OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 01.08.2012 - 2 L 31/11
Fundstelle
openJur 2012, 72039
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts A-Stadt – 6. Kammer – vom 25. November 2011 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger wendet sich gegen zwei Bescheide des Beklagten, nach denen die Aufsichtsarbeit der universitären Schwerpunktbereichsprüfung und die Studienarbeit im universitären Schwerpunktbereich im Studiengang Rechtswissenschaften mit dem Abschluss Erste juristische Prüfung als nicht bestanden bewertet wurden.

Der Kläger war seit dem Sommersemester 1996 in dem Studiengang eingeschrieben. Mitte 2005 änderte der Beklagte seine entsprechende Prüfungsordnung und führte Regelprüfungstermine ein. Nachdem der Kläger sich auch nach Ablauf von vier Semestern nach dem Verstreichen der Regelprüfungstermine weder zu den Prüfungen gemeldet hatte noch von sich aus Gründe vorgetragen hatte, weshalb er dies nicht zu vertreten habe, beschied der Beklagte den Kläger von Amts wegen ohne vorherige Anhörung dahin, dass er die Prüfung nicht bestanden habe.

Die nach erfolglosen Widerspruchsverfahren erhobene Klagen hat das Verwaltungsgericht (nach Verbindung) mit Urteil vom 25. November 2010 abgewiesen.

Der dagegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen, soweit sie denn hinreichend dargelegt sind, nicht vor.

Dies gilt zunächst für den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Ein auf den Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützter Zulassungsantrag muss sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und im Einzelnen darlegen, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese ernstlichen Zweifeln bezüglich ihrer Richtigkeit begegnen. Die Begründung des Zulassungsantrags muss an die tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese aus der Sicht des Zulassungsantragstellers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus welchen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen die angefochtene Entscheidung unrichtig sein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und damit eine sachliche Auseinandersetzung mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Zulassungsantragsteller muss sich insofern an der Begründungsstruktur des angefochtenen Urteils orientieren. Geht er auf eine Erwägung nicht ein, kann das Oberverwaltungsgericht diese nicht von sich aus in Zweifel ziehen. Diese Anforderungen an die Begründung eines Zulassungsantrags sind für den Zulassungsantragsteller auch zumutbar. Mit Blick auf den Vertretungszwang ist sichergestellt, dass Zulassungsantragsteller rechtskundig vertreten sind (vgl. Beschluss des Senats vom 21. Mai 2012 - 2 L 180/08 -, m.w.N.).

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung können schon dann vorliegen, wenn sich die Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens nicht abschließend übersehen lassen, die Begründung des Zulassungsantrags aber die Einsicht vermittelt, der beabsichtigten Berufung seien durchaus hinreichende Erfolgsaussichten zuzusprechen. Die Zulassung ist dagegen zu versagen, wenn sich die vom Zulassungsantragsteller geäußerten Zweifel ohne Weiteres ausräumen lassen (Beschluss des Senats vom 21. Mai 2012, a.a.O.).

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier dazu, dass die Berufung nicht wegen der vom Kläger geäußerten Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen ist.

Dem Kläger fehlt es nicht am Rechtsschutzbedürfnis für dieses Verfahren. Die Exmatrikulation ist vor dem Hintergrund der hier angefochtenen und gerade umstrittenen Bescheide erfolgt. Sonstige Anhaltspunkte für ein fehlendes Rechtsschutzinteresse bestehen nicht.

Mit seiner Rüge, die der angefochtenen Regelung zugrundeliegenden §§ 29, 30 der Prüfungsordnung für den Studiengang Rechtswissenschaften mit dem Abschluss Erste juristische Prüfung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität A-Stadt vom 22. Juni 2005 (im folgenden: PrüfO) genügten als untergesetzliche Regelungen für den mit der „Zwangsexmatrikulation“ verbundenen schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG dem Gesetzesvorbehaltsgrundsatz nicht, geht der Kläger fehl. Er übersieht, dass die Regelungen der Prüfungsordnung insoweit auf der gesetzlichen Grundlage der §§ 37, 38 LHG M-V, insbesondere auf § 38 Abs. 2 Nr. 9 LHG M-V (bzw. der hier einschlägigen Vorgängerregelung des § 38 Abs. 2 Nr. 11 LHG M-V, i.d.F. des Landeshochschulgesetzes 2002, GVBl. MV S. 398 ff.), wonach Regelprüfungstermine in der Prüfungsordnung zu bestimmen sind, beruhen. Eine Auseinandersetzung im Zulassungsvorbringen mit der erstinstanzlichen Entscheidung, die auf Seite 9 des Urteilsabdrucks sich hierzu verhält, findet klägerseits nicht statt.

