VG Minden, Urteil vom 16.04.2003 - 11 K 474/02
Fundstelle
openJur 2012, 124606
  • Rkr:
Tenor

Es wird festgestellt, dass der Ausschluss des Klägers von der Versammlung der NPD in C. am 2.2.2002 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Am 2.2.2002 fand in C. aus Anlass der sog. "Wehrmachtsausstellung" u.a. eine Versammlung (Aufzug) des NPD-Landesverbandes NRW statt, an der der Kläger teilnahm. Mit für sofort vollziehbar erklärter Verfügung vom 24.1.2002 hatte der Beklagte die Durchführung der Versammlung u.a. von der Auflage (Nr. 13) abhängig gemacht, dass das Rufen von Parolen und das Zeigen von Transparenten mit dem Inhalt "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" oder mit der Wortfolge "Nationaler Widerstand" (z.B. "Hier marschiert/spaziert der Nationale Widerstand") untersagt war. Kurz vor dem Ende der Veranstaltung schloss ein Beamter des Beklagten den Kläger von der Versammlung aus mit der Begründung, er habe auflagenwidrig die Parole "Hier marschiert der Nationale Widerstand" skandiert.

Am 15.2.2002 hat der Kläger Klage erhoben mit der Behauptung, er habe die fragliche Parole während der Versammlung am 2.2.2002 nicht geäußert. Er macht u.a. ein Rehabilitationsinteresse geltend.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass sein Ausschluss von der Versammlung der NPD in C. am 2.2.2002 rechtswidrig gewesen ist.

Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt und erklärt, nach erneuter Befragung der Einsatzbeamten und Auswertung des vorhandenen Videomaterials könne er den Vorwurf, der zum Ausschluss des Klägers von der fraglichen Versammlung geführt habe, nicht belegen.

In einem entsprechenden Klageverfahren eines anderen damaligen Versammlungsteilnehmers (11 K 546/02) hat die Kammer zeitgleich verhandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens und des Verfahrens 11 K 546/02 sowie die jeweils beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) ist auch ansonsten zulässig und außerdem begründet.

Der Kläger kann sich als Adressat einer durch Zeitablauf erledigten grundrechtsintensiven, sein Persönlichkeitsrecht erheblich beeinträchtigenden polizeilichen Maßnahme auf ein für die Zulässigkeit seiner Klage erforderliches Fortsetzungsfeststellungsinteresse jedenfalls unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitierung berufen.

Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 113 Rdnr. 142, m.w.N.

Durch den Erledigungsgrund (Zeitablauf) unterscheidet sich das vorliegende Verfahren entscheidungserheblich von denjenigen Fällen, in denen ein angefochtener Verwaltungsakt sich dadurch erledigt, dass er von der Behörde selbst wegen Rechtswidrigkeit ausdrücklich aufgehoben wird; (nur) in den letztgenannten Fällen - in Abgrenzung zum vorliegenden Verfahren - besteht für einen Antrag auf gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit regelmäßig kein berechtigtes Interesse

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.11.1995 - 8 C 9.95, 8 PKH 10.95 -, Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 280, m.w.N.

Die Klage ist begründet, weil der Ausschluss des Klägers von der fraglichen Versammlung rechtswidrig gewesen ist. Schon der Tatbestand der Norm, die der Polizei eine Ermessensentscheidung über den Ausschluss eines Versammlungsteilnehmers erst eröffnet, ist nicht erfüllt.

Der rechtmäßige Ausschluss von einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder einem Aufzug setzt tatbestandlich eine gröbliche Störung der Ordnung durch den Betroffenen voraus (§ 18 Abs. 3 VersG). Der am 2.2.2002 tätig gewordene Beamte des Beklagten hat eine solche Störung in einer angeblichen auflagenwidrigen Skandierung der Parole "Hier marschiert der Nationale Widerstand" durch den Kläger gesehen. Während des Klageverfahrens hat der Beklagte nach Auswertung aller ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aber eingestanden, dass sich dieser Vorwurf letztlich nicht belegen lässt. Auch die Kammer findet anhand der ihr vorgelegten Unterlagen für den vom Beklagten gegenüber dem Kläger am Versammlungstage erhobenen Vorwurf keinen stichhaltigen Beleg. Die fehlende Beweisbarkeit der Tatbestandsvoraussetzung des § 18 Abs. 3 VersG geht zu Lasten des Beklagten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Anordnungen zu ihrer vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.