weiteren Vorbringen wird Bezug genommen auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze.

Gründe

Die Klage ist, soweit sie jetzt noch auf Feststellung gegen den Insolvenzverwalter gerichtet ist, begründet.

Der Klägerin steht aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes ein Schadensersatzanspruch in geltend gemachter Höhe zu. Denn die Beklagte hat in mehrfacher Hinsicht durch Handeln ihrer Mitarbeiter bzw. ihres Vorstandes die Pflichten aus dem Vermögensverwaltungsvertrag sowie den Anlageberatungsverträgen verletzt.

Soweit es den Vermögensverwaltungsvertrag betrifft, liegt eine Vertragsverletzung schon darin, dass die ... von den Emittenten der Wertpapiere, die sie im Zuge der Vermögensverwaltung mit dem ihr anvertrauten Geld erworben hat, Zuwendungen verschiedener Art erhalten hat. Nach eigenem Eingeständnis hat die Beklagte für die Börse in ... erworbenen Wertpapiere sämtlichst Provisionen erhalten, die ihr von der ... rückvergütet wurden. Zudem hat die ... für das Halten der Papiere im Bestand im Zuge der Vermögensverwaltung eine Bestandsprovision von 0,5 bis 1 % jährlich erhalten. Eine ordnungsgemäße Aufklärung, insbesondere hinsichtlich der Bestandsprovision hat nicht stattgefunden, obwohl dies in Anbetracht der Höhe der Provisionen sich aufdrängen musste. Denn im Hinblick auf die teilweise mehrjährige Laufzeit und hiermit verbundenen jährlichen Provisionen musste sich für die ... bzw. deren Vorstände aufdrängen, dass die Anleger alle Informationen hierüber ein Interesse hatten. Dass der daraus resultierende Interessenskonflikt sich auch verwirklicht hat, ergibt sich schon daraus, dass die ... im Zuge der Vermögensverwaltung nicht etwa ein Portfolio entsprechend ihrem Muster-Portfolio sondern praktisch nur spekulative Papiere erworben hat, die ihr Zuflüsse verschafften. Eine Streuung hat nicht stattgefunden. Auch die Anlagestrategie aus der vereinbarten Vermögensverwaltung wurde nicht eingehalten. Das ist auch der Beklagten bzw. deren Vorstände zuzurechnen. Denn die Anlageberater haben sich insoweit an die Vorgaben des Vorstandes bzw. des von ihnen eingesetzten Anlageausschusses gehalten.

Soweit es Geschäfte aus der Anlageberatung betrifft, haftet die Beklagte jedenfalls aus Verschulden ihres Mitarbeiters, der die Anlageberatungen vorgenommen hat. Denn in keinem der Fälle entsprach die Anlageberatung hinsichtlich der anleger- und anlagegerechten Beratung den Mindestanforderungen, die an solche Beratungen zu stellen sind, wie sich aus den vorgelegten Gesprächsdateien ergibt. Vielmehr handelt es sich durchweg um spekulative Papiere, teilweise hochspekulative Papiere, die nicht den Interessen des Zedenten entsprachen, zum Teil nicht einmal den selbst angegebenen Risikoklassen der Beklagten entsprachen. Hinsichtlich der Risikoklassen, die die ... selbst für die Papiere gewählt hat, teilweise nicht entsprach. Eine ordnungsgemäße Aufklärung über die Risiken hat in keinem Fall stattgefunden.

Demgemäß waren, nachdem der Zedent die Magnum-Papiere veräußert hat, die geltend gemachten Beträge antragsgemäß zur Tabelle festzustellen. Denn der Zedent hätte die streitgegenständlichen Papiere bei ordnungsgemäßer Aufklärung und Beratung nicht erworben.

Soweit die Beklagte Verjährung einwendet, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen. Die Beklagte hat die Voraussetzungen, unter denen Verjährung eingetreten wäre, nicht hinreichend dargetan.

Die Schadensersatzansprüche fallen nicht unter die Verjährungsfrist des § 37 a WPHG. Denn die Beklagte hat nicht hinreichend dargetan, dass hinsichtlich der Beratungsfehler kein Vorsatz vorlag. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der das Gericht folgt, obliegt es dem Schuldner, der Verjährung einwendet, darzutun und zu beweisen, dass kein Verschulden, insbesondere auch kein vorsätzliches Verhalten vorliegt (vgl. BGH v. 22.6.2010). Denn die Vermutung des § 274 BGB, wonach die Pflichtverletzung ein Verschulden des Schuldners indiziert, erstreckt sich darauf, dass der Schuldner sowohl Vorsatz als auch Fahrlässigkeit auszuräumen hat. Dies ist der Beklagten nicht gelungen.

Die Beklagte hat auch nicht dargetan, dass hinsichtlich der danach geltenden Regelvermutung der Zedent bzw. die Klägerin innerhalb der 3-Jahresfrist Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Pflichtverletzungen seitens der Beklagten hatte. Insoweit obliegt es dem Schuldner nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich jeder einzelnen in Betracht kommenden Pflichtverletzung die Kenntnis vom Schaden der Pflichtverletzung darzutun und gegebenenfalls zu beweisen, und zwar auch dann, wenn mehrere Pflichtverletzungen zu dem Schaden geführt haben (vgl. BGH v. 6.12.2010).

Die ... schuldet auch schon nach § 849 BGB die geltend gemachten Zinsen auf das Anlagekapital wegen Entziehung desselben durch unzutreffende Beratung. § 849 BGB gilt nämlich auch für den Fall, dass dem Gläubiger Kapital entzogen wird.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit überhaupt übereinstimmend für erledigt erklärt haben, waren die Kosten ebenfalls den Beklagten aufzuerlegen. Denn die Tatsache, dass die Papiere der ... inzwischen wieder werthaltig sind und veräußert werden konnten, ändert nichts daran, dass zum Zeitpunkt der Klagerhebung der geltend gemachte große Schadensersatzanspruch begründet war.

Die Kostenentscheidung erfolgt im Übrigen aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziff. 11, 713 ZPO.

Der Streitwert beträgt im Hinblick darauf, der sich nach § 182 Inso bemisst, bis zu 300 Euro. Denn bis zur Feststellung zur Tabelle ist ein Erlös für die Klägerin nicht zu erwarten. Dass möglicherweise - bedingt durch das Urteil - Versicherer Leistungen erbringen, spielt insoweit keine Rolle.

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