VG Berlin, Urteil vom 16.04.2012 - 3 K 128.11
Fundstelle
openJur 2012, 69003
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Exmatrikulation wegen eines endgültig nicht bestandenen Leistungsnachweises.

Die jetzt 33-jährige Klägerin studiert seit dem Wintersemester 2008/2009 im Bachelorstudiengang Biotechnologie an der Beklagten. Das semesterlich angebotene, als seminaristischer Unterricht im Umfang von 6-Semester-Wochenstunden durchgeführte Pflichtfach „Mathematik“, das nach dem Studienplan der maßgeblichen Studienordnung im 1. Fachsemester zu absolvieren ist, belegte die Klägerin erstmals im Wintersemester 2008/2009, nahm aber an keinem der beiden Prüfungstermine dieses Semesters teil. Auch im Sommersemester 2009 belegte die Klägerin dieses Studienfach, ohne einen der Prüfungstermin wahrzunehmen.

In der zweiten Prüfungsphase des Wintersemesters 2009/2010 (sog. „Nachprüfung“), in der statt der zur Erreichung des Leistungsnachweises erforderlichen beiden 90-minütigen Klausuren eine 120-minütige Klausur angeboten wurde, die den maßgeblichen Lehrstoff zusammenfasste, erreichte die Klägerin für die am 22. März 2010 geschriebene Klausur eine Bewertung von 11 von erreichbaren 26 Punkten; die Klausur wurde mit der Note 5,0 bewertet.

Im Sommersemester 2010 belegte die Klägerin das Fach Mathematik zum vierten Mal. In diesem Semester waren die Prüfungsbedingungen dahin modifiziert worden. dass sowohl im ersten Prüfungszeitraum (Juni/Juli 2010) als auch im zweiten Prüfungszeitraum (Ende September 2010) je zwei 90-minütige Klausuren angeboten wurden, für die jeweils 20 Punkte zu erreichen waren und die bei einer Punktzahl von weniger als 10 Punkten mit mangelhaft bewertet wurden. Sofern eine der beiden Klausuren nicht bestanden war, konnte die bestandene Klausur in den zweiten Prüfungszeitraum übertragen werden. Den ersten Prüfungszeitraum nutzte die Klägerin nicht. Im zweiten Prüfungszeitraum schrieb sie am 16. September und 23. September 2010 jeweils eine der beiden für den Leistungsnachweis erforderlichen Klausuren. Die erste Klausur wurde mit 11,5 Punkten, die zweite mit 4,5 Punkten bewertet. In einer zusammenfassenden Bewertung beider Klausuren erhielt die Klägerin 16 Punkte und die Note 5. Die Klausur wurde am 30. September 2010 zurückgegeben. Mit E-Mail vom selben Tag bat die Klägerin die Prüferin um einen anderen Termin zur Klausurrückgabe, da sie sich in dem Termin geirrt habe, ferner bat sie um eine mündliche Nachprüfung, die die Prüferin jedoch mit E-Mail vom selben Tag unter Hinweis darauf ablehnte, dass der Prüfungszeitraum abgelaufen sei.

Mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 legte die Klägerin „gegen die Benotung des Faches Mathematik“ Widerspruch ein und bat um Einsicht in die Klausur sowie Musterlösungen und sonstige Bewertungsgrundlagen. Mit E-Mail vom 26. Oktober 2010 erläuterte die Klägerin, dass ihr Widerspruch die von ihr im Nachprüfungszeitraum des letzten Semesters absolvierten Klausuren und die Klausur des vorletzten Nachprüfungszeitraums betreffe.

Nachdem die Klägerin wiederholt um Klausureinsicht gebeten hatte, übersandte ihr die Beklagte eine Kopie der am 23. September 2010 geschriebenen Klausur sowie eine Stellungnahme zur Klausurbewertung der Dozentin J… vom 4. November 2010 zu dieser sowie zu der am 16. September 2010 geschriebenen Klausur.

Die Klägerin bestätigte mit Schreiben vom 13. Januar 2011 den Erhalt der Unterlagen, beanstandete das Fehlen von Kopien der Klausur vom 16. September 2010 sowie der Klausur aus dem Nachprüfungszeitraum des Wintersemesters 2009/2010 (22. März 2010) und erhob eine Reihe von Einwendungen gegen die Bewertung der Klausur vom 23. September 2010. Unter anderem beanstandete die Klägerin, dass keine Zweitkorrektur stattgefunden habe. Hinsichtlich der weiteren Einwände gegen die Bewertung wird auf das Schreiben der Klägerin vom 13. Januar 2011 Bezug genommen.

Im November 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass beabsichtigt sei, sie wegen Nichtbestehens des Studienfachs Mathematik zu exmatrikulieren. Diese Exmatrikulation erfolgte durch Bescheid vom 25. Januar 2011.

Mit Stellungnahmen vom 2. Februar 2011 äußerten sich die Dozentin J… als erste Prüferin und Prof. E… als Zweitkorrektorin zu den von der Klägerin mit Schreiben vom 13. Januar 2011 erhobenen Einwendungen gegen die Bewertung der Klausur vom 23. September 2010. Diese Stellungnahmen sowie Kopien der Klausuren vom 22. März und 16. September 2010 wurden der Klägerin mit Schreiben vom 16. Februar 2011 übersandt.

Mit der am 26. Februar 2011 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen ihre Exmatrikulation.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, die Bewertung der am 22. März 2010 geschriebenen Klausur sei insbesondere hinsichtlich der Aufgaben 2 und 4 fehlerhaft erfolgt. Die Klausur hätte als bestanden gewertet werden müssen. Zu Unrecht habe die Prüferin ihrer Bewertung zugrunde gelegt, dass die Klägerin bei der Lösung der Aufgaben 2 und 4 nicht die zur Lösung führenden Berechnungsschritte dargestellt, sondern lediglich das Ergebnis aufgeführt habe. Der Aufgabenstellung „Bestimmen Sie die Lösung von…“ bzw. „Bestimmen Sie die folgenden Integrale…“ sei nicht zu entnehmen gewesen, dass auch die Rechenwege als zu bewertende Prüfungsleistung darzustellen waren. Im Unterschied dazu sei bei anderen Teilaufgaben der Klausur in der Aufgabenstellung gefordert worden, eine Lösung zu „berechnen“, was dahin zu verstehen gewesen sei, dass auch Rechenwege darzustellen waren. Für die die Aufgabe 2 hätten daher zusätzlich 3 Punkte und für die Aufgabe 4 zusätzlich 2 Punkte vergeben werden müssen, so dass die Klägerin für die Klausur insgesamt 16 Punkte und damit die Note 3,3 hätte zuerkannt bekommen müssen. Soweit der Klägerin vorgeworfen worden sei, bei der von ihr zur Lösung der Aufgabe 7 gewählten Formel die Aufgabe zu sehr vereinfacht zu haben, rechtfertige dies keine Abwertung.

Soweit die Beklagte sich auf den Ablauf der Wiederholbarkeitsfrist berufe, stehe dem entgegen, dass der Klägerin erstmals im Sommersemester 2010 Gelegenheit geboten worden, den 2. Teil der für das Bestehen des Studienfachs erforderlichen Klausur zu schreiben und dass in den einzelnen Semestern, in denen die Klägerin die Prüfungsleistung im Fach Mathematik zu erbringen gehabt habe, insoweit unterschiedlich verfahren worden sei, als zum einen eine Klausur, zum anderen zwei Klausuren gefordert wurden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 25. Januar 2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der gegen die Bewertung der Klausur vom 22. März 2010 erhobenen Einwände der Klägerin nimmt die Beklagte Bezug auf die mit Schriftsatz vom 26. Januar 2012 übersandten Stellungnahmen der Prüferin Prof. … vom 3. und 6. Januar 2012, die darin erläutert, dass alle Prüflinge darüber informiert worden seien, dass es eine Standardanforderung bei schriftlichen Leistungskontrollen sei, auch die Nachvollziehbarkeit von Berechnungsschritten darzustellen. Da sich die Klausur auf den Lehrstoff bezogen habe, der zuvor im seminaristischen Unterricht vermittelt worden sei, hätten die Klausurteilnehmer die Aufgabenstellung der Aufgaben 2. und 4. in der Klausur dahin verstehen müssen, dass auch das ihnen zur Lösung derartiger Aufgaben vermittelte methodische Vorgehen darzustellen war.

Soweit die Klägerin beanstandet habe, dass ihre am 23. September 2010 geschriebene Klausur keiner Zweitkorrektur unterzogen worden sei, treffe dies nicht zu. Dass eine Zweitkorrektur stattgefunden habe, ergebe sich vielmehr aus einem auf der Klausur angebrachten Vermerk der Prüferin Prof. E… vom 27. September 2010 und aus deren Stellungnahme vom 2. Februar 2011.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 8. März 2012 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Gründe

Soweit in der Klageschrift angekündigt worden ist, auch die Aufhebung eines Bescheides der Beklagten vom 7. Januar 2011 zu begehren, hat die Klägerin nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung daran nicht mehr festgehalten. Das Schreiben der Dekanin der Fachbereichs V der Beklagten vom 7. Januar 2011 stellte ersichtlich keine Regelung im Sinne eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 VwVfG zu Lasten der Klägerin dar, sondern hatte lediglich informatorischen Charakter, so dass ein Rechtsschutzbedürfnis für ein auf Aufhebung dieses Schreibens gerichtetes Klagebegehren ohnehin nicht ersichtlich gewesen wäre.

Soweit die Klägerin die Aufhebung des Exmatrikulationsbescheides vom 25. Januar 2011 begehrt, ist die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des Exmatrikulationsbescheides ist § 15 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin - BerlHG - in der Fassung vom 13. Februar 2003 (GVBl. S.83), maßgeblich zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Dezember 2010 (GVBl. S. 560). Danach sind Studierende zu exmatrikulieren, wenn sie die in dem gewählten Studiengang vorgeschriebenen Leistungsnachweise oder eine vorgeschriebene Prüfung endgültig nicht bestanden haben.

Diese Voraussetzungen für die Exmatrikulation liegen vor, da die Klägerin in dem Pflichtfach „Mathematik“ (vgl. Anlage 3 zur Studienordnung für den Studiengang Biotechnologie vom 27. Mai 2009, Amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr. 75/2008) den vorgeschriebenen Leistungsnachweis endgültig nicht erbracht hat.

Nach § 11 Abs. 1 und 2 der Bestimmungen der Grundsätze für Prüfungsordnungen der Technischen Fachhochschule Berlin (jetzt: Beuth Hochschule für Technik Berlin) vom 3. Juni 2004 (Rahmenprüfungsordnung - RPO III -, amtliche Mitteilungen der Beklagten Nr. 77/2004) stehen für Wiederholungen von Leistungsnachweisen die drei Semester zur Verfügung, die dem Semester der Erstbelegung unmittelbar folgen. Nach Ablauf der Prüfungsfrist ist ein erfolgreicher Abschluss des Studiums in dem zugehörigen Studiengang nicht mehr möglich, wenn es sich bei dem Modul um ein Pflichtmodul handelt. Gemäß § 12 Abs. 3 RPO III wird mit der Belegung eines Moduls gleichzeitig der Wille zur Teilnahme an den zugehörigen Leistungsnachweisen innerhalb des Semesters bekundet. Die Erstbelegung ist somit eine verbindliche Prüfungsanmeldung. Es sind maximal drei Prüfungsversuche zulässig.

Für die Klägerin lief die Frist für die Wiederholung der Klausur im Fach Mathematik, das sie erstmals im Wintersemester 2008/2009 belegt hatte, mit Ablauf des Sommersemesters 2010 ab. Die bis dahin von der Klägerin absolvierten Prüfungen sind zu Recht als nicht bestanden bewertet worden.

Soweit die Klägerin meint, ihre im Wintersemester 2009/2010 im zweiten Prüfungszeitraum am 22. März 2010 geschriebene Klausur („Nachschreibklausur“) sei als bestanden zu bewerten, weil ihr für die Aufgaben 2 und 4 insgesamt fünf weitere Punkte hätten zuerkannt werden müssen, so dass sie von den für die Klausur erreichbaren 26 Punkten insgesamt 16 Punkte erreicht hätte, ist ihr nicht zu folgen. Die Klägerin stützt sich darauf, dass der bei beiden Aufgaben vorgenommene Punktabzug nicht darauf hätte gestützt werden dürfen, dass die zur Lösung der Aufgaben führenden Berechnungsschritte in der Klausur gefehlt hätten.