Soweit der Kläger Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der Einführung von Regelprüfungsterminen in seinem Fall geltend macht, Vertrauensschutzgesichtspunkte betont und einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot geltend macht, dringt er gleichfalls nicht durch. Denn es liegt lediglich ein Fall unechter Rückwirkung bzw. der tatbestandlichen Rückanknüpfung zugrunde. Die beanstandete Änderung der Prüfungsordnung greift nicht in einen abgewickelten, der Vergangenheit angehörenden Tatbestand ein, sondern erfasst hier einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt und Rechtsbeziehungen für die Zukunft, die grundsätzlich zulässig ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 2. Mai 2012 – 2 BvL 5/10, zit. nach juris Rn. 66, 73 f. m.w.N.; BVerwG Urt. v. 25. Juli 2001 – 6 C 8/10 –, zit. nach juris Rn. 54 m.w.N.) Besonders schützenswerte Gesichtspunkte zu Gunsten des Klägers, die sein Vertrauen ausnahmsweise schützenswerter erscheinen lassen, weil er als Normadressat mit einer Änderung der Rechtslage nicht zu rechnen brauchte, werden jedenfalls nicht durchgreifend vorgetragen.

Studenten, die nach einer bestimmten Prüfungsordnung ihr Studium aufgenommen haben, sind nicht generell davor geschützt, dieses Studium auch in jedem Fall nach der ursprünglichen Prüfungsordnung beenden zu können. Insbesondere den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich ein derartiger Vertrauensschutz nicht generell entnehmen (vgl. VGH München, Urt. v. 29. April 2004 – 7 N 02.2640 –, zit. nach juris Rn. 21 m.w.N.; BVerwG Urt. v. 25. Juli 2001 – 6 C 8/10 –, zit. nach juris Rn. 53 m.w.N.). Denn den Individualinteressen des Studenten steht insoweit das Interesse des Satzungsgebers entgegen, Studiengänge und damit einhergehende Prüfungsordnungen zu ändern (vgl. VGH München, Urt. v. 29. April 2004 – 7 N 02.2640 –, zit. nach juris Rn. 21). Sinn und Zweck der vom Satzungsgeber verfolgten Einführung von Regelprüfungsterminen, war es gerade, die Studiendauer – auch im Hinblick auf den europäischen Wettbewerb und vor dem Hintergrund des Bologna-Prozesses – zu beschleunigen, die Qualität des rechtswissenschaftlichen Studiums zu optimieren und vorhandene Kapazitäten besser ausnutzen zu können (vgl. LT Drs. 4/849 S. 1, 4), und – worauf bereits das Verwaltungsgericht abgestellt hat – dem Grundsatz der Chancengleichheit im Prüfungsverfahren mehr Geltung zu verschaffen. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Einführung dieser Neuregelungen bereits im 20. Semester. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide befand er sich im 26. bzw. 27. Semester. Anhaltspunkte dafür, dass er darauf vertrauen konnte, ein begonnenes und bereits überlang andauerndes Studium unbegrenzt fortführen zu können, bestehen nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. Juli 2001 – 6 C 8/10 –, zit. nach juris Rn. 53 m.w.N.).

Auch mit seinem Einwand, die neue Prüfungsordnung sei ihm – dem Kläger – erst derart spät tatsächlich bekannt geworden, dass er die Voraussetzungen für die Zulassung zur Ersten Juristischen Staatsprüfung nicht mehr habe erfüllen konnte, dringt er nicht durch. Die einschlägige Prüfungsordnung vom 22. Juni 2005 ist im Mitteilungsblatt des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 17. Oktober 2005, Seite 1012 ff., öffentlich bekannt gemacht worden. Der Kläger war damit in die Lage versetzt, sich hiervon mit zumutbarem Aufwand Kenntnis zu verschaffen (vgl. Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 64). Auf seine Unkenntnis von den Neuregelungen des Prüfungsrechts kann er sich daher nicht berufen.

Auch soweit die angefochtenen Bescheide ohne vorherige Anhörung des Klägers erfolgt sind, hatte der Kläger im Widerspruchsverfahren, das eine Heilung des Anhörungsfehlers ermöglichte, die Gelegenheit, Gründe vorzutragen, die ihn in den Genuss eines Abweichens von den Regelprüfungsterminen hätten bringen können (§ 30 Abs. 2 Satz 1 PrüfO). Das Verwaltungsgericht hat zutreffend und vom Kläger nicht näher beanstandet, darauf hingewiesen, dass nicht zu vertretende Gründe für eine Überschreitung der Termine unverzüglich anzuzeigen und glaubhaft zu machen gewesen wären, was nicht geschehen ist. Soweit der Kläger im Klageverfahren und nunmehr erneut mit der Begründung des Zulassungsantrags in der Sache vorträgt, warum die Wahrung der Fristen für den Kläger unzumutbar gewesen seien, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit der vom Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung zutreffend angenommenen Verhältnismäßigkeit der Regelprüfungstermine auch im Hinblick auf die grundsätzlich mögliche Einzelfallregelung des § 30 Abs. 2 PrüfO (S. 7 f.).

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 2 GKG.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig, § 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO.