Hessisches LAG, Urteil vom 28.03.2012 - 8 Sa 1578/11
Fundstelle
openJur 2012, 71762
  • Rkr:

Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Renten-versicherung durch § 275 c SGB 6 zwingt nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung (Abweichung von BAG v. 21.04.2009 - 3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08). Es handelt sich um einen Fall der Störung der Geschäftsgrundlage. Nur bei Unzumutbarkeit der Folgen kann eine Anpassung verlangt werden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. September 2011 – 2 Ca 412/10 – abgeändert:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung (BBG) zum 01. Januar 2003 über die Berechnung der Betriebsrente des Klägers.

Der Kläger war lange Jahre bei der Beklagten angestellt.

Er hat Anspruch auf Altersversorgung durch die Beklagte nach den „Regeln der Altersversorgung für Gehaltsempfänger der A“ vom 01. Januar 1968 in der Fassung vom 01. Juli 1970(fortan: Versorgungsordnung). In dieser ist u. a. geregelt:

„§ 4 Rentenhöhe

Soweit im § 6 nicht anders bestimmt, beträgt die monatliche Alters- oder Invalidenrente

a) 0,6 % des durchschnittlichen monatlichen Grundgehaltes (§ 12Abs. 4) aber nicht weniger als DM 5,- für jedes gemäß § 5 dieser Regeln anrechenbare Dienstjahr,

b) für jedes gemäß § 5 dieser Regeln anrechenbare Dienstjahr 1 %des Betrages, um den das durchschnittliche monatliche Grundgehalt den Betrag der durchschnittlichen Beitragsbemessungsgrenze (§ 12Abs. 6) übersteigt.

…§ 12 Begriffsbestimmungen…

(4) Durchschnittliches monatliches Grundgehalt

Das durchschnittliche monatliche Grundgehalt beträgt 1/16 des Grundgehalts des Gehaltsempfängers, während der letzten 60Kalendermonate vor der Übernahme in die Altersversorgung,gleichgültig, ob er tatsächlich Gehalt bezogen hat oder nicht.

(5) Beitragsbemessungsgrenze

Die Beitragsbemessungsgrenze bezeichnet die Obergrenze des monatlichen Bruttogehaltes, bis zu der von der Firma Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten einbehalten werden.

(6) Durchschnittliche Beitragsbemessungsgrenze

Die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrenze beträgt 1/16 der Summe der Beitragsbemessungsgrenze in der letzten 60 Kalendermonate vor dem Monat, mit dem die Zahlung der Invalidenrente oder der Altersrente beginnt oder „bei späterer Pensionierung“während des Zeitraumes von 60 Kalendermonaten, der mit dem Monat endet, in dem der Werksangehörige das 65. Lebensjahr vollendet.…“

Wegen des weiteren Inhalts wird auf die Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom16. März 2011 verwiesen.

Gemäß § 3 Ziff. 1 der nach § 160 SGB VI erlassenen Verordnung über die maßgebenden Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003vom 17. September 2002 war die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellte für das Jahr 2003zunächst auf 55.200,00 EUR jährlich und 4.600,00 EUR monatlich festgesetzt worden. Durch Artikel 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Dezember 2002 wurde § 275 c SGB VI eingefügt. Diese Vorschrift trat zum 1. Januar 2003 in Kraft und legte die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für das Jahr 2003 auf 61.200,00 EUR jährlich und 5.100,00 EUR monatlich fest. Zudem wurden die ungerundeten Ausgangswerte für die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2004 festgelegt. Dies hatte zur Folge, dass sich die einmalige stärkere Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 um 500,00 EUR im Ergebnis auch für die folgenden Jahre bei der Fortschreibung der Beitragsbemessungsgrenze durch Verordnung gemäߧ 160 SGB VI auswirkt und auswirkte. Die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung für das Jahr 2008 beträgt 5.300,00 EUR monatlich (63.600,00 EUR jährlich).

Die Beklagte zahlt dem Kläger seit dem 01. Januar 2004 eine monatliche Betriebsrente von 4.570,04 € brutto.

Bei der Berechnung legte die Beklagte die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung der letzten 60 Monate vor Rentenbeginn zugrunde. Wäre die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 unberücksichtigt geblieben, hätte sich eine um 40,50 €höhere Betriebsrente für den Kläger ergeben. Die auf die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung führten zu einer Erhöhung der gesetzlichen Rente um 5,09 € monatlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die Rente zu,die sich errechnet ohne Berücksichtigung der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze abzüglich der dadurch entstandenen Erhöhung der gesetzlichen Rente.

Die Versorgungsordnung der Beklagten enthalte eine gespaltene Rentenformel, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 2009 grundsätzlich lückenhaft geworden und wie mit der Klage verlangt zu ergänzen sei.

Der Kläger verlangt mit seiner Klage monatlich 35,41 €(40,50 € abzüglich 5,09 €) für die Zeit vom Januar 2007bis Mai 2011 sowie zukünftige Zahlung dieses Betrages ab Juni 2011.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Betriebsrentennachzahlung für die Zeit vom01. Januar 2007 bis 31. Mai 2011 € 1.876,73 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 35,41 € für jeden Monat beginnend mit dem 01. Januar 2007, mit dem ersten Tag des jeweiligen Folgemonats und zuletzt beginnend mit dem 01. Mai 2011 zu zahlen;

Die Beklagte zu verurteilen, an ihn monatlich beginnend mit dem 01. Juni 2011 über die Betriebsrente von 4.570,04 € brutto hinaus weitere 35,41 € zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. April 2009 zur außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 für unzutreffend gehalten.Die Versorgungsordnung habe nicht die jährliche Anpassung der Beitragsbemessungsgrenze an die Lohn- und Gehaltsentwicklung in Bezug genommen. Die Systematik der Beitragsbemessungsdynamik sei im Laufe der Zeit verändert worden. Die ergänzende Vertragsauslegung sei nicht sachgerecht. Bei sozialversicherungsrechtlichen Gesetzesänderungen müssen die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage herangezogen werden.

Es sei nicht schlüssig wie das Bundesarbeitsgericht die von ihm angenommene Vertragslücke geschlossen habe. Statt einer um jeweils 500,- € niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze ab dem Jahr 2003müsse für jedes Folgejahr ermittelt werden, in welcher Höhe die Beitragsbemessungsgrenze gemäß § 159 SGB VI angepasst worden wäre.Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die Beitragsbemessungsgrenze auf den nächsten durch 600 teilbaren vollen Eurobetrag aufgerundet wird.

Die Gegenrechnung der zusätzlichen gesetzlichen Rentenansprüche führe zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungs- und Berechnungsaufwand u. a. hinsichtlich der Berechnung der Rückstellungen und der Beiträge für den Pensionssicherungsverein.

Für die Versorgungsordnung komme eine ergänzende Vertragsauslegung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Betracht. So werde für die Rentenberechnung nicht auf die letzte Beitragsbemessungsgrenze,sondern auf die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrenze der letzten 5 Jahre abgestellt, wie auch für das Durchschnittsgehalt.Schließlich bestimme § 6 Abs. 6 der Versorgungsordnung ausdrücklich, dass es bei der Berechnung der Versorgung ausschließlich auf den Stand der Gesetze zum Zeitpunkt der Pensionierung ankommt.

Es liege auch keine Störung der Geschäftsgrundlage vor. Selbst im Extremfall führe bei der Versorgungsordnung der Beklagten die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungs-grenze zu einer Einbuße von maximal 12,2 %.

Im Fall des Klägers liege die Einbuße weit darunter, nämlich bei 0,77 %.

Die ergänzende Vertragsauslegung führte auch zu einem enormen Verwaltungsmehraufwand für die Ermittlung und Nachberechnung der von der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze getroffenen Rentner und Renten.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben mit Urteil vom 28.September 2011, auf das Bezug genommen wird.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.Wegen der für die Zulässigkeit der Berufung erheblichen Daten wird auf das Protokoll vom 28. März 2012 verwiesen.

Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Versorgungsordnung sei nicht planwidrig lückenhaft geworden durch die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003. Es bestehe auch kein Bedürfnis für eine ergänzende Vertragsauflegung. Die vom Bundesarbeitsgericht in seinen Urteilen vom 21. April 2009vorgenommene ergänzende Vertragsauslegung stelle jedenfalls keine interessengerechte Schließung der vermeintlichen Vertragslücke da.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 28. September 2011– Az. 2 Ca 412/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er hält die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Lückenhaftigkeit gespaltener Rentenformeln für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger kann keine höhere Betriebsrente verlangen.

A.

Die Beklagte hat die dem Kläger nach der Versorgungsordnung zustehende Betriebsrente zutreffend berechnet. Nach § 4 der Versorgungsordnung ist für den über die durchschnittliche Beitragsbemessungsgrenze hinausgehenden Teil des durchschnittlichen Gehalts ein höheres Ruhegeld zu gewähren. Als maßgeblich ist dabei anzusehen „die Obergrenze des monatlichen Bruttogehaltes, bis zu der von der Firma Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten einbehalten werden." (§ 12 Abs. 5Versorgungsordnung). Unter Rentenversicherung der Angestellten ist die gesetzliche Rentenversicherung zu verstehen. Die Obergrenze bis zu den Arbeitgeberbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung einbehalten werden, ist die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Versorgungsordnung verweist damit auf die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die Beklagte hat unstreitig die Beitragsbemessungsgrenzen in der gesetzlichen Rentenversicherung der letzten 60 Monate vor Rentenbeginn ihrer Berechnung zugrundegelegt.

B.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die durch § 275c SGB 6für das Jahr 2003 bestimmte außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze nicht außer acht zu lassen. Es ist nicht von einer niedrigeren Beitragsbemessungsgrenze auszugehen, die sich bei einer fortlaufenden Berechnung ohne diese außerordentliche Erhöhung ergäbe.

I.

Die Versorgungsordnung kann nicht dahin ausgelegt werden, dass mit der „Obergrenze des monatlichen Bruttogehaltes, bis zu der von der Firma Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten einbehalten werden“ der Betrag gemeint ist, der sich bei einer Berechnung nach§ 159 SGB 6 ohne die außerordentliche Erhöhung durch § 275c SGB 6ergibt.

a) Den Versorgungsbestimmungen ist nicht zu entnehmen, dass die Obergrenze, ab denen ein höheres Ruhegeld nach § 4Versorgungsordnung gewährt wird, der allgemeinen Einkommensentwicklung folgen soll. Vielmehr nimmt die Versorgungsordnung für diese Grenze schlicht Bezug auf eine externe Größe, nämlich – wie oben ausgeführt - die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung.

b) Die Beitragsbemessungsgrenze, auf die die Versorgungsordnung verweist ist der seit Jahrzehnten gesetzlich oder auf dem Verordnungswege festgesetzte und bekannt gemachte Betrag. Allein dieser für jedes Jahr in der gesetzlichen Rentenversicherung geltende Betrag ist gemeint. Dieser Betrag ist für das Jahr 2008gemäß § 160 SGB 6 (Anlage 2) durch die SVBezGrV 2008vom05.12.2007 (Bundesgesetzblatt Teil I 2007, S.2797-2798) auf 5300,00 EUR monatlich (63.600,00 EUR jährlich)festgesetzt.

II.

Die Versorgungsordnung ist nicht ergänzend dahin auszulegen,dass die außerplanmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 ohne Berücksichtigung zu bleiben hat.

1. Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteilen vom 21. April 2009(3 AZR 471/07 und 3 AZR 695/08) entschieden, dass Versorgungsordnungen, die eine „gespaltene Rentenformel“ enthalten, durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,-- Euro monatlich (6.000,--Euro jährlich) im Jahre 2003 regelmäßig lückenhaft geworden seien.Durch § 275 c SGB 6, der durch Art. 2 Nr. 4 des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung (Beitragssatzsicherungs-gesetz – BSSichG) vom 23. Dezember 2002 (Bundesgesetzblatt I Seite 4637) eingefügt wurde, ist die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 für die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten auf 61.200,-- Euro jährlich festgesetzt worden. Damit ist der Gesetzgeber bewusst von der Berechnungsmethode des § 159 SGB 6abgewichen, nach der die Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung für das Jahr 2003 auf 55.200,-- Euro jährlich festzusetzen gewesen wäre (vgl. § 3 der Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung für 2003 (SVBezGrV 2003) vom 17.12.2002 (Bundesgesetzblatt I 2002, Seite 4561). Das Bundesarbeitsgericht hat in den angeführten Entscheidungen ausgeführt, dass Versorgungsordnungen mit einer gespaltenen Rentenformel durch die außerplanmäßige Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze regelmäßig lückenhaft geworden seien. Sie seien zu ergänzen. Die Betriebsrente sei ohne Berücksichtigung der außerplanmäßigen Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zu berechnen und von dieser Rente sodann der Betrag abzuziehen, um den sich die gesetzliche Rente in Folge höherer Beitragszahlungen erhöht habe.Sogenannte „gespaltene Rentenformeln“ sähen für Teile des versorgungsfähigen Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze höhere Prozentsätze vor als für Teile des versorgungsfähigen Einkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze.Sinn und Zweck einer solchen Rentenformel sei es, dem im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistung abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist. Die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze im Jahre 2003 führe dazu,dass das Versorgungsziel verfehlt werde: Die Einkommensbestandteile, die über dem allgemeinen Anstieg der Gehälter liegen würden nur mit einem niedrigeren Versorgungsprozentsatz verpunktet. Dies führe zu erheblichen Versorgungseinbußen, solange den Beitragszeiten noch keine entsprechende Verbesserung der gesetzlichen Rente gegenüberstehe.Die durch die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze entstandene Regelungslücke sei durch eine angemessene Regelung zu ergänzen. Diese bestehe darin, dass die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze zum 1.Januar 2003 bei der Berechnung der Betriebsrente unberücksichtigt bleibe und lediglich die weiterhin der entsprechend der Einkommensentwicklung gem. § 159 SGB 6 vorgenommene Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sich auswirken. Davon sei jedoch stets der Betrag in Abzug zu bringen, um den sich die gesetzliche Rente in Folge höherer Beitragszahlungen erhöht.

2. Die Kammer vermag dieser Rechtsprechung für den vorliegenden Fall nicht zu folgen. Die Versorgungsordnung ist durch die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 nicht lückenhaft geworden. Eine ergänzende Vertragsauslegung ist nicht zwingend. Jedenfalls kann die Versorgungsordnung nicht dahin ergänzt werden, dass die außerordentliche Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 unberücksichtigt bleibt unter Anrechnung dadurch entstandener erhöhter Rentenansprüche.

a) Voraussetzung einer ergänzenden Vertragsauslegung ist eine Lücke in der vertraglichen Regelung (Staudinger/Roth BGB Rz 15).Eine Lücke ist zu bejahen, wenn die von den Parteien vereinbarte Regelung eine Bestimmung vermissen lässt, die erforderlich ist, um den ihr zugrundeliegenden Regelungsplan der Parteien zu verwirklichen (Larenz/Wolf, Allg. Teil BGB§ 28 Rn. 114; Staudinger/Roth a. a. O. § 157 Rz 15). Die Vereinbarung der Parteien muss einen offengebliebenen Punkt enthalten, den die Parteien abschließend zu regeln unterlassen haben und dessen Ergänzung zwingend und selbstverständlich geboten ist, um einen offenbaren Widerspruch zwischen den tatsächlich entstandenen Lage und dem vertraglich Vereinbarten zu beseitigen (BGH v. 10.07.1969 – III ZR 238/ 68DB 1969, 2033).Ein Vertrag kann auch dann lückenhaft sein, wenn eine planwidrige Unvollständigkeit vorliegt. Das ist dann der Fall, wenn eine Bestimmung fehlt, die erforderlich ist, um den zugrundeliegenden „Regelungsplan“ der Parteien zu verwirklichen, (vgl.BAG v. 21.04.2009 – 3 AZR 695/08 zu II 2 der Gründe –DB 2009, 2162; zur Problematik: Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft2. Auflage 1969 S. 286; Esser Vorverständnis und Methodenwahl in der Rechtsfindung 1970 S. 176; Staudinger/Roth a. a. O. § 157 Rz 15mit weiteren Nachweisen). Die Feststellung des Regelungsplans enthält notwendig eine wertende Beurteilung des Regelungsplans und der Regelungsbedürftigkeit (Esser a. a. O.).

b) Eine Lücke in dem Sinne, dass die Versorgungsordnung offensichtlich unvollständig wäre oder unvollständig geworden wäre – etwa bei Beseitigung der Beitragsbemessungsgrenze aus dem System der gesetzlichen Rentenversicherung – liegt nicht vor.Mit § 275 c SGB 6 und die folgenden Verordnungen nach § 160 SGB 6hat sich nichts daran geändert, dass es für jedes Jahr eine Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung gibt. Die Renten können nach der Versorgungsordnung nach wie vor eindeutig berechnet werden.

c) Die Versorgungsordnung ist nicht planwidrig unvollständig geworden. Sie ist nicht deshalb lückenhaft, weil die maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze nicht allein auf der allgemeinen Steigerung der Vergütungen beruht, sondern höher ist aufgrund der gesetzgeberischer Entscheidung für das Jahr 2003, die von der Regel des § 159 SGB 6 abwich.

aa) Die Versorgungsordnung sieht in ihrem § 4 höhere Versorgungsleistungen für die Teile des durchschnittlichen monatlichen Grundgehaltes vor, die über der Beitragsbemessungsgrenze liegen. Hintergrund einer solchen gespaltenen Rentenformel ist: Die Einkommensteile über der Beitragsbemessungsgrenze sind nicht mit Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung belastet – andererseits fehlt dem Arbeitnehmer bei diesen Einkommensteilen ein korrespondierende Leistung aus dieser. In diesem Bereich besteht ein größerer Versorgungsbedarf. Andererseits fallen für den Arbeitgeber keine Beiträge zur Rentenversicherung an. Dem erhöhten Versorgungsbedarf des Arbeitnehmers steht bei einer gespaltenen Rentenformel, die auf die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung abstellt, die fehlende Beitragsbelastung des Arbeitgebers jenseits dieser Grenze gegenüber.

bb) Der Regelungsplan ist nicht dadurch verfehlt, dass die maßgebliche Beitrags-bemessungsgrenze aufgrund der außerordentlichen Erhöhung des Jahres 2003 nicht das Ergebnis der allgemeinen Einkommensentwicklung ist, wie in § 159 SGB 6vorgesehen. Unerwartete und außergewöhnliche Veränderungen von Größen auf die eine Versorgungsordnung Bezug nimmt machen diese nicht lückenhaft. Sie zwingen nicht zu einer ergänzenden Vertragsauslegung, sondern können eine Störung der Geschäftsgrundlage sein (so auch Schoden, BetrAV 2003, 434(436) zur BBG 2003).

Die Versorgungsordnung nimmt für die Rentenberechnung auf die Bezugsgrößen durchschnittliches monatliches Grundgehalt und Beitragsbemessungsgrenze Bezug. Die Entwicklung beider Größen und ihre Auswirkung auf Versorgungsanspruch und Versorgungsbelastung ist nicht vorhersehbar. Wie sich die Beitragsbemessungsgrenze entwickeln und auf die Versorgungsansprüche auswirken würde, war stets von nicht vorhersehbaren Entwicklungen abhängig. In der Versorgungsordnung ist keinerlei Bestimmung darüber enthalten, dass diese Bezugsgrößen in einem bestimmten Verhältnis zueinander stehen sollen, sich in einem bestimmten Verhältnis zueinander entwickeln sollen oder sie nur dann und nur soweit gelten sollen, wie sie sich nach bestimmten Regeln entwickeln. Mit dem Verweis auf die Beitragsbemessungsgrenze nimmt die Versorgungsordnung Bezug auf eine extern festgelegte und von den Parteien nicht zu beeinflussende Größe. Das ist in der betrieblichen Altersversorgung nicht ungewöhnlich. So sind bei Gesamtversorgungssystemen Versorgungsansprüche und Versorgungsbelastungen meist abhängig von der Entwicklung der gesetzlichen Renten und beeinflusst von gesetzgeberischen Eingriffen in das Sozialversicherungssystem. So ist auch der Rentenwert für das Jahr 2004 - und bis 31.7.2007 -entgegen der Regel des § 68 SGB 6 unverändert geblieben und ist nicht der Entwicklung der Bruttolöhne und –gehälter der Arbeitnehmer gefolgt (vgl. dazu BSG v. 20.12.2007 B 4 RA9/05 R). Ob und welcher Teil des Endgehalts über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, hängt einerseits von der individuellen Gehaltsentwicklung,andererseits von der Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze ab,die auch ohne außerordentliche Eingriffe des Gesetzgebers auseinanderlaufen können (siehe dazu Kemper, BetrAV 2003,431(432)). Einem solchen Versorgungsplan kann das Ziel eines bestimmten mit der allgemeinen Einkommensentwicklung korrelierenden Versorgungsniveaus, das in einem bestimmten Umfang eine Versorgungslücke schließt nicht entnommen werden.

cc) Der Versorgungsordnung kann nicht der Regelungsplan entnommen werden, dass unabhängig von der für die Beitragszahlung zur Rentenversicherung maßgeblichen Beitragsbemessungs-grenze stets und vollständig die über dem allgemeinen Anstieg der Gehälter liegenden Einkommensbestandteile mit höheren Rentenansprüchen versehen werden. Ein solches Modell, das den Grenzbetrag der gespaltenen Rentenformel nach der Entwicklung der Löhne und Gehälter - sei es allgemein, sei es nach Branche oder Unternehmen -steigert, ist gerade nicht gewählt. Vielmehr ist auf die Beitragsbemessungsgrenze abgestellt, ab der der Arbeitgeber von Beitragszahlungen zur Rentenversicherung freigestellt ist. Zum Regelungsplan gehört, dass der Arbeitgeber ab der Beitragsbemessungsgrenze mehr Mittel zur Verfügung hat, die er für die Versorgung des Arbeitnehmers einsetzen kann. Die Versorgungsordnung nennt als Definition der Beitragsbemessungsgrenze ausdrücklich die "Obergrenze des monatlichen Bruttogehaltes, bis zu der von der Firma Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten einbehalten werden".

dd) Zum Regelungsplan gehört auch das Versorgungsziel, den im Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze bestehenden erhöhten Versorgungsbedarf über die hierfür vorgesehene höhere Leistungen abzudecken, da dieser Teil der Bezüge nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist. Dieses wird nicht generell durch die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze verfehlt.

Es ist nicht erkennbar, inwiefern bei einem Versorgungsfall, der ein, zwei oder drei Jahrzehnte nach der Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2003 eintritt, noch das Ziel verfehlt würde, den erhöhten Versorgungsbedarf für den Einkommensbereich über der Beitragsbemessungsgrenze, der nicht durch die gesetzliche Altersrente abgesichert ist über höhere Leistungen abzudecken. Durch die Leistung der Beiträge bis zur erhöhten Beitragsbemessungsgrenze sind auch Ansprüche in der gesetzlichen Rente entstanden. Jedenfalls nach einer längeren Zeit sind auch die Vergütungsbestandteile bis zur erhöhten Beitragsbemessungsgrenze in gewissem Umfang durch Rentenansprüche abgedeckt.

ee) Beim Kläger hat sich nach allerdings eine wesentliche Steigerung der Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht ergeben. Es kommt generell darauf an, ob der Regelungsplan lückenhaft geworden ist. Für Versorgungsfälle, die kurz nach der außerordentlichen Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze eintreten, kann dies bei gespaltener Rentenformel zu unbilligen Ergebnissen führen. Auf die Sachverhalte der Urteile des BAG vom 21.04.2009 kann verwiesen werden. Die Vertragsauslegung dient aber nicht dazu, Unbilligkeiten zu beseitigen. Auch die ergänzende Vertragsauslegung ist kein Fall des § 242 BGB, sondern des § 157 BGB (BGH v. 10.07.1996 a. a. O.). Dass eine andere Regelung den Belangen der Vertragsparteien oder einer von ihnen besser entsprechen würde, rechtfertigt für sich allein keine ergänzende Auslegung, genauso wenig, wie harte oder unangemessene Folgen eines Vertrages (vgl. BGH v. 03.02.1984– V ZR 194/82 BB 1984, 694). Dem steht die Achtung vor der Privatautonomie entgegen. Die Parteien bestimmen den Vertragsinhalt selbst. Das Gericht darf ihnen nicht seine eigenen Maßstäbe aufdrängen, sondern lediglich die von den Parteien zugrunde gelegten Wertungen zu Ende denken (vgl. Larenz, Allgem. Teil des bürgerlichen Rechts, 6 Aufl. § 29 I, Seite 531). Eine bestimmte Regelung muss nach objektiver Betrachtung zwingend geboten sein (BAG vom 21. April 2009 – 3 AZR 471/07 zur II. 1. c)). Das ist aber nicht der Fall, wenn eine Partei durch gesetzgeberische Eingriffe, die sich für beide Seiten auswirken, stärker benachteiligt ist, das Vertragswerk als ganzes aber funktionsfähig bleibt.

d) Eine ergänzende Vertragsauslegung darf jedenfalls nicht dem Regelungsplan widersprechen. Dies wäre aber der Fall, wenn dauerhaft nicht auf die gesetzlich festgesetzte Beitragsbemessungsgrenze abgestellt würde.

aa) Damit würde vernachlässigt, dass die Beitragsbelastung des Arbeitgebers abhängig ist von der gesetzlich festgelegten Beitragsbemessungsgrenze. Er müsste die erhöhte Leistung erbringen ohne sie durch ersparte Rentenbeiträge - jedenfalls teilweise – gegenfinanzieren zu können. Eine ergänzende Auslegung dahin, dass die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 unberücksichtigt bleibt und die daraus entstehenden Erhöhungen der gesetzlichen Rente gegengerechnet werden, erscheint nicht vereinbar mit dem Regelungsplan der Versorgungsordnung. Der Effekt ist eine auf die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze bezogene Gesamtversorgung. Das ist dem System der Versorgungsordnung fremd.Aus einer einfachen Formel würde für die Vergütungsbestandteile jenseits der fiktiven Beitragsbemessungsgrenze ein Gesamtversorgungssystem: der Arbeitgeber müsste die Lücke füllen zwischen den aufgrund der außerordentlichen Erhöhung des Jahres 2003 entstandenen Rentenansprüche und der Erhöhung der Zusatzrente aufgrund Herausrechnens der außerordentlichen Erhöhung. An die Stelle einer recht einfachen Rentenformel träte jedenfalls mittelbar ein verwaltungstechnisch aufwändiges Gesamtversorgungssystem (Hölscher/Janker, BetrAV 2010,142).Gesetzgeberische Eingriffe in das Rentensystem – wie das Aussetzen der Anpassung der Rentenwerte in den Jahren 2004 –2006 – müssten in einer ergänzenden Auslegung der ergänzenden Auslegung berücksichtigt werden. Die Beklagte hat zu Recht auf den unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand hingewiesen, der mit einer derartigen ergänzenden Vertragsauslegung ihr aufgebürdet würde.

bb) Es widerspräche auch dem zu Grunde liegenden System, dass ein Teil der Vergütungsbestandteile unterhalb der gesetzlich festgesetzten Beitragsbemessungsgrenze sich sowohl zusätzlich steigernd für die Betriebsrente, wie für die gesetzliche Rente auswirken.

e) Jedenfalls ist eine ergänzende Vertragsauslegung dann nicht zulässig, wenn verschiedene Auslegungsmöglichkeiten gegeben sind.Die Parteien können vom Gericht nicht auf eine von mehreren möglichen Problemlösungen festgelegt werden (BGH v. 17.04.2002– VIII ZR 297/01DB 2002, 1463 –Staudinger/Roth Rz 43).

Im vorliegenden Fall gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten,auf die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 zu reagieren (vgl. die Beispiele bei Engbroks, BetrAV 2003, 437,438).

C.

Der Kläger kann auch keine Anpassung unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) verlangen. Die Geschäftsgrundlage ist im Sinne des§ 313 Abs. 1 BGB gestört, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.

1. Es kann davon ausgegangen werden, dass die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze des Jahres 2003 die Geschäftsgrundlage der Versorgungsordnung in diesem Sinne gestört hat. Zu den Grundlagen dieser Versorgungsordnung gehörte es, dass die Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung sich entsprechend der Entwicklung der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte verändert. Dass der Gesetzgeber für das Jahr 2003 davon in der Weise abweicht, dass eine zusätzliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um 500,-- € monatlich erfolgt,ist eine schwerwiegende Veränderung. Hätten die Parteien etwas Derartiges vorausgesehen, hätten sie die Versorgung anders geregelt, beispielsweise einen anderen Bezugspunkt für den höheren Versorgungs-prozentsatz gewählt, wie es nach 2003 vielfach üblich geworden ist.

2. Eine Anpassung kann allerdings nur dann verlangt werden, wenn einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Daran fehlt es allerdings.

a) Das Risiko, dass durch eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze sich die Betriebsrente verringert, trägt bei der gespaltenen Rentenformel der Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber hingegen trägt das Risiko, dass sich sein Beitragsanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung des Arbeitnehmers erhöht.

b) Dem Kläger ist es auch nicht unzumutbar, dass er am unveränderten Vertrag festgehalten wird. Seine Betriebsrente wäre ohne die außerordentliche Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze um weniger als 1 %, höher. Eine derartige Schmälerung ist ohne Zweifel schmerzhaft, ist aber schon im Hinblick auf die absolute Höhe der Betriebsrente, nicht unzumutbar. Dies gilt insbesondere in Hinblick darauf, dass die auf der erhöhten Beitragszahlung ab 2003 beruhende gesetzliche Rente dynamisch ist.

D.

Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen wegen Abweichung von den Entscheidungen des BAG v. 21.04.2009 – 3 AZR 695/08 und 3 AZR471/07.

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