Zwar geht die Klägerin zutreffend davon aus, dass ihr für die Lösung der Aufgabe Nr. 2 die dafür vorgesehenen drei Punkte nicht zuerkannt wurden, weil sie lediglich die Lösung der Aufgabe, nämlich das Ergebnis der drei Unbekannten, nicht aber die dahin führenden Berechnungsschritte aufgeführt hatte („wo sind die Berechnungsschritte??“) und dass ihr dementsprechend die für den zweiten Teil der Aufgabe Nr. 4 vorgesehen zwei Punkte deshalb nicht zuerkannt wurden, weil auch hier lediglich das Ergebnis, nicht aber der dahin führende Rechenweg dargestellt wurde („wo ist die Rechnung?“). Hätte die Klägerin für diese beiden Aufgaben die volle Punktzahl zu beanspruchen, wäre die Klausur mit insgesamt 16 Punkten und damit entsprechend dem im Informationsblatt der Prüferin Prof. E… für das Wintersemester 2009/2010 herausgegebenen Bewertungsschema mit der Note 3,3 zu bewerten gewesen.

Indes liegt der geltend gemachte Bewertungsfehler nicht vor. Zwar dürfte sich allein aus der Tatsache, dass in der der Klausur zugrunde liegenden Lehrveranstaltung die Verfahren bzw. Methoden vermittelt wurden, mathematische Fragestellungen zu beantworten, nicht ergeben, dass dies selbstverständlich auch Gegenstand der mit der Klausur zu erbringenden Prüfungsleistung war. Daraus ergibt sich zunächst, dass auch die Darstellung der erlernten Rechenwege zulässiger Prüfungsstoff war. Hinzukommen musste eine unmissverständliche Aufgabenstellung. Daran fehlte es hier nicht. Die Auffassung der Klägerin, die Aufgabenstellung („Bestimmen Sie…“) sei nicht dahin zu verstehen, dass außer der Lösung auch der dahin führende Rechenweg darzustellen sei, trifft nicht zu. Auch ließ die Aufgabenstellung der Klägerin nicht die Wahl, entweder lediglich die Lösung zu notieren oder auch den dahin führenden Rechenweg darzustellen. Für die Aufgabenstellung hatte die Prüferin erkennbar bewusst diese Formulierung und nicht etwa eine Formulierung gewählt, die es der Klägerin überlassen hätte, statt des Lösungsweges lediglich das Ergebnis niederzuschreiben. Dies wäre etwa der Fall gewesen, wenn die Aufgabenstellung gelautet hätte „wie ist die Lösung…?“ bzw. „wie lautet die Lösung/das Ergebnis…?“ oder „wie ist das Ergebnis…?“ oder auch „Nennen Sie das Ergebnis…!“ bzw. „Geben Sie die Lösung… an!“. Dem entgegen weist die Aufforderung „Bestimmen Sie“, dahin, dass die Lösung nach einer bestimmten rechnerischen Methode zu ermitteln und dass auch diese Methode zur Ermittlung der Lösung (hier zur Auflösung einer Gleichung mit Unbekannten bzw. zur Ermittlung einer Integralen) darzustellen ist. Mit „Bestimmen“ ist die Aufforderung gemeint, die Methode zur Ermittlung der Lösung nicht nur anzuwenden, sondern diesen Vorgang in der Klausur auch erkennbar werden zu lassen, d.h. den Lösungsweg nachvollziehbar darzustellen. Die Prüfungsaufgabe bestand also, da nicht nur nach der Lösung, sondern nach deren Bestimmung gefragt wurde, ersichtlich darin, glaubhaft darzustellen, wie die Lösung gefunden wurde. Dafür, dass die Aufforderung „Bestimmen Sie“ es auch zugelassen habe, lediglich das Ergebnis zu nennen hat die Klägerin nichts außer dieser Behauptung vortragen können. Soweit sie geltend macht, bei anderen Aufgaben derselben Klausur sei ausdrücklich auch nach dem Lösungsweg gefragt worden, so dass sie bei den Aufgaben 2 und 4 von einer anders lautenden Prüfungsleistung habe ausgehen dürfen, trifft nicht zu. Die Aufgabenstellung „Berechnen Sie. . .!“ ist ebenso wenig eine explizite Aufforderung, das bei der Berechnung angewandte Verfahren darzustellen. Ebenso wie dort hätte die Klägerin daher die Aufgabenstellung „Bestimmen Sie. . .!“ als Aufforderung verstehen müssen, auch den Rechenweg zu beschreiben.

Es ist im Übrigen offensichtlich, dass die Prüfungsleistung bei der Auflösung einer Gleichung mit drei Unbekannten und der Bestimmung einer Integralen nicht allein darin bestehen kann, das Ergebnis zu nennen, sondern unter Beweis zu stellen, dass die Methode beherrscht wird, um dieses Ergebnis zu finden. Nur so ist es dem Prüfer möglich, bei der Bewertung der Lösung auch das methodische Vorgehen zu berücksichtigen und bei der Bewertung auch nach der Art des gewählten Rechenweges zu differenzieren.

Soweit die Klägerin auch die Bewertung ihrer Lösung zur Aufgabe Nr. 7 in der Klausur vom 22. März 2010 beanstandet hat, hat die Prüferin Prof. E… in ihrer Stellungnahme vom 6. Januar 2012 erläutert, dass die Klägerin hier völlig falsche Umformungen durchgeführt habe, aus denen sich eindeutige Hinweise auf ein geringes mathematisches Verständnis ergeben hätten. Dem ist die Klägerin nicht mehr substantiiert entgegengetreten, sondern hat sich mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 auf den Einwand beschränkt „die Umformungen sind nicht falsch“ und „was soll denn an den Umformungen falsch sein?“.

Zwar wendet sich die Klägerin zu Recht gegen die Stellungnahme der Prüferin, eine Höherbewertung der Klausur mit 5 Punkten hätte nicht zu einer Notenänderung geführt, jedoch beruht die entsprechende Äußerung der Prüferin erkennbar auf dem Irrtum, dass der Klägerin für die Klausur im Übrigen lediglich 5 Punkte (richtig jedoch: die Note 5) zuerkannt worden seien. Ein Bewertungsfehler ergibt sich hieraus auch deshalb nicht, weil es sich insoweit lediglich um eine Hilfserwägung der Prüferin handelt.

Soweit die Klägerin geltend macht, im Sommersemester 2010, in dem sie erneut versuchte, die Prüfungsleistung im Studienfach „Mathematik“ zu bestehen, sei ihr in unzulässiger Weise ein Prüfungsversuch in der ersten Prüfungsphase (3. Juni/16. Juli) vorenthalten worden, so dass sie lediglich in der zweiten Prüfungsphase Ende September die Möglichkeit gehabt habe, die Prüfungsleistung zu absolvieren, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar behauptet die Klägerin, sie habe zunächst davon ausgehen dürfen, dass sie die Prüfungsleistung bereits im Wintersemester 2009/2010 bestanden habe und dass daher aus ihrer Sicht eine Wiederholung der Prüfung entbehrlich gewesen sei. Sie hat jedoch nicht substantiiert dargelegt, dass sie das (negative) Klausurergebnis aus dem Wintersemester 2009/2010, das sich aus der am 22. März 2010 geschriebenen Klausur ergab, aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen erst nach Ablauf des ersten Prüfungszeitraums des Sommersemesters 2010 erfahren habe, und dass sie zuvor keinerlei Möglichkeit gehabt habe, sich entsprechende Kenntnis zu verschaffen. Unabhängig davon spricht nichts dafür, dass die Klägerin allein bei fehlender Ergebnismitteilung auf ein Bestehen der Prüfung hätte vertrauen dürfen. Jedenfalls aber im Nachprüfungszeitraum des Sommersemesters 2010 musste die Klägerin (positiv) gewusst haben, dass die die Prüfung nicht bestanden hatte, da sie ansonsten an den Klausurterminen am 16. und 23. September 2010 nicht teilgenommen hätte.

Soweit die Klägerin beanstandet, dass die von ihr im Sommersemester 2010 in zwei Klausurterminen (16. und 23. September 2010) geschriebenen Klausuren ohne die nach § 33 Abs. 1 Satz 1 BerlGH und § 11 Abs. 3 RPO III erforderliche Zweitkorrektur geblieben seien, trifft dies ersichtlich nicht zu; denn auf der von der Erstprüferin J… bewerteten, aus zwei Teilen bestehenden Klausur, die im zweiten Teil eine zusammenfassende Bewertung des ersten und zweiten Teils enthält, bestätigte Prof. E… als Zweitkorrektorin das Ergebnis und in ihrer Stellungnahme vom 2. Februar 2011 erläuterte die Zweitkorrektorin ergänzend, dass sie sowohl die Klausur als auch das Bewertungsschema vorab mit der Erstkorrektorin abgestimmt, dass die die Aufgabe mit der Erstkorrektorin besprochen und deren Korrekturanmerkungen nichts hinzuzufügen gehabt habe. Ferner bestätigte die Zweikorrektorin, dass sie auch die von der Erstkorrektorin abgegebene Stellungnahme zu den gegen die Bewertung erhobenen Einwänden der Klägerin mit der Erstkorrektorin abgestimmt habe und dass deren Stellungnahme daher auch ihre Ansicht wiedergebe. Gegen diese Verfahrensweise ist nichts einzuwenden. Insbesondere war die Zweitkorrektorin nicht verpflichtet, eine (weitere) eigenständige Begründung für die von ihr mitgetragene Bewertung abzugeben (vgl. dazu bereits BVerwGE 91, 262).

Die gegen die Bewertung der am 23. September 2010 geschriebenen Klausur erhobenen Einwände der Klägerin greifen nicht durch.

Soweit die Klägerin hinsichtlich der Aufgabe 1., bei der zwei bestimmte Integrale zu lösen waren, der Prüferbemerkung, bei Teil 1. der Aufgabe sei das Integral falsch umgeformt worden und Grenzen fehlten, entgegensetzt, dass sie die Grenzen ermittelt und mit ihnen gerechnet habe, hat die Erstkorrektorin (und ihr folgend die Zweitkorrektorin) in der Stellungnahme vom 2. Februar 2011 ihre Bewertung dahin erläutert, dass das zu berechnende Integral als Unbestimmtes, also ohne Grenzen notiert worden sei und dass die Klägerin diese Grenzen aber im letzten Rechenschritt in die Stammfunktion eingesetzt habe. Dies sei inkonsistent und daher mit einem Punktabzug von 0.25 berücksichtigt worden. Für das falsche Ergebnis sei ein weiterer Punktabzug von 0,5 vorgenommen worden. Dieser vertieften Bewertungsbegründung hat die Klägerin nichts weiter entgegengesetzt.

Dem Argument Klägerin, bei derselben Aufgabe folge aus der Prüferbemerkung, das Integral sei falsch umgeformt worden, dass dabei die Prüferin übersehen habe, dass sich dies in Zeile 4 der Klausurlösung befinde, wurde seitens der Prüferin entgegengehalten, dass für die zwar falsche Umformung des Integrals, mit der aber nicht weitergerechnet worden sei, ein Punktabzug nicht erfolgt sei. Auch hiergegen hat die Klägerin keine weiteren Einwände erhoben.

Gleiches gilt, soweit die Klägerin beanstandet hatte, dass sie bei Teil 2 der Aufgabe 1. zwar mit falschem Ansatz begonnen dann aber richtig weitergerechnet habe, so dass drei von vier möglichen Punkten zu vergeben gewesen wären. In der Stellungnahme der Prüferin, dass dies nicht zutreffe, sondern dass die Klägerin bei der Berechnung der Koeffizienten erneut falsch vorgegangen sei, daraufhin eine völlig falsche Stammfunktion des von ihr aufgestellten Integrals bestimmt und sich beim Einsetzen der Grenzen wiederum verrechnet habe, hat die Klägerin nichts Substantiiertes entgegengehalten.

Soweit die Klägerin bei der Bewertung der Aufgabe 2., in der das Volumen eines Rotationskörpers zu berechnen war, die Prüferbemerkung, sie sei hier von einem falschen Ansatz ausgegangen, damit anzugreifen versucht, dass sie bei dieser Aufgabe (lediglich) einen Folgefehler durch Umschreibungsfehler begangen habe, so dass ihr von den drei möglichen Punkten 2,5 Punkte hätten zuerkannt werden müssen, kann sie damit nicht durchdringen. Die Prüferin hat dem Einwand der Kläger entgegengehalten, dass ihre Lösung mehrere Fehler enthalte und dass sie bei der Substitution mehrfach falsch vorgegangen sei, so dass zweimal 0,5 Punkte hätten abgezogen werden müssen. Insoweit handelt es sich um eine reine Bewertungsfrage, die die Gewichtung der - auch nach Auffassung der Klägerin - nur in Teilen zutreffenden Lösung betrifft.

Dasselbe trifft auf die Bewertung der Lösung der Aufgabe 3. zu. Die Klägerin meint, sie habe hier lediglich Grenzen verwechselt, gleichwohl aber mit falscher Schrittweise konsequent weitergerechnet, so dass nur ein Folgefehler vorliege und ihr daher von den drei möglichen Punkten 2,5 Punkte hätten zuerkannt werden müssen. Die Prüferin hat dem entgegengehalten, dass das Vorgehen der Klägerin bei der Lösung dieser Aufgabe völlig inkonsistent sei, da sie über den Wert „h“ zwei verschiedene Werte angegeben habe und ihr daher nur 1 Punkt für die jedenfalls konsequente Berechnung bzw. Weiterrechnung habe zuerkannt werden können. Auch dies ist eine Frage der Bewertung der - auch nach Ansicht der Klägerin - allenfalls teilweise richtig gelösten Aufgabe.

Auch bei der Aufgabe Nr. 4., in der das Wachstum einer Bakterienpopulation zu berechnen war, und wo die Klägerin meint, sie habe zwar einen richtigen Ansatz gewählt, dann aber falsche Variablen eingesetzt und den zweiten Teil der Aufgabe nicht gelöst, so dass ihr nur 1 Punkt hätte abgezogen werden dürfen, rügt sie erfolglos eine der gerichtlichen Prüfung nicht zugängliche Bewertungsfrage. Die Prüferin hat insoweit ergänzend erläutert, dass in der Lösung der Klägerin lediglich ein richtiger Grundansatz angegeben worden sei, der aber aus den zulässigerweise verwendeten Hilfsmittelen habe entnommen werden können, dass aber nicht erkennbar gewesen sei, welche Größe gesucht wurde und dass daher von den vier möglichen Punkten nur 0,25 Punkte hätten vergeben werden können. Dass insoweit die einem Prüfer bei der Gewichtung einer unstreitig jedenfalls in Teilen falschen Lösung gesetzten Grenzen überschritten worden sein könnten, ist nicht erkennbar.

Soweit bei der Bewertung der Aufgabe 5., bei der die Lösung bestimmter Anfangswertprobleme zu berechnen war, seitens der Prüferin beanstandet wurde, dass eine Lösung fehle, meint die Klägerin, dass ihr jedenfalls zwei der sechs möglichen Punkte hätten zuerkannt werden müssen, weil sie in beiden Teilaufgaben die Formel und die Umformung richtig vorgenommen und für den zweiten Teil immerhin einen Rechenansatz geliefert habe. Dem hält die Prüferin entgegen, dass im Teil 1 der Aufgabe die Formel lediglich abgeschrieben und eine nicht weiterführende Umformung vorgenommen worden sei und dass in Teil 2 der Aufgabe von einem falschen Ansatz und zwei falschen Umformungen ausgegangen worden sei. Abgesehen davon, dass die Klägerin auch insoweit keine weiteren substantiierten Einwände erhoben hat, greift sie auch hier erfolglos die allein dem Beurteilungsspielraum der Prüferin obliegende Frage an, ob und ggf. inwieweit Lösungsansätze bei einer im Ergebnis nicht bewältigten Prüfungsaufgabe noch zu einer positiven Bewertung führen können.

Ein weiterer Prüfungsversuch steht der Klägerin nicht zu, da die Wiederholbarkeitsfrist (§ 11 Abs. 1 RPO III) abgelaufen ist. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen insoweit nicht. Das Gericht folgt insoweit der Rechtsprechung der 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin, die in ihrem Urteil vom 19. Mai 2010 (VG 12 K 512.09) ausgeführt hat, dass die Regelung der Wiederholbarkeitsfrist insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts verstoße. Zwar greife eine solche Regelung in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) ein, ein solcher Eingriff, der nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig sei, werde jedoch durch § 31 Abs. 1 BerlHG zugelassen. Danach seien Hochschulprüfungen auf der Grundlage von Prüfungsordnungen abzunehmen, die von den Hochschulen erlassen werden und die u.a. die Voraussetzungen für die Wiederholung der Prüfung sowie das Prüfungsverfahren festlegten. Damit sei der Gegenstand der vorgesehenen Prüfungsordnung hinreichend bestimmt; denn der Gesetzgeber, der in § 15 Satz 3 Nr. 4 BerlHG zum Ausdruck gebracht habe, dass Prüfungen endgültig nicht bestanden werden könnten, ermächtige die Hochschule vor diesem Hintergrund, die Einzelheiten des Prüfungsverfahrens zu regeln. Diese Ermächtigung umfasse nicht nur, dass die Hochschulen die Anzahl der Prüfungswiederholungen sondern auch den Zeitraum, innerhalb dessen die Prüfung abzulegen sei, bestimmten dürften. Es sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber selbst keine detaillierten Vorgaben darüber mache, ob eine Wiederholbarkeitsfrist in den Prüfungsordnungen zu regeln bzw. wie eine solche im Einzelnen auszugestalten sei. Es genüge vielmehr, dass der Gesetzgeber in § 15 Satz 3 Nr. 4 BerlHG vorgegeben habe, dass die Wiederholbarkeit von Prüfungen beschränkt werden könne, die Einzelheiten aber dem Normgeber für die Prüfungsordnung überlassen habe. Der eigentliche (zulässige) Grundrechtseingriff liege somit darin, dass der Berufszugang vom Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht werde, sowie darin, dass die Wiederholbarkeit von Prüfungen begrenzt sei. Die Regelung von Art und Weise der Durchführung der Prüfung stelle demgegenüber keinen zusätzlichen Eingriff in die Grundrechtsposition des Betroffenen dar. Daraus folge, dass die Festlegung der Verfahrensvorschriften im Einzelnen nicht zu den dem Gesetzgeber vorbehaltenen Leitentscheidungen gehöre. Die Ausgestaltung der Einzelheiten hinsichtlich der Anzahl der Wiederholungsmöglichkeiten und der zeitlichen Befristung für Wiederholungen der Hochschule zu überlassen, sei umso eher angezeigt, als die das Prüfungsrecht beherrschende Grundsätze ohnehin Verfassungsfragen hätten, nämlich der Grundsatz der Chancengleichheit und das Rechts-staatsprinzip, das hier als Anspruch auf ein faires und unparteiisch geführtes Prüfungsverfahren in Erscheinung trete.

Auch nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg ist gegen die Begrenzung der Prüfungsmöglichkeiten durch eine Wiederholbarkeitsfrist verfassungsrechtlich nichts einzuwenden. In Anbetracht der dem Prüfling von der Hochschule eingeräumten großzügigen Wiederholungsmöglichkeiten von insgesamt vier Semestern, in denen er sich den Prüfungsstoff aneignen kann und in denen ihm jeweils zwei Prüfungszeiträume zur Verfügung stehen, um einen der insgesamt möglichen drei Prüfungsversuche durchzuführen, ergänzt durch die Möglichkeit, sich aus wichtigem Grund - z.B. bei Krankheit oder sozialen Problemen - beurlauben zu lassen, ist dem aus Art. 12 Abs. 1 GG herzuleitenden Recht des Studierenden, innerhalb angemessener Zeit sein Studium absolvieren zu können, Genüge getan (vgl. Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 5. Februar 2010 - OVG 5 M 12.09 -).

Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin schließlich darauf, dass die Wiederholbarkeitsfrist in ihrem Fall nicht schon mit der erstmaligen Belegung des Studienfachs „Mathematik“ im Wintersemester 2008/2009 zu laufen begonnen habe, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, da ihr nicht in jedem der Prüfungszeiträume der in Rede stehenden Semester die Möglichkeit gegeben worden sei, die zum Bestehen des Studienfachs Mathematik erforderliche Klausurleistung in derselben Form, nämlich entweder durch eine einheitliche Klausur oder durch zwei Teilklausuren, zu bestehen. Diese Rechtsansicht ist eher fernliegend. Die Bestimmung, ob die nach der Studien- und Prüfungsordnung vorgeschriebene, durch Klausurleistung zu erbringende Prüfungsleistung durch eine einheitliche oder durch zwei Teilklausuren zu erbringen war, unterlag dem Gestaltungsspielraum der zuständigen Prüferinnen. Dazu gehörte sowohl die Entscheidung, ob die im ersten Prüfungszeitraum eines Semesters in Form von zwei Teilklausuren zu erbringende Prüfungsleistung im zweiten Prüfungszeitraum in einer den Prüfungsstoff zusammenfassenden einheitlichen Klausur wiederholt werden durfte (wie dies im Sommersemester 2009 und im Wintersemester 2009/2010 der Fall war), als auch die Entscheidung, dass in beiden Prüfungszeiträumen eines Semesters jeweils zwei Teilklausuren zu schreiben waren und eine bestandene Teilklausur in den nächsten Prüfungszeitraum übertragen werden durfte (wie dies im Sommersemester 2010 der Fall war). Über die jeweiligen Prüfungsmodalitäten wurden die Studierenden durch die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Juni 2011 vorgelegten, zu den jeweiligen Semestern herausgegebenen Informationsblätter hinreichend informiert. Dass der Klägerin durch diese während des gesamten ihr zur Verfügung stehenden Wiederholungszeitraums variierten Klausurbedingungen prüfungsrechtlich relevante Nachteile entstanden sein könnten, ist weder ersichtlich, noch von ihr substantiiert dargelegt worden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

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