OLG München, Urteil vom 28.10.2010 - 6 U 2657/09
Fundstelle
openJur 2012, 111514
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 11.3.2009 abgeändert:

1. Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung

untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Bezug verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimitteln zu anderen Preisen als nach der Arzneimittelpreisverordnung vorgegeben, anzubieten, zu bewerben und/oder preisgebundene Arzneimittel zu anderen Preisen als nach der Arzneimittelpreisverordnung vorgegeben, abzugeben.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1. und der Klägerin zu 2. jeden aus in Ziff. 1 genannten Handlungen entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerinnen vier Fünftel, die Beklagte ein Fünftel. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen drei Viertel, die Beklagte ein Viertel.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

V. Im Umfang der aufrechterhaltenen Verurteilung wird die Revision zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen und die Beklagte sind jeweils Inhaberin einer Apotheke in F. Die Beklagte bietet den Kunden ihrer Apotheke die Möglichkeit, Medikamente bei der "E.-Apotheke" in B. zu bestellen und mitsamt einer Rechnung der "E.-Apotheke" in der Apotheke der Beklagten abzuholen.

Die betroffenen Medikamente lässt die Beklagte zunächst durch einen Großhändler aus Deutschland an die "E.-Apotheke" liefern, von wo sie wieder zurückgeliefert werden. In der Apotheke der Beklagten wird den Kunden auf Wunsch pharmazeutische Beratung zuteil. Die Apotheke prüft die aus B. gelieferten Medikamente auch auf Unversehrtheit der Verpackung, die Verfallsdaten und mögliche Wechselwirkungen und leitet gegebenenfalls unakzeptable Medikamente ohne Rücksprache mit dem Kunden an die "E.-Apotheke" zurück.

Wegen der auf Veranlassung der Klägerin durchgeführten Testkäufe wird auf die Feststellungen des Landgerichts (Urteil S. 5,6) Bezug genommen.

Mit Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 11.3.2009 wurde der Beklagten nach übereinstimmender Erledigterklärung eines weiteren Unterlassungsantrags (Klageantrag 1. d)

bei Meidung von (in Ziff. III. des Urteils angeführten) Ordnungsmitteln

(in Ziff. I des Urteils) untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

a) den Bezug verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimitteln zu anderen Preisen als nach der Arzneimittelpreisverordnung vorgegeben, anzubieten, zu bewerben und/oder preisgebundene Arzneimittel zu anderen Preisen als nach der Arzneimittelpreisverordnung vorgegeben, abzugeben

und/oder

b) in den Apothekenbetriebsräumen der A-Apotheke F. Arzneimittel mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke an Kunden auszuhändigen

und/oder aushändigen zu lassen und/oder entsprechende Rechnungsbeträge einer ungarischen Apotheke einzuziehen und/oder zu quittieren

und/oder

c) in Deutschland zulassungspflichtige Arzneimittel aus Ungarn in den Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes zu verbringen und diese Arzneimittel mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke an Endverbraucher in Deutschland auszuhändigen

und (in Ziff. IV. des Urteils) ihre Pflicht festgestellt, den Klägerinnen den aus vorgenannten Handlungen entstandenen oder noch entstehenden Schaden zu ersetzen.

Des weiteren wurde der Beklagten (in Ziff. II des Urteils) verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes wie folgt zu werben:

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Das Urteil stellt in der Begründung im Wesentlichen darauf ab, das beschriebene Vorgehen der Beklagten stelle der Sache nach einen Versandhandel dar, der von den in Drogeriemarktketten betriebenen Medikamentenabholsystemen zu unterscheiden sei.

Der mit Antrag 1. a geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, denn die Beklagte umgehe die nach § 78 AMG iVm §§ 1,3 AMPreisV bestehende Preisbindung.

Bezüglich Antrag 1. b begründe sich der Unterlassungsanspruch ebenfalls aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, denn es liege eine unlautere Wettbewerbshandlung in Form der Vornahme eines steuerlichen Umgehungsgeschäfts vor, da auf der Rechnung der ungarischen Apotheke ein niedrigerer Umsatzsteuersatz ausgewiesen sei. Des weiteren werde gegen § 19 Ziff. 7 der Berufsordnung der Bayerischen Landesapothekerkammer und gegen § 4 Abs. 5 ApBetrO verstoßen, denn das Inkasso für eine ausländische Apotheke stehe nicht im Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag einer Apotheke.

Gleiches gelte gemäß §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG iVm § 73 Abs. 1 Nr. 1 AMG, § 19 der Berufsordnung der Bayerischen Landesapothekerkammer und § 4 Abs. 4 ApBetrO auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente, also für den Unterlassungsanspruch aus Klageantrag 1. c.

Der Klageantrag zu 2. wurde aus § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 iVm §§ 3, 5 Abs. 1 UWG zugesprochen. Die angegriffene Werbung sei irreführend, da sie die unzulässige Zusammenarbeit mit der ungarischen Apotheke verschleiere und vortäusche, die Beklagte gewähre den Rabatt selbst.

Der Feststellungsantrag (Ziff. 4 der Klage) wurde aus §§ 9 iVm 3 UWG zugesprochen, weil die Beklagte zumindest fahrlässig wettbewerbswidrig gehandelt habe und der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich sei.

Abgewiesen wurde die Klage hingegen hinsichtlich der Auskunftsbegehrens (Ziff. 5 der Klage), weil dieses im Hinblick auf die Schweigepflicht der Beklagten nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu weit gefasst sei. Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil nicht angefochten.

Das Urteil vom 11.3.2009, auf das wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, wurde der Beklagten am 16.3.2009 zugestellt. Sie legte am 15.4.2009 Berufung ein und begründete sie innerhalb verlängerter Frist am 18.6.2009.

Die Beklagte macht geltend:

Zu Ziff. I Buchst. a des Tenors : Die deutsche Arzneimittelpreisverordnung sei bei Arzneimittellieferungen aus dem Ausland unanwendbar, und zwar unabhängig davon, ob sie im Versandhandel oder im Wege der Abholung erfolge (diverse Verweise auf Rechtsprechung, v. A. auf OLG Köln vom 8.5.2009, Az. 6 U 213/08), also gelte sie auch nicht für den Abholservice, wie ihn die Beklagte anbiete.

Das Landgericht stelle zutreffend fest, dass Empfänger der aus Ungarn gelieferten Medikamente im Sinne von § 73 Abs. 1 AMG die Apotheke der Beklagten, nicht die Kunden seien. Die Beurteilung des Landgerichts, das Vorgehen der Beklagten sei unlauter, sei hingegen rechtsfehlerhaft. Die Ausfuhr von Arzneimitteln mit dem Ziel des Reimports sei gängige und rechtmäßige Praxis.

Die Beklagte nehme jedenfalls keine "Abgabe im Wiederverkauf" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV vor.

Die Beklagte sei bezüglich des Verbots der Abgabe nicht passivlegitimiert. Da in den Urteilsgründen die Unlauterkeit u.a. damit begründet sei, dass die Beklagte selbst die Medikamente zunächst nach Ungarn liefere, sei das umfassende Verbot im Tenor durch die Gründe nicht gedeckt.

Zu Ziff. I Buchst. b des Tenors : Die Beklagte sei schon aus steuerrechtlichen Gründen verpflichtet, bei Aushändigung der Medikamente eine Rechnung der E.-Apotheke zu übergeben und nicht etwa eine eigene Rechnung (unter Ausweisung deutscher Umsatzsteuer) zu stellen. Eine Pflicht, bei jeder Abgabe im Sinne des AMG eine inländische Rechnung zu stellen, gebe es nicht.

Dass keine steuerliche Umgehung vorliege, zeige sich schon darin, dass eine auf Veranlassung der Klägerinnen bei der Beklagten durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch das Finanzamt T. nicht zu Beanstandungen geführt habe.

Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung liege nicht vor, denn die Abgabe von Medikamenten gehöre zum Versorgungsauftrag der Apotheken. Geldinkasso für Dritte (z.B. auch Rezeptgebühr zugunsten der Krankenkassen) sei nicht schlechthin mit diesem Versorgungsauftrag unvereinbar. Die Erbringung von Dienstleistungen durch Apotheken sei im Gegensatz zum Verkauf apothekenüblicher Waren nicht gesetzlich reglementiert.

Das in Ziff. I Buchst. c des Tenors ausgesprochene Verbot sei aus vorgenannten Gründen unbegründet und auch nicht schlüssig begründet, indem es unabhängig vom Preis und auch für nicht verschreibungspflichtige und mithin nicht von der Arzneimittelpreisverordnung betroffene Arzneimittel gelte.

