OLG Bamberg, Beschluss vom 08.10.2009 - 8 W 84/09
Fundstelle
openJur 2012, 103929
  • Rkr:
Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 22.09.2009 wird der Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 08.09.2009 abgeändert.

2. Wegen einer Forderung der Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 1 aus unerlaubter Handlung wird in Höhe von 43.090,00 Euro zuzüglich 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2008 der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen des Antragsgegners zu 1 angeordnet.

3. Wegen einer Forderung der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 2 aus ungerechtfertigter Bereicherung wird in Höhe von 43.090,00 Euro zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegnerin zu 2 angeordnet.

4. Die Vollziehung des Arrests wird durch Hinterlegung durch die Antragsgegner in Höhe von 43.090,00 Euro gehemmt.

5. In Vollziehung des Arrests wird gepfändet

a) die angebliche Forderung der Antragsgegnerin zu 2 gegen die X-Bank e.G., xxx, xxx, Kontonummer: xxxx, in Höhe von ca. 39.000,00 Euro;

b) die angebliche Forderung des Antragsgegners zu 1 gegen den Freistaat Bayern, Amtsgericht Bayreuth, auf Herausgabe des dort hinterlegten Betrages in Höhe von 1.638,97 Euro.

Die Antragsgegner haben sich jeder Verfügung über diese Forderungen zu enthalten. Die Drittschuldner dürfen an die Antragsgegner nicht mehr leisten.

6. Die Antragsgegner haben jeweils zu 1/2 die Kosten des Arrestverfahrens beider Instanzen zu tragen.

7. Der Streitwert des Arrestverfahrens 1. Instanz wird ebenso wie der Beschwerdewert auf 28.726,66 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Das Landgericht Bayreuth hat in dem angefochtenen Beschluss vom 08.09.2009 den Antrag der Antragstellerin auf Erlass eines dinglichen Arrestes wegen einer Forderung aus unerlaubter Handlung gegen den Antragsgegner zu 1 und aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Antragsgegnerin zu 2 jeweils in Höhe von 43.090,00 Euro zurückgewiesen. Es liege kein Arrestgrund vor, weil in dem von der Staatsanwaltschaft Hof gegen den Antragsgegner zu 1 geführten Strafverfahren (Az. 18 Js 13410/08) mit Beschlüssen des Amtsgerichts Hof vom 22.12.2008 (Az. 1 Gs 1762/08) und vom 23.12.2008 (Az. 1 Gs 1772/08) der dingliche Arrest in das Vermögen beider Antragsgegner im Wege der Rückgewinnungshilfe angeordnet worden sei.

Gegen diesen der Antragstellerin am 09.09.2009 zugestellten Beschluss hat sie mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 22.09.2009 "Beschwerde" eingelegt, die am selben Tag beim Landgericht Bayreuth eingegangen ist. Mit Beschluss vom 23.09.2009 hat es das Landgericht Bayreuth abgelehnt, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen; es hat die Sache dem Oberlandesgericht Bamberg als Beschwerdegericht vorgelegt.

Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluss vom 22.09.2009 aufzuheben und Arrestbefehl und Arrestpfändungsbeschluss, wie unter Ziffer 2 bis 5 des obigen Beschlusstenors geschehen, zu erlassen.

Von einer Anhörung der Antragsgegner ist abgesehen worden, weil eine solche im Beschlussverfahren grundsätzlich nicht stattfindet. Den Antragsgegnern steht nachträglich rechtliches Gehör gemäß § 924 ZPO offen.

II.

Die als sofortige Beschwerde auszulegende "Beschwerde" der Antragstellerin ist zulässig, insbesondere nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

1. Zu Unrecht nimmt das Landgericht an, dass kein Arrestgrund vorliege.

Zwar geht es im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass der Arrestgrund dadurch entfallen kann, dass der antragstellende Gläubiger hinreichend anderweitig gesichert ist (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO 27. Aufl. § 917 Rdnr. 10 f.). Der im Strafverfahren im Wege der Rückgewinnungshilfe nach § 111 b Abs. 2, 5, §§ 111 d, 111 i Abs. 1 StPO angeordnete dingliche Arrest in das Vermögen des Antragsgegners zu 1 und dasjenige der Antragsgegnerin zu 2 als Dritte (vgl. § 73 Abs. 3 StGB) stellt jedoch eine derartige hinreichende anderweitige Sicherung der Antragstellerin nicht dar.

a) Die Frage, inwieweit Maßnahmen der strafprozessualen Rückgewinnungshilfe den Arrestgrund entfallen lassen, ist noch nicht ausreichend geklärt.

Obergerichtliche und höchstrichterliche Entscheidungen hierzu sind - soweit ersichtlich - nicht vorhanden. Die Literatur verhält sich zu der Frage uneinheitlich. Während einerseits vertreten wird, die Rückgewinnungshilfe stehe einem - rein zivilprozessualen - Arrestgesuch des durch die Straftat mutmaßlich Geschädigten grundsätzlich nicht entgegen (vgl. Köper NJW 2004, 2485, 2486; Drescher in MüKo-ZPO 3. Aufl. § 917 Rdnr. 16; Vollkommer a.a.O. § 917 Rdnr. 11), wird andererseits auch behauptet, die Rückgewinnungshilfe komme als eine den Arrestgrund ausschließende hinreichende anderweitige Sicherung in Betracht (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/ Hartmann, ZPO 67. Aufl. § 917 Rdnr. 11; Huber in Musielak, ZPO 7. Aufl. § 917 Rdnr. 8); die Kriterien für einen solchen möglichen Ausschluss werden dabei allerdings nicht benannt.

Der Gesetzgeber hält es offensichtlich für möglich, dass ein Arrestgrund entfällt, wenn das Strafgericht - rechtskräftig - Feststellungen im Sinne von § 111 i Abs. 2  StPO zu Gunsten des Verletzten getroffen und die Beschlagnahme nach § 111 c StPO oder den dinglichen Arrest nach § 111 d StPO im Sinne von § 111 i Abs. 3 StPO für weitere drei Jahre verlängert hat. Anders lässt sich nicht erklären, dass in den Gesetzesmaterialien zu § 111 i StPO ausgeführt wird, dass sich der Arrestgrund "aus dem bevorstehenden Ablauf der 3-Jahres-Frist und dem daraus drohenden Verlust der privilegierten Zwangsvollstreckungsmöglichkeiten" ergeben kann (BT-Drucks. 16/700 Seite 9, 17). Ein Fall, in dem bereits Maßnahmen nach § 111 i Abs. 2 und 3 StPO getroffen sind, liegt hier allerdings nicht vor.

b) Auch wenn kein grundsätzliches Nebeneinander von strafprozessualer Rückgewinnungshilfe und zivilprozessualem dinglichem Arrest anerkannt wird, sondern es auf  einzelfallbezogene Umstände ankommen sollte, ist die Antragstellerin hier nicht hinreichend durch die vom Amtsgericht Hof angeordneten Arrestbefehle gesichert. Hierfür spricht namentlich folgendes:

aa) Die Antragstellerin hat als durch die Straftat mutmaßlich Geschädigte vorliegend nahezu keinen Einfluss auf die Aufrechterhaltung der Arrestbefehle des Amtsgerichts Hof. Im Strafverfahren der Staatsanwaltschaft Hof (Az. 18 Js 13410/08) liegt - dem Vorbringen der Antragstellerin zufolge - lediglich ein Anklageentwurf vor; Feststellungen im Sinne von § 111 i Abs. 2 StPO und Verlängerungsanordnungen im Sinne von § 111 i Abs. 3 StPO sind erst mit dem Abschluss des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens möglich. Jedenfalls bis dahin ist das Schicksal der Arrestbefehle ungewiss; ihre Aufhebung ist ohne Weiteres möglich.

Beispielsweise kann das Strafverfahren nach § 154 StPO, ohne dass die Antragstellerin zustimmen oder überhaupt angehört werden müsste, eingestellt werden. Zwar käme in einem solchen Fall in Betracht, dass ein objektives Verfahren nach § 442 Abs. 1, §§ 440, 441 StPO durchgeführt würde, in dem dann entsprechende Maßnahmen zu Gunsten der Antragstellerin getroffen werden könnten (vgl. § 111 i Abs. 8 StPO; ferner Nack in KK-StPO 6. Aufl. § 111 i Rdnr. 4). Hierauf hat die Antragstellerin als Verletzte freilich keinen Anspruch. Vielmehr steht ein solches Vorgehen im pflichtgemäßen Ermessen der Staatsanwaltschaft. Entschiede sie sich gegen die Durchführung eines objektiven Verfahrens, käme die Verlängerung des dinglichen Arrests weder nach § 111 i Abs. 3 StPO (drei Jahre) noch nach § 111 i Abs. 1 StPO (drei Monate) - dessen Wortlaut entsprechend - in Betracht.

Aber auch dann, wenn es zu einer erstinstanzlichen Verurteilung des Antragsgegners zu 1 kommen sollte, stünde es nach § 111 i Abs. 2 StPO ("kann") im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, ob es entsprechende Feststellungen trifft. Macht das Gericht von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so kann der Verletzte dagegen nicht vorgehen. Seine Beschwerde ist nur dann statthaft, wenn das Gericht auf der Grundlage entsprechender Feststellungen keine oder eine unzulängliche Verlängerungsanordnung nach § 111 i Abs. 3 StPO erlässt (vgl. Nack a.a.O. Rdnr. 17 f.; Rogall in SK-StPO [Stand: 62. Lfg.] § 111 i Rdnr. 32). Die vom Landgericht Bayreuth in Bezug genommene Fundstelle (Nack a.a.O. Rdnr. 13 ) betrifft indessen die Beschwerde des Verletzten gegen die - insoweit nicht einschlägige - Verlängerungsanordnung nach § 111 i Abs. 1 StPO.

bb) Darüber hinaus erreichen die vom Amtsgericht Hof angeordneten Arrestpfändungen mit insgesamt ca. 40.600,00 Euro nicht den Betrag des gesicherten Anspruchs (aus unerlaubter Handlung bzw. aus ungerechtfertigter Bereicherung) von 43.090,00 Euro zuzüglich Zinsen. Würde es der Antragstellerin verwehrt, selbst einen zivilprozessualen dinglichen Arrest zu beantragen, so könnte sie nicht - wie sonstige Gläubiger - in das weitere, ungesicherte - das heißt nicht mit Arrestpfandrechten belegte - Vermögen der Antragsgegner vollstrecken (vgl. Köper NJW 2004, 2485, 2486). Auch in einer solchen Fallkonstellation - wie hier - muss es dem durch eine Straftat mutmaßlich Geschädigten möglich sein, selbst einen dinglichen Arrest als Grundlage weiterer Pfändungen zu erlangen.

Die Regelung des § 111 g StPO entkräftet - entgegen der Ansicht des Landgerichts Bayreuth - diese Argumentation nicht. Denn nach § 111 g Abs. 3 Satz 6 StPO gilt die Rückwirkungsfiktion des § 111 g Abs. 3 Satz 1 StPO nicht für den dinglichen Arrest selbst, sondern lediglich für das Pfändungspfandrecht in Vollziehung des dinglichen Arrest (vgl. Rogall a.a.O. § 111 g Rdnr. 27 ff., 32). Das bedeutet, dass sich der Verletzte nur insoweit auf einen Vorrang gegenüber nachgehenden Pfändungen anderer Gläubiger berufen kann, als der dingliche Arrest - etwa durch Pfändung in das bewegliche Vermögen (vgl. § 930 ZPO) - vollzogen worden ist. Gerade deswegen hat die Antragstellerin vorliegend eine legitimes Interesse daran, weitere Pfändungen in Höhe des bisher nicht gesicherten Restbetrags zu ihren Gunsten zu bewirken, wozu sie vorläufig eines dinglichen Arrests bedarf.

2. Die Antragstellerin hat auch den Arrestanspruch sowohl hinsichtlich des Antragsgegners zu 1 als auch hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 hinreichend dargelegt und mittels des Anklageentwurfs der Staatsanwaltschaft Hof im Verfahren 18 Js 13410/08, einer Mitteilung der Staatsanwaltschaft Hof mit Schreiben vom 13.03.2009 und einem Ermittlungsbericht der Security-Spezialistin in der Konzernsicherheit der Antragstellerin glaubhaft gemacht (vgl. §§ 916, 920 Abs. 1, 2 ZPO).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über den Streitwert 1. und 2. Instanz folgt aus § ZPO, § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG. Der Senat bemisst ihn - weil hier nicht schon der Arrest zur Befriedigung der Antragstellerin führt - für den Antragsgegner zu 1 sowie die Antragsgegnerin zu 2 jeweils auf 1/3 des Hauptsachestreitwerts (vgl. Herget in Zöller a.a.O. § 3 Rdnr. 16 Stichwort "Arrestverfahren").

Der Einzelrichter hat das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache dem Senat zur Entscheidung übertragen (vgl. § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Die Rechtsbeschwerde findet nicht statt (vgl. § 574 Abs. 1 Satz 2, § 542 Abs. 2 ZPO), so dass auch deren Zulassung - wegen grundsätzlicher Bedeutung - ausscheidet.