Das in Ziff. II des Tenors ausgesprochene Werbeverbot sei unbegründet, da mangels steuerlicher Umgehung insoweit auch keine Irreführung vorliege. Auch hinsichtlich des Vertragspartners bei der Bestellung würden die Kunden nicht irregeführt, denn die Werbung diene nur dazu, sie dazu zu bewegen, sich in der Apotheke informieren zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Traunstein, soweit es der Klage stattgegeben hat, aufzuheben und die Klage, soweit ihr stattgegeben wurde, abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise zu Ziff. 1 b) und c) des erstinstanzlichen Urteils

der Beklagten zu untersagen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Bestellung und Abholung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln in der E.-Apotheke in B., anzubieten und/oder diese durchzuführen wie nachfolgend wiedergegeben:

Auftrag-/Bestellschein

hiermit beauftragt Datum ...

Name: ...

Adresse: ...

Tel: ...

die A Apotheke (Adresse) nachfolgend bezeichnete(n) Arzneimittel für sie/ihn in ihrem/seinem Namen in der E..-Apotheke (Adresse) zu bestellen, abzuholen, zu überprüfen und bis zur Aushändigung in den Räumen der A...Apotheke aufzubewahren.

1...

2...

3...

4...

5...

Ich bin darüber informiert, dass der Kaufvertrag über das (die) o. g. Arzneimittel(n) zwischen mir und der E...Apotheke (Adresse) zustande kommt und die A...Apotheke in meinem Auftrag und in meinem Namen nur die Bestellung, Abholung, Prüfung und Lagerung durchführt.

Das Arzneimittel wird mit einer Rechnung der P Kft. übergeben.

Die Bezahlung erfolgt bargeldlos per Scheck/Kreditkarte oder Überweisung.

Sie tragen vor,

soweit sich die Beklagte auf das Urteil des OLG Köln vom 8.5.2009, Az. 6 U 213/08, berufe, sei der Sachverhalt nicht vergleichbar. Unterschiede bestünden insbesondere in folgendem:

Ungarn stehe (im Gegensatz zu den Niederlanden, auf die sich das Urteil des OLG Köln beziehe) nicht auf der Liste der Länder nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 a iVm Satz 3 AMG, aus denen Medikamente nach Deutschland versandt werden dürfen. Die "E.-Apotheke" sei auch keine Präsenzapotheke im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 a AMG.

Die Beklagte verschleiere in der Werbung die Abwicklung über die ausländische Apotheke. Sie liefere die bestellten Medikamente zunächst selbst nach Ungarn, organisiere selbst den Transport nach Deutschland und übe an den wieder in Deutschland eintreffenden Medikamenten zunächst eigene Verfügungsmacht aus. Das OLG Köln habe sich mit § 73 Abs. 1 Ziff. 1 AMG und steuerrechtlichen Fragen nicht befasst.

Eine Anwendbarkeit der Arzneimittelpreisverordnung habe das OLG München bejaht.

Die Finanzbehörden hätten es abgelehnt, das Geschäftsmodell der Beklagten verbindlich steuerrechtlich zu bewerten. Dass die (im übrigen nicht durch die Klägerinnen veranlasste) Umsatzsteuersonderprüfung nicht zu Beanstandungen geführt habe, habe keinen Erkenntniswert, da diese sich nicht erkennbar mit allen einschlägigen Aspekten befasst habe und dabei beklagtenseitig den Steuerbehörden ein unzutreffender Sachverhalt geschildert worden sei.

Sofern Empfängerin der aus Ungarn importierten Arzneimittel die Apotheke sei, finde die Abgabe in Deutschland statt. Es gelte dann die Arzneimittelpreisverordnung und es finde auch im Inland ein steuerbarer Umsatz statt. Es sei nicht möglich, als Empfänger der von der "E.-Apotheke" stammenden Medikamente im Sinne des AMG die Apotheke und im steuerrechtlichen Sinne die Kunden anzusehen.

Die Klägerinnen behaupten, die Kunden der Beklagten würden nicht darüber aufgeklärt, dass ein Vertrag mit einer ungarischen Apotheke zustande komme.

Sie meinen, die Arzneimittelpreisverordnung sei nicht nur in Wiederverkaufsfällen einschlägig, sondern auch in den anderen in § 1 Abs. 1 sowie in § 78 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2,3 AMG genannten Fällen.

Sogar ausländische Apotheken, die Arzneimittel nach Deutschland versenden, müssten auf ihren Rechnungen gemäß § 3 c Abs. 3 Ziff. 1 UStG die deutsche Mehrwertsteuer ausweisen.

Die Werbung der Beklagten übe zumindest einen Anlockeffekt aus.

Die Beklagte repliziert:

§ 73 Abs. 1 Satz 1 AMG gelte nur für den Medikamentenversand aus dem Ausland ohne Einschaltung einer inländischen Apotheke direkt an Kunden.

Die Vorschrift sei anhand ihres Regelungszwecks, der Sicherstellung einer Qualitätsprüfung von Arzneimitteln, bevor sie an den Endverbraucher gelangen, dahin auszulegen, dass Empfänger der Medikamente die Apotheke der Beklagten sei. Dies erfordere angesichts des Schutzzwecks nicht, dass diese Apotheke die Medikamente dann in eigenem Namen an die Kunden abgebe, und es stehe auch nicht entgegen, dass Adressaten der Rechnung die Kunden seien.

Eine entsprechende Auslegung entspreche dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit gem. Art. 28, 30 EGV; dem entspreche auch die Regelung aus § 73 Abs. 2 Nr. 6 AMG.

Den Kunden der Beklagten sei nie verschleiert worden, dass Vertragspartner die E.-Apotheke in B. sei; mittlerweile habe die Beklagte neue Auftragsformulare, die dies noch deutlicher herausstellten.

Auch in dem Abholmodell, das Gegenstand des Urteils des OLG Köln sei, finde eine Prüfung der aus dem Ausland eingetroffenen Medikamente durch die Apotheke statt.

Die E.-Apotheke sei in Ungarn als öffentliche Apotheke anerkannt.

Ein Schadensersatzanspruch bestehe auch mangels schuldhaften Handelns nicht, denn die Beklagte habe sich insoweit auf die Rechtsprechung des BSG verlassen dürfen.

Hinsichtlich des zweitinstanzlichen Parteivorbringens wird ergänzend Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschrift vom 24.6.2010.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung reichte die Beklagte die Schriftsätze vom 16.9., vom 27.9., vom 11.10. und vom 25.10.2010 ein, die Klägerinnen den Schriftsatz vom 18.10.2010.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat insofern Erfolg, als die erstinstanzliche Verurteilung in Ziff. I. b) und c) (s. u. 4. – 7.) sowie in Ziff. II. (s. u. 8.) des erstinstanzlichen Urteilstenors aufgehoben und insoweit die Klage abgewiesen wird.

Bezüglich der in Ziff. I. a) des erstinstanzlichen Urteilstenors ausgesprochenen Unterlassungsverpflichtung sowie der darauf bezogenen Ordnungsmittelandrohung und Feststellung der Schadensersatzpflicht bleibt die Berufung erfolglos (s. u. 2., 3.).

1. Die Klägerinnen stützen den Unterlassungsantrag auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG und tragen zur Begründung im Juli 2008 begangene Wettbewerbsverletzungen vor. Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Verletzungshandlungen gerichtet ist, ist die Klage nur dann begründet, wenn auf der Grundlage des nunmehr geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der für den Verletzungsunterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr fehlt; Schadensersatz kann ebenfalls nur für im Zeitpunkt der Begehung wettbewerbswidrige Handlungen gefordert werden. Das im Juli 2008 geltende Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (UWG 2004) ist nachfolgend durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 22. Dezember 2008 geändert worden (UWG 2008). Diese Gesetzesänderung erfordert jedoch keine Unterscheidung bei der rechtlichen Bewertung des Streitfalls.

Das beanstandete Verhalten des Beklagten stellt sowohl eine Wettbewerbshandlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2004 als auch eine geschäftliche Handlung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 UWG 2008 dar. Der Wortlaut des § 4 Nr. 11 UWG ist gleich geblieben (vgl. BGH, Urt. v. 9.9.2010 – I ZR 193/07 – Unser Dankeschön für Sie, Tz. 12 f).

902. Die Klägerinnen haben, wie in Ziff. I. a) des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochen, aus § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 3, § 4 Nr. 11 UWG, § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 AMG, § 1 Abs. 1, 3 AMPreisV einen Unterlassungsanspruch dahin, dass die Beklagte an ihre Kunden keine verschreibungspflichtigen und/oder preisgebundenen Arzneimittel zu anderen als nach der Arzneimittelpreisverordnung vorgegebenen Preisen abgeben darf, gleich ob es sich dabei um eigene Ware oder im Auftrag der Kunden aus dem Ausland besorgte und mit der Rechnung einer ausländischen Apotheke versehene Ware handelt. Dementsprechend darf sie diese auch nicht entsprechend bewerben und anbieten.

a) Die zitierten Regelungen des Arzneimittelpreisrechts sind Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 9.9.2010 – I ZR 193/07 – Unser Dankeschön für Sie, Tz. 13; Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.138).

b) Ob die preisbindenden Regelungen auch anwendbar sind, wenn Arzneimittel aus dem Ausland direkt an in Deutschland ansässige Kunden versandt werden, ist umstritten und wird höchstrichterlich durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zu entscheiden sein (vgl. das die Anwendbarkeit verneinende Urteil des BSG vom 28.7.2008, Az. B I KR 4/08 R, abgedruckt in BSGE 101,161 und in NJOZ 2009, 880 = Anlage B 36, sowie den Vorlagebeschluss des BGH vom 9.9.2010, Az. I ZR 72/08 – Sparen Sie beim Medikamentenkauf).

93Vorliegend kann dies jedoch dahinstehen, da hier die Abgabe der Arzneimittel im Sinne von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG nicht im Direktversand aus dem Ausland an die Endverbraucher, sondern durch die Beklagte in ihrer Apotheke erfolgt.

94aa) Der Begriff der Abgabe ist nicht legaldefiniert. Seine Auslegung ergibt sich aus dem in § 1 AMG beschriebenen Gesetzeszweck. Demzufolge ist die körperliche Überlassung (vgl. Rehmann AMG, 3. Aufl., § 4 Rn. 19) der Arzneimittel unmittelbar an denjenigen gemeint, der sie für sich verbrauchen will, durch denjenigen, der vor Übergabe an den Verbraucher letztmals Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu prüfen hat. Auf schuld- oder sachenrechtliche Gegebenheiten kommt es in Anbetracht des Gesetzeszwecks nicht an. Es ändert also nichts, wenn die Beklagte die Arzneimittel nicht in eigenem Namen in Rechnung stellt und ggf. Zahlungen nur für Dritte vereinnahmt.

95Der so verstandene Begriff der Abgabe gilt auch für § 78 AMG. Diese Vorschrift befasst sich zwar vordergründig nur mit der Preisgestaltung. Sie dient aber der Verhinderung eines Preiswettbewerbs, um den Apotheken die wirtschaftliche Grundlage zu sichern, damit sie in hinreichender Qualität auf die Überwachung der Qualität sowie die Prüfung und Beratung der Kunden bezüglich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit achten können.

96bb) Dass § 78 AMG für in Deutschland durch Apotheken abgegebene Arzneimittel auch dann gilt, wenn sie aus dem Ausland importiert sind, ergibt sich daraus, dass § 73 Abs. 4 AMG auf bestimmte Fälle der erlaubten Einfuhr von Arzneimitteln diverse Vorschriften des AMG für unanwendbar erklärt, § 78 AMG hingegen in jedem Fall anwendbar bleibt.

cc) Auch das Argument der Beklagten, sie gebe die reimportierten Medikamente nicht "im Wiederverkauf" im Sinne von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG, § 1 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV ab, denn sie habe sie nicht zuvor ihrerseits gekauft; die Abgabe erfolge durch die E.-Apotheke an das vom Kunden beauftragte Transportunternehmen, weshalb von Seiten der Beklagten nur eine "Mit-Abgabe" an den Kunden vorliege, greift nicht.

Die von den Kunden bestellten verschreibungspflichtigen Arzneimittel werden nach dem Vortrag der Beklagten, wie vom Landgericht festgestellt, von der Beklagten, die über eine Großhandelserlaubnis verfügt, "von dem Großhandel der A.-Apotheke durch die von der A.-Apotheke für den Transport beauftragte Firma P an die E.-Apotheke in B geliefert." (Bl. 89), dann von dem genannten Transportunternehmen in der E.-Apotheke in B. wieder abgeholt und an die A.-Apotheke der Beklagten ausgeliefert.

Wie vorstehend ausgeführt, erlangt die Beklagte aufgrund des Umstandes, dass die in B. in ihrem Auftrag abgeholten Arzneimittel an sie geliefert werden, die Verfügungsgewalt über die Medikamente. Dementsprechend stellt auch sie selbst zu Recht nicht in Abrede, dass sie Empfängerin i.S.v. § 73 Abs. 1 AMG ist.

Die Arzneimittel werden von der Beklagten an die Kunden abgegeben (siehe vorstehend). Dabei handelt es sich auch um eine Abgabe im Wiederverkauf i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 2 AMPreisV durch die Beklagte. Denn entgegen ihrer Argumentation in der Berufungsbegründung (S. 20 = Bl. 323 d.A.) ist das Transportunternehmen, an das die Abgabe seitens der E.-Apotheke in Ungarn erfolgt, nicht vom Kunden, sondern von der Beklagten beauftragt (so auch die Beklagte, Berufungsbegründung S. 4 unten = Bl. 307 d.A.). Folglich liegt nicht lediglich eine "Mit-Abgabe" im Sinne der Ausführungen von Cloesel/Cyran/Rotta, § 17 ApBetrO Rn. 50 (= Anlage B 18) vor, wie von der Beklagten geltend gemacht. Das Landgericht hat mit eingehender und zutreffender Begründung ausgeführt, dass der Kunde mit der Übergabe an das Transportunternehmen durch die E.-Apotheke noch keine Verfügungsgewalt über die Arzneimittel erlangt.

Ob der (schuldrechtliche) Kaufvertrag zwischen dem Kunden und der E.-Apotheke zustande kommt, ist für die Anwendbarkeit der AMPreisV ohne Bedeutung, denn das Merkmal "im Wiederverkauf" dient, wie die Klägerinnen zutreffend ausführen, lediglich der Negativabgrenzung zu anderen Alternativen, die in § 1 Abs. 1 AMPreisV und § 78 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2,3 AMG genannt sind, also der Beschränkung auf Arzneimittel, die der Apotheker nicht selbst hergestellt hat.

c) Das beanstandete Verhalten der Beklagten ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und sonstigen Marktteilnehmer i.S. des § 3 UWG 2004 nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen sowie die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern i.S. des § 3 Abs. 1 UWG 2008 spürbar zu beeinträchtigen (vgl. für die Ausgabe eines Gutscheins über 5 Euro für jedes eingelöste Rezept BGH, Urt. v. 9.9.2010 – I ZR 193/07 – Unser Dankeschön für Sie, Tz. 23; für die Gewährung eines Bonus von 3 % auf den Warenwert BGH, Vorlagebeschluss vom 9.9.2010 – Az. I ZR 72/08 – Sparen Sie beim Medikamentenkauf, Tz. 7).

103d) Insbesondere hängt die Wettbewerbswidrigkeit eines Verstoßes gegen § 78 AMG nicht von der Höhe des Preisnachlasses ab. Dem Sinn der Vorschrift, einen Preiswettbewerb zu verhindern, wird es nicht gerecht, einen solchen über das Kriterium der Spürbarkeit aus § 3 UWG in gewissen – gegebenenfalls auch schwerlich trennscharf zu bestimmenden – Grenzen doch zuzulassen.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht daraus, dass das AMG und das HWG angesichts unterschiedlicher Regelungszwecke nebeneinander anwendbar (BGH, Urteil vom 9.9.2010 – I ZR 125/08, Tz. 17-18) und demnach geringwertige Werbegaben im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 2 HWG zulässig sind, weil sie keine spürbare Beeinträchtigung der Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern i.S. des § 3 Abs. 1 UWG 2008 darstellen (BGH aaO., Tz. 19).

105Für Geldzuwendungen im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG, wie sie auch in der verbilligten Abgabe eines Arzneimittels zu sehen sind, im Gegensatz zu den vorgenannten Werbegaben gilt nämlich ausdrücklich, dass sie unzulässig sind, soweit sie entgegen Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes gewährt werden (vgl. BGH aaO., Tz. 20). Insoweit bleibt es dabei, dass durch sie Vorschriften des Arzneimittelgesetzes nicht unterlaufen werden dürfen.

3. Im Umfang der vorgenannten Unterlassungsverpflichtung ist auch die Schadensersatzpflicht der Beklagten festzustellen.

a) Die Klage auf diesbezügliche Feststellung ist zulässig; das erforderliche Rechtsschutzinteresse besteht, da der Forderungsbetrag ohne vorherige Auskunft nicht beziffert werden kann. Der Vorrang der Stufenklage steht nicht entgegen (vgl. BGH GRUR 2003, 900 – Feststellungsinteresse III).

b) Die Schadensersatzpflicht folgt aus §§ 3, 4 Nr. 11, 9 UWG, 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 AMG, 1 Abs. 1, 3 AMPreisV.

Der Vortrag der Beklagten, sie habe sich auf das Urteil des BSG vom 28.7.2008, aaO, verlassen dürfen und mithin nicht fahrlässig gehandelt, greift nicht durch. Das Urteil war zum Zeitpunkt ihres klägerseitig beanstandeten Handelns (seit Anfang Juli 2008) noch nicht erlassen; außerdem befasst es sich mit der Geltung vom § 78 AMG bzw. der AMPreisV für Hersteller bzw. Importeure beim direkten Versand an Endkunden im Inland (die es im Hinblick auf die territorial gebundene Geltung dieser Vorschriften verneint), nicht hingegen mit der vorliegenden Fallgestaltung.

Die mit dem Antrag geltend gemachten Schäden liegen auch nicht außerhalb des Schutzzwecks der Bestimmungen des Arzneimittelpreisrechts (vgl. BGH GRUR 2010, 754 Tz. 28 – Golly Telly, zum Schutzzweck des § 9 UWG).

4. Hingegen haben die Klägerinnen über das vorstehend behandelte Verbot hinaus keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte es unterlässt, (jederlei) zulassungspflichtige Arzneimittel aus Ungarn einzuführen und in Deutschland an Kunden abzugeben (Ziff. I. c) des erstinstanzlichen Urteils).

112Die Klägerinnen stützen diesen Antrag laut ihren Ausführungen im Termin ausschließlich auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, § 73 Abs. 1 AMG. Aus diesen Vorschriften ergibt sich der Unterlassungsanspruch nicht, denn die Einfuhr der Arzneimittel aus Ungarn, einem Mitgliedsstaat der EU, ist nach § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG erlaubt.

113Empfänger im Sinne der Vorschrift ist nicht der Endkunde, sondern die Apotheke der Beklagten. Denn dem bereits erörterten Zweck (vgl. § 1) des AMG nach kommt es darauf an, ob die eingeführten Arzneimittel, wie unstreitig im vorliegenden Fall, noch eine zur Prüfung von Qualität, Eignung und Unbedenklichkeit verpflichtete Stelle durchlaufen, bevor sie in den Verfügungsbereich des Endverbrauchers gelangen, oder, wie im Fall des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a AMG, unmittelbar zum – im Gesetz auch ausdrücklich so bezeichneten – Endverbraucher gelangen. Nicht relevant ist demgegenüber, wie bereits erörtert, auf wessen Rechnung die Arzneimittel vertrieben werden.

1145. Es besteht auch kein Unterlassungsanspruch dagegen, dass die Beklagte in ihrer Apotheke Arzneimittel (jeder Art) mit der Rechnung einer ungarischen Apotheke an Kunden aushändigt und die Rechnungsbeträge einzieht bzw. zu quittiert (Ziff. I. b) des erstinstanzlichen Urteils).

a) Zu §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, § 73 Abs. 1 AMG gilt das oben (4.) Erörterte.

b) Soweit die Klägerinnen der Beklagten die Verletzung bzw. Umgehung steuerrechtlicher Vorschriften anlasten, kann sich hieraus kein Unterlassungsanspruch ergeben, denn steuerrechtliche Vorschriften sind keine Marktverhaltensregeln im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG (BGH, Urt. v. 2.12.2009, Az. I ZR 152/07, GRUR 2010, 654 – Zweckbetrieb; Urt. v. 10.6.2010 – I ZR 96/08, Tz. 9 f, juris).

c) Gegen § 4 Abs. 5 ApBetrO verstößt die Beklagte nicht. Dieser Vorschrift zufolge müssen die Betriebsräume von anderweitig gewerblich oder freiberuflich genutzten Räumen sowie von öffentlichen Verkehrsflächen und Ladenstraßen durch Wände oder Türen abgetrennt sein. Als "anderweitig gewerblich" genutzte Räume sind in diesem Zusammenhang solche anzusehen, in denen nicht die mit der Erfüllung der gesetzmäßigen Aufgaben einer Apotheke verbundenen Geschäfte wahrgenommen werden. Im Kundenauftrag aus dem Ausland besorgte Arzneimittel auszugeben und zwecks Weiterleitung an die ungarische Lieferapotheke den Kaufpreis zu kassieren, ist kein in diesem Sinne "apothekenfremdes" Geschäft. Die ApBetrO beruht auf der in § 21 ApoG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Verordnung zu dem Zweck, einen ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheken, Zweigapotheken und Krankenhausapotheken zu gewährleisten und um die Qualität der dort herzustellenden und abzugebenden Arzneimittel sicherzustellen. Dabei ist der Begriff des ordnungsgemäßen Betriebs entsprechend dem in § 1 Abs. 1 ApoG beschriebenen Daseinszweck der Apotheken an der im öffentlichen Interesse gebotenen Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu orientieren. Da, wie bereits erörtert, die Abgabe von aus dem Ausland eingeführten Arzneimitteln arzneimittelrechtlich erlaubt ist, stellt sie eine Art der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dar. Für die ausgegebenen Arzneimittel Zahlungen entgegenzunehmen, ist Bestandteil des Geschäftsbetriebs; wohin diese Zahlungen weitergeleitet werden, hat auf den Betrieb keinen Einfluss, der die Qualität der Arzneimittel oder die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Versorgung betreffen könnte.

d) Ebenso wenig verstößt die Beklagte gegen § 19 Nr. 7 der aufgrund Art. 19, 20, 59 Abs. 1 HKaG von der Landesapothekerkammer erlassenen Berufsordnung für Apothekerinnen und Apotheker vom 21.5.2006. Die Abgabe der aus Ungarn eingeführten Medikamente ist, wie bereits erörtert, keine Dienstleistung, die außer Zusammenhang mit dem Versorgungsauftrag der Apotheke oder der Ausbildung des Apothekers steht. Sie anzubieten, ist, soweit es sich nicht um – von Ziff. I. a) des vorliegenden Urteils erfasste – Fälle des Verstoßes gegen § 78 AMG handelt, keine unlautere Absatzförderung.

6. Erfolglos bleiben die Klägerinnen auch mit dem zu Klageanträgen 1. b und 1. c gestellten Hilfsantrag. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, inwiefern das Vorgehen der Beklagten in der dort geschilderten Form anders zu beurteilen sollte als die von den Hauptanträgen betroffenen Handlungsweisen.

7. Entsprechend besteht im Umfang der in Ziffern I. b) und c) des erstinstanzlichen Urteils bzw. im Hilfsantrag beschriebenen Handlungen auch kein Schadensersatzanspruch.

8. Das in Ziff. II. des erstinstanzlichen Urteils verhängte Werbeverbot entbehrt ebenfalls der Grundlage.

a) Eine Irreführung im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 UWG 2004 bzw. §§ 5 Abs. 1, 5 a Abs. 1 und 2 UWG 2008 liegt nicht vor. Der beanstandete Text enthält weder objektiv falsche noch objektiv zutreffende Angaben, mit denen beachtliche Teile der angesprochenen Verkehrskreise unrichtige Vorstellungen verbinden. Es entstehen auch keine falschen Vorstellungen der Kunden dadurch, dass wesentliche Aspekte der beworbenen Dienstleistung nicht oder nicht deutlich genug herausgestellt sind.

Eine Täuschung über die Herkunft der Medikamente scheidet aus, denn diese stammen unstreitig aus Deutschland und werden nur "im Umweg" über Ungarn ausgeliefert. Aber auch darin, dem Kunden nicht schon auf der beanstandeten Außenwerbung zu erläutern, dass die Medikamente aus Ungarn reimportiert und auf fremde Rechnung verkauft werden, mithin auch den angepriesenen günstigen Preis nicht die Beklagte selbst gewährt, liegt kein Irreführen durch unlauteres Unterlassen. Der beanstandete Text spricht von einer "Dienstleistung", die es "möglich macht", 22 % Rabatt auf rezeptfreie Arzneimittel zu erhalten, und lädt dazu ein, sich in der Apotheke darüber zu informieren, "wie das funktioniert". Das macht dem durchschnittlich informierten, situationsangemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, sofern er auf diesen Aspekt überhaupt Wert legt, ohne weiteres deutlich, dass nicht schlicht die Beklagte zu günstigen Preisen verkauft, denn das könnte sie gegebenenfalls prägnanter formulieren.

Eine Pflicht, Details einer angebotenen Leistung in jede Werbung aufzunehmen, besteht nur, wenn das Weglassen eines entscheidungserheblichen nachteiligen Aspekts den Kunden zu einer in dessen Unkenntnis getroffenen Entscheidung verleiten kann und deshalb dessen Offenlegung zum Schutz des Verbrauchers unerlässlich ist (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5a Rn. 9, 10).

Auf vorliegende Konstellation trifft das nicht zu, denn die Dienstleistung der Beklagten ist für die Kunden objektiv nicht mit Nachteilen verbunden, die sich ihm nicht schon aus dem Text der Werbung aufdrängen.

Sie ist, wie oben (4., 5.) erörtert, auch arzneimittel- und apothekenrechtlich zulässig.

b) Eine Irreführung im Sinne von § 3 HWG liegt ebenfalls nicht vor, denn zu Wirkungen von Arzneimitteln verhält sich der beanstandete Werbetext nicht.

c) In der Inaussichtstellung günstiger Preise liegt auch keine unzulässige Ankündigung von Werbegaben im Sinne von § 7 HWG, denn die Ankündigung eines bestimmten Rabatts ist, soweit sie – wie hier, da sie nur rezeptfreie Arzneimittel betrifft – nicht gegen § 78 AMG verstößt, gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a HWG erlaubt.

III.

1. Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze gaben keine Veranlassung zur Widereröffnung der mündlichen Verhandlung.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war im Umfang der aufrechterhaltenen Verurteilung zuzulassen, da die Beurteilung der Zulässigkeit der Abgabe von aus dem Ausland importierten preisgebundenen Arzneimitteln unter Einschaltung einer inländischen "Empfangsapotheke" von grundsätzlicher Bedeutung ist, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